(Rom) Matteo Matzuzzi, Vatikanist der Tageszeitung Il Foglio schrieb gestern, daß „die konservativen Amerikaner kein Geheimnis daraus machen, daß sie die derzeitige Kirchenleitung im Vatikan nicht mehr ertragen können“. Auch in Italien beginnt die katholische Seele zu kochen. „Zuviel ist zuviel!“ lautet der Aufschrei. Anlaß ist die „unfaßbare und skandalöse“ Tatsache, daß die Radikale Partei Italiens, eine radikalliberale, kirchenfeindliche Gruppierung, ihren nächsten Parteikongreß in einer Basilika abhalten darf.
Am kommenden Allerheiligenfest „wird der Pfarrer der Basilika San Giovanni Maggiore von Neapel wahrscheinlich gezwungen sein, die Messe anderswo zu zelebrieren“, so die traditionsverbundene Seite Messa in Latino. Grund dafür ist, daß seine Kirche – kein Scherz – ohne Wissen des Pfarrers und der Gläubigen für diesen Tag der Radikalen Partei „vermietet“ wurde, die dort drei Tage lang ihren „Transnationalen Kongreß“ abhalten wird.
Die Radikale Partei ist eine radikal kirchenfeindliche, politische Partei, deren Gründer und führender Kopf, Marco Pannella, ist vor drei Jahren verstorben. Nicht nur sein militant, kirchenfeindliches Leben, sondern auch noch sein Tod wurde zum Stein des Anstoßes.
Die zweite historische Gestalt dieser Partei ist Emma Bonino, derzeit italienische Senatorin und eine der engsten Weggefährtinnen von George Soros. Bonino wurde von Soros 2015 mit dem Open Society Award ausgezeichnet und in den Vorstand der Open Society Foundations berufen, der Schaltzentrale seines internationalen, politischen Netzwerkes.
Bonino sitzt auch in Soros ominösem Europen Council on Foreign Relations (EFRC), in dem erstaunlicherweise seit einigen Jahren neben Ulrike Lunacek, Joschka Fischer und Cem Özdemir von den Grünen auch Sebastian Kurz sitzt, Österreichs Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Bundesvorsitzender, der nach den am 28. September stattfindenden Parlamentswahlen wieder Regierungschef werden möchte.
Die Radikale Partei blieb bei Wahlen unbedeutend, spielte aber seit ihrer Gründung Mitte der 50er Jahre in politischen und vor allem gesellschaftspolitischen Fragen eine überproportionale Rolle. Jeder Kampf gegen die katholische Morallehre wurde von den Radikalen gekämpft von der Scheidung über die Abtreibung, von der Drogenfreigabe bis zur Euthanasie. Dabei sahen sie sich selbst stets als „Aufgeklärte“ und „Aufklärer“, während die Kirche und ihre Vertreter als „Dunkelmänner“ verspottet wurden.
Erklärte Feindbilder der Radikalen und bevorzugte Zielscheiben ihrer maßlosen Kritik waren Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. Die radikale Kampfparole gegen Johannes Paul II. lautete „Wojtyla go home“, jene gegen Benedikt XVI. „No Vatican, no Taliban“.
Seit dem Amtsverzicht des deutschen Papstes und der Wahl von Papst Franziskus änderte sich jedoch alles. Seither wird die Kirchenführung von den Radikalen geschont. Es kam vielmehr zu einer ungewöhnlichen, geradezu idyllisch anmutenden Annäherung. Kurienerzbischof Vincenzo Paglia begleitete Pannella im Sterben und tätigte in diesem Zusammenhang irritierende Aussagen – und nicht nur er, sondern auch Papst Franziskus. Emma Bonino, die ihre Positionen nicht geändert hat, darf heute sogar in Kirchen sprechen und dort Wahlversammlungen abhalten.
Die unheimliche Trautsamkeit zwischen den Kirchenfeinden und der derzeitigen Kirchenführung macht sogar das Unmögliche möglich, daß den Radikalen eine der ältesten Basiliken Neapels überlassen wird, um dort ihren Parteikongreß abzuhalten.
Dabei stellt sich die Frage, warum eine Partei, die den Vatikan noch vor kurzem mit den Taliban gleichsetzte, ausgerechnet in einer Kirche tagen will. Es muß wohl in erster Linie eine Frage der Genugtuung sein – und natürlich der Provokation.
