Der Hermetische Orden der Goldenen Morgenröte, Freimaurerei und Freimaurer (Teil 5)

Die geleugnete Seite der regulären Freimaurerei


Esoterische, gnostische, kabbalistische und magische Elemente in der regulären Freimaurerei
Esoterische, gnostische, kabbalistische und magische Elemente in der regulären Freimaurerei

Von P. Pao­lo M. Siano*

3.6 Die Untersuchung von Martin Short über die Freimaurerei (1989). Vertiefungen

Anzei­ge

Mar­tin Short (1943–2020), frei­er Jour­na­list bei der BBC und spä­ter Fern­seh­au­tor und ‑pro­du­zent, wur­de durch eini­ge Repor­ta­gen über Kor­rup­ti­on bei Scot­land Yard (1977), über die ame­ri­ka­ni­sche Mafia (1984) und über die bri­ti­sche Frei­mau­re­rei (1989) bekannt. Im Jahr 1989 ver­öf­fent­lich­te er die erste Aus­ga­be sei­nes Buches „Insi­de the Brot­her­hood“. Ich wer­de die Aus­ga­be von 1997 zitieren.

In die­sem Buch beleuch­tet Mar­tin Short ver­schie­de­ne eso­te­ri­sche und initia­to­ri­sche Aspek­te der regu­lä­ren eng­li­schen Frei­mau­re­rei. Ich zitie­re nur weni­ge Fak­ten aus Shorts Text und füge eini­ge mei­ner eige­nen Erkennt­nis­se hinzu.

Short berich­tet, daß die eng­li­schen Frei­mau­rer die Anschul­di­gun­gen des Gno­sti­zis­mus zurück­wei­sen, die 1987 von einer Stu­di­en­grup­pe der angli­ka­ni­schen Kir­che („Church of Eng­land Working Group“) und davor von dem angli­ka­ni­schen Pfar­rer Walt­on Han­nah (1912–1966) gegen sie erho­ben wur­den, der nach der Ver­öf­fent­li­chung zwei­er anti­frei­mau­re­ri­scher Bücher, „Dark­ness Visi­ble“ (1952) und „Chri­sti­an by Degrees“ (1954), Eng­land ver­ließ, nach Kana­da ging und Prie­ster der römisch-katho­li­schen Kir­che wur­de. Die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land (UGLE) infor­miert die „pro­fa­ne“ Öffent­lich­keit, daß die Frei­mau­re­rei kein Wis­sen oder kei­ne Gno­sis bie­tet, doch Mar­tin Short ist nicht über­zeugt davon und schreibt:

Auch dies ist Unsinn. Durch unzäh­li­ge Orden und Gra­de ent­hüllt die Frei­mau­re­rei einer immer eli­tä­rer wer­den­den Grup­pe eine schein­bar end­lo­se Fol­ge spi­ri­tu­el­ler Geheim­nis­se: von der Dun­kel­heit zum Licht, vom Tod zur Auf­er­ste­hung, vom Pass­wort des ersten Gra­des Boas zur Beschwö­rung von JAHBULON und dar­über hin­aus“ (Mar­tin Short: Insi­de the Brot­her­hood, Har­per Coll­ins Publishers, Lon­don 1997, S. 110).

Über JAHBULON, das Hei­li­ge Wort und den Namen Got­tes der Frei­mau­rer des Roy­al-Arch-Gra­des in der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land, habe ich bereits frü­her geschrieben.

Was die Bezie­hung zwi­schen Frei­mau­re­rei und Gno­sis betrifft, so stellt Mar­tin Short fest, daß der Frei­mau­rer­ge­lehr­te Colin Dyer in sei­nem Buch über die Sym­bo­lik der eng­li­schen Frei­mau­re­rei die Frei­mau­re­rei des 18. Jahr­hun­derts mit Grup­pen gno­sti­scher Rich­tung ver­bin­det: die Pytha­go­rä­er, die Esse­ner, die Kab­ba­li­sten, die Druiden:

„[…] Colin Dyer ist einer der ange­se­hen­sten Frei­mau­rer-Ken­ner unse­rer Zeit. In sei­nem Buch ‚Sym­bo­lism and Craft Free­ma­son­ry‘ (‚Sym­bo­lik und Frei­mau­re­rei‘) zitiert er vie­le Quel­len, um zu zei­gen, daß die Revi­so­ren, die die Frei­mau­re­rei im acht­zehn­ten Jahr­hun­dert bewußt so umge­stal­te­ten, daß sie gno­sti­schen Grup­pen wie den Pytha­go­rä­ern, den Esse­nern, den Kab­ba­li­sten und den Drui­den ähnel­te“ (Short, op. cit., S. 111).

