Es ist ein Religionskrieg


Blutbad in koptischer Kirche
Palmsonntag 2017: Blutbad in koptischen Kirchen Ägyptens

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Das Blut­bad von Tan­ta und Alex­an­dria ist für Papst Fran­zis­kus, kurz vor sei­nem Ägyp­ten-Besuch, ein har­ter Rück­ruf in die Wirk­lich­keit. Die Atten­ta­te im Nahen Osten eben­so wie in Euro­pa sind kei­ne Natur­ka­ta­stro­phen, die man mit inter­re­li­giö­sen Tref­fen ver­mei­den kann wie jenem, das Papst Berg­o­glio am kom­men­den 28. April mit dem Groß­i­mam von Al-Azhar haben wird. Es sind viel­mehr Ereig­nis­se, die uns dar­an erin­nern, daß es auf Erden tie­fe ideo­lo­gi­sche und reli­giö­se Unter­schie­de gibt, die nur durch eine Rück­kehr zur Wahr­heit über­wun­den wer­den können.

Die erste Wahr­heit ist, an die es zu erin­nern gilt, wenn man sich und die Welt nicht selbst belü­gen will, daß die Atten­tä­ter von Alex­an­dria und Tan­ta, eben­so wie jene von Stock­holm und Lon­don, nicht gestör­te oder psy­chisch labi­le Ein­zel­tä­ter sind, son­dern Fah­nen­trä­ger einer reli­giö­sen Visi­on, die seit dem 7. Jahr­hun­dert das Chri­sten­tum bekämpft. Nicht nur Euro­pa, son­dern der Westen und der christ­li­che Osten haben in den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten die eige­ne Iden­ti­tät auch dadurch defi­niert, daß sie sich gegen die Angrif­fe des Islams ver­tei­digt haben, der nie auf sei­ne Welt­herr­schafts-Ansprü­che ver­zich­tet hat.

Die Ana­ly­se von Papst Fran­zis­kus lau­tet anders: In der Pre­digt zum Palm­sonn­tag beton­te er sei­ne Nähe zu jenen, die „lei­den unter Skla­ven­ar­beit, unter fami­liä­ren Dra­men, unter Krank­hei­ten … Sie lei­den auf­grund von Krie­gen und Ter­ro­ris­mus, auf­grund von Inter­es­sen, wel­che die Waf­fen in Bewe­gung set­zen und sie zuschla­gen lassen.“

Der Papst löste sei­ne Augen vom vor­be­rei­te­ten Text und füg­te noch hin­zu: Beten wir auch für die Bekeh­rung der Her­zen „jener, die Waf­fen pro­du­zie­ren und han­deln“. Papst Berg­o­glio wie­der­hol­te, was er schon öfter gesagt hat­te: Es ist weder der Islam an sich noch ein Irr­weg von ihm, der den Frie­den in der Welt bedroht, son­dern die „Wirt­schafts­in­ter­es­sen“ der Waffenhändler.

Im Inter­view mit dem Jour­na­li­sten Hen­ri­que Cyme­r­man, das von der kata­la­ni­schen Tages­zei­tung La Van­guar­dia am 12. Juni 2014 ver­öf­fent­licht wur­de, erklär­te Franziskus:

„Wir wer­fen eine gan­ze Gene­ra­ti­on weg, um unser Wirt­schafts­sy­stem auf­recht­zu­er­hal­ten, das nicht mehr trägt. Ein System, das Krieg füh­ren muß, um zu über­le­ben, wie das die gro­ßen Impe­ri­en immer gemacht haben. Da es aber nicht mög­lich ist, einen Drit­ten Welt­krieg zu füh­ren, wer­den loka­le Krie­ge geführt. Und was bedeu­tet das? Daß Waf­fen pro­du­ziert und ver­kauft wer­den. Und indem man das tut, wer­den die Bilan­zen der göt­zen­die­ne­ri­schen Wirt­schaft, der gro­ßen Welt­wirt­schaft, die den Mensch dem Göt­zen Geld opfert, natür­lich saniert.“

