
(Rom) Die Freimaurerei lobt Papst Franziskus und die radikale Linke zitiert Papst Franziskus. Das irritiert und beunruhigt viele Katholiken. Jüngstes Beispiel dafür ist eine Corona-bedingte Videokonferenz des linken Grupo de Puebla am 29. Januar 2021 zur Verabschiedung eines Manifests, mit dem sie den Machtanspruch in Lateinamerika erhebt.
Die Puebla-Gruppe wurde im Juli 2019 von 32 bekannten Vertretern der politischen Linken der iberischen Halbinsel und Lateinamerikas gegründet. Das Spektrum reicht von der Sozialdemokratie bis zur radikalen Linken, von Spaniens ehemaligem sozialistischem Ministerpräsidenten José Luis Zapatero über den ehemaligen befreiungstheologischen Staats- und Regierungschef von Paraguay, dem ehemaligen Bischof Fernando Lugo und dem ehemaligen sozialistischen Staats- und Regierungschef von Brasilien Lula da Silva bis zum linksradikalen ehemaligen bolivianischen Staats- und Regierungschef Evo Morales.
Das vorgelegte Manifiesto Progresista del Grupo de Puebla (Progressistischen Manifest der Puebla-Gruppe, auszugsweise hier) fand auch in linken Kreisen des deutschen Sprachraums Aufmerksamkeit. Gestern veröffentlichte die Gaceta de la Iberósfera eine erste ausführlichere Analyse des Manifests aus der Feder der Autorin der Analyse, der venezolanischen Journalistin, Kolumnistin und bekannten Bloggerin Nitu Pérez Osuna, die sich in Opposition zum sozialistischen Regime in ihrer Heimat als „Freiheitskämpferin“ bezeichnet. Die Überschrift der Analyse gibt bereits ihren Kern wieder:
„Die Puebla-Gruppe enthüllt ihren Plan, eine neue UdSSR auf den Weg zu bringen.“
Das Manifiesto Progresista formuliert eine Strategie zur Machterlangung in Lateinamerika, die auf fünf Aktionslinien beruht. In diesem Manifest für eine „neue UdSSR“ wird im Punkt 22 die jüngste Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus zitiert. Bezugspunkt zur Enzyklika ist deren Bekenntnis zu einer „Brüderlichkeit aller Menschen“. Die Gaceta de la Iberósfera schreibt dazu:
„Es ist paradox, daß die Texte von Papst Franziskus wie Fratelli tutti als ideologische Munition für die Puebla-Gruppe dienen können, um die universellen Werte der katholischen Kirche anzugreifen.“
„Globaler Impfstoffzugang“ als „Voraussetzung für den Progressivismus“
Gemeint ist damit das Manifiesto-Bekenntnis zu Gender-Ideologie, Ökologismus und Indigenismus, aber auch die Kampfansage gegen die Familie und die christliche Kultur. Im Manifest werden nicht-linke lateinamerikanische Regierungen kritisiert, sie hätten Positionen von „Corona-Leugnern“ unterstützt, weshalb sie „inkompetent“ und „verantwortungslos“ seien. Der „globale Impfstoffzugang“ wird als „Voraussetzung für den Progressivismus“ bezeichnet.
Die Autoren des Manifests behaupten zudem, daß die Korruptionsermittlungen, die zur Amtsenthebung oder zum Rücktritt linker Staatspräsidenten und Regierungschefs wie Dilma Rousseff, Fernando Lugo, Manuel Zelaya und Evo Morales führten, eine „neue Form des Putsches“ seien. Genau diese abenteuerliche Theorie machte sich auch Papst Franziskus zu eigen und wiederholte sie mehrmals im Vorfeld der jüngsten brasilianischen Präsidentschaftswahlen 2018, bei denen er den ehemaligen sozialistischen Präsidenten Lula da Silva unterstützte (siehe auch Papst Franziskus warnt vor einer Diktatur – und meint den Wahlausgang in Brasilien). Zum Verhalten der brasilianischen Bischöfe im Einvernehmen mit Santa Marta siehe: Brasiliens Tragödie – 152 Bischöfe greifen Staatspräsident Bolsonaro an.
Lula da Silva wurde wegen Korruption zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die aber wegen eines Formfehlers aufgehoben wurde. Allerdings muß er sich weiterhin dafür vor Gericht verantworten. Lula da Silva ist ein persönlicher Freund von Papst Franziskus. Wie die US-amerikanische Linke Donald Trump seinen Wahlsieg von 2016 nicht verzieh, so verzeiht die lateinamerikanische Linke Jair Bolsonaro nicht seinen Wahlsieg von 2018.
Im Manifiesto werden amtierenden nicht-linken Regierungen „Mord, Folter, Inhaftierungen, Hausdurchsuchungen und Verfolgung“ vorgeworfen, aber mit keinem Wort erwähnt, daß genau das die linken Regime von Kuba, Nicaragua und Venezuela tun. Stattdessen werden diese Regime ausdrücklich verteidigt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons