Der Hermetische Orden der Goldenen Morgenröte, Freimaurerei und Freimaurer (Teil 4)

Die Suche nach dem okkulten, verborgenen "Wissen"


Die Bedeutung des Ordens der Goldenen Morgenröte in der Freimaurerei.
Die Bedeutung des Ordens der Goldenen Morgenröte in der Freimaurerei.

Von P. Pao­lo M. Siano*

3.4   Bro. W.L. Wilmshurst (WLW) im Golden Dawn von Bro. A.E. Waite…

Anzei­ge

In dem Buch „The Gol­den Dawn Scrap­book. The Rise and Fall of a Magi­cal Order“ (“Die Gol­den-Dawn-Kol­la­ge. Auf­stieg und Nie­der­gang eines magi­schen Ordens“. Samu­el Wei­ser Inc., York Beach, Maine, USA, 1997) schreibt der Frei­mau­rer Robert Gil­bert (UGLE, SRIA,…), daß 1891 Arthur Edward Wai­te (1857–1942) dem Orden der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te bei­tritt (vgl. S. 166), dann 1893 aus­tritt (vgl. S. 167) und 1896 wie­der ein­tritt (vgl. S. 168). Im Jahr 1899 tritt Wai­te in den Inne­ren Orden der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te ein, dem soge­nann­ten Orden der Roten Rose und des Gol­de­nen Kreu­zes (vgl. S. 168). 1901 wird Wai­te in die Frei­mau­re­rei (Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land – UGLE) ein­ge­weiht und 1902, nun­mehr bereits Frei­mau­rer­mei­ster, tritt er auch in die Socie­tas Rosi­cru­cia­na in Anglia – SRIA ein (vgl. S. 171). 1903 trennt sich Wai­te vom Gol­den Dawn von West­cott-Mathers und grün­det sei­ne eige­ne Ver­si­on des Gol­den Dawn, „Inde­pen­dent and Rec­ti­fi­ed Rite“ (vgl. S. 171f), die ihre Akti­vi­tä­ten um 1915 ein­stellt (vgl. S. 174).

In einem frü­he­ren Auf­satz habe ich eini­ge wei­te­re Infor­ma­tio­nen über Arthur Edward Wai­tes frei­mau­re­ri­schen Lebens­lauf ver­öf­fent­licht; zum Bei­spiel erhält Wai­te 1935 den 30. Grad des pre­sti­ge­träch­ti­gen Alten und Ange­nom­me­nen Ritus (A&AR) von Eng­land und Wales. Dar­über hin­aus habe ich Wai­tes Sym­pa­thie für Luzi­fer illu­striert und sei­ne Hoff­nung auf die end­gül­ti­ge Erlö­sung Luzi­fers dargestellt.

Keh­ren wir zurück zu dem oben erwähn­ten Buch von Bro. Gil­bert, der auf S. 183 ein Antrags­for­mu­lar  („Appli­ca­ti­on form“) für Wai­tes Gol­den Dawn („the Order of the M[orgen] R[othe], later known as the Inde­pen­dent and Rec­ti­fed Rite“) ver­öf­fent­licht. Der Kan­di­dat ist der frei­mau­re­ri­sche Schrift­stel­ler Wal­ter Les­lie Wilmshurst („the maso­nic wri­ter, W.L. Wilmshurst“, S. 183)!

Das Datum des Antrags für Wilmshursts Mit­glied­schaft ist der 27. Novem­ber 1907. Eben­falls ange­ge­ben ist sein Initia­ti­ons­na­me: „Regnum Dei“ (vgl. S. 183).

Scha­de, daß der Frei­mau­rer Robert Gil­bert nicht mehr über den Frei­mau­rer Wal­ter Les­lie Wilmshurst (WLW) sagt… Fand Gil­bert kein ande­res Mate­ri­al oder zog er es vor, zu schwei­gen, da die Figur von WLW immer noch ein­fluß­reich ist in der regu­lä­ren Frei­mau­re­rei und in der ‚mysti­schen Suche‘ der regu­lä­ren Freimaurer?