Auch ich habe das Buch von Colin Dyer stu­diert, und ich kann sagen, daß Short recht hat.

3.6.1 Die Golden-Dawn-Tagung von 1987: Freimaurer, Esoterik, Magie…

Ich kom­me zum The­ma, das Haupt­ge­gen­stand die­ser mei­ner Abhand­lung ist. Mar­tin Short inter­es­siert sich auch für die Zusam­men­hän­ge zwi­schen der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te und der regu­lä­ren Frei­mau­re­rei. Er stellt fest, daß die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te in ihren Ursprün­gen enge Ver­bin­dun­gen zur Frei­mau­re­rei hat­te. Tat­säch­lich fan­den vie­le Jah­re lang Tref­fen und ritu­el­le Arbei­ten in Lon­don am Sitz der ange­se­he­nen Groß­lo­ge der Mark Master Masons statt, deren Mit­glie­der Frei­mau­rer­mei­ster der UGLE sein müssen.

Short schreibt: „[…] Sicher­lich hat­te die Gol­den Dawn enge phy­si­sche Ver­bin­dun­gen zur Frei­mau­re­rei. Vie­le Jah­re lang hielt sie Tref­fen ab und führ­te Ritua­le im Lon­do­ner Haupt­quar­tier der durch­aus respek­ta­blen Mark Masons durch“ (S. 133).

Short ent­hüllt, daß ein Jahr­hun­dert nach der Grün­dung des Ordens der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te (1887–1987) Frei­mau­rer­ge­lehr­te so inter­es­siert waren, daß sie eine Tagung über die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te abhiel­ten! Die­se Kon­fe­renz von 1987 wur­de vom Her­me­tic Rese­arch Trust orga­ni­siert, zu des­sen Mit­glie­dern, wie Short ent­hüllt, Lord Nort­hamp­ton gehör­te, ein pro­mi­nen­ter Frei­mau­rer des Roy­al Arch und damit der UGLE. Unter den Exper­ten, die über die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te spra­chen, sind drei Frei­mau­rer, deren Namen Short nicht nennt. Short wur­de ver­si­chert, daß ihr Inter­es­se an der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te rein aka­de­mi­scher Natur sei. Aller­dings gibt es auch unter den regu­lä­ren Frei­mau­rern (UGLE) sol­che, die sich nicht auf rein aka­de­mi­sche Spe­ku­la­tio­nen beschrän­ken… Short schreibt: 

„Die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te war Frei­mau­re­rei ohne okkul­ten Deckel. Es ließ jene magi­schen Ele­men­te im Ideen­kes­sel des sieb­zehn­ten Jahr­hun­derts wie­der auf­le­ben, aus denen die Frei­mau­re­rei her­vor­ge­gan­gen war. 1987 fand in Lon­don eine Kon­fe­renz zum hun­dert­sten Jah­res­tag der Grün­dung von Gol­den Dawn statt. Sie wur­de vom Her­me­tic Rese­arch Trust orga­ni­siert, zu des­sen Treu­hän­dern der Mar­quess of Nort­hamp­ton, ein pro­mi­nen­ter Roy­al Arch Free­ma­son, gehört. Es nah­men auch drei Exper­ten der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te, die auch Frei­mau­rer sind, an der Ver­an­stal­tung teil. Mir wur­de ver­si­chert, daß ihr Inter­es­se an die­ser ‚Rand­frei­mau­re­rei‘ rein aka­de­misch ist“ (S. 135).

