
(Rom) Es geht um Alessia Nobile, laut eigener Definition „Transfrau“, die im Homo-Monat von Papst Franziskus nach der Generalaudienz am 21. Juni empfangen wurde. Damals war noch nicht bekannt, daß der Empfang von Homo- und Transsexuellen inzwischen eine wöchentliche Praxis im Vatikan ist.
Nobile, die als Junge geboren wurde, aber sich für eine Frau hält, veröffentlichte ein autobiographisches Buch, nicht etwa in einem Nischenverlag, sondern im großen Verlag Feltrinelli. Die zweifelhafte Botschaft darin lautet: „Als Trans wird man geboren, man wird es nicht“. Die Parole ist aus der Homo-Szene bekannt und soll jede Diskussion über das Selbstverständnis und die offensichtliche Identitätsstörung unterbinden. Nobile überreichte dem Papst das Buch im Juni.
Inzwischen kann sich Nobile über einen handgeschriebenen Brief von Papst Franziskus freuen und führte dazu bereits eine Reihe von Interviews mit Medien wie Vanity Fair. Der päpstliche Brief stammt vom 11. Juli. Nobile erklärt, ihn eigentlich für sich behalten gewollt zu haben, dann habe die „Transfrau“ dem Reiz, ihn bekanntzumachen, nicht widerstehen können.
Der handgeschriebene Brief ist mit „Francesco“ unterschrieben.
„Ich ging mit einer Gruppe gläubiger schwuler Christen in den Vatikan: Sie kannten eine französische Nonne, Schwester Genevieve, eine Freundin des Papstes, die sich ebenfalls für transsexuelle Mädchen einsetzt“, erzählte Nobile der Zeitschrift. „Die Ordensfrau gab mir einen persönlichen Passierschein und ich konnte es nicht glauben: Ich dachte nicht an ein ’nahes‘ Zusammentreffen mit dem Papst. Stattdessen hatte ich diese Gelegenheit, und am Ende der Audienz gab ich ihm mein Buch. Ich stellte mich vor: ‚Ich bin eine Transgender-Frau…‘, ich legte meine Hände vor mich, für den Fall, dass er mich nicht empfangen wollte. Denn ja, auch ich bin ein gesunder Träger von Vorurteilen geworden. Aber der Papst unterbrach mich und forderte mich auf, mich mit Namen vorzustellen: ‚Aber wie heißen Sie?‘“
Mit der Ordensfrau ist Sr. Geneviève Jeanningros gemeint, die mit dem Homo-Verein Tenda di Gionata zusammenarbeitet. Franziskus, der das Buch in der Hand hielt, sagte: „Sie haben sehr gut daran getan, diese Geschichte zu schreiben. Es muß erzählt werden, um zu informieren, denn die Menschen wissen es nicht.“
Beeindruckt von der Begegnung schickte Nobile am nächsten Tag einen Brief an den Papst, um ihm für seinen Empfang und seine Worte zu danken, aber ohne eine Antwort zu erwarten. Stattdessen erhielt Nobile am 11. Juli eine E‑Mail von Pater Gonzalo Aemilius, dem persönlichen Sekretär des Papstes: In der Anlage findet sich der handgeschriebene Brief des Papstes.
„Liebe Schwester,
vielen Dank für Ihre E‑Mail. Ich stimme mit Ihnen überein, was das Problem der Vorurteile angeht. Es tut so weh!
In Gottes Augen sind wir alle seine Kinder, und das ist es, was zählt! Wir haben einen Vater, der uns liebt, der uns mit Mitgefühl und Zärtlichkeit nahe ist. Allen, niemand ist ausgeschlossen. Genau das ist der Stil Gottes: Nähe, Mitgefühl, Zärtlichkeit. Ich bete für Dich, bete für mich. Möge der Herr Dich segnen und die Gottesmutter Dich beschützen.In brüderlicher Verbundenheit,
Franziskus.“
Vor einigen Wochen wandte sich Nobile erneut an den Papst: „Ich glaube, daß Information statt Kampf ein wirksames Mittel zur Förderung der Integration sein kann. Ich höre oft, daß in Italien die Vorurteile gerade deshalb so tief verwurzelt sind, weil ‚es den Vatikan gibt‘, aber ich verstehe, daß dieser Satz nur dazu dient, vorgefaßte Meinungen zu rechtfertigen. Die Kirche hat ihre Grenzen, aber sie hat mich aufgenommen. Wenn ein Arbeitgeber mich von vornherein entläßt, wenn die Leute in der Bar über mich lachen, wenn ich belästigt werde, dann liegt die Verantwortung allein bei der Person, die das tut.“
Die „Transfrauen“, die dem Papst jede Woche im Rahmen der Generalaudienzen zugeführt werden, entstammen meist der römischen Stricher-Szene. Die neuen Freunde des Papstes freuen sich, wie Nobile, aber nicht an der Lehre der Kirche, sondern daß Franziskus ihre Lebensweise entgegen der kirchlichen Lehre akzeptiert. Ein Danaergeschenk.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)