Zu den Schrif­ten und dem Den­ken von W.L. Wilmshurst habe ich zwei Arti­kel ver­öf­fent­licht (Wal­ter Les­lie Wilmshurst und die „Eso­te­ri­sche Schu­le“ (Gno­sis) in der eng­li­schen Frei­mau­re­rei und  Alchemie/​Hermetik, Engel und die Frei­mau­re­rei.

In dem zwei­ten Arti­kel habe ich eini­ge der Inhal­te des frei­mau­re­ri­schen Den­kens von WLW auf­ge­zeigt: Initia­ti­on als Erwei­te­rung des Bewußt­seins; der mysti­sche Tod des Adep­ten zum drit­ten Grad des Frei­mau­rer­mei­sters; die Gno­sis (Hiram, das Gött­li­che in uns; wir, gefal­le­ne Engel in der Mate­rie…), Alche­mie und Her­me­tik für die initia­ti­sche Rege­ne­ra­ti­on; Ange­lo­lo­gie esoterisch/​gnostisch; die Not­wen­dig­keit der Gegen­sät­ze (und des Teu­fels); die Ver­ei­ni­gung mit der eige­nen höhe­ren Dämonen-Engel-Seele.

Das sind alles Ele­men­te, die wir auch im Gol­den Dawn und ins­be­son­de­re im Inne­ren Orden der Roten Rose und des Gol­de­nen Kreu­zes (sie­he Teil 2 und Teil 3) fin­den.

In einer Stu­die über WLW, die in den Pro­ce­e­dings of the „Qua­tu­or Coro­na­ti No. 2076″ in Lon­don ver­öf­fent­licht wur­de, legt der Frei­mau­rer Ant­o­ny R. Bak­er nahe, daß WLW auch Teil des „Anci­ent & Accept­ed Rite“ war [vgl. AQC 119 (2006), S. 63 (40–105)]. In der Tat deu­tet WLW in dem Gedicht „In a Secret Temp­le“ Kon­zep­te, Sym­bo­le und Ritua­le des 18. A&AR-Grades an (vgl. W.L. Wilmshurst: „The Way to the East“, J.M. Wat­kins, Lon­don 1934, S. 22f).

3.5 Freimaurerische Esoterik, „Masonic Study Society“ (MSS), Golden Dawn…

Hier habe ich bereits die Maso­nic Stu­dy Socie­ty erwähnt, eine frei­mau­re­ri­sche Stu­di­en­ge­sell­schaft, die den Frei­mau­rer­mei­stern der UGLE oder den von der UGLE aner­kann­ten Groß­lo­gen vor­be­hal­ten ist.

Auf der 256. Sit­zung der MSS, die am Mitt­woch, dem 19. März 1987, in Lon­don statt­fand, wur­de Frei­mau­rer W.Bro. [Akro­nym für „Wor­shipful Brot­her“ = Ver­eh­rungs­wür­di­ger Bru­der] Ronald E. Pike den Vor­trag „The Maso­nic Stu­dy Socie­ty and Free­ma­son­ry“. Ronald E. Pike (nicht zu ver­wech­seln mit dem ame­ri­ka­ni­schen Frei­mau­rer Albert Pike) erklärt die Ursprün­ge, das Wesen und die Bedeu­tung der MSS und ihre Bezie­hun­gen zur Frei­mau­re­rei (vgl. W.Bro. R. E. Pike: The Maso­nic Stu­dy Socie­ty and Free­ma­son­ry, in Tran­sac­tions of the Maso­nic Stu­dy Socie­ty, Volu­me LIX , 1987, Edi­tor Wor. Bro. E. Stan­ley Brown, P.M. 2809, Litt­le­hamp­ton, Sus­sex, Ver­ei­nig­tes König­reich), S. 5–19).

Betrach­ten wir eini­ge wich­ti­ge Punk­te die­ses Berichts von W.Bro. R.E. Pike.

