„Das wäre unter Benedikt XVI. nie passiert“ – Erster Jahrtag für den deutschen Papst im Petersdom

Erzbischof Gänswein: "Er ist ein leuchtendes Beispiel"


Im Zuge der Gedenkmesse im Petersdom besuchte Erzbischof Georg Gänswein auch das Grab Benedikts XVI. in den Vatikanischen Grotten
Im Zuge der Gedenkmesse im Petersdom besuchte Erzbischof Georg Gänswein auch das Grab Benedikts XVI. in den Vatikanischen Grotten

(Rom) Am Sonn­tag, dem 31. Dezem­ber, Sil­ve­ster, wur­de des ersten Todes­ta­ges von Bene­dikt XVI. gedacht. Sein eng­ster Mit­ar­bei­ter, Titu­lar­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, durf­te dazu in den Vati­kan zurück­keh­ren und im Peters­dom die Gedenk­mes­se fei­ern. Er bezeich­ne­te Bene­dikt XVI., dem er vie­le Jah­re als Pri­vat­se­kre­tär gedient hat­te, als „leuch­ten­des Bei­spiel“. Akzen­tu­ier­te­re Aus­sa­gen tätig­te am Ran­de der Zele­bra­ti­on hin­ge­gen Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der einst von Bene­dikt XVI. ein­ge­setz­te Glau­bens­prä­fekt der Kirche, .

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Erz­bi­schof Gäns­wein konn­te ein hal­bes Jah­re nach sei­ner unsanf­ten Ent­fer­nung aus dem Kir­chen­staat wie­der nach Rom zurück­keh­ren. Dort tat man so, als sei nie etwas vor­ge­fal­len. Auch Gäns­wein hielt sich in aller Wür­de daran.

Zur Erin­ne­rung: Im Janu­ar 2020 wur­de das Buch „Aus der Tie­fe des Her­zens. Prie­ster­tum, Zöli­bat und die Kri­se der katho­li­schen Kir­che“ von Kar­di­nal Robert Sarah und Bene­dikt XVI. ver­öf­fent­licht. Dar­in ver­tei­di­gen sie das Wei­he­prie­ster­tum und den prie­ster­li­chen Zöli­bat und ver­hin­der­ten damit die bereits als sicher gel­ten­de Zöli­bats­auf­wei­chung im nach­syn­oda­len Schrei­ben der Ama­zo­nas­syn­ode. Da Fran­zis­kus kei­ne Hand­ha­be gegen Bene­dikt XVI. sah, bekam Erz­bi­schof Gäns­wein den päpst­li­chen Furor zu spü­ren. Bene­dikts Sekre­tär wur­de von sei­nem Amt als Prä­fekt des Päpst­li­chen Hau­ses unbe­fri­stet beurlaubt.

Weni­ge Tage nach dem Tod Bene­dikts XVI. wur­de Gäns­wein am 9. Janu­ar 2023 von Fran­zis­kus zu sich zitiert. Die berg­o­glia­ni­sche Pres­se prä­sen­tier­te die Begeg­nung irre­füh­rend als eine Art „Wie­der­se­hen zwi­schen dem Vater und dem ver­lo­re­nen Sohn“. In Wirk­lich­keit han­del­te es sich um eine knall­har­te Abrechnung. 

In sei­nem auto­bio­gra­phi­schen Buch „Nichts als die Wahr­heit“, das in jenen Tagen gera­de in den Buch­han­del gekom­men war, hat­te Gäns­wein auch eini­ge in der Sache eher unbe­deu­ten­de Details des Kon­kla­ves von 2013 berich­tet. Obwohl sich Fran­zis­kus selbst an weit rele­van­te­ren „Ent­hül­lun­gen“ nie gestört hat­te, wenn sie aus dem Mund von Berg­o­glia­nern kamen – man den­ke an Kar­di­nal God­fried Dan­neels, der 2015 über die Rol­le der „Mafia von Sankt Gal­len“, so der Kar­di­nal, erzähl­te –, droh­te er Gäns­wein, ihm einen Strick dar­aus zu dre­hen. Fran­ces­co Capoz­za rekon­stru­ier­te die wenig väter­li­che Begeg­nung zwi­schen Fran­zis­kus und Gäns­wein am 9. Janu­ar in der Tages­zei­tung Libe­ro:

