(Rom) Die Empörung über den Fall Rupnik und die anhaltenden Vorwürfe gegen Papst Franziskus, den ehemaligen Jesuiten gedeckt zu haben, führten zu einer interessanten Wende im Fall. Franziskus erteilte dem Dikasterium für die Glaubenslehre (vormals Glaubenskongregation) den Auftrag, den Fall noch einmal aufzurollen. Die Vorgehensweise ist nicht nur erstaunlich, sondern irritierend.
Der slowenische Jesuit Marko Ivan Rupnik, Gründer der Künsterkommune Centro Aletti, die seit den 90er Jahren ihren Sitz in Rom hatte und für die weltweiten Kunstaufträge an den Künstlerpriester verantwortlich ist, wird beschuldigt, zahlreiche Frauen, meist Ordensschwestern oder gottgeweihte Frauen, durch sexuellen und Machtmißbrauch geschädigt und dabei auch das Beichtsakrament eingesetzt zu haben. Die ältesten Fälle reichen bis in die Zeit zurück, als er noch in Slowenien wirkte.
Rupnik konnte, durch die Gunst der Päpste und hoher Prälaten, die zeitgenössische Sakralkunst prägen. Es gibt kaum ein Heiligtum von Weltrang, in dem sich nicht ein Mosaik oder Fresko des Mitbruders von Papst Franziskus im Jesuitenorden findet.
Die Glaubenskongregation unter Kardinal Luis Ladaria Ferrer behandelte die Anzeigen gegen Rupnik und fällte ein vernichtendes Urteil. Der Jesuit habe sich die Exkommunikation zugezogen. Doch wundersamerweise wurde dann alles abgebogen. Darauf wurde der Fall Rupnik, der bis dahin unter Ausschluß der Öffentlichkeit behandelt worden war, von Opfern publik gemacht. Damit stand die Frage im Raum, welche schützende Hand die Macht hat, sogar eine von der Glaubenskongregation festgestellte Exkommunikation abzuwenden.
Hinzu kommt, daß Rupnik von Papst Franziskus persönlich empfangen wurde. Worauf als einzige Sanktionen der Ausschluß aus dem Jesuitenorden folgte und die Anordnung, Rom verlassen zu müssen, sich aber eine Diözese seiner Wahl zum neuen Wohnsitz suchen zu können.
Vergangene Woche wurde bekannt, daß er die slowenische Diözese Koper (ital. Capodistria) wählte. Da die Angelegenheit großes öffentliches Interesse fand, nahm der dortige Bischof Stellung, indem er betonte, daß Rupnik kanonisch nicht verurteilt wurde, weshalb er als Priester wirken könne wie jeder andere auch.
Seine Künstlerkommune dürfte ebenfalls bald nach Slowenien bzw. in den slowenisch-italienischen Grenzraum übersiedeln. Diesbezüglich wurde noch nichts bekanntgegeben. In Rom wurden aber schon im Sommer die Kisten verpackt.
Nun aber wurde bekannt, daß die Päpstliche Kinderschutzkommission unter der Leitung von Kardinal Sean Patrick O’Malley OFMCap. „schwerwiegende Probleme im Umgang mit dem Fall des Priesters Marko Rupnik und einen Mangel an Nähe zu den Opfern“ beklagte, aber gleichzeitig freudig mitteilte, daß Franziskus die Verjährungsfristen aufgehoben habe, um eine erneute Untersuchung des Falles möglich zu machen.
Das erstaunt: einmal, weil sich die Kinderschutzkommission in den Fall Rupnik einschaltet. Bisher ist nicht bekannt, daß sich der damalige Jesuit an Minderjährigen vergangen hätte.
Zudem: Franziskus hatte die Ortsbischöfe und Ordinarien aufgefordert, bei Mißbrauchsfällen in kanonischen Verfahren die Verjährungsfristen nicht mehr gelten zu lassen. Im Fall Rupnik begründete er dann jedoch dessen Nicht-Verurteilung damit, daß die zur Anzeige gebrachten Fälle verjährt seien. Als Bischof von Rom hätte er selbst, laut seiner eigenen Aufforderung an die Bischöfe, die Verjährungsfristen aufheben können.
Papst Franziskus ordnete also überraschend an, den Fall Rupnik noch einmal aufzurollen. Der Auftrag erging erneut an die Glaubenskongregation. Das irritiert. Diese hatte den Fall ja bereits behandelt und war zum erwähnten vernichtenden Urteil gelangt, dessen Umsetzung aber verhindert wurde. Warum also eine erneute Befassung?
Der von Franziskus neuernannte Glaubenspräfekt Kardinal Victor Manuel Fernández hatte nach seiner Ernennung in seinen zahlreichen Interviews betont, daß er nichts mit der Ahndung von Mißbrauchsfällen, für die sein Dikasterium zuständig ist, zu tun haben wolle. Er nannte Anfang Juli die Behandlung von Mißbrauchsfällen sogar als Grund, den er Franziskus genannt habe, um die Ernennung zum Glaubenspräfekten abzulehnen. Der Papst habe ihm jedoch geantwortet, daß die Mißbrauchsfälle nun, seit der Neuordnung der Römischen Kurie durch die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium, in einer „weitgehend autonomen“ Abteilung „mit Professionisten“ behandelt werden, „die viel zu diesem Thema wissen und mit großem Ernst arbeiten“.