Eini­ge Jah­re spä­ter fand ich im Inter­net das Pro­gramm die­ser Tagung von 1987: „Die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te: ihr Platz in der Kul­tur­ge­schich­te. Eine Kon­fe­renz anläß­lich des 100. Jah­res­ta­ges der Grün­dung des Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn, orga­ni­siert vom Her­me­tic Rese­arch Trust, die am Sams­tag, dem 25. und Sonn­tag, dem 26. April 1987 im Regent’s Col­lege, Regent’s Park, Lon­don, statt­fin­den wird“. Die wich­tig­sten Red­ner oder Kura­to­ren der Ver­an­stal­tung wer­den genannt: „R. A. GILBERT, Fran­cis King rela­ted, Adam McLean, Ellic Howe“ (hier).

Heu­te fin­det man unter die­sem Link nicht mehr die oben zitier­ten Infor­ma­tio­nen. Von den vier Red­nern weiß ich mit Sicher­heit von der Frei­maur­er­mit­glied­schaft (UGLE) von Robert Gil­bert und Ellic Howe, letz­te­rer starb 1991.

Wie ich oben zitiert habe, sagt Mar­tin Short, daß die Gol­de­ne Mor­gen­rö­te die magi­schen Ele­men­te über­nom­men hat, die in den Ideen des 17. Jahr­hun­derts zur Ent­ste­hung der moder­nen Frei­mau­re­rei bei­getra­gen haben (vgl. Short, op. cit., S. 135).

An die­ser Stel­le ver­wei­se ich den Leser auf das, was der dama­li­ge Groß­mei­ster der Regu­lä­ren Groß­lo­ge von Ita­li­en (GLRI), Giu­lia­no Di Ber­nar­do, 2001 in einer Fern­seh­sen­dung sag­te: „Wenn wir die frei­mau­re­ri­schen Ritua­le, die Ritua­le der eng­li­schen Frei­mau­re­rei, die die älte­sten Ritua­le sind, lesen, fin­den wir Spu­ren des­sen, was man okkul­te Phi­lo­so­phie genannt hat. Die okkul­te Phi­lo­so­phie ist die­je­ni­ge, die in Pico del­la Miran­do­la einen ihrer größ­ten Ver­tre­ter gefun­den hat und die aus Her­me­tik, christ­li­cher Kab­ba­la, Alche­mie, Magie und Rosen­kreu­zer­tum besteht. Die eng­li­sche Frei­mau­re­rei wur­de unter Ein­be­zie­hung all die­ser Ele­men­te gebo­ren“.

3.6.2 Lord Northampton zwischen Golden Dawn, Esoterik, Gnosis und Freimaurerei

1993 wur­de ein von den eng­li­schen Frei­mau­rern John Hamill und Robert A. Gil­bert her­aus­ge­ge­be­ner Band zum 275. Jah­res­tag der moder­nen Frei­mau­re­rei (1717–1992) ver­öf­fent­licht, mit einem Vor­wort des Groß­mei­sters der UGLE, des Her­zogs von Kent. Zu die­ser Zeit war Hamill Biblio­the­kar und Kura­tor des UGLE-Muse­ums; außer­dem war er 1985–1986 Wor­shipful Master (Mei­ster vom Stuhl) der Loge Qua­tu­or Coro­na­ti Nr. 2076 in Lon­don. Der Band von Hamill und Gil­bert ent­hält einen Bei­trag von Spen­cer Dou­glas David Comp­ton, Mar­quess of Nort­hamp­ton, einem der Mit­glie­der des Her­me­tic Rese­arch Trust, der die Gol­den-Dawn-Kon­fe­renz 1987 organisierte.

Hamill und Gil­bert unter­strei­chen, daß die frei­mau­re­ri­sche Initia­ti­on den Kan­di­da­ten ver­än­dert und es sich dabei um eine ent­schei­den­de Ver­än­de­rung der Per­son in ihrem gei­sti­gen und sozia­len Sta­tus han­delt: „Auch die frei­mau­re­ri­sche Initia­ti­on ist ein trans­for­mie­ren­des Ereig­nis. Sie ist ein wah­rer Über­gangs­ri­tus, der jene ‚ent­schei­den­de Ver­än­de­rung‘ des gei­sti­gen und sozia­len Sta­tus des Betref­fen­den bewirkt, auf die Mir­cea Elia­de in sei­ner klas­si­schen Defi­ni­ti­on der Initia­ti­on ver­weist“ (John Hamill – Robert Gil­bert: Free­ma­son­ry. A cele­bra­ti­on of the Craft, Vor­wort von HRH The Duke of Kent, The Grand Master of the United Grand Lodge of Eng­land, Sala­man­der Books Ltd, Lon­don 1993, S. 78).