3.5.1 Die MSS wurde in der „Mark Masons Hall“, zwischen Mars und Venus, geboren .…

R.E. Pike ver­an­schau­licht die „Schu­len“ oder Rich­tun­gen der eng­li­schen Frei­mau­r­er­for­schung, die ich bereits in mei­ner oben zitier­ten Stu­die ange­deu­tet habe: die „Authen­ti­sche Schu­le“ (d. h. die Loge Qua­tu­or Coro­na­ti No. 2076, UGLE) und die „Nicht-Authen­ti­sche Schu­le“, die aus vier Zwei­gen besteht: „Eso­te­ric School“, „Mysti­cal School“, „Sym­bo­list or Sym­bo­lic School“ und „Roman­tic School“. (vgl. S. 8f). Die letz­te­re (die ich in die­sem Arti­kel nicht zitiert habe) bekräf­tigt die direk­te Ver­bin­dung zwi­schen der ope­ra­ti­ven Frei­mau­re­rei und der spe­ku­la­ti­ven Freimaurerei.

Zur „Nicht-Authen­ti­schen Schu­le“ gehö­ren auch die MSS.  R.E. Pike teilt alle vier Zwei­ge der „Nicht-Authen­ti­schen Schu­le“ (vgl. S. 9).

R.E. Pike berich­tet, daß sich nach dem Ersten Welt­krieg eini­ge Frei­mau­rer ange­regt fühl­ten, die Bedeu­tung der Riten und Sym­bo­le der Frei­mau­re­rei tie­fer zu ergrün­den. In der Tat ist bei Frei­mau­rern bereits im ersten Lehr­lings­grad ein täg­li­ches Fort­schrei­ten im frei­mau­re­ri­schen Wis­sen erfor­der­lich… Daher grün­de­te eine Grup­pe von Frei­mau­rern die Maso­nic Stu­dy Socie­ty (MSS) am Diens­tag, dem 14. Juni 1921, um 5.30 Uhr nach­mit­tags in der Mark Masons Hall (64–65 Gre­at Queen Street, von 1889 bis 1938). R.E. Pike erklärt, daß die MSS an die­sem Grün­dungs­tag unter dem Ein­fluß von Mars und Venus gebo­ren wur­de, da es ein Diens­tag war (ein Tag, der dem Mars gewid­met ist) und es war 17:30 Uhr (abends), was die Zeit der Venus sei (vgl. S. 12).

Pike bemerkt hier­zu: „Mars and Venus are the two pla­nets nea­rest to the Earth and in both Greek and Roman mytho­lo­gy the­se two mytho­lo­gi­cal figu­res, the God of War and the God­dess of Love always signi­fi­ed a powerful rela­ti­on­ship.  Powerful forces the­r­e­fo­re were infu­sed into this Socie­ty at the moment of its incep­ti­on, forces which have remain­ed with it and con­tin­ued to rein­force the minds of its mem­bers for the last 66 years, and which I trust will con­ti­n­ue to do so for many years to come“ (“Mars und Venus sind die bei­den Pla­ne­ten, die der Erde am näch­sten sind, und sowohl in der grie­chi­schen als auch in der römi­schen Mytho­lo­gie sym­bo­li­sier­ten die­se bei­den mytho­lo­gi­schen Figu­ren, der Gott des Krie­ges und die Göt­tin der Lie­be, immer eine mäch­ti­ge Bezie­hung.  Mäch­ti­ge Kräf­te sind daher in die­se Gesell­schaft ein­ge­flos­sen, Kräf­te, die sie bis heu­te beglei­ten und die in den letz­ten 66 Jah­ren den Geist ihrer Mit­glie­der gestärkt haben, und die, wie ich hof­fe, auch noch vie­le Jah­re lang wir­ken wer­den“ (S. 12f).

3.5.2 Die Ursprünge der MSS: Finanzen, Adel, Gelehrsamkeit, englischer Okkultismus

R.E. Pike schreibt, der erste Vor­sit­zen­de der MSS war Sir Richard Vas­sar-Smith (1843–1922), ein Finan­cier: Vor­sit­zen­der der Lloyds Bank zwi­schen 1909 und 1922 (als Lloyds die größ­te Bank in Eng­land war), Vor­sit­zen­der des Com­mit­tee of Lon­don Clea­ring Ban­kers und der Cen­tral Asso­cia­ti­on of Ban­kers. Für sei­ne Ver­dien­ste wäh­rend des Krie­ges wur­de er 1917 zum Baron geadelt. Von 1888 bis 1915 ist er stell­ver­tre­ten­der Pro­vinz­groß­mei­ster von Glouce­ster­shire (UGLE). Sir Vas­sar-Smith war auch ein 33. Grad des Alten und Ange­nom­me­nen Ritus. Er war nicht lan­ge Vor­sit­zen­der der MSS; er starb im fol­gen­den Jahr, am 2. August 1922 im Alter von 79 Jah­ren.  R.E. Pike stellt fest, daß die MSS von Anfang an eine Ver­bin­dung („a clo­se affi­ni­ty“) zur Lloyds Bank zu haben schien: Als R.E. Pike in den 1950er Jah­ren der MSS bei­tritt, gibt es eini­ge Mit­glie­der der MSS, die in der Lloyds Bank arbei­ten, und sogar der dama­li­ge Her­aus­ge­ber der „Tran­sac­tions of the Maso­nic Stu­dy Socie­ty“ ist ein pen­sio­nier­tes Mit­glied der Lloyds Bank (vgl. S. 13).

Dann bemerkt R.E. Pike, daß die MSS seit ihren Anfän­gen auch mit der Welt des Adels ver­bun­den ist: Neben dem Vor­sit­zen­den, Sir Richard Vas­sar-Smith, ist auch der erste Vize der MSS, Sir John Cockb­urn, ein Baro­net. Außer­dem ist ein Mit­glied des MSS-Rates Lord Ravens­worth. Die MSS hat­te einen Senat von 18 Mit­glie­dern („a Sena­te of 18 mem­bers“), dem Namen wie Baro­net Sir Fre­de­rick Pol­lard ange­hör­ten (vgl. S. 13).

R.E. Pike schreibt, daß auch die „Gelehr­sam­keit“ in den Ursprün­gen der MSS eine Rol­le spiel­te, denn der erste Gene­ral­se­kre­tär der MSS ist John Seba­sti­an Mar­low Ward (1885–1949) und R.E. Pike lobt ihn in der Tat als Autor von Büchern über die Frei­mau­re­rei und die Sym­bo­lik: „The first Secre­ta­ry-Gene­ral was J. S. M. Ward, the aut­hor of many books on Free­ma­son­ry as well as many works on sym­bo­lism which as I am sure you know was his spe­cia­li­ty“ (S. 13). „Der erste Gene­ral­se­kre­tär war J. S. M. Ward, der Autor vie­ler Bücher über die Frei­mau­re­rei sowie vie­ler Wer­ke über Sym­bo­lik, was, wie Sie sicher wis­sen, sein Spe­zi­al­ge­biet war.“

Ich öff­ne eine Klam­mer auf: Nach J.S.M. Ward 18° ist die Schlan­ge der Gene­sis nicht der Feind des Men­schen, son­dern sein größ­ter Freund, sie ist die Weis­heit Got­tes… (vgl. J.S.M. Ward: Free­ma­son­ry and the Anci­ent Gods, With an Intro­duc­tion by the Hon. Sir John A. Cockb­urn, Simp­kin, Mar­shall, Hamil­ton, Kent & Co. Ltd, Lon­don 1921, S. 63f).

Wir keh­ren zu dem Text von R.E. Pike zurück, der fest­stellt, daß der erste stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der MSS Arthur Edward Wai­te ist, der, wie J.S.M. Ward, eben­falls Bücher über die Frei­mau­re­rei geschrie­ben hat (vgl. S. 13). Laut R.E. Pike hat Wai­te mög­li­cher­wei­se auch einen gewis­sen Ein­fluß auf die MSS in ihren Anfangs­jah­ren gehabt: „Wai­te was a pro­di­gious aut­hor and his books are too num­e­rous to men­ti­on, but per­haps it was his trai­ning that made him the man he was and which may well have had an effect on this Socie­ty during its for­ma­ti­ve years“ (S. 13). „Wai­te war ein her­vor­ra­gen­der Autor und sei­ne Bücher sind zu zahl­reich, um sie zu erwäh­nen, aber viel­leicht war es sei­ne Aus­bil­dung, die ihn zu dem Mann gemacht hat, der er war, und der viel­leicht einen Ein­fluß auf die­se Gesell­schaft in ihren Grün­dungs­jah­ren hat­te“ (S. 13).

