(Rom) Am 17. Februar 2017 wurde am Parteisitz der kirchenfeindlichen Radikalen Partei in Rom posthum eine Autobiographie von Marco Pannella vorgestellt. Gast am Podium war erstaunlicherweise auch Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, ehemals „Familienminister“ des Heiligen Stuhls. Der nunmehrige Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben fand soviel Lob für Pannella, der sich selbst gerne als „Häretiker, nicht Atheist“ bezeichnete, daß er sich regelrecht in ein panegyrisches Delirium redete. Daß das Lob für den radikalen Abtreibungs- und Euthanasiebefürworter Pannella ausgerechnet aus dem Mund des „obersten“ Lebensschützers des Vatikans kam, ist besonders pikant, aber derzeit im Vatikan offensichtlich kein Stein des Anstoßes. Paglia erzählte dabei auch eine Episode von Papst Franziskus.
„Die Welt braucht mehr denn je Männer, die zu sprechen wissen wie“ Marco Pannella
In seiner völlig unangemessenen Lobhudelei, die für jeden gläubigen Christen und Lebensschützer zur Ohrfeige wurde, sagte Paglia über Pannella, der am 19. Mai 2016 im Alter von 86 Jahren gestorben ist:
„Es ist ein Mann von großer Spiritualität (…) Sein Tod ist ein großer Verlust für unser Land (…) Sein Geist weht weiter (…) Er war Anreger eines schöneren Lebens, nicht nur für Italien, sondern für unsere ganze Welt, die mehr denn je Männer braucht, die zu sprechen wissen wie er (…) Ich wünsche mir, daß der Geist von Marco uns helfen möge, in diese selbe Richtung zu leben.“
Letztlich wiederholte er damit nur, was Papst Franziskus bereits zuvor gesagt hatte, als er Pannella als einen „ganz Großen“ bezeichnete. Zur Biographie siehe Marco Pannella – der Mann, der Italien zum Schlechteren veränderte.
Papst Franziskus: „Er glaubte, woran er glaubte“
Dazu paßt die Episode, die Paglia bei der Buchvorstellung erzählte. Im Frühjahr 2016 habe sich die Römische Kurie gerade in den Fastenexerzitien befunden.
„Da wurde ich angerufen und mir mitgeteilt, daß sich Pannellas Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Papst Franziskus sagte zu mir: ‚Geh sofort zu ihm und bring ihm meinen Gruß‘. Im Juli, als Pannella bereits gestorben war, hat mir Franziskus gedankt: ‚Danke, für das, was Du getan hast, daß Du ihm nahe warst, weil Marco Pannella gelebt hat, indem er geglaubt und am eigenen Körper dafür bezahlt hat, woran er glaubte“.
Woran er glaubte? Woran glaubte er denn?
Laut Paglias Schilderungen, kam sein persönlicher Kontakt zu Pannella in dessen letzten Lebensmonaten zustande und ging vielleicht direkt auf Papst Franziskus zurück.
Pannella hatte zeitlebens die katholische Kirche bekämpft. Er spottete und lästerte und kämpfte für die Legalisierung der Scheidung, der Abtreibung, der „Homo-Ehe“, der Drogen und der Euthanasie. Einer seiner spöttischen Standardsätze lautete:
„Es ist dringend notwendig, die Gläubigen der Gewalt der Kirchenhierarchie zu entreißen.“
Hat sich Pannella am Ende seines Lebens bekehrt?
Am 22. April 2016 schrieb Pannella dem Papst einen Brief. Anlaß war dessen Besuch bei Migranten auf der Insel Lesbos, die dort auf die Einreise in die EU warteten. Pannella schrieb in dem Brief:
„Das ist das Evangelium, das ich liebe und das ich an der Seite der Letzten leben möchte, die von allen weggeworfen werden.“
„Pannella segnet den Papst“, titelten darauf einige Medien.
War das eine Bekehrung oder nur eine letzte Vereinnahmung des Evangeliums und des Papstes für einen jener zahlreichen Kämpfe, die Pannella sein Leben lang ausfocht? Bis zuletzt für die Euthanasie und die Einwanderung. Kämpfe, bei denen er skrupellos jeden vereinnahmte, der zu vereinnahmen war und jeden wegwarf, der es nicht war.
Konstitutives Element der Bekehrung ist die Reue über begangene Sünden. Ein Beispiel dafür ist das Testament von Simon Bolivar. Pannella hätte die Last der Tragödien, die er verursachte, erdrücken müssen. Bekannt wurde davon nichts. Auch nichts von dem, woran Pannella letztlich wirklich „glaubte“.
Sein Schreiben an den Papst beendete er mit einem Appell zur Einführung von Esperanto als Weltsprache:
„Heiliger Vater, spenden Sie den Segen Urbi et Orbi auf Esperanto und unterstützen Sie die Kampagne der Radikalen ‚für eine gemeinsame Sprache der menschlichen Spezies‘ bei allen transnationalen Organismen, angefangen bei den Vereinten Nationen.“
Pannellas „zweites Leben“
Der ehemalige Weggefährte und Vorsitzende der Radikalen Partei Giovanni Negri, Pannellas „Benjamin“, [1]Giovanni Negri war von 1984–1988 Vorsitzender der Radikalen Partei, von 1983–1992 Abgeordneter zum Italienischen Parlament und von 1988–1989 auch Abgeordneter zum Europäischen Parlament. widmete seinem Mentor inzwischen eine Biographie mit bezeichnendem Titel und Buchumschlag (Bild): „Der Erleuchtete“ (auch „Der Eingeweihte“). Das Bild auf dem Buchumschlag zeigt Pannella stilisiert wie ein „Priester“ mit einer Halskette, an der allerdings kein Kreuz, sondern die Todesrune hängt, die von der Friedensbewegung als „Friedenssymbol“ umgedeutet wurde. Priester welcher Religion?
2009 ätzte Pannella im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegen die Lebensrechtsbewegung:
„Habt ihr je von jemand gehört, der für einen Embryo ein Bankkonto eröffnet hat? Abtreibung wird als etwas Anti-Katholisches gesehen. Was soll das? Was soll christlich daran sein, die Rechte eines werdenden Lebens denen eines vollendeten Lebens, jenem der Mutter, vorzuziehen? […] In 200 Jahren werden sich die Lebensschützer [wegen des medizinischen Fortschritts] vielleicht sogar entschuldigen. Dieses Philosophieren, diese Haarspalterei, um festzulegen, wer die Wahrheit sagt, ist für die Menschheit so ’nützlich‘ wie das Salz im Meerwasser, wenn jemand am verdursten ist.“
Negri enthüllte in seinem Buch, daß Pannella als junger Mann einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten, weil „mir das Leben nichts mehr zu geben hatte“. Er, so Negri, der „so schön war, daß sich Frauen und Männer nach ihm umdrehten“. Er wurde in einer Blutlache gefunden und gerettet. Negri weiter: „Pannella wurde zweimal geboren“. In diesem „zweiten“ Leben gründete Pannella kurz darauf im Alter von 25 Jahren, das war 1955, die Radikale Partei und begann seine Kämpfe.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
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↑1 | Giovanni Negri war von 1984–1988 Vorsitzender der Radikalen Partei, von 1983–1992 Abgeordneter zum Italienischen Parlament und von 1988–1989 auch Abgeordneter zum Europäischen Parlament. |
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