Schau­en wir zu Lord Nort­hamp­ton, der zu jener Zeit in der UGLE Past Depu­ty Grand Direc­tor of Cere­mo­nies und Past Assi­stant Pro­vin­cial Grand Master for Nort­hamp­tonshire & Hun­ting­donshire war (vgl. Hamill-Gil­bert, op. cit., S. 150).

Lord Nort­hamp­ton prä­sen­tiert den Initia­ti­ons­weg der Frei­mau­re­rei als Rück­kehr zur Gott­heit („back to the God­head“): Spen­cer Dou­glas David Comp­ton (Mar­quess of Nort­hamp­ton): Beau­ty, in Hamill-Gil­bert, op. cit., S. 151), als einen Weg der Umwand­lung der See­le: „Mason­ry is the sto­ry of the trans­for­ma­ti­on of the Soul, and the ritu­al of its cere­mo­nies is an alle­go­ry of that jour­ney that all Masons must make in order to achie­ve their hig­hest poten­ti­al“ (S. 151).

Spä­ter, von 2001 bis 2009, ist Lord Nort­hamp­ton Pro­groß­mei­ster der UGLE und setzt sich wei­ter­hin für die Bedeu­tung der eso­te­ri­schen Leh­ren („eso­te­ric tea­chings“) der Frei­mau­re­rei ein. Um das Jahr 2017 her­um, anläß­lich der drit­ten Hun­dert­jahr­fei­er der Frei­mau­re­rei (1717–2017), ist Lord Nort­hamp­ton Groß­re­prä­sen­tant der Regu­lä­ren Groß­lo­ge von Ita­li­en (GLRI) bei der UGLE (S. 9).

Ist Lord Nort­hamp­ton auch Mit­glied der SRIA?

3.6.3 Hinweise zu Aleister Crowley, John Yarker, Memphis-Misraim…

Keh­ren wir zum Buch von Mar­tin Short zurück. Alei­ster Crow­ley (1875–1947) schloß sich 1898 dem Gol­den Dawn von Mathers an, rebel­lier­te spä­ter, ver­ließ die Grup­pe und erlang­te Ruhm als Okkul­tist, als Anhän­ger der Sexu­al­ma­gie und der schwar­zen Magie, der die Gestalt des Teu­fels lob­te… Ich beschrän­ke mich vor­erst auf eini­ge Fak­ten über die­se sehr wich­ti­ge Figur des bri­ti­schen und ame­ri­ka­ni­schen Okkultismus.

Alei­ster Crow­ley, bereits ein berüch­tig­ter Okkul­tist, soll Mei­ster einer der älte­sten und bedeu­tend­sten bri­ti­schen Logen in Lon­don (UGLE) gewor­den sein. Offen­bar gibt es kei­ne Auf­zeich­nun­gen über Crow­leys Mit­glied­schaft in der Free­ma­sons’ Hall (UGLE), aber laut Short ist es nicht aus­ge­schlos­sen, daß die Bewei­se gelöscht wur­den. In jedem Fall hat­te Crow­ley zumin­dest eine gewis­se (zumin­dest indi­rek­te) Ver­bin­dung zur UGLE: Crow­leys „För­de­rer“ in der soge­nann­ten „Frin­ge Mason­ry“ war John Yar­ker (1833–1913), ein berühm­ter Gelehr­ter für frei­mau­re­ri­sche und initia­ti­sche Alter­tü­mer und Frei­mau­rer­mei­ster der UGLE. Yar­ker nahm einen „unech­ten“ Schot­ti­schen Ritus von 33 Gra­den an und wur­de des­halb 1870 aus dem regu­lä­ren Supre­me Coun­cil 33°, Anci­ent & Accept­ed Rite for Eng­land and Wales, des­sen Mit­glied er war, aus­ge­schlos­sen. Yar­ker war jedoch wei­ter­hin Mit­glied der UGLE (also ein regu­lä­rer Frei­mau­rer­mei­ster) und dien­te gleich­zei­tig wei­ter­hin in deren „Frin­ge Free­ma­son­ry“ und war Mit­glied, Gelehr­ter und Schrift­stel­ler der berühm­ten Qua­tu­or Coro­na­ti Lodge No. 2076 in Lon­don, der histo­ri­schen For­schungs­lo­ge in der Obö­di­enz der UGLE (vgl. S. 136f). Es ist erwäh­nens­wert, daß Yar­kers gro­ßes Inter­es­se und Enga­ge­ment für die „Rand-Frei­mau­re­rei“ unter den UGLE-Frei­mau­rern wohl­be­kannt war.

