Die Longa manus von Santa Marta

Der Fall Rupnik und die fehlende Glaubwürdigkeit der Mißbrauchsbekämpfung


Der Jesuit und Künstler Pater Marko Ivan Rupnik und der Schutz durch Santa Marta
Der Jesuit und Künstler Pater Marko Ivan Rupnik und der Schutz durch Santa Marta

Von Pri­mož Pintar*

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Im Fall Mar­ko Rup­nik zeich­nen sich kon­kre­te Kon­se­quen­zen ab – end­lich. Der slo­we­ni­sche Jesu­it und Künst­ler­prie­ster soll in ein Alters­heim für Prie­ster in der Erz­diö­ze­se Mai­land geschickt wer­den. Sein Zen­trum für Sakral­kunst, das Cen­tro Alet­ti in Rom, soll auf­ge­löst werden.

Pater Rup­nik wer­den „emo­tio­na­le, sexu­el­le und spi­ri­tu­el­le Gewalt­ta­ten und ein schwe­rer Miß­brauch des Buß­sa­kra­ments“ zur Last gelegt, wie die Slo­we­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz fest­stell­te (sie­he Fall Rup­nik: Des­halb wur­de er exkom­mu­ni­ziert).

Das slo­we­ni­sche Maga­zin Repor­ter berich­te­te die jüng­ste Ent­wick­lung in ihrem Online-Dienst:

„Nach unse­ren Infor­ma­tio­nen wird Pater Rup­nik von sei­nem Jesui­ten­or­den sank­tio­niert wer­den. Er soll Rom ver­las­sen und in Mai­land in einem Haus für älte­re Prie­ster leben. Das Cen­tro Alet­ti, das er bis vor kur­zem lei­te­te, soll auf­ge­löst wer­den. Zwei sei­ner engen Mit­ar­bei­ter, Pater Ivan Bre­scia­ni und Pater Andrej Bro­zo­vič, sol­len nach Slo­we­ni­en zurückkehren.“

Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on hat­te bereits frü­her Rup­niks De-fac­to-Exkom­mu­ni­ka­ti­on fest­ge­stellt und Sank­tio­nen gegen den Jesui­ten ver­hängt. Auf wun­der­sa­me Wei­se wur­den sie aber nicht exe­ku­tiert. Es ist ein offe­nes Geheim­nis, daß die schüt­zen­de Hand, die bis­her über Rup­nik lag, in San­ta Mar­ta zu suchen ist.

Der Jesu­it konn­te nach sei­ner Ver­ur­tei­lung Fasten­ex­er­zi­ti­en hal­ten, an denen Papst Fran­zis­kus teil­nahm, und wur­de vom Papst emp­fan­gen. Das ist der Modus ope­ran­di des argen­ti­ni­schen Pap­stes. Damit gab er allen an der Kurie, im Jesui­ten­or­den und in Slo­we­ni­en zu ver­ste­hen, daß Rup­nik unan­tast­bar ist.

Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on wur­de gestoppt, weil die damals bekann­ten Taten Rup­niks laut Kir­chen­recht bereits ver­jährt waren. Papst Fran­zis­kus hat­te zwar die Diö­ze­san­bi­schö­fe auf­ge­for­dert, bei Miß­brauchs­fäl­len die Ver­jäh­rungs­frist auf­zu­he­ben. In sei­ner eige­nen Diö­ze­se han­del­te Fran­zis­kus aber nicht danach.

Die päpst­li­che Auto­ri­tät kann in der Kir­che zum Schwei­gen brin­gen. Das funk­tio­niert aber nicht mehr, wenn eine Sache öffent­lich bekannt wird. Der Fall Rup­nik wur­de über kir­chen­feind­li­che Medi­en bekannt. Der Damm war gebrochen.

Offi­zi­ell wur­de der Akt Rup­nik, laut Infor­ma­tio­nen aus dem Vati­kan und Anga­ben des Jesui­ten­or­dens, im Okto­ber 2022 „geschlos­sen“. Mehr als ein hal­bes Jahr danach wer­den kon­kre­te Sank­tio­nen aber erst für die Zukunft ange­kün­digt. Noch immer.

