(Rom) Am Zweiten Adventssonntag, dem Hochfest Mariä Empfängnis, gab der Vatikan die Ernennung von Kardinal Luis Antonio Tagle zum Präfekten der römischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker bekannt. Der Philippiner Tagle gilt seit mehreren Jahren als „Papabile“ und möglicher Nachfolger von Papst Franziskus.
Kardinal Tagle, seit 2011 Erzbischof von Manila und Primas der Philippinen, tritt damit die Nachfolge von Kardinal Fernando Filoni an, der – ebenfalls seit 2011 – Präfekt der römischen Propaganda Fide war, wie die 1622 gegründete römische Kongregation für die Neue Welt früher hieß.
Kardinal Filoni, der erst 73 Jahre alt ist, und somit noch nicht das kanonische Alter hätte, um ein Rücktrittsgesuch einreichen zu müssen, wurde von Papst Franziskus für den Verlust seines Amtes mit der Ehre und Würde eines Großmeisters des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem bedacht.
Der Orden knüpft an die alten, traditionsträchtigen Kreuzritterorden an. Der Orden der Grabesritter besteht in seiner heutigen Form zwar erst seit 1868, führt allerdings die Tradition der Milites Sancti Sepulcri von 1099 fort. Entscheidend dafür war die Wiedererrichtung des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem im Jahr 1847. Die Kirche nützte die sich eröffnenden Möglichkeiten, im Heiligen Land Projekte zur Bewahrung der Heiligen Stätten zu fördern. Bis dahin war der Orden nach dem Verlust der letzten Kreuzfahrerbastion mit dem Franziskanerorden verbunden und die Großmeisterwürde mit jener des Papstes oder der des Lateinischen Patriarchen. Seit 1949 gibt es dafür Päpstliche Delegaten. Die Großmeisterwürde bedeutet Ansehen, aber Einfluß auf die Kirchenleitung ist damit nicht gegeben.
Zweite Beförderung Tagles durch Papst Franziskus
Unter Papst Franziskus handelt es sich bereits um die zweite Beförderung für Kardinal Tagle, der die Grundlagen seines Aufstieges als Mitarbeiter der progressiven „Schule von Bologna“ legte, die ein Deutungsmonopol über das Zweite Vatikanische Konzil behauptet. Sie verteidigt seit ihrer Gründung die progressive Hermeneutik des Bruchs, die zwischen einer „vorkonziliaren“ und einer „nachkonziliaren“ unterscheidet, wobei erstere in jeder Hinsicht zu überwinden sei.
Papst Johannes Paul II. machte den eloquenten und sympathisch wirkenden Theologen 2001 zum Bischof von Imus. Papst Benedikt XVI. beförderte ihn 2011 zum Erzbischof von Manila und Primas der Philippinen und kreierte ihn 2012 in einem „Ergänzungskonsistorium“ wenige Wochen vor der Bekanntgabe seines Amtsverzichts noch zum Kardinal. Erklärt wurde diese ungewöhnliche Beförderungsaktion mit der „Schwäche“ von Benedikt XVI. für Theologen. Interessanter wäre es, zu wissen, auf welche Empfehlung hin die Ernennung erfolgte. Jedenfalls machte er den weiteren Aufstieg Tagles unter ganz anderen Vorzeichen erst möglich.
Gerade zum Kardinal erhoben, wurde der Philippiner beim Konklave 2013 auch schon als „Papabile“ genannt. Seit der Wahl von Papst Franziskus und dem damit einhergehenden Klimawandel in der Kirche wurden die Stimmen noch intensiver, daß er der „natürliche“ Nachfolger des argentinischen Papstes sei. Nicht nur die progressive „Schule von Bologna“ ist dieser Meinung und rührt schon seit geraumer Zeit die Werbetrommel für Tagle als „Franziskus II.“ Im November 2016 bezeichnete der derzeitige Leiter der Schule den Kardinal als „vollkommenen Franziskus-Interpreten“.