Mar­tin Short weist dar­auf hin, daß John Yar­ker den 95. und 90. Grad sei­nes Mem­phis-Mis­ra­im-Frei­mau­rer­sy­stems (vom alten Ägyp­ten inspi­rier­te hohe Frei­mau­rer­gra­de) Alei­ster Crow­ley ver­lie­hen hat. Dann ent­hüllt Mar­tin Short eine wei­te­re sehr wich­ti­ge Neu­ig­keit: Die­ser Ritus von Mem­phis-Mis­ra­im exi­stiert heu­te (1989ff) in der Per­son des Frei­mau­rers Des­mond Bour­ke, Groß­hiero­phant 97. Gra­des des Sou­ve­rä­nen Impe­ri­ums der Myste­ri­en. Short ent­hüllt, daß Des­mond Bour­ke auch das Ober­haupt meh­re­rer drui­di­scher Grup­pen ist: Uni­ver­sal Drui­dic Order, Anci­ent and Archeo­lo­gi­cal Order of Druids, Anci­ent Order of Druids Her­me­tists, The Order of the Holy Wis­dom (vgl. S. 137).

3.6.4 W.Bro. Desmond Bourke: UGLE, Golden Dawn, SRIA…

Des­mond Bour­ke im Habit eines der vie­len selbst­er­nann­ten Nach­fol­ger des Templerordens

Short stellt klar, daß auch Des­mond Bour­ke (1918–2005) ein regu­lä­rer Frei­mau­rer und Mei­ster ist: „Die­se Bestä­ti­gun­gen sind nur des­halb rele­vant, weil Bour­ke auch ein bedeu­ten­der Frei­mau­rer ist. Im Sep­tem­ber 1984 berich­te­te Maso­nic Squa­re, daß Wor­shipful Bro. Des­mond Bour­ke Prä­si­dent des Arca­di­an Maso­nic Stu­dy Cir­cle war, der eine Rei­he von Tref­fen in der Free­ma­sons‘ Hall in Lon­don abhal­ten wür­de“ (S. 138).

Zur Erin­ne­rung: Die Free­ma­sons’ Hall in Lon­don ist der Sitz der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land (UGLE).

Ich fand wei­te­re Anga­ben zum frei­mau­re­ri­schen und initia­ti­schen Cur­ri­cu­lum von Des­mond Bour­ke. Wie ein jun­ger John Yar­ker war auch Des­mond Bour­ke in fast allen Berei­chen der bri­ti­schen Eso­te­rik: Gol­den Dawn, SRIA, usw. usf.

In sei­ner Bio­gra­phie, die auf der Inter­net­sei­te eines der ver­schie­de­nen heu­ti­gen Gol­den-Dawn-Able­ger ver­öf­fent­licht ist, lesen wir: 

„Des­mond Bour­ke (1918–2005) war eine Schlüs­sel­fi­gur in fast allen Berei­chen der bri­ti­schen Eso­te­rik. Bour­ke wur­de ein 7°=4° des Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn, ein VIII. Waite’s Fel­low­ship of the Rosy Cross, ein Adep­tus Maxi­mus von Made­line Mon­talb­ans Orden des Mor­gen­sterns, ein Erz­drui­de zahl­rei­cher drui­di­scher Orden, ein hoch­gra­di­ger Frei­mau­rer, ein IX. Grad der Socie­tas Rosi­cru­cia­na in Anglia, ein Mar­ti­nist (Superi­eur Incon­nu), Reaux Croix und Chief des Sove­reign Impe­ri­um of the Myste­ries.
Bour­ke wur­de auch ein gno­sti­scher Bischof (meh­re­re Zuge­hö­rig­kei­ten), grün­de­te den Her­me­ti­schen Mar­ti­ni­sten­or­den und lei­te­te den Zusam­men­schluß des Alten und Archäo­lo­gi­schen Drui­den­or­dens mit dem Lite­ra­ri­schen und Archäo­lo­gi­schen Drui­den­or­den, um den Uni­ver­sel­len Drui­den­or­den zu bil­den. (Die enge Ver­bin­dung zwi­schen dem Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn und dem Drui­den­tum, die mit den gegen­sei­ti­gen Ein­wei­hun­gen von S. L. Mac­Gre­gor Mathers und Geor­ge Wat­son Mac­Gre­gor Reid begann, wur­de unter der Füh­rung des Erz­drui­den und Gol­den Dawn Adep­ten Des­mond Bour­ke fort­ge­setzt und ver­tieft). Bour­ke, der meh­re­re Gol­den Dawn- und abge­lei­te­te Lini­en inne­hat­te, dien­te in den 80er und 90er Jah­ren als Prae­mon­stra­tor des Sera­pis-Tem­pels des Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn in Lon­don, Eng­land. Zusam­men mit Grä­fin Tama­ra Bourk­oun und Mar­quis Nico­las Tere­schen­ko war Des­mond Bour­ke maß­geb­lich dar­an betei­ligt, zahl­rei­che abge­lei­te­te Lini­en des Gol­den Dawn trotz der Ver­öf­fent­li­chun­gen von Crow­ley und Regar­die am Leben zu erhal­ten“ (Bio­gra­phie von Des­mond Bour­ke, in: Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn. Outer Order of the Rosi­cru­ci­an Aca­de­my of Alpha Omega).

Wie ich oben schrieb, war der Frei­mau­rer Des­mond Bour­ke unter ande­rem ein gno­sti­scher Bischof, ein Mit­glied der SRIA und eines Mar­ti­ni­sten­or­dens. In die­sem Zusam­men­hang spricht der Frei­mau­rer W.Bro. T. J. Han­cock in den Pro­ce­e­dings der Maso­nic Stu­dy Socie­ty von 1984 (über die MSS schrieb ich im vier­ten Teil die­ser Rei­he) in dem Vor­trag „Spe­cu­la­ti­ve Degrees in Free­ma­son­ry“ von zwei frei­mau­re­ri­schen Syste­men „christ­li­cher Gra­de“: der „Socie­tas Rosi­cru­cia­na In Anglia“ und dem „Mar­ti­nist Order“.

Mar­ti­ni­sten­or­den

Zu die­ser Zeit ist Han­cock Mei­ster vom Stuhl einer UGLE-Loge, ist 7. Grad der SRIA und ist auch Mit­glied eines Mar­ti­ni­sten­or­dens [vgl. W.Bro. T. J. Han­cock: Spe­cu­la­ti­ve Degrees in Free­ma­son­ry, Abstract from Tran­sac­tions of the Maso­nic Stu­dy Socie­ty – Chri­sti­an Degrees, Volu­me 5°, 250th Mee­ting of the MSS held Fri­day 22 June 1984, Lon­don, S. 1 (S. 1–6)].

W.Bro. Han­cock macht sehr deut­lich, daß die grund­le­gen­den Inhal­te des Ritu­als der ersten fünf Gra­de der SRIA zur Welt der Magie, Kab­ba­la, Alche­mie gehö­ren (vgl. S. 1–3), sowie daß Kab­ba­la, Her­me­tik, Magie auch im Mar­ti­ni­sti­schen Orden gege­ben sind (vgl. S. 4–6).

Han­cock spricht von der Schnur („The Cor­de­lier“), einem mar­ti­ni­sti­schen Sym­bol des Schut­zes, der Ver­bin­dung, der kos­mi­schen Kraft („PROTECTION“, „LINK“, „the Cos­mic force“), und fügt hin­zu: „Der magi­sche Kreis ist als Schutz gegen böse Mäch­te bei Ritua­len und Beschwö­run­gen wohl­be­kannt. Es ist kein Zufall, daß der Mysti­sche Kreis ein wich­ti­ger Teil der Zere­mo­nien der SRIA war“ (S. 5).

Die Magie betrifft also auch die SRIA, nicht nur den Gol­den Dawn

Zur mar­ti­ni­sti­schen Schnur schreibt Han­cock: „Als LINK sym­bo­li­siert das Cor­de­lier die Initia­ti­sche Ket­te, die jeden von uns mit dem Mei­ster, der den Orden gegrün­det hat, und durch ihn, durch die Medi­ta­ti­on des Unbe­kann­ten Agen­ten, mit dem Licht des Unsicht­ba­ren Rei­ches ver­bin­det“ (S. 6).

In den Ver­öf­fent­li­chun­gen der SRIA von 1983/​1984 scheint Bour­ke als VIII. SRIA-Grad auf (vgl. Quar­ter­ly Con­vo­ca­ti­on. Janu­ar 1984, in: Socie­tas Rosi­cru­cia­na in Anglia, Metro­po­li­tan Col­lege – Tran­sac­tions, SRIA, 1983 und 1984, Lon­don, S. 18).

3.6.5 Noch einmal W.Bro. Desmond Bourke: Memphis-Misraim, Swedenborg-Ritus

W.Bro. Des­mond Bour­ke ist auch mit dem Swe­den­borg-Ritus ver­bun­den, einem frei­mau­re­ri­schen Ritus, der von dem schwe­di­schen Phi­lo­so­phen, Visio­när und Medi­um Emma­nu­el Swe­den­borg (1688–1772) inspi­riert ist. Die­ser Ritus hat auch mit der Her­me­tik zu tun, mit der her­me­ti­schen Theo­rie der Ent­spre­chung zwi­schen dem Sicht­ba­ren und dem Unsicht­ba­ren, die als not­wen­dig ange­se­hen wird, um die okkul­ten Kräf­te der Natur zu ent­decken (vgl. Samu­el Bes­wick: Swe­den­borg Rite and the Gre­at Maso­nic Lea­ders of the Eigh­te­enth Cen­tu­ry, Maso­nic Publi­shing Com­pa­ny, New York 1870, S. 173f). Der Swe­den­borg-Ritus zielt dar­auf ab, die alte Wis­sen­schaft [Gno­sis], die Leh­ren der alten Frei­mau­re­rei, wie­der­her­zu­stel­len (vgl. S. 179f). Die Gra­de des Swe­den­borg-Ritus wur­den 1859 an Giles Fon­da Yates 33. Grad, ehe­ma­li­ger Sou­ve­rä­ner Groß­kom­tur des Ober­sten Rates des 33. Gra­des des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus (vgl. S. 180f), Nor­t­hern Juris­dic­tion, Bos­ton, USA, verliehen.

Ich habe einen kur­zen Online-Arti­kel aus dem Jahr 2008 gefun­den, in dem ver­sucht wird, einen Nach­ruf zu kor­ri­gie­ren, der im Mit­tei­lungs­blatt „Eras­mo noti­zie“ (Groß­ori­ent von Ita­li­en – Palaz­zo Giu­sti­nia­ni) ver­öf­fent­licht wur­de und in dem behaup­tet wird, daß Br. Lucio Tre­vi­san (Frei­mau­rer des Groß­ori­ents von Ita­li­en) den Alten Noa­chi­ti­schen Ritus in Ita­li­en ein­ge­führt hat. Ich zitie­re eini­ge Pas­sa­gen, in denen der Frei­mau­rer Des­mond Bour­ke erwähnt wird: „Wir wol­len uns weder mit Klei­nig­kei­ten befas­sen, noch in eit­le Pole­mik ver­fal­len. Aber wir haben in einer alten Aus­ga­be von Eras­mo, dem Online-News­let­ter des Groß­ori­ents von Ita­li­en, einen Nach­ruf auf den Rechts­an­walt Lucio Tre­vi­san gele­sen, in dem behaup­tet wird, er habe den Alten Noa­chi­ti­schen Ritus in Ita­li­en ein­ge­führt. Das ist falsch. Die Auf­ga­be, den Ritus (der ursprüng­lich Anci­ent and Pri­mi­ti­ve oder Swe­den­bor­gi­scher genannt wur­de) wie­der­zu­be­le­ben, wur­de von Bru­der Des­mond Bour­ke im Dezem­ber 1982 in einem Raum des Bri­ti­schen Muse­ums, wo Bour­ke ange­stellt war, Miche­le Mora­ma­r­co anver­traut. Die Char­ta wur­de dann von der R. L. ‚Helio­po­lis‘ Nr. 1 (Mem­phis-Mis­ra­im) in Lon­don aus­ge­stellt und an den­sel­ben ita­lie­ni­schen Bru­der geschickt, der für die Über­tra­gung und die Wie­der­be­le­bung ver­ant­wort­lich war, was eine Berich­ti­gung der Ritua­le und des Titels zur Fol­ge hat­te. Nach jah­re­lan­ger Wie­der­her­stel­lungs­ar­beit ver­lieh Mora­ma­r­co im Mai 1986 einer Grup­pe von Brü­dern, dar­un­ter Tre­vi­san, die Noach­iden-Gra­de. Tre­vi­san hat­te also – obwohl er zu den ersten Emp­fän­gern gehör­te – kei­nen Anteil an der ‚schöp­fe­ri­schen Idee‘“ (E. Rob­bia­ti: Una svi­sta (o una bugia?) sull’Antico Rito Noa­chi­ta?, Mitt­woch, 3. Sep­tem­ber 2008, in: Noach Mason).

