(Managua) Der sandinistische Diktator Daniel Ortega, in den 80er Jahren ein Liebling der europäischen Neuen Linken, kommt aus seinem kirchenfeindlichen Delirium nicht mehr heraus. Nun verhängte er ein Verbot, während der Fastenzeit und der Karwoche Prozessionen abzuhalten. Weder die Umgänge bei den Kreuzwegandachten an den Freitagen der Fastenzeit noch die Prozessionen am Palmsonntag und am Karfreitag, die in der spanischsprachigen Welt eine herausragende Rolle spielen, dürfen durchgeführt werden. Im Laufe des gestrigen Tages haben eine ganze Reihe von nicaraguanischen Priestern bestätigt, daß ihnen ein solches Verbot mitgeteilt wurde.
„Der Verbot des Kreuzweges wird sich als einer der schlimmsten Fehler der Psychopathen erweisen“, sagte ein Priester gegenüber VOA, der anonym bleiben wollte, mit Bezug auf den sandinistischen Staats- und Regierungschef Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo, die als seine Vizepräsidentin amtiert.
Gestern sollten die ersten Kreuzwegandachten der Fastenzeit stattfinden, die an zahlreichen Orten im Freien gehalten werden, wo sie von einer Kreuzwegstation zur nächsten führen. Wegen des Verbots mußten sie in den Kirchen stattfinden. Diese Verdrängung der Kirche aus dem öffentlichen Raum war typisch für die kommunistischen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang.
Priester aus verschiedenen Landesteilen bestätigten, daß sie von der Nationalpolizei, die unter dem Kommando von Ortegas Schwiegersohn Francisco Díaz steht, über das Verbot informiert wurden. Gründe für das Verbot wurden ihnen nicht genannt. Die Nationalpolizei äußerte sich offiziell nicht zu der Angelegenheit.
Das sandinistische Regime eskaliert den Konfrontationskurs mit der Kirche durch immer neue Maßnahmen. Sie setzt dabei eine Linie fort, die sich seit dem Vorjahr beobachten läßt. So war im August 2022 eine geplante große Prozession zum Abschluß des nationalen Eucharistischen Kongresses „für die Kirche und für Nicaragua“ mit einem massiven Polizeiaufgebot unterbunden worden. Im September 2022 waren die Prozessionen zu Ehren des Stadtpatrons in der Stadt Masaya, einer Hochburg der Regimekritiker, verboten worden, dann in ganz Nicaragua die traditionellen Prozessionen zum Jahresbeginn am 1. Januar.
„Das Verbot von Volksfrömmigkeitsübungen, die während der Fastenzeit und besonders in der Karwoche stattfinden, ist ein weiterer Angriff auf die katholische Kirche Nicaraguas und die Religionsfreiheit der Bürger“, sagte Ana Patricia Molina, Wissenschaftlerin des Observatorio Pro Transparencia y Anticorrupción.
Dahinter stecke, so Molina, die „herzlose und unlogische“ Absicht des Regimes, „die einzige glaubwürdige, respektierte und geliebte Institution aus dem Land zu verbannen, die im Licht des Evangeliums die Willkür und das Böse der Diktatur anprangert“. Dieses Verbot sei „sehr schmerzlich“, weil die Feier der Karwoche im Volk tief verwurzelt ist.
Am Dienstag war der sozialistische Diktator Ortega vor Schülern aufgetreten und hatte die katholische Kirche als „Mafia“ diskreditiert. Im September 2021 hatte er die Bischöfe als „Dämonen in Soutane“ und „Terroristen“ beschimpft.
Seit es 2018 zu massiven Bevölkerungsprotesten gegen Regierungsmaßnahmen gekommen war, die vom Regime grausam niedergeschlagen und dabei zahlreiche Bürger getötet wurden, bezichtigt Ortega die Bischöfe Nicaraguas, ihn durch einen Putsch stürzen zu wollen.
Seither nahmen die Sandinisten bereits drei Bischöfe ins Visier, die mutig Willkürmaßnahmen des Regimes anprangerten:
- Msgr. Silvio José Baéz, Weihbischof von Managua, erhob, nach der grausamen Niederschlagung der Proteste von 2018, am kräftigsten seine Stimme. Als sich das Regime auf ihn einschoß, wurde er 2019 von Papst Franziskus entbunden und aus dem Land gerufen. Seither lebt er im Exil in Florida.
- Msgr. Juan Abelardo Mata Guevara, Bischof von Estelí, trat an seine Stelle und wurde zur Stimme der Wahrheit und der Gerechtigkeit. Als das Regime auch ihn ins Kreuzfeuer nahm, emeritierte ihn Papst Franziskus im Sommer 2021.
- Msgr. Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa und seither auch Apostolischer Administrator von Estelí, wurde darauf zu einem führenden Kritiker der Regierung, der die Menschenrechtsverletzungen der sandinistischen Junta anprangerte. Er war im Mai in den Hungerstreik getreten und wurde am 19. August 2022 verhaftet. Am 10. Februar erfolgte in einem Nacht- und Nebelprozeß unter Auschluß der Öffentlichkeit seine Verurteilung zu 26 Jahren Gefängnis.
Hinzu kommen Priester, Seminaristen und kirchliche Laienvertreter, die verhaftet oder ins Exil gezwungen wurden, geschlossene katholische Rundfunksender, besetzte katholische Schulen und Ausweisungen von Kirchenvertretern. Mehrere Priester wurden in den vergangenen Wochen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die US-Regierung, die EU und auch der Vatikan haben die Freilassung von Bischof Álvarez gefordert. Die Kontakte laufen auf diplomatischer Ebene. Öffentlich wird das sandinistische Regime weiterhin geschont.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VOA (Screenshot)