3.5.3 MSS & Golden Dawn: A.E. Waite, R.A.L. Harland…

R.E. Pike stellt fest, daß der viel­leicht inter­es­san­te­ste Teil von A.E. Wai­tes Leben sei­ne Mit­glied­schaft im Gol­den Dawn ist: „Per­haps the part of his life that inte­rests us most howe­ver is his mem­ber­ship of the Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn becau­se this occult socie­ty of the late 19th and ear­ly 20th cen­tu­ries impinges on the M.S.S. on more than one occa­si­on“ (S. 13). „Viel­leicht ist der Teil sei­nes Leben, der uns am mei­sten inter­es­siert, sei­ne Mit­glied­schaft im Her­me­tic Orden der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te, weil die­se okkul­te Gesell­schaft des spä­ten 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts bei mehr als einer Gele­gen­heit auf die M.S.S. ein­wirkt “ (S. 13).

An die­ser Stel­le wid­met R.E. Pike einen Absatz dem Gol­den Dawn, von dem ich nur ein paar Fak­ten anfüh­ren möch­te.  Die drei Ober­häup­ter des Gol­den Dawn waren: Dr. Wood­man (Arzt), Dr. Wynn West­cott (Gerichts­me­di­zi­ner) und Mac­Gre­gor Mathers, ein bekann­ter Okkul­tist und Über­set­zer der alten Manu­skrip­te der zere­mo­ni­el­len Magie ins Eng­li­sche (vgl. S. 13f).

Da Wood­man, West­cott und Mac­Gre­gor Mathers Frei­mau­rer, Kab­ba­li­sten und Mit­glie­der der SRIA waren, ist R.E. Pike über­zeugt, daß es eine Ver­bin­dung zwi­schen der Frei­mau­re­rei und dem Gol­den Dawn geben muß: „The fact that the­se three Free­ma­sons were also excel­lent Kab­ba­lists and mem­bers of the SRIA makes me per­so­nal­ly think that the­re must have been a link bet­ween Free­ma­son­ry and the Gol­den Dawn“ (S. 14). „Die Tat­sa­che, daß die­se drei Frei­mau­rer auch aus­ge­zeich­ne­te Kab­ba­li­sten und Mit­glie­der der SRIA waren, läßt mich per­sön­lich glau­ben, daß es eine Ver­bin­dung zwi­schen der Frei­mau­re­rei und der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te gege­ben haben muß.“

Die Gra­de des Gol­den Dawn sind mit den „Sephi­r­oth“ des kab­ba­li­sti­schen Lebens­baums ver­bun­den („the Kab­ba­li­stic Tree of Life“, S. 14).

Arthur Edward Wai­te war, lan­ge bevor er stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der MSS wur­de, „a pro­mi­nent mem­ber“ des Gol­den Dawn (vgl. S. 14).

R.E. Pike möch­te an eine ande­re wich­ti­ge Leit­fi­gur der MSS erin­nern. („ano­ther gui­ding light of M.S.S.“) erin­nern, der vie­le Jah­re lang bis zu sei­nem Tod Vize­vor­sit­zen­der der MSS war: W.Bro. R. A. L. Har­land (vgl. S. 14). In einer ande­ren frei­mau­re­ri­schen Quel­le fand ich den vol­len Namen von Bro. Har­land: Regi­nald Alfred Lud­low Harland.