Swe­den­borg-Ritus

Rob­bia­ti lie­fer­te wich­ti­ge Details: Des­mond Bour­ke (UGLE), Mit­glied der eng­li­schen Loge Helio­po­lis des Mem­phis-Mis­ra­im-Ritus, über­gibt Miche­le Mora­ma­r­co (Groß­ori­ent von Ita­li­en) die Lizenz zur Wie­der­be­le­bung des Swe­den­borg-Ritus, der den neu­en Namen Alter Noa­chi­ti­scher Ritus anneh­men wird. Doch Des­mond Bour­ke und Miche­le Mora­ma­r­co waren nicht die ein­zi­gen Protagonisten.

In der Zeit­schrift des Groß­ori­ents von Ita­li­en von 1991 wird „eine Grup­pe regu­lä­rer Frei­mau­rer in Lon­don, dar­un­ter Bru­der Des­mond Bour­ke, ein Funk­tio­när des Bri­ti­schen Muse­ums“, erwähnt, die über die Auto­ri­sie­rung im Swe­den­borg-Ritus ver­fü­gen, die sie von John Yar­ker in Eng­land im letz­ten Vier­tel des 19. Jahr­hun­derts erhal­ten haben. Die­se UGLE-Frei­mau­rer über­tru­gen 1982 den Swe­den­borg-Ritus „an eine Grup­pe regu­lä­rer ita­lie­ni­scher Frei­mau­rer“ (Groß­ori­ent) und ermäch­tig­ten sie, die­sen Ritus wie­der­zu­be­le­ben. Bru­der Miche­le Mora­ma­r­co (Groß­ori­ent) über­ar­bei­te­te die Ritua­le und der Ritus wur­de unter dem Namen Alter Noa­chi­ti­scher Ritus wie­der­be­lebt. Die Ope­ra­ti­on wird am 11. August 1986 „von den recht­mä­ßi­gen bri­ti­schen Ver­wal­tern“ geneh­migt. 1988 unter­zeich­net der Groß­ori­ent ein Freund­schafts­pro­to­koll mit dem Alten Noa­chi­ti­schen Ritus, des­sen Mit­glie­der Frei­mau­rer­mei­ster des Groß­ori­ents sind [vgl. Alter Noa­chi­ti­scher Ritus, in: Hiram, Mit­tei­lungs­blatt des Groß­ori­ents von Ita­li­en – Palaz­zo Giu­sti­nia­ni, Nr. 5/6–7/8, Mai–August 1991, Socie­tà Eras­mo Edi­to­re, Rom, S. 135 (135f)]. Der Alte Noa­chi­ti­sche Ritus gehört noch heu­te zu den Riten des Groß­ori­ents von Italien.

(Fort­set­zung folgt)

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. In sei­ner jüng­sten Ver­öf­fent­li­chung geht es ihm dar­um, den Nach­weis zu erbrin­gen, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die bis heu­te ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​MiL


Bis­her in der Rei­he erschienen:

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