Der Papst scheint nicht zu glau­ben, daß man sich dafür ent­schei­den kann, für die Ver­wirk­li­chung eines poli­ti­schen oder reli­giö­sen Trau­mes zu leben und zu ster­ben. Was die Geschich­te bewegt, sind die Wirt­schafts­in­ter­es­sen, die frü­her jene der bür­ger­li­chen Klas­se gegen die pro­le­ta­ri­sche Klas­se waren und heu­te jene der inter­na­tio­na­len Kon­zer­ne und der kapi­ta­li­sti­schen Staa­ten gegen „die Armen der Welt“ sind. Die­ser Sicht­wei­se der Ereig­nis­se, die sich direkt vom mar­xi­sti­schen Öko­no­mis­mus ablei­tet, steht heu­te die geo­po­li­ti­sche Sicht­wei­se des Prä­si­den­ten der USA, Donald Trump, und des Prä­si­den­ten der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on, Wla­di­mir Putin, entgegen.

Trump und Putin haben die natio­na­len Inter­es­sen ihrer jewei­li­gen Län­der wie­der­ent­deckt und tra­gen auf dem Schach­brett des Nahen Ostens auf diplo­ma­ti­scher und media­ler Ebe­ne einen har­ten Kampf aus. Dabei schlie­ßen sie nicht aus, ihn auch auf die mili­tä­ri­sche Ebe­ne aus­zu­wei­ten. Der Islam sei­ner­seits facht das Gespenst eines Reli­gi­ons­krie­ges in der Welt an.

Wel­che Wor­te erwar­ten sich die Gläu­bi­gen am Vor­abend des hei­li­gen Oster­fe­stes vom Ober­haupt der katho­li­schen Kir­che? Wir erwar­ten uns, zu hören, daß die wirk­li­chen Grün­de für die Krie­ge weder öko­no­mi­scher noch poli­ti­scher, son­dern in erster Linie und vor allem reli­giö­ser und mora­li­scher Natur sind. Sie haben ihren tief­sten Ursprung in den Her­zen der Men­schen, und ihre eigent­li­che Wur­zel ist die Sün­de. Um die Welt von der Sün­de zu erlö­sen, hat Jesus Chri­stus Sei­ne Pas­si­on erlit­ten, die heu­te auch die Pas­si­on einer welt­weit ver­folg­ten Kir­che ist.

In sei­nem Gebet für den Frie­den, das Bene­dikt XV. am 8. Sep­tem­ber 1914 unmit­tel­bar nach Aus­bruch des Ersten Welt­krie­ges for­mu­lier­te, ermahn­te er, pri­vat und öffent­lich zu flehen:

„Wir fle­hen zu Gott, dem Rich­ter und Herrn über alle Din­ge, damit er die Gei­ßeln der Wut, durch sei­ne Barm­her­zig­keit und Gerech­tig­keit von den Sün­den der Völ­ker ent­fer­ne. Wir fle­hen, daß uns in unse­ren gemein­sa­men Ver­spre­chen die Jung­frau und Got­tes­mut­ter bei­steht und för­dert, deren aller­glück­lich­ste Geburt wir heu­te am sel­ben Tag fei­ern, die dem besorg­ten Men­schen­ge­schlecht als Mor­gen­rö­te des Frie­dens erstrahl­te, da es ihr zufiel, Jenen zu gebä­ren, durch den der ewi­ge Vater alles ver­söh­nen woll­te: ‚Alles im Him­mel und auf Erden woll­te er zu Chri­stus füh­ren, der Frie­de gestif­tet hat am Kreuz durch sein Blut‘ (Kol 1,20).“

Ist es nur ein Wunsch­traum, sich vor­zu­stel­len, daß ein Papst sol­che Wor­te auch heu­te in einer inter­na­tio­nal stür­mi­schen Zeit, die wir erle­ben, an die Mensch­heit rich­ten könnte?

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung zuletzt: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011.

Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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