Nun aber das beson­ders Schwer­wie­gen­de: Die Hal­tung von San­ta Mar­ta im Fall Rup­nik ist kein Ver­se­hen, son­dern hat System. In der Miß­brauchs­be­kämp­fung fiel San­ta Mar­ta bis­her durch laut­star­ke Wor­te, aber nicht durch kon­kre­te Taten auf, egal was Fran­zis­kus-freund­li­che Ver­tre­ter und Medi­en auch sagen. Die Grün­de dafür sind offen­sicht­lich, wenn man sie sehen will. In der Kir­che will sie aber kaum jemand sehen, weil das einer Papst­kri­tik gleich­kä­me, und die ist tabu. In den welt­li­chen Medi­en, die sei­ne Vor­gän­ger unter Dau­er­be­schuß nah­men, genießt Fran­zis­kus einen „höhe­ren“ Schutz.

Der Haupt­grund für das System San­ta Mar­ta ist: Papst Fran­zis­kus will die Kir­che „gay fri­end­ly“ machen. Dabei han­delt es sich nicht nur um eine Kapi­tu­la­ti­on vor der kir­chen­frem­den inter­na­tio­na­len Homo-Lob­by. Auch inner­halb der Kir­che agiert und agi­tiert eine star­ke Homo-Lob­by. Papst Fran­zis­kus kennt sie sehr gut.

Das Stich­wort „Homo-Lob­by“ mach­te den Auf­takt zum homo­phi­len Aktio­nis­mus des Pap­stes aus Argen­ti­ni­en. Das war im Juni 2013, als er damit begann, das Pro­gramm der Mafia von Sankt Gal­len umzu­set­zen. Dafür war er mit Unter­stüt­zung der Kar­di­nä­le Kas­per, Leh­mann, Dan­neels und Murphy‑O’Connor (Team Berg­o­glio) gewählt wor­den. Im Juni 2013 erklär­te Fran­zis­kus, „das Pro­blem“ sei die „(Homo-)Lobby“. Er, so der Papst, möge grund­sätz­lich kei­ne Lob­bys.

Die­se Aus­sa­ge wur­de fälsch­lich als Kampf­an­sa­ge des neu­en Pap­stes gegen die Homo-Häre­sie ver­stan­den. In der Kir­che woll­ten es jeden­falls vie­le miß­ver­ste­hen, da Fran­zis­kus sie durch die Andeu­tung zahl­rei­cher Para­dig­men­wech­sel inner­halb weni­ger Wochen sehr ver­schreckt hat­te. Zumin­dest in Sachen Homo­se­xua­li­tät erhoff­te man sich also Ruhe. Ein Irr­tum. Die Aus­sa­ge von Fran­zis­kus war nur eine Nebel­ker­ze, von denen er im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt etli­che zündete. 

  • Fran­zis­kus ver­ur­teil­te die Homo-Lob­by, soll­te es sie geben, nicht aber die Homosexualität.

Um Fran­zis­kus zu ver­ste­hen, müs­sen ver­schie­de­nen Puz­zle­tei­le zusam­men­ge­tra­gen und zusam­men­ge­fügt wer­den. Das nach­ste Puz­zle­teil ist: 

  • Seit dem Juni 2013 gibt es kei­ne Aus­sa­ge oder Andeu­tung des Pap­stes, daß sei­ner Mei­nung nach eine Homo-Lob­by existiert. 

Ein wei­te­res Puzzlestück: 

  • Fran­zis­kus ver­schweigt seit zehn Jah­ren die kirch­li­che Leh­re zur Homosexualität.
  • Er signa­li­siert aber durch mas­sen­haf­te Gesten die Aner­ken­nung der Homosexualität. 