Kirchenrektor: „Ich setze keinen Fuß mehr in Kirche, wenn der Mietvertrag aufrechtbleibt“
Der zuständige Kirchenrektor, Don Salvatore Giuliano, ist empört. Er mußte aus den Medien von der unglaublichen Zweckentfremdung seiner Kirche hören. Er ließ der Diözesanleitung mitteilen, sich von seinem Erzbischof, Crescenzio Kardinal Sepe, die Ausladung der Radikalen zu erwarten. Andernfalls werde er „keinen Fuß“ mehr in die Kirche setzen, solange die Profanierung nicht wiedergutgemacht und die Basilika nicht ausschließlich dem Gottesdienst vorbehalten wird.
Auch der Direktor des diözesanen Denkmalamtes, Don Eduardo Parlato, fiel aus allen Wolken:
„Die Radikalen in einer Kirche? Unmöglich!“
Maurizio Turco, seit 2019 Vorsitzender der Radikalen Partei, hatte bekanntgegeben, daß der Kongreß des Partito Radicale Transnazionale vom 31. Oktober bis 2. November stattfinden wird. Dazu habe die Partei die Kirche von einer Stiftung gemietet. Der Mietpreis komme zur Gänze der Kirchenrestaurierung zugute, habe man ihm gesagt.
„Unter allen Sälen, die man uns angeboten hat, haben wir uns für diesen entschieden“, so Turco.
Auf den Einwand der katholischen Internetzeitung Nuova Bussola Quotidiana, daß eine Kirche nicht nach Belieben dem Gottesdienst entzogen und anderen Zwecken zugeführt werden könne, meinte Turco ungerührt, das sei „kein Problem, schließlich haben wir einen Priester in unseren Reihen. Don Ettore Cannavera ist Mitglied des Parteivorstandes.“
Don Ettore Cannavera ist Priester des Erzbistums Cagliari auf Sardinien, und gehört zu den „Straßenpriester“, den derzeit hoch im Kurs stehenden „Priestern von den Rändern“. 1968 wurde er zum Priester geweiht und vor allem wegen seines sozialen Engagements bekannt. Seine Freunde beschreiben ihn als Priester, Psychologen, Pädagogen und Soziologen, der „das Evangelium (und das Konzil) in der einen und die republikanische Verfassung in der anderen Hand hält“.
Don Cannavero selbst legt vor allem Wert darauf, daß er von „Katholizismus nicht Klerikalismus“ und von „Evangelium nicht Codex“ spreche.
Ein Freund schrieb 2018 anläßlich seines Goldenen Priesterjubiläums:
„Sein Priestertum war von Anfang an das ‚entklerikalisierteste‘, das man sich nur vorstellen kann‘.“
Die Pfarrseelsorge gab er bald auf und zog ihr die Gefängnisseelsorge und den Unterricht vor, zuletzt an der Päpstlichen Theologischen Fakultät von Sardinien, wo er den Studenten Aristoteles, Kant, Hegel und Popper erklärte, ebenso die Thesen von Freud und Jung und seine eigene Behauptung, daß Jesus Christus „gar keine Kirche“ gegründet habe, jedenfalls keine „klerikale Rechtsstruktur“.
Das Feigenblatt
1974 kämpfte er an der Seite der Radikalen Partei für die Legalisierung der Ehescheidung. Daraus wurde eine dauerhafte Kooperation. Seine Kirchensteuer bezahlt er an die Waldenser, die italienischen Calvinisten, „weil die alles für soziale Zwecke einsetzen und keine Cent davon, um die Priester zu bezahlen, denn das ist Simonie“. Die Priesteramtskandidaten sollten laut Don Cannavero selbst entscheiden können, ob sie zölibatär leben oder heiraten wollen.
2017 wurde ihm von Staatspräsident Sergio Mattarella das Komturkreuz des Verdienstordens der Republik verliehen.
Der Verantwortliche der Stiftung, die der Radikalen Partei die Basilika vermietet, gab sich auch Nachfrage kurz angebunden. Man habe die Erzdiözese „informiert“. Mehr habe man dazu nicht zu sagen.
Die Nuova Bussola Quotidiana schrieb dazu:
„Sollte Marco Pannella eines Tages sogar seliggesprochen werden, hätte die Radikale Partei schon die Kirche für ihn bereit.“
Die ungewöhnliche und kirchenrechtlich zweifelhafte Übertragung von Nutzungsrechten an eine Stiftung stört Kirchenrektor Don Salvatore seit seiner Ernennung. „Ich muß die Kirche mit einer Stiftung teilen, die sie an Dritte vermieten kann. Das ist kein Zustand.“
Bisher wurde die Kirche von der Stiftung für Kunstausstellungen und Konzerte genützt.