R.E. Pike ent­hüllt eine wich­ti­ge Infor­ma­ti­on über W.Bro. Har­land: Eines Abends sprach R.E. Pike mit W.Bro. R.A.L. Har­land über Okkul­tis­mus („occul­tism“), und letz­te­rer ver­trau­te ihm an, daß er in sei­ner Jugend Mit­glied der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te gewe­sen sei („as a young man he hims­elf had been trai­ned within the Gol­den Dawn“, S. 15).  R.E. Pike gibt nicht an, wann und in wel­chem Gol­den Dawn Har­land Mit­glied war.  R.E. Pike ist davon über­zeugt, daß die Mit­glied­schaft in der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te es ihm ermög­lich­te, Bro. Har­land in die Lage zu ver­set­zen, die tie­fe­re Bedeu­tung der frei­mau­re­ri­schen Zere­mo­nien zu ver­an­schau­li­chen („I then rea­li­sed how it was that he was to explain with so much ease the deeper mea­ning behind so many of our cere­mo­nies“, S. 15).

Dann stellt R.E. Pike fest, daß im ersten Vier­tel des 20. Jahr­hun­derts, wäh­rend einer­seits die Macht des Gol­den Dawn lang­sam schwand, ande­rer­seits die MSS ent­stand und wuchs, die heu­te Mit­glie­der in der gan­zen Welt hat:

„Back to the Gol­den Dawn howe­ver. It is inte­re­st­ing to note that as through the first quar­ter of the 20th cen­tu­ry the power of the Gol­den Dawn slow­ly wai­ned, so this Socie­ty was for­med and grew from strength to strength until it now has mem­bers all over the world“ (S. 15).

3.5.4  Die esoterische und mystische Bedeutung der Freimaurergrade

In dem Abschnitt „Objects of the M.S.S.“ schreibt R.E. Pike u. a.: „The Socie­ty will devo­te spe­cial atten­ti­on to the sym­bo­lic and mysti­cal mea­ning of the various degrees and will build up an ade­qua­te libra­ry and Muse­um“ (S. 15). „Die Gesell­schaft wird beson­de­re Auf­merk­sam­keit der sym­bo­li­schen und mysti­schen Bedeu­tung der ver­schie­de­nen Gra­de wid­men und wird eine ange­mes­se­ne Biblio­thek und ein Muse­um errichten.“

In der Tat, im Holy Roy­al Arch („H.R.A.“) erhält der Kan­di­dat (der bereits Frei­mau­rer­mei­ster ist) eine „mysti­sche Lesung“ („mysti­cal lec­tu­re“), die viel­leicht die läng­ste „lec­tu­re“ in der bri­ti­schen Frei­mau­re­rei ist. R.E. Pike erklärt, daß das Wort „mystisch“ „okkult“ bedeu­tet, „meta­phy­sisch“, oder, genau­er gesagt das, was eine gött­li­che oder hei­li­ge Bedeu­tung hat und daher den mensch­li­chen Ver­stand über­steigt (vgl. S. 17). Dies bezieht sich auf die Defi­ni­ti­on von Frei­mau­re­rei im Frei­mau­rer­ri­tu­al: „ein Moral­sy­stem in Alle­go­rien ver­schlei­ert und durch Sym­bo­le ver­an­schau­licht“, inso­fern es den mensch­li­chen Ver­stand über­steigt. Die Auf­ga­be der MSS besteht dar­in, den Wis­sens­stand inner­halb der Frei­mau­re­rei zu erhö­hen (vgl. S. 17f). 

Bezüg­lich des eso­te­ri­schen und mysti­schen Aspekts der eng­li­schen regu­lä­ren Frei­mau­re­rei ver­wei­se ich auf die Schrif­ten des Frei­mau­rers (hier und hier).

Damit keh­ren wir erneut zurück zum Text von R.E. Pike, der über­zeugt ist, daß die MSS eine wich­ti­ge Auf­ga­be  in der Frei­mau­re­rei hat: „I belie­ve that this Socie­ty is desti­ned to play an important and vital part within Free­ma­son­ry“ (S. 19). „Ich glau­be, daß die­se Gesell­schaft dazu bestimmt ist, eine wich­ti­ge und lebens­wich­ti­ge Rol­le inner­halb der Frei­mau­re­rei zu spielen.“