„Nach der uns anver­trau­ten Rekon­struk­ti­on wäre Berg­o­glio bei der per­sön­li­chen Begeg­nung mit Erz­bi­schof Gäns­wein nicht sehr zim­per­lich gewe­sen und hät­te wegen des began­ge­nen ‚schwe­ren Ver­sto­ßes‘ sogar mit einem kano­ni­schen Ver­fah­ren (das im schlimm­sten Fall zur Lai­sie­rung füh­ren kann) gedroht, falls Gäns­wein noch ein­mal den Mund gegen­über der Pres­se auf­ma­chen soll­te. Es ist klar, daß Gäns­wein die Dro­hung ernst genom­men haben muß, denn auf unse­re schrift­li­che Bit­te vor zwei Tagen (5. Febru­ar) um ein Inter­view ant­wor­te­te er: ‚Lei­der sehe ich der­zeit kei­ne Mög­lich­keit, Inter­views zu geben, und zwar aus einem ein­fa­chen Grund, der in Pre­di­ger 3,7 erläu­tert wird.‘ Wir haben nach­ge­schaut. In die­sem Vers steht: ‚Eine Zeit zum Zer­rei­ßen und eine Zeit zum Nähen, eine Zeit zum Schwei­gen und eine Zeit zum Reden‘.“

Zudem erklär­te Fran­zis­kus dem treu­en Sekre­tär sei­nes ver­stor­be­nen Vor­gän­gers, kei­nen Bedarf mehr für ihn zu haben. Der Wink war deut­lich: Gäns­wein möge sich ver­zie­hen, wohin es ihm belie­be, habe aber Rom zu ver­las­sen. Um der Sache Nach­druck zu ver­lei­hen, wur­den ihm kurz dar­auf alle vati­ka­ni­schen Bezü­ge gestri­chen. Die­se Metho­de bekommt neu­er­dings sogar ein deut­lich rang­hö­he­rer Kir­chen­mann, Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, zu spü­ren.

Kurz vor der anbe­raum­ten Frist kehr­te Msgr. Gäns­wein im ver­gan­ge­nen Som­mer ohne Amt und Auf­trag in sein Hei­mat­bis­tum Frei­burg im Breis­gau zurück. Dort wur­de er eben­so freund­lich emp­fan­gen, wie er aus Rom ver­ab­schie­det wor­den war: Die Erz­diö­ze­se ließ die Öffent­lich­keit wis­sen, daß Msgr. Gäns­wein „kei­ne Stel­le im erz­bi­schöf­li­chen Ordi­na­ri­at und kei­ne dau­er­haf­te, feste Tätig­keit für die Erz­diö­ze­se über­neh­men“, sprich, erhal­ten wer­de. In der berg­o­glia­ni­schen Kir­che gibt es offen­bar kei­ne wirk­li­che Ver­wen­dung für ihn.

Mit Stel­lung­nah­men hält sich der deut­schen Prä­lat seit der päpst­li­chen Dro­hung zurück. Für den 18. Okto­ber 2023 war eine Aus­nah­me vor­ge­se­hen. Erz­bi­schof Gäns­wein soll­te bei einem aka­de­mi­schen Fest­akt der Fund­a­ción Uni­ver­si­ta­ria Espa­ño­la in Madrid spre­chen, bei dem eine Aula nach Bene­dikt XVI. benannt wer­den soll­te. Über­ra­schend wur­de der Fest­akt zwei Tage vor dem ange­setz­ten Ter­min und ohne Nen­nung von Grün­den abge­sagt. Es hieß ein­zig, es gebe „orga­ni­sa­to­ri­sche“ Pro­ble­me, was aller­dings wenig glaub­wür­dig war, da es sich nicht um irgend­ei­nen Fest­akt han­del­te, son­dern um die Eröff­nung des aka­de­mi­schen Jahres.

Es hat­te offen­sicht­lich eine Inter­ven­ti­on gegen die Teil­nah­me Gäns­weins gege­ben, wor­über sich berg­o­glia­ni­sche Medi­en erfreut zeig­ten. Da auch der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us für Spa­ni­en und der eme­ri­tier­te Erz­bi­schof von Madrid Kar­di­nal Rou­co Vare­la als Red­ner vor­ge­se­hen waren, ging der Blick nach der Absa­ge sofort in Rich­tung San­ta Mar­ta. Wer sonst hät­te soviel Macht?