„Die Vermietung an die Radikale Partei hat dem Faß den Boden ausgeschlagen“, so Don Salvatore.
Eine Stellungnahme des Erzbistums steht bisher aus. Kardinal Sepe kam auch dem Wunsch des Kirchenrektors nicht nach. Stattdessen bemühte sich der Oberhirte darum, daß Don Salvatore sich mit der Stiftung der Ingenieurskammer an einen Tisch setzt. Offensichtlich soll die Quadratur des Kreises versucht werden. Don Salvatore ist dazu aber nicht bereit.
„Ich habe Seine Eminenz wissen lassen, daß ich mich mit der Stiftung nur an einen Tisch setze, um den Mietvertrag zu annullieren.“
Die Nuova Bussola Quotidiana vermutet hinter der Übertragung von Nutzungsrechten an die Stiftung finanzielle Interessen des Erzbistums – „ein Busineß“.
Eine der ältesten Kirchen Neapels
Die Basilika San Giovanni Maggiore von Neapel gehört zu den ältesten Kirchen der Welt. Sie wurde bald nach dem Mailänder Edikt von 313 erbaut. Den Auftrag dazu bringen verschiedene Legenden direkt mit Kaiser Konstantin den Großen in Verbindung. Der erste Kirchenbau aus dem Jahr 324 wurde in byzantinischer Zeit, in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhundert, stark erweitert, sodaß er zu den vier größten Kirchen der Stadt gehörte. Größere Umbauarbeiten im romanischen Stil erfolgten durch die Normannen. Ihr heutiges, barockes Aussehen erhielt die Basilika im 17. Jahrhundert nach dem schweren Erdbeben von 1635. Damals wurden in der Kirche zwei Tafeln des alten Kalenders der neapolitanischen Kirche aus dem Jahr 887 gefunden, die heute im Diözesanmuseum aufbewahrt werden.
Erdbeben im 18. und 19. Jahrhundert machten weitere Eingriffe und Restaurierungen notwendig. Letztere erfolgten im Stil der Neoklassik. 1970 gab das Deckengewölbe nach, wodurch die Eingriffe des 19. Jahrhunderts weitgehend zerstört wurden. Die Kirche mußte geschlossen werden. Die langwierigen Restaurierungsarbeiten brachten hinter dem Chorgestühl des 17. Jahrhunderts die frühchristliche Apsis zum Vorschein. Während dieser Zeit wurden zahlreiche Kunstwerke gestohlen.
Zu den zahlreichen Kapellen der Basilika gehört die Cappella dei Paleologi, gestiftet von Nachfahren der letzten Kaiserdynastie, die von 1224–1453 das Byzantinische Reich regierte. Die Kapelle ist Unserer Lieben Frau von Konstantinopel geweiht.
Erst 2012 konnte die Basilika wieder geöffnet und dem Gottesdienst zugeführt werden. Das Erzbistum ernannte einen Kirchenrektor, der regelmäßig die Messe zelebriert. Gleichzeitig wurde die Verwaltung und Nutzung der Basilika mit Einwilligung des Erzbistums der Ingenieurskammer der Provinz Neapel übertragen, die sie auch vermieten kann – sogar an die Radikale Partei.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Partito Radicale (Screenshots)
Schrecklich. Und wo sollen dann die Messen stattfinden für Allerseelen und Allerheiligen? Was wollen diese Unglaubige in einer Kirche?
Kirchen werden immer mehr profaniert (Kunstaustellungen unter Abnahme des Kreuzweges, „Konzerte“, Mittagessen, Illegalen-Schlafsäle etc.) Papst Franziskus und die Gemeinschaft SantEgidio machen es vor.
Andernfalls werde er „keinen Fuß“ mehr in die Kirche setzen, solange die Profanierung nicht wiedergutgemacht – richtig, denn eine solche entweihte Kirche ist kein Sakralraum – und die Basilika nicht ausschließlich dem Gottesdienst vorbehalten wird. In Berlin baut Erzbischof Koch seine Bischofskirche gerade zu einem „modernen“ menschenzentrierten Allzweckraum um.
Erst 2012 konnte die Basilika wieder geöffnet und dem Gottesdienst zugeführt werden. Das Erzbistum ernannte einen Kirchenrektor, der regelmäßig die Messe zelebriert. Gleichzeitig wurde die Verwaltung und Nutzung der Basilika mit Einwilligung des Erzbistums der Ingenieurskammer der Provinz Neapel übertragen, die sie auch vermieten kann – sogar an die Radikale Partei.