(Rom) Gestern wurde der Künstlerpriester und ehemalige Jesuit Marko Ivan Rupnik, über den Papst Franziskus seine schützende Hand hält, in einer Diözese in seiner Heimat Slowenien inkardiniert. Papst Franziskus klagte aber am gleichen Tag Jungpriester an, die Soutane tragen oder gar das Birett verwenden.
Die großzügige Bestrafung Rupniks in seinem Mißbrauchsskandal sah vor, daß er Rom verlassen muß, sich aber die Diözese aussuchen könne, in die er gehen wird. Seine Künstlerkommune Centro Aletti zieht mit ihm. Die damit verbundene Jesuitengemeinschaft stellte geschlossen den Antrag, aus dem Jesuitenorden entbunden zu werden, um mit Rupnik ziehen zu können.
Das Problem für Papst Franziskus sind aber nicht die Rupniks dieser Welt, sondern junge traditionsverbundene Priester. Gegen sie erhob er mit bekannten Schlagwörtern wie „Klerikalismus“ in seiner gestrigen Rede auf der 18. Generalkongregation der Synodalitätssynode in Rom den Zeigefinger:
„Wenn Geistliche in ihrem Dienst übertreiben und das Volk Gottes mißhandeln, entstellen sie das Gesicht der Kirche mit machohaften und diktatorischen Haltungen (es genügt, an die Intervention von Schwester Liliana Franco zu erinnern). Es ist schmerzlich, in einigen Pfarrbüros die „Preisliste“ der sakramentalen Dienste wie in einem Supermarkt zu finden. Entweder ist die Kirche das gläubige Volk Gottes auf dem Weg, heilig und sündig, oder sie wird zu einem Unternehmen mit verschiedenen Dienstleistungen. Und wenn die Seelsorger diesen zweiten Weg einschlagen, wird die Kirche zum Supermarkt des Heils und die Priester zu bloßen Angestellten eines multinationalen Unternehmens. Das ist die große Niederlage, zu der uns der Klerikalismus führt. Und das ist sehr traurig und skandalös (man muß nur in die kirchlichen Schneidereien in Rom gehen, um den Skandal der jungen Priester in der Kirche zu sehen, die Soutanen und Hüte oder spitzenbesetzte Alben und Gewänder anprobieren).“
Das Alt-68er-Publikum unter den Synodalen und in den Diözesen wird seine Freude damit gehabt haben. In diesen Kreisen ist man nach wie vor überzeugt, daß durch Beseitigung von Soutane und Birett der schon lange herbeigeredete neue „Frühling“ für die Kirche anbrechen werde. Oder nach ihrem altersbedingten Abtritt die Sintflut folgen werde. Beides scheint ihnen einigermaßen gleichwertig zu sein.
Diese Art von Problembewußtsein, ausgeprägtem wie fehlendem, zieht sich durch das gesamte bisherige Pontifikat von Franziskus. Der gestrigen Wiederholung seines Tadels fehlt es nicht an Ironie, da sie mit der Inkardinierung Rupniks, seines Schützlings, in der Diözese Koper (ital. Capodistria) zusammenfällt.
Die besonders eifrigen Vatikanisten und Interviewpartner von Franziskus haben es seit dem Sommer einfach vergessen, den Papst auf den Fall Rupnik anzusprechen, wie eben auch andere unangenehme Fragen unter den Tisch fallen. Die Skandale, die Franziskus Klerikern zuschreibt und scharf tadelt, folgen einer ganz ungewöhnlichen und eigenwilligen Gewichtung. Nicht die Rupniks, sondern die jungen Priester der Tradition werden vor den Synodalen an den Pranger gestellt. Das darf aber nicht verwundern, denn Franziskus schaffte es, im Februar 2019 einen globalen Anti-Mißbrauchsgipfel im Vatikan abzuhalten und unter dem nachsichtigen Applaus der Weltpresse die Hauptursache des Mißbrauchs, die Homosexualität, auszublenden.
Rupnik wurde zur Last gelegt, mindestens 20 Frauen, meist Ordensfrauen, sexuell und seelisch mißbraucht zu haben und dabei auch das Bußsakrament eingesetzt zu haben, sodaß die Glaubenskongregation die Exkommunikation verhängt hatte. Doch Franziskus hielt seine schützende Hand über seinem Mitbruder.
Warum sollten ihm dann Journalisten, die das Privileg genießen, im päpstlichen Flugzeug mitfliegen zu dürfen, unangenehme Fragen stellen, etwa auf dem Rückflug aus der Mongolei oder aus Marseille oder im Zuge großer Fernsehinterviews wie jüngst von Télam oder gar von Gesprächsbüchern wie dem soeben erschienenen?
Der Ausschluß aus dem Jesuitenorden, das Maximum an Strafe, die Rupnik auferlegt wurde, verlangte nach einer Klärung seines kanonisches Status. Mit Hilfe seines Mitbruders Franziskus wurde ihm zugestanden, sich eine Diözese seiner Wahl aussuchen zu können. Mehrere waren im Gespräch. Die Entscheidung fiel schließlich auf eine in Rupniks Heimat Slowenien. Das Bistum Koper mit Sitz in der gleichnamigen Hafenstadt an der oberen Adria ist eine noch sehr junge Diözese. Sie wurde 1977 aus der italienischen Diözese Triest herausgelöst und um Gebiete der ebenfalls italienischen Diözese Görz sowie der kroatischen Diözese Rijeka erweitert.
Die älteren Diözesen waren in ihren historischen Grenzen in der Zeit des Heiligen Römischen Reichs und der habsburgischen Erbländer entstanden. Diese waren jedoch nach dem Ersten und noch mehr nach dem Zweiten Weltkrieg auseinandergerissen worden. Koper, italienisch Capodistria, und der Küstenstreifen Istriens waren besonders umstritten, da er mehrheitlich italienisch besiedelt war, während das Hinterland der Halbinsel im Norden slowenisch und im größeren Südteil kroatisch war. Nachdem Italien nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten großzügig gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung mit slowenischem und kroatischem Gebiet beschenkt worden war, folgte nach dem Zweiten Weltkrieg die Retourkutsche, indem Tito-Partisanen Triest besetzten.
Um Triest behalten zu können, verzichtete Italien schließlich auf die italienischen Gebiete in Istrien und Dalmatien. Der Großteil der italienischen Bevölkerung wurde nach Italien umgesiedelt. Wilde Vertreibungen, wie sie Millionen Deutsche im Osten trafen, blieben ihnen weitgehend erspart, der Verlust ihrer Heimat aber nicht.
Die Teilung zwischen Italien und Jugoslawien erfolgte im Londoner Memorandum von 1954 und wurde 1975 im Vertrag von Osimo besiegelt. Diese territoriale Neuregelung machte es der Kirche möglich, die Diözesangrenzen neu zu ziehen. So entstand die neue Diözese Koper, die an einen alten Bischofssitz anknüpfen konnte. Capodistria, wie die Venezianer die Stadt nannten, war vom Frühmittelalter bis 1828 bereits eine eigenständige Diözese gewesen. Dann war sie, da nun nicht nur das Innere Instriens, sondern auch der Küstenstreifen österreichisch geworden war, mit Triest zur Diözese Triest und Capodistria vereint worden. Italienisch ist heute in der Stadt als Minderheitensprache wieder anerkannt.
Das Bistum umfaßt rund 150 Priester, 100 Pfarreien und eine Gesamtbevölkerung von 250.000 Menschen. Der Katholikenanteil beträgt 70 Prozent.
Rupnik, nun auch Priester dieser Diözese, unterliegt keinen Einschränkungen. Er kann sein Priestertum in vollem Umfang ausüben.
Der Obere der Jesuitengemeinschaften Roms beklagte vor kurzem die mangelnde Einsicht Rupniks, „auf die Stimme so vieler Menschen einzugehen, die sich durch sein Verhalten und sein Auftreten ihnen gegenüber verletzt, beleidigt und gedemütigt fühlten“, doch das von ihm gegründete Zentrum Aletti, das nun auch übersiedeln wird, und die Diözese Rom stellten Persilscheine aus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Kann es sein, daß Papst Fraziskus die Vergehen Rupniks als eine Art Kavaliersdelikte ansieht ?
Da hat Bergoglio wem zugehört? Den an den Rand gedrückten Opfern Rupniks? Sicher bekommt Rupnik für Missbrauch eines Sakramentes belohnte Priester ein tolles Grundstück am Meer für seine künstlerischen Aktivitäten. Und wenn wieder was passiert, wird dann für Entschädigungen die Diözese Koper haftbar gemacht, weil sie einen bekannten Wiederholungstäter gewähren ließ, bzw. auf päpstliche Anordnung gewähren lassen musste? Der Vatikan wird Bischof und Diözese im Falle des Falles sicher im Regen stehen lassen. Grausame Barmherzigkeit!
Ich bin irritiert und auch fassungslos über die heftigen Aussagen von Papst Franziskus zum Thema Priesterkleidung.
Eigentlich sollte man sich in diesen Zeiten freuen über jeden Priester, der sich als solcher gerne zu erkennen gibt.