3.5.5 Mehr über W.Bro. R.A.L. Harland (31°) und die Esoterik in der Freimaurerei

Auf der 383. Sit­zung der Maso­nic Stu­dy Socie­ty am Mitt­woch, dem 16. Novem­ber 2011 in Lon­don, legt der eme­ri­tier­te Vor­sit­zen­de W.Bro. R.E. Pike die Arbeit: „The Mysti­cal Quest in Free­ma­son­ry“ („Die mysti­sche Suche in der Frei­mau­re­rei“) von W.Bro. R.A.L. Har­land vor, die die­ser in den 1930er Jah­ren, vor dem Zwei­ten Welt­krieg, ver­faßt hat­te. Ich inter­es­sie­re mich für eini­ge Punk­te der Ein­lei­tung von R.E. Pike mit dem Titel „Abo­ve and Below“, in der er über das Leben von Har­land berich­tet, des­sen Schü­ler er vie­le Jah­re lang war.

R.E. Pike lobt Har­land als einen Mei­ster im Wis­sen um die eso­te­ri­schen und mysti­schen Aspek­te der Frei­mau­re­rei: „an accom­plished Free­ma­son and a master ora­tor who could explain every aspect of the eso­te­ric and mysti­cal aspects of Free­ma­son­ry“ („ein voll­ende­ter Frei­mau­rer und ein Mei­ster­red­ner, der jeden Aspekt der eso­te­ri­schen und mysti­schen Aspek­te der Frei­mau­re­rei erklä­ren konn­te“ [W.Bro. R.E. Pike: Abo­ve and below, in: Tran­sac­tions of the Maso­nic Stu­dy Socie­ty, Volu­me LXXXIII, 2011, Edi­tor W.Bro. A.R. Bak­er, Bri­stol, Prin­ted by Minu­teman Press, Bri­stol, S. 86 (85–89)].

Kurz danach bekräf­tigt R.E. Pike, daß ihm Har­lands sei­ne Mit­glied­schaft in der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te anver­trau­te: „I had many dis­cus­sions with him and on one occa­si­on I asked him how he came by such elo­quence and depth of know­ledge. He told me that he had ori­gi­nal­ly trai­ned in the Her­me­tic Order of the Gol­den Dawn but that it had been deci­ded that his talents lay in spea­king in the Outer Court to tho­se who were still see­king the “Way”, and his func­tion and desti­ny the­r­e­fo­re was to assist their pro­gress by poin­ting them in the right direc­tion (S. 86). („Ich hat­te vie­le Dis­kus­sio­nen mit ihm und ein­mal frag­te ich ihn, wie er zu einer sol­chen Elo­quenz und Tie­fe des Wis­sens kam. Er erzähl­te mir, daß er ursprüng­lich im Her­me­tic Order der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te aus­ge­bil­det wor­den war, aber daß man beschlos­sen hat­te, daß sei­ne Talen­te im Äuße­ren Hof sei­en, zu den­je­ni­gen zu spre­chen, die noch auf der Suche nach dem ‚Weg‘ sind, und sei­ne Funk­ti­on und Bestim­mung sei es daher, sie beim Fort­schritt zu unter­stüt­zen, indem er sie in die rich­ti­ge Rich­tung wies.“

R.E. Pike gibt an, daß Har­land von 1939 bis 1965 Vor­sit­zen­der des Dor­mer Maso­nic Stu­dy Cir­cle und auch stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der MSS war (vgl. S. 86 Text und Fuß­no­te 1).

Gegen Ende sei­ner Ein­lei­tung erklärt R.E. Pike, daß die Geheim­nis­se der Frei­mau­re­rei nicht nur die Erken­nungs­zei­chen und Bau­tech­ni­ken der alten ope­ra­ti­ven Frei­mau­re­rei sind, son­dern auch die Leh­ren der alten Mysti­ker und Okkul­ti­sten umfas­sen und die Ver­ei­ni­gung mit Gott betref­fen („a mysti­cal aspect lea­ding to the ulti­ma­te – Uni­on with God“). R.E. Pike bezieht sich dabei auf die Auto­ri­tät von W.Bro. Har­land (vgl. S. 89).

