Erzbischof Scicluna: „80 Prozent der Mißbrauchsopfer sind männlich“

Das verque(e)re Tabu Homosexualität


Msgr. Scicluna: „80 Prozent der sexuellen Mißbrauchsopfer sind männlich“, doch über Homosexualität verliert der päpstliche Sondergesandte kein Wort - und folgt damit Papst Franziskus.
Msgr. Scicluna: „80 Prozent der sexuellen Mißbrauchsopfer sind männlich“, doch über Homosexualität verliert der päpstliche Sondergesandte kein Wort - und folgt damit Papst Franziskus.

(Rom) Msgr. Charles Sci­clu­na, Erz­bi­schof von Mal­ta und Son­der­ge­sand­ter von Papst Fran­zis­kus, sag­te in einem gestern von der Tages­zei­tung El Pais ver­öf­fent­lich­ten Inter­view, daß 80 Pro­zent aller sexu­el­len Miß­brauchs­op­fer von Kle­ri­kern männ­lich sind. Ein zen­tra­le Aus­sa­ge mit Blick auf den Miß­brauchs­gip­fel, der vom 21.–24. Febru­ar im Vati­kan stattfindet.

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Erz­bi­schof Sci­clu­na lei­te­te unter Papst Bene­dikt XVI. die Ermitt­lun­gen gegen den Grün­der der Legio­nä­re Chri­sti, Mar­cial Maciel Degollada. Unter Papst Fran­zis­kus wur­de er zu einem beson­ders getreu­en Berg­o­glia­ner. 2015 von Fran­zis­kus zum Erz­bi­schof von Mal­ta beför­dert, setz­te er dort umge­hend die ver­schlüs­sel­ten, aber beab­sich­tig­ten Direk­ti­ven von Amo­ris lae­ti­tia um und gewähr­te wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Zulas­sung zu den Sakra­men­ten.

Im chi­le­ni­schen Fall Bar­ros akti­vier­te ihn Fran­zis­kus 2018 als Son­der­ge­sand­ten, um vor Ort die Ermitt­lun­gen durch­zu­füh­ren, denen sich der Papst zuvor mehr als drei Jah­re lang ver­wei­gert hat­te. Im ver­gan­ge­nen Novem­ber ernann­te er Sci­clu­na zum bei­geord­ne­ten Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, wobei er zugleich Erz­bi­schof von Mal­ta bleibt.

Sci­clu­na bekräf­tigt in dem El-Pais-Inter­view die Not­wen­dig­keit, „auch wenn es für die Kir­che dra­ma­tisch und schmerz­lich ist“, die Fäl­le öffent­lich aufzuarbeiten. 

„Der Schrei der Opfer dringt zum Her­zen Gottes.“

Auf die Fra­ge, wes­halb es zu Fäl­len von Ver­tu­schung kam, sag­te Sci­clu­na, daß das ein urtüm­li­cher Schutz­me­cha­nis­mus sei, die Wirk­lich­keit zu leug­nen und zuzu­decken, aber „es funk­tio­niert nicht“.

Der Erz­bi­schof kün­dig­te an, daß sich das Orga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tee des vati­ka­ni­schen Miß­brauchs­gip­fels am Mitt­woch mit einer Ver­tre­tung der Opfer tref­fen wer­de. Auf die Fra­ge nach „kon­kre­ten Maß­nah­men“ sag­te Scicluna: 

„Nichts ist aus­ge­schlos­sen. Es wird danach aber kein päpst­li­ches Doku­ment geben. Die Doku­men­te gibt es bereits: Der Papst hat das Schrei­ben an das Volk Got­tes ver­faßt. Jetzt ist es umzusetzen.“

Der verschwiegene Zusammenhang

El Pais, eine lin­ke Tages­zei­tung, zeig­te kein Inter­es­se das The­ma Homo­se­xua­li­tät als Haupt­grund für den sexu­el­len Miß­brauch durch Kle­ri­ker zu the­ma­ti­sie­ren. Auf­grund der Kri­tik von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, dem ehe­ma­li­gen Glau­bens­prä­fek­ten, kam sie den­noch nicht dar­um her­um, wenn­gleich sie des­sen Aus­sa­ge in den Kon­text eines inner­kirch­li­chen Gra­ben­kamp­fes zu stel­len versuchte. 

Die Fra­ge von El Pais im Wortlaut:

„Eine kon­ser­va­ti­ve Strö­mung in der Kir­che, ein­schließ­lich dem vori­gen Prä­fek­ten die­ser Kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Mül­ler, schreibt den Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­gen durch Kle­ri­ker einem hohen Anteil von Homo­se­xua­li­tät in der Kir­che zu? Stim­men Sie dem zu?“

Die Fra­ge pro­vo­zier­te eine für die Gesamt­dis­kus­si­on bedeut­sa­me Ant­wort: Erz­bi­schof Sci­clu­na, als bei­geord­ne­ter Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und päpst­li­cher Son­der­ge­sand­ter direkt mit den Miß­brauchs­fäl­len befaßt, bestä­tig­te, daß die Zah­len aller Erhe­bun­gen seit 2001 (als der Miß­brauchs­skan­dal in den USA explo­dier­te) „kon­stant“ sind. 

„80 Pro­zent der Opfer sind männ­li­chen Geschlechts und über 14 Jah­re alt.“

Dann aller­dings zog er gleich die Hand­brem­se. Das Wort Homo­se­xua­li­tät nahm er im kon­kre­ten Zusam­men­hang eben­so­we­nig in den Mund  wie Papst Fran­zis­kus. Der vol­le Wort­laut sei­ner Antwort:

„Es gibt kon­stan­te Zah­len seit 2001, was den sexu­el­len Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­gen betrifft, der vom katho­li­schen Kle­rus began­gen wur­de: 80 Pro­zent der Opfer sind männ­li­chen Geschlechts und über 14 Jah­re alt. Das sind die Zah­len, der Rest ist Interpretation.“

Die Din­ge beim Namen zu nen­nen, wie es Kar­di­nal Mül­ler mehr­fach tat, ist für Erz­bi­schof Sci­clu­na nur „Inter­pre­ta­ti­on“. Kri­ti­ker wer­fen Papst Fran­zis­kus vor, den Gip­fel von vor­ne­her­ein schei­tern zu las­sen, wenn nicht auch das The­ma Homo­se­xua­li­tät als Haupt­grund des sexu­el­len Miß­brauchs behan­delt wird. 

Das gestern ver­öf­fent­lich­te Inter­view mit Sci­clu­na zeigt, daß die­se Bereit­schaft vier Tage vor Beginn des Miß­brauchs­gip­fels offen­bar noch nicht gege­ben ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: El Pais (Screen­shot)

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