Der Rest ist Dia­lek­tik: Soll­te es eine Homo-Lob­by geben, dann wür­de er, Fran­zis­kus, sie mit aller Kraft bekämp­fen, da es aber kein gibt…

Auf die glei­che Wei­se bekämpf­te er bis­her den sexu­el­len Miß­brauch mit Wor­ten, ohne Taten fol­gen zu las­sen. Es gibt sogar meh­re­re Fäl­le, in denen Fran­zis­kus die schüt­zen­de Hand über Miß­brauchs­tä­ter hielt. Der Fall Rup­nik ist einer davon.

Der untrüg­li­che Beweis für das Zün­den von Nebel­ker­zen ist ein eiser­nes Verschweigen: 

  • Ver­schwie­gen wird von Fran­zis­kus, daß mehr als 80 Pro­zent der Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker homo­se­xu­el­ler Natur sind. 

Erz­bi­schof Charles Sci­clu­na, bis 2012 Chef­ver­fol­ger von sexu­el­len Miß­brauchs­tä­tern an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, hat­te das fest­ge­stellt. Fran­zis­kus ernann­te Sci­clu­na, der heu­te Erz­bi­schof von Mal­ta und zugleich bei­geord­ne­ter Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ist, 2018 in Sachen sexu­el­lem Miß­brauch zu sei­nem Son­der­be­auf­trag­ten für Chi­le. Die Fak­ten sind bekannt und durch die Unter­su­chun­gen in ver­schie­de­nen Län­dern genau belegt.

Dar­aus ergibt sich ein gro­ßes Dilem­ma: Wie glaub­wür­dig ist die Miß­brauchs­be­kämp­fung, wenn der Haupt­grund des Miß­brauchs­skan­dals nicht genannt wird?

Offen­sicht­lich ist es kein Pro­blem, jeden­falls nicht für die Medi­en. Es gibt weder kri­ti­sche Fra­gen noch ein Hin­ter­fra­gen. Alles nur Show? Das nicht, aber viel davon. Der Wahr­heit kommt näher, wer die Rol­le der Mas­sen­me­di­en (Leit­me­di­en, Main­stream-Medi­en) kennt. Ihre empör­te Auf­re­gung ist in den mei­sten Fäl­len gekün­stelt und dient irgend­wel­chen (ver­schwie­ge­nen) Inter­es­sen. Der sexu­el­le Miß­brauchs­skan­dal dient den Inter­es­sen, die Kir­che unter Dau­er­an­kla­ge zu hal­ten, nach Belie­ben ein­zel­ne (meist kon­ser­va­ti­ve) Kir­chen­män­ner „her­aus­zu­schie­ßen“ und ande­re (meist pro­gres­si­ve) zu schüt­zen. Der Miß­brauchs­skan­dal, der in erster Linie ein homo­se­xu­el­ler Miß­brauchs­skan­dal ist, dient auch dazu, die kirch­li­che Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät vor­an­zu­trei­ben. Ein Wider­spruch? Nein, kein Wider­spruch. Es ist nur eine Fra­ge der Beto­nun­gen, der Per­spek­ti­ven und des Verschweigens.

War­um aber wird der Haupt­grund für die­sen Skan­dal nicht genannt? Weil Fran­zis­kus sich nicht mit der inter­na­tio­na­len Homo-Lob­by anle­gen will? Weil er die Homo-Lob­by in der Kir­che schützt? Bei­des. Der Haupt­be­weg­grund aber ist die Absicht, die kirch­li­che Moral­leh­re zu ändern. Es gehört zu den Nebel­ker­zen die­ses Pon­ti­fi­kats, daß in der Moral­leh­re de jure nichts, de fac­to aber alles geän­dert wer­den soll. Um genau zu sein: Seit zehn Jah­ren wird bereits alles geän­dert. Das ist einer der „Pro­zes­se“, die Fran­zis­kus ange­sto­ßen hat. Er selbst hat es (fast) offen gesagt.

Papst Fran­zis­kus ist, wie sein inzwi­schen 90 Jah­re alter Wahl­hel­fer Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, ganz Hegelianer.

*Pri­mož Pin­tar, Pseud­onym eines slo­we­ni­schen Jour­na­li­sten, das er sich zum Selbst­schutz für die­sen Bei­trag zuge­legt hat.

Bild: MiL

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