Die „Zeit zum Reden“ ist für Erz­bi­schof Gäns­wein jeden­falls noch nicht gekom­men, wie sei­ne Pre­digt am Sonn­tag im Peters­dom zeig­te und auch ein Inter­view des deut­schen Able­gers von EWTN anläß­lich des ersten Todes­ta­ges von Bene­dikt XVI. bestä­tig­te. Gäns­wein fand ehren­de Wor­te für Bene­dikt XVI., die in San­ta Mar­ta aber nie­mand stö­ren konn­ten. So beton­te er: 

„Das Gebet Bene­dikts XVI. war vor allem in den letz­ten Jah­ren sei­nes Lebens von einer zuneh­men­den Inten­si­tät und Inner­lich­keit geprägt. Dies spie­gel­te sich auch in sei­ner Hal­tung und sei­nem Ant­litz wider. Es war mehr und mehr zur Betrach­tung des ein­zi­gen Herrn gewor­den, der in der Kraft des Hei­li­gen Gei­stes unab­läs­sig sei­ne Kir­che leitet.“

Ein­zig sei­ne Trä­nen im Peters­dom ver­rie­ten nicht nur die enge Ver­bun­den­heit mit dem deut­schen Papst, dem er so lan­ge gedient hat­te, son­dern wohl auch etwas von den Demü­ti­gun­gen, die er unter Fran­zis­kus ertra­gen muß. Schon im Som­mer 2016 hat­te Gäns­wein in einem Inter­view gesagt:

„Als lang­jäh­ri­ger Mit­ar­bei­ter der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, als Sekre­tär von Kar­di­nal Ratz­in­ger und Papst Bene­dikt, tra­ge ich offen­sicht­lich ein ‚Kains­mal‘. Ich bin nach außen ein­deu­tig ‚iden­ti­fi­zier­bar‘.“

Kardinal Müller: Benedikt XVI. hätte die jüngste Erklärung niemals gebilligt

Deut­li­cher wur­de dafür Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der auch an der Gedenk­mes­se im Peters­dom teil­nahm. Am Ran­de sag­te der von Bene­dikt XVI. 2012 ernann­te und von Fran­zis­kus 2017 ent­las­se­ne Prä­fekt der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on gegen­über der Pres­se­agen­tur Reu­ters, daß Bene­dikt nie­mals die jüng­ste Erklä­rung gebil­ligt hät­te, die es katho­li­schen Prie­stern erlaubt, gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re zu seg­nen. Wört­lich sag­te der Kardinal:

„Das wäre [unter Bene­dikt] nie passiert.“

Kar­di­nal Mül­ler woll­te mit der For­mu­lie­rung wohl auch unter­strei­chen, daß die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans auch nie unter ihm als Glau­bens­prä­fekt ver­öf­fent­licht wor­den wäre. Erst sei­ne Ent­las­sung durch Papst Fran­zis­kus im Som­mer 2017 mach­te sol­che Abwe­ge mög­lich, die durch die Ernen­nung von Vic­tor Manu­el Fernán­dez zum der­zei­ti­gen Glau­bens­prä­fek­ten beschrit­ten werden.

Daher stell­te Kar­di­nal Mül­ler am Sonn­tag gegen­über Reu­ters klar:

„So etwas wie die gleich­ge­schlecht­li­che Ehe gibt es nicht. Es gibt sie nicht, es kann sie nicht geben, trotz der Ideo­lo­gien, die wir heu­te haben.“

Vor die­sem Hin­ter­grund haf­tet den Wor­ten, die Papst Fran­zis­kus zuvor beim Ange­lus für sei­nen Vor­gän­ger gefun­den hat­te, doch ein etwas unan­ge­neh­mer Bei­geschmack an:

„Vor einem Jahr hat Papst Bene­dikt XVI. sei­nen irdi­schen Weg been­det, nach­dem er der Kir­che mit Lie­be und Weis­heit gedient hat. Wir emp­fin­den so viel Zunei­gung, so viel Dank­bar­keit, so viel Bewun­de­rung für ihn. Der Him­mel seg­ne uns und beglei­te uns. Einen herz­li­chen Applaus für Bene­dikt XVI.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­News (Screen­shot)

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