Costa Rica droht durch Mißbrauchsskandal eine Verfassungsänderung

Mindestens neun Priester im Visier der Staatsanwaltschaft


Costa Rica missbrauchsskandal
Auch die Kirche in Costa RIca wird von einem Mißbrauchsskandal erschüttert. Als Folge droht eine Verfassungsänderung.

(San José) Der Miß­brauchs­skan­dal hat inzwi­schen auch Costa Rica erreicht. Die Kir­che des mit­tel­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des erlebt eine ihrer größ­ten Krisen.

Anzei­ge

Aus­lö­ser sind eine Rei­he von Anzei­gen wegen sexu­el­len Miß­brauchs durch Prie­ster. Die Bischö­fe sahen sich genö­tigt, eine öffent­li­che Ver­ge­bungs­bit­te aus­zu­spre­chen samt dem Ein­ge­ständ­nis, daß die bis­he­ri­ge Ant­wort auf sol­che Fäl­le nicht aus­rei­chend war.

In Costa Rica, einem Land, das grö­ßer ist als Nie­der­sach­sen samt Ham­burg und Bre­men zusam­men und fünf Mil­lio­nen Ein­woh­ner zählt, ist die katho­li­sche Kir­che in der Ver­fas­sung von 1949 als Staats­re­li­gi­on aner­kannt. In den ver­gan­ge­nen Mona­ten kam es zu zahl­rei­chen Anzei­gen von heu­te Erwach­se­nen Män­nern, die behaup­ten, von Prie­stern sexu­ell miß­braucht wor­den zu sein, als sie noch min­der­jäh­rig waren.

Einer der auf­se­hen­er­re­gend­sten Fäl­le ist der des bekann­ten Prie­sters Mau­ricio Viquez. Am ver­gan­ge­nen 19. Febru­ar wur­de von der Staats­an­walt­schaft ein inter­na­tio­na­ler Haft­be­fehl gegen Viquez erlas­sen, nach­dem er am 7. Janu­ar das Land mit unbe­kann­tem Ziel ver­las­sen hatte.

Der Fall könn­te im kom­men­den Sep­tem­ber ver­jäh­ren, wenn zehn Jah­re ver­gan­gen sind, seit das Opfer die Voll­jäh­rig­keit erreich­te. Die Gesetz­ge­bung des Lan­des sieht die­se zeit­li­che Beschrän­kung für sol­che Fäl­le vor.

Gegen Viquez wur­de im Okto­ber 2018 Anzei­ge erstat­tet wegen mut­maß­li­cher Ver­ge­wal­ti­gung eines 14-jäh­ri­gen Jun­gen, der 2003 Mini­strant in der Pfar­rei San Juan Bau­ti­sta de Patar­rá de Desam­pa­ra­dos in der Haupt­stadt San José war.

Gegen den Prie­ster lie­gen inzwi­schen auch neun kano­ni­sche Anzei­gen vor. Alle betref­fen Mini­stran­ten, die in Pfar­rei­en der Pro­vinz Car­ta­go und der Haupt­stadt­pro­vinz San José dien­ten, in denen Viquez sei­ner­zeit tätig war. Die­se Anzei­gen wer­den von der Kir­che ver­folgt, aber nicht mehr vom Staat, weil für sie bereits die Ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten ist.

Für Auf­se­hen sorgt auch der Fall des Prie­sters Her­n­an Castil­lo Huer­tas. Am 21. Febru­ar nann­te ihn der heu­te 50-jäh­ri­ge Arnol­do Vill­al­ta als Täter. Castil­lo soll Vill­al­ta, als die­ser ein Jugend­li­cher war, sexu­ell miß­braucht haben. Der Mann ging an die Öffent­lich­keit, weil er bereits vor zwei Jah­ren eine kano­ni­sche Anzei­ge erstat­tet hat­te, doch seit­her kei­ne Nach­richt zum Fall erhal­ten habe.

Die Miß­brauchs­kri­se wird ver­schärft durch den Umstand, daß meh­re­re Opfer wie Vill­al­ta behaup­ten, daß die kirch­li­chen Stel­len nicht tätig wür­den. Vor allem dem Erz­bi­schof von San José, Msgr. José Rafa­el Qui­ros, wird vor­ge­wor­fen, Fäl­le gedeckt zu haben.

Die Staats­an­walt­schaft ließ am ver­gan­ge­nen 7. März die erz­bi­schöf­li­che Kurie und die Räum­lich­kei­ten des diö­ze­sa­nen Kir­chen­ge­richts durch­su­chen. Letz­ter Ein­griff einer Gerichts­be­hör­de in eine ande­re wiegt schwer. Die Durch­su­chung durch die welt­li­che Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de erfolg­te im Zuge der Ermitt­lun­gen in den Fäl­len der Prie­ster Viquez und Manu­el Gue­va­ra Fonseca.

Das Erz­bis­tum bekun­de­te „vol­le Bereit­schaft“ zur Zusam­men­ar­beit. Zugleich bat es öffent­lich um Ent­schul­di­gung, wenn in der Ver­gan­gen­heit nicht in ange­mes­se­ner Wei­se reagiert wor­den sei. Eine erste Ver­ge­bungs­bit­te der Bischofs­kon­fe­renz war bereits am 1. März erfolgt, eine zwei­te am ver­gan­ge­nen Frei­tag, den 15. März.

Der Miß­brauchs­skan­dal zei­tigt wei­ter­ge­hen­de Fol­gen. Kir­chen­feind­li­che Krei­se nüt­zen die Empö­rung und auf­ge­wühl­te Stim­mung, um ein „Ver­fas­sungs­re­form“ zu for­dern und die katho­li­sche Kir­che als Staats­re­li­gi­on aus der Ver­fas­sung strei­chen zu lassen.

Laut einer Erhe­bung der Uni­ver­si­tät von Costa Rica bezeich­nen sich 52 Pro­zent der Bür­ger als Katho­li­ken. Das sind um 20 Pro­zent weni­ger als 2016.

Pro­te­stan­ti­sche Frei­kir­chen haben im sel­ben Zeit­raum von 12 Pro­zent auf 22 Pro­zent zuge­legt. Jene, die kei­ne Reli­gi­ons­an­ga­be mach­ten oder sich als reli­gi­ons­los erklär­ten, nah­men von 10 Pro­zent auf 17 Pro­zent zu.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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