Tatsächlich wurde im September bekannt, daß Franziskus seinen Ghostwriter und Protegé aus argentinischen Zeiten von den Aufgaben der Mißbrauchsbekämpfung dispensiert hat. Wie das konkret aussehen wird, scheint noch ziemlich unklar. Es würde die ungewöhnliche und letztlich unhaltbare Situation entstehen, daß ein Minister über sein halbes Ministerium, dessen Leitung er innehat, nicht bestimmen würde. Warum wird dann diese Abteilung nicht abgetrennt und einem anderen Ministerium zugeordnet?
Kardinal Fernández bekräftigte dieses kuriose Konstrukt zuletzt am 11. Oktober in einem Interview mit Religión Digital:
„Ich kann Ihnen versichern, daß die Disziplinarabteilung des Dikasteriums über ausgezeichnete Fachleute verfügt, die sehr streng arbeiten. Ich stehe ihnen nahe, nicht um mich in ihre Arbeit einzumischen, sondern um sie zu unterstützen, damit sie frei und ohne Druck arbeiten können. Ich biete ihnen an, was sie brauchen, und in der Tat wird die Disziplinarabteilung weiterhin viel mehr Beamte haben als die Doktrinäre Abteilung, sowie die Mittel, die sie brauchen. (…) Zweifellos wird der Kampf gegen die Pädophilie weitergehen, nicht nur in der Dynamik der Nulltoleranz. Ich glaube, daß wir bei der Prävention, bei der Vorbereitung neuer Priester und bei der Begleitung junger Priester noch viel weiter gehen müssen. (…) Wir haben die besondere Aufgabe, in Mißbrauchsfällen Gerechtigkeit walten zu lassen. (…) Gerechtigkeit zu vermitteln ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, zu verhindern, daß andere in Zukunft das gleiche Drama erleiden müssen.“
Auffälligerweise nahm Kardinal Fernández zum Fall Rupnik nie Stellung. Dadurch vermied er eine Aufklärung, wie es sein konnte, daß die gegen Rupnik von der Glaubenskongregation verhängte Exkommunikation innerhalb von zwei Wochen verschwand. Die Interviews des neuen Glaubenspräfekten hätten die Gelegenheit geboten, klarzustellen, daß Papst Franziskus nichts mit dem unglaublichen Vorgang zu tun hatte. Viele Katholiken warten seit Monaten auf Aufklärung.
Will Franziskus nun auf seine Weise eine Fehlentscheidung, die nur er selbst treffen konnte, korrigieren? Wegen des öffentlichen Druckes? Man wird sehen, ob Kardinal Fernández, nun im Amt, sich zurückhalten wird, wie er es betonte, oder doch in den Fall eingreifen wird. Offiziell hätte er nichts mit der Causa Rupnik zu tun. Doch zumal alle miteinander befreundet sind…
Durch diesen Zick-Zack-Kurs werden allerdings auch die Glaubwürdigkeit und die Autorität der höchsten kirchlichen Institutionen untergraben. Wieviel Vertrauen soll den zuständigen Stellen entgegengebracht werden, wenn deren Entscheidungen zunächst torpediert werden, die Disziplinarkommission des Glaubensdikasteriums – die gelobten „Professionisten“ – also nach außen zahnlos und untätig erscheinen, obwohl sie es nicht sind, dann aber erneut mit derselben Causa befaßt werden, wo man nicht versteht, auf welcher Grundlage die Wiederaufnahme erfolgt. Der gesamte Fall bleibt weiterhin wenig transparent, ja undurchsichtig, und die Rechtsstandards scheinen durch päpstliche Willkür gebeugt zu werden.
Oder soll die Angelegenheit einfach nur weiter auf die lange Bank geschoben werden, bis das gewünschte Gras darüber gewachsen ist? Aus der Vergangenheit weiß man, daß Franziskus so lange über ihm nahestehende Personen seine schützende Hand hält wie irgend möglich (s. Fall McCarrick, Fall Don Mercedes, Fall Barros, Fall Zanchetta, Fall Ricca, Fall Pineda …) Erst wenn der Druck zu groß wird, handelt er. Selbst dabei entsteht der Eindruck, es gehe primär darum, nicht die Kontrolle zu verlieren und sich das Heft des Handelns abnehmen zu lassen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/MiL
Rupnik ist ein Freund unseres Papstes und es wird ihm alleine schon deshalb nicht viel passieren. Bedenken Sie bitte alle daß auch der Leiter der Kongregation die den Fall untersuchen wird eine persönliche Wahl vom heiligen Vater ist.
Alleine deshalb wird die ganze Sache im Sande verlaufen oder sie kocht zumindest nicht hoch