Ich habe her­aus­ge­fun­den, daß Regi­nald Alfred Lud­low Har­land nach dem Ver­zeich­nis des Ober­sten Rates des 33° A.&A.R. für Eng­land und Wales ab 1945 Mit­glied (18°) des „Pal­e­sti­ne Chap­ter, No. 29″ war (vgl. Supre­me Coun­cil 33° of the Anci­ent and Accept­ed Rite for Eng­land, Wales, the Domi­ni­ons and Depen­den­ci­es of the Bri­tish Crown, Rules and Regu­la­ti­ons… Tog­e­ther with a list of sub­scrib­ing mem­bers – 1945, Lon­don, S. 170, S. 514).

Das Pal­e­sti­ne  Chap­ter des Alten und Ange­nom­me­nen Ritus [Hoch­g­rad­frei­mau­re­rei] wur­de 1870 in Lon­don gegrün­det. Zu den ersten Amts­trä­gern die­ses Rosen­kreu­zer-Kapi­tels gehör­te Robert Went­worth Litt­le, damals 18° (vgl. Anci­ent & Accept­ed Rite. Con­se­cra­ti­on of the Pal­e­sti­ne Chap­ter Rose Croix of H.R.D.M., in: The Free­ma­son, Decem­ber 10, 1870, S. 646). Eini­ge Jah­re zuvor hat­te Litt­le die SRIA gegründet. 

Ich ent­deck­te auch, daß, wie im Jahr­buch 1963 des Supre­me Coun­cil 33° für 1962 ver­merkt ist, „Har­land, Regi­nald Alfred Hud­low“, in den 31°, G.I.I.C., „Grand Inspec­tor Inqui­si­tor Com­man­der“ („Gro­ßer  Inspec­tor Inqui­si­tor Com­man­der“), auf­ge­stie­gen ist (vgl. Supre­me Coun­cil 33° of the Anci­ent and Accept­ed Rite for Eng­land, Wales, the Domi­ni­ons and Depen­den­ci­es of the Bri­tish Crown, Rules and Regu­la­ti­ons… Tog­e­ther with a list of sub­scrib­ing mem­bers – 1963, Lon­don, S. 122, S. 907).

W.Bro. R.A.L. Har­land, Vize­vor­sit­zen­der der MSS und gleich­zei­tig auch Vor­sit­zen­der des Dor­mer Maso­nic Stu­dy Cir­cle, starb 1967 (vgl. W.Bro. R.E. Pike: The President’s Paper, in Tran­sac­tions of the Maso­nic Stu­dy Socie­ty, Band LXXI, 1999, Lon­don, S. 31).

Der­zeit ist mir nicht bekannt, ob Har­land vor sei­nem Tod (1967) auch den 32° des „Sub­li­me Prin­ce of the Roy­al Secret“ („Erha­be­nen Für­sten des König­li­chen Geheim­nis­ses“) erhal­ten hat.

3.5.6 Um es noch einmal zusammenzufassen: UGLE Master Masons unter GD, SRIA, A&AR, MSS, DMSC…

- Wilmshurst, Wai­te, Har­land: alle drei Frei­mau­rer­mei­ster der UGLE, Mit­glie­der des Gol­den Dawn (GD), Mit­glie­der der Maso­nic Stu­dy Society…;

- Wai­te, Mit­glied der SRIA, wie die drei Grün­der der Gol­de­nen Mor­gen­rö­te. Auch  J.S.M. Ward und Sir John Cockb­urn waren Mit­glie­der der SRIA…

- Wilmshurst und Har­land: Gol­den Dawn, füh­ren­de Mit­glie­der des Dor­mer Maso­nic Stu­dy Cir­cle und der Maso­nic Stu­dy Socie­ty;

- West­cott 30°, Wai­te 30° und Har­land 31°, Mit­glie­der des Anci­ent & Accept­ed Rite (A&AR) und des Gol­den Dawn.  War Wilmshurst auch 18° A&AR-Grad ?

- Sir Richard Vas­sar-Smith 33°, Sir John Cockb­urn 30°, J.S.M. Ward 18°: A&AR-Mitglieder, MSS…

(Fort­set­zung folgt)

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. In sei­ner jüng­sten Ver­öf­fent­li­chung geht es ihm dar­um, den Nach­weis zu erbrin­gen, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die bis heu­te ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​MiL


Bis­her in der Rei­he erschienen:

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