Die erste Beförderung durch Papst Franziskus erfuhr Tagle im Mai 2015: Als Nachfolger des Papstvertrauten Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga machte er ihn zum Präsidenten der Caritas Internationalis.
Gestern erfolgte seine zweite Beförderung, indem ihn Franziskus in den erlauchten Kreis der Präfekten der neun römischen Kongregationen, der ranghöchsten Ministerien des Heiligen Stuhls berief.
Automatisch mit dem Amt des Präfekten der Propaganda Fide ist das des Großkanzlers der Päpstlichen Universität Urbaniana verbunden sowie der informelle „Titel“ eines Roten Papstes. So wird der Präfekt der Propaganda Fide genannt – neben dem Schwarzen Papst, dem Generaloberen des Jesuitenordens, und natürlich dem tatsächlichen Papst, der weißgekleidet ist.
Die vorzeitige Abberufung von Kardinal Filoni deutet auf eine Neuausrichtung der Missionstätigkeit der Kirche hin. Eine solche zeichnete sich bereits in den vergangenen Jahren ab durch kleinere und größere Signale – einige seien genannt:
- der hartnäckige Kampf von Papst Franziskus gegen den „Proselytismus“, der wie eine Ablehnung der Mission wirkt;
- die Absage von Papst Franziskus an den Atheisten Eugenio Scalfari, den er „nicht bekehren“ wolle;
- das Dokument vom Dezember 2015 der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, die dem Vorsitzenden des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen untersteht, mit dem eine „Ablehnung“ einer „institutionellen Judenmission“ durch die Kirche erklärt wird;
- die Aussage von Papst Franziskus bei einer Eine-Welt-Veranstaltung der Fokolarbewegung in Rom, daß es „nicht wichtig“ sei, welcher Religion man angehört;
- die Unterzeichnung des Dokuments über die Brüderlichkeit aller Menschen in Abu Dhabi, in dem die „Vielfalt der Religionen“ als Ausdruck des Göttlichen Willens behauptet wird, was Franziskus seither mehrfach wiederholte;
- die Errichtung eines Hohen Rates zur Umsetzung dieser Zielsetzungen;
- die Unterstützung des Projekts Abrahamic Family House in Abu Dhabi mit einem gemeinsamen Kultzentrum für die drei „abrahamitischen“ Religionen durch die Errichtung einer Kirche, einer Synagoge und einer Moschee;
- die Anerkennung heidnischer Götzen im Zuge der Amazonassynode und deren ehrerbietig Behandlung durch Kirchenvertreter und ihre Präsenz im Petersdom und einer anderen Kirche.
Kardinal Tagle, so der Tenor der positiven Medienresonanz, sei von Papst Franziskus beauftragt worden, diese Neuausrichtung durchzuführen. Die progressive Nachrichtenseite Religion Digital jubelte:
„Papst Franziskus setzt Revolution der Kurie fort.“
Mit der Ernennung verschafft ihm Papst Franziskus zusätzliche, weltweite Sichtbarkeit. Franziskus selbst positionierte ihn damit im Kreis der möglichen Nachfolger.
Der Jesuitengeneral Arturo Sosa Abascal sagte Mitte September, daß inzwischen auch die Kritiker von Franziskus in der Kirche verstanden hätten, daß der argentinische Papst „nicht Meinung ändern wird“. Der „Schwarze Papst“ wollte damit sagen, daß Franziskus unbeirrt durchziehe, wovon er einmal überzeugt ist. Weshalb General Sosa hinzufügte:
„Es geht bereits um seine Nachfolge.“
Auch und vor allem in den Planungen von Papst Franziskus – ganz unabhängig davon, ob er Kardinal Tagle dafür auserkoren hat oder nicht. Franziskus will in der Frage mitreden. Unter diesem Vorzeichen erfolgen die Kardinalskreierungen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL