Leo XIV.: Warum ich moderat optimistisch bin

Die rechten Stimmen und der minimale Kompromiß


Papst Leo XIV.
Papst Leo XIV.

Von Cami­nan­te Wanderer*

Anzei­ge

In Anleh­nung an Vol­koffs Aus­druck muß ich sagen, daß ich dem Pon­ti­fi­kat von Leo XIV. mit mode­ra­tem Opti­mis­mus ent­ge­gen­se­he. Im Jahr 2013 war ich sehr pes­si­mi­stisch, was das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus angeht, und ich hat­te nicht unrecht. Ich hof­fe, daß ich auch die­ses Mal nicht falsch liege.

Pre­vost war nicht mei­ne erste Wahl und auch nicht mei­ne zwei­te. Und das nicht nur wegen der durch­ge­sicker­ten Anschul­di­gun­gen über eini­ge Ver­tu­schungs­fäl­le, die sich dann als unbe­grün­de­te Behaup­tun­gen her­aus­stell­ten, son­dern auch wegen sei­ner Nähe zu Fran­zis­kus. Aber ange­sichts des Pan­ora­mas, das sich uns bot, ist dies sicher­lich eine Opti­on, die ich vie­len ande­ren vor­zie­he, und was wir in die­sen ersten Momen­ten gese­hen haben, bestä­tigt mei­ne Meinung.

Als erstes und als Postu­lat vor jeder Ana­ly­se glau­be ich, daß wir jetzt die Kate­go­rien „kon­zi­li­ar“, „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ oder „Her­me­neu­tik des Bruchs“, mit denen wir uns bis­her beschäf­tigt haben, bei­sei­te las­sen müs­sen. Und das aus zwei Gründen:

Erstens, weil wir uns ein für alle­mal davon über­zeu­gen müs­sen, ob wir wol­len oder nicht, daß es unmög­lich ist, zur Kir­che vor dem Zwei­ten Vati­ca­num zurück­zu­keh­ren. Der ein­zi­ge, der nach dem chao­ti­schen Pon­ti­fi­kat von Paul VI. dazu in der Lage war – er hat­te alle Vor­aus­set­zun­gen dazu –, war Johan­nes Paul II. Doch er hat es nicht getan, son­dern im Gegen­teil hat er – wie Napo­le­on mit den revo­lu­tio­nä­ren Prin­zi­pi­en – die kon­zi­lia­ren Prin­zi­pi­en gefe­stigt. Bene­dikt XVI. woll­te etwas tun, konn­te es aber nicht. Und inzwi­schen ist es unmög­lich gewor­den; sei­en wir also rea­li­stisch und las­sen wir die­se Kate­go­rien beiseite.

Zwei­tens und vor allem, weil ich nicht zur vor­kon­zi­lia­ren Kir­che zurück­keh­ren möchte.Wir haben vie­le Mona­te lang das The­ma dis­ku­tiert, und je mehr ich Prie­ster mit vor­kon­zi­lia­rem (und, wie ich beto­nen möch­te, nicht tra­di­tio­na­li­sti­schem) Stil tref­fe, desto mehr bin ich davon über­zeugt, daß die Lösung nicht dar­in besteht, in die 1940er oder 1950er Jah­re zurück­zu­keh­ren. Lou­is Bouy­ers Buch „La Décom­po­si­ti­on du catho­li­cis­me“ („Der­Ver­fall des Katho­li­zis­mus“, 1968, dt. Aus­ga­be 1970) ist in die­sem Punkt viel bered­ter als ich.

Aber es gibt noch einen ande­ren Grund: Die Kon­zils­ge­ne­ra­ti­on und die Logik der 60er, 70er und 80er Jah­re sind mit Fran­zis­kus gestor­ben. Leo XIV. gehört einer ande­ren Gene­ra­ti­on an, ich weiß nicht, ob bes­ser oder schlech­ter, aber es ist eine ande­re Gene­ra­ti­on, und es scheint mir ein Feh­ler zu sein, auf ihn, sei­ne Hand­lun­gen, sei­ne Wor­te und Ent­schei­dun­gen die tra­di­tio­nel­le Logik anzu­wen­den, die wir gelernt haben. Und ich soll­te klar­stel­len, daß ich mich auf die tra­di­tio­nel­le Logik bezie­he und nicht auf die tra­di­tio­na­li­sti­schen Grund­sät­ze, an denen ich immer mehr fest­hal­te. Wenn wir dar­auf bestehen, das gera­de begon­ne­ne Pon­ti­fi­kat und die fol­gen­den mit den­sel­ben Kate­go­rien zu ana­ly­sie­ren und zu beur­tei­len, lie­gen wir hoff­nungs­los dane­ben. Wir befin­den uns defi­ni­tiv in einer ande­ren Welt und wer­den ler­nen und uns anpas­sen müssen.

Prevost, ein Mann Bergoglios

Pre­vost ist zwei­fels­oh­ne ein Geschöpf Berg­o­gli­os. Er ist die Art von Hir­te, die Berg­o­glio moch­te: mis­sio­na­risch, sei­nem Volk ver­pflich­tet, einem reli­giö­sen Orden ange­hö­rend (uner­klär­li­cher­wei­se hat­te er eine gewis­se Schwä­che für die Augu­sti­ner, Ere­mi­ten wie Rekol­lek­ten), und der Beweis dafür ist sei­ne kome­ten­haf­te Kar­rie­re: vom Bischof einer ver­lo­re­nen perua­ni­schen Diö­ze­se zum Prä­fek­ten des Bischofs­dik­aste­ri­ums und Kar­di­nal­bi­schof. Es scheint, daß er mit dem Fin­ger auf ihn gezeigt hat, wie Johan­nes Paul II. auf Ratz­in­ger. Und vie­le von uns haben das nicht gese­hen, und zwar nicht so sehr, weil es Pre­vost war, son­dern weil er Ame­ri­ka­ner ist. Ich geste­he, daß ich nie gedacht hät­te, daß die Kar­di­nä­le einen Ame­ri­ka­ner wäh­len wür­den, schon gar nicht unter den gegen­wär­ti­gen Umstän­den, unab­hän­gig davon, ob er mit Trump sym­pa­thi­siert oder nicht: Das Impe­ri­um hält nun bei­de Schwer­ter. Und das hal­te ich nach wie vor für eine sehr, sehr sel­te­ne Kon­stel­la­ti­on. Und obwohl ich nicht zum Super­na­tu­ra­lis­mus, zu Pro­phe­zei­un­gen oder Appa­ri­tio­nis­mus nei­ge, kann ich nicht anders, als an ein sehr kla­res Ein­grei­fen des Hei­li­gen Gei­stes zu den­ken. Anders kann ich es mir nicht erklä­ren. Und wenn ich mit der from­men Les­art fort­fah­ren darf, fin­de ich es auch aus­sa­ge­kräf­tig, daß nicht nur am Tag der Erschei­nung des Erz­engels Micha­el auf dem Gar­ga­no gewählt wur­de, son­dern Pre­vost auch den Namen des Pap­stes des Erz­engel-Micha­el-Gebets ange­nom­men hat.

Aber zurück zu den ern­sten Din­gen: Pre­vost ist Berg­o­gli­os Mann und als sol­cher ein gemä­ßig­ter Pro­gres­si­ver, d. h. kein Häre­ti­ker, aber den­noch ein Progressiver.

Leo XIV. ist nicht Franziskus

Die Ver­wir­rung, die mei­ner Mei­nung nach in der Welt­pres­se und auch auf vie­len tra­di­ti­ons­freund­li­chen Sei­ten herrscht, besteht dar­in, daß man glaubt, weil Pre­vost ein Mann Berg­o­gli­os war, wer­de Leo XIV. ein Fran­zis­kus II. sein. Ich bin da vor­sich­tig opti­mi­stisch. Und so ziem­lich die ein­zi­gen Argu­men­te, die ich habe, sind die, die mir die weni­gen Stun­den sei­nes bis­he­ri­gen Pon­ti­fi­kats lie­fern kön­nen. Aber es gibt noch etwas ande­res: Wäh­rend Berg­o­glio mit Mühen sei­ne Jesui­ten­aus­bil­dung schaff­te und die­se ein­mal abge­schlos­sen in sei­nem Leben nie mehr ein Buch in die Hand genom­men hat, ver­fügt Pre­vost über einen Abschluß in Mathe­ma­tik, einen Magi­ster in Theo­lo­gie und einen Dok­tor in Kir­chen­recht, den er in den 1990er Jah­ren am Ange­li­cum erwor­ben hat, das damals die beste juri­sti­sche Fakul­tät der Stadt war. Er ist ein gebil­de­ter Mann, der das Stu­di­um und eine seriö­se Aus­bil­dung schätzt, auch wenn er gleich­zei­tig Mis­sio­nar ist.

Wenn wir nun zu den Unter­schie­den in dem, was wir bis­her gese­hen haben, über­ge­hen, wer­den mir eini­ge sehr geschei­te Leser sagen, daß es eine Belei­di­gung der Intel­li­genz ist, sich auf sol­che Details zu ver­stei­fen. Ich zie­he es vor, einem ande­ren sehr klu­gen – und in die­sem Fall ernst­haf­ten – Cha­rak­ter zu fol­gen: Oscar Wil­de, der sag­te, daß nur wirk­lich ober­fläch­li­che Men­schen nicht nach dem Äuße­ren urtei­len. Und das Auf­tre­ten von Leo XIV. war, sagen wir, nicht sehr berg­o­glia­nisch: sei­ne Moz­zet­ta, sei­ne päpst­li­che Sto­la und sein Pek­to­ral sind ein Zei­chen, eben­so wie die Man­schet­ten­knöp­fe, die er an sei­nen Hem­den trägt. Denn sei­en wir ehr­lich, auch wenn wir die Ober­fläch­lich­keit des Details aner­ken­nen, trägt das Tra­gen von Man­schet­ten­knöp­fen heu­te, auch in Euro­pa, auch wenn Pre­vost, wie es heißt, latein­ame­ri­ka­nisch ist, eine Bot­schaft in sich. Mini­mal und neben­säch­lich, gewiß, aber es ist eine Botschaft.

Der neue VW Tay­ron als SCV 1

Zwei­tes Detail: Am 14. Mai fuhr er in der Vati­kan­stadt auf dem Rück­sitz eines impo­san­ten neu­en, schwar­zen VW Tay­ron her­um (wenn ich mich nicht irre), an dem bereits das Num­mern­schild SCV 1 [Staat der Vati­kan­stadt 1] ange­bracht war, sodaß man davon aus­ge­hen kann, daß es sein Dienst­fahr­zeug sein wird. Erin­nern wir uns dar­an, daß Fran­zis­kus nach sei­ner Wahl mit dem­sel­ben Bus fuhr, der ihn zur Six­ti­ni­schen Kapel­le gebracht hat­te. Und der wei­ße Fiat, mit dem er spä­ter unter­wegs war, wird nun den Fuhr­park des Vati­kans erweitern.

Kom­men wir nun zu etwas noch Wich­ti­ge­rem: der Mes­se, die in der Six­ti­ni­schen Kapel­le gefei­ert wur­de. Ich hät­te es zwar lie­ber gese­hen, wenn er den Altar und nicht den Holz­tisch benutzt und schö­ne­re Gewän­der getra­gen hät­te, aber ich muß sagen, daß ich schon lan­ge kei­ne so katho­li­sche und theo­lo­gi­sche Pre­digt mehr gehört habe. Sie hat schlicht und ein­fach von Chri­stus gespro­chen. Ich emp­feh­le Ihnen sehr, falls sie es nicht schon getan haben, sie sich anzu­hö­ren, denn sie ist erbau­lich. Chri­stus als Zen­trum der Kir­che, der Geschich­te und unse­rer Her­zen. Er sprach weder von der syn­oda­len Kir­che, noch von den Armen, noch vom Dia­log, noch vom Kli­ma­wan­del: Er sprach von Chri­stus. Er zitier­te nicht Kar­di­nal Kas­per, Berg­o­gli­os „Theo­lo­gen auf den Knien“, oder Léon Bloy, son­dern kei­nen ande­ren als den hei­li­gen Igna­ti­us von Antio­chi­en. Mit ande­ren Wor­ten, wir haben einen christ­li­chen Papst, und da ich eini­ger­ma­ßen opti­mi­stisch bin, wür­de ich sogar sagen, daß wir einen katho­li­schen Papst haben. Und das ist eine gan­ze Men­ge und das Gegen­teil von Franziskus.

Und schließ­lich ist Leo XIV. nicht Fran­zis­kus wegen des Namens, den er gewählt hat. Es war eine sehr ange­neh­me Über­ra­schung, die vie­le ent­täuscht hat (sie­he unten das Video über die Reak­ti­on der argen­ti­ni­schen Bischö­fe, als sie sei­nen Papst­na­men hör­ten, Minu­te 1:07). Er hat sich nicht nur nicht für den Namen Fran­zis­kus ent­schie­den, son­dern auch nicht für den Namen eines Kon­zils­pap­stes. Da er nicht den Namen Pius wäh­len konn­te, ging er ins 19. Jahr­hun­dert zurück, um einen Namen aus der päpst­li­chen Tra­di­ti­on zu fin­den. Wenn wir uns auf Leo XIII. kon­zen­trie­ren, müs­sen wir sagen, daß es ein gutes Pon­ti­fi­kat war, oder bes­ser gesagt, ein Pon­ti­fi­kat der Befrie­dung. Wir kön­nen aber auch an den hei­li­gen Leo den Gro­ßen den­ken, der Atti­la vor den Toren Roms stopp­te, als die­ser droh­te, die Zivi­li­sa­ti­on weg­zu­fe­gen. Nomen est omen, d. h., wenn der Name ein Omen ist, dann glau­be ich, daß es Raum für mode­ra­ten Opti­mis­mus gibt. Pre­vost wuß­te genau, was er tat, als er den Namen wähl­te, den er wählte.

In der Praxis zeigt sich, was jemand wirklich kann

Ein Sprich­wort aus Rio de la Pla­ta besagt, daß man den Wert eines Pfer­des auf dem Renn­platz und nicht in sei­nem Äuße­ren sieht. Und das Glei­che soll­te auch für den neu­en Pon­ti­fex gel­ten. Und sein wirk­li­cher Wert wird sich bei sei­nen ersten Ernen­nun­gen zei­gen. Sicher­lich soll­ten wir in den kom­men­den Wochen und Mona­ten kei­ne gro­ßen Ver­än­de­run­gen erwar­ten. Ich glau­be, daß er, wenn über­haupt, die Ände­run­gen im Sep­tem­ber vor­neh­men wird, wenn das neue Arbeits­jahr an der Römi­schen Kurie beginnt. Der­je­ni­ge, den er in Kür­ze ernen­nen wird, wird der Prä­fekt des Bischofs­dik­aste­ri­ums sein, und das wird eine wich­ti­ge Ernen­nung sein. Wir wer­den sehen.

Ich erwar­te, daß der erste, der fliegt, auch wenn wir noch ein paar Mona­te war­ten müs­sen, Kar­di­nal Tucho [Vic­tor Manu­el Fernán­dez] sein wird; er und sei­ne Kum­pa­ne, mit denen er in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten her­um­hängt. Nach dem, was wir wis­sen, war Pre­vost kein Anhän­ger von Fidu­cia sup­pli­cans und ist ein ernst­haft gebil­de­ter Mann, nicht die aka­de­mi­sche Mas­ke­ra­de, als die sich Fernán­dez verkleidet.

Seine Rolle als Präfekt. Eine Verteidigung

Die schärf­ste und viel­leicht zutref­fend­ste Kri­tik mei­ner haupt­säch­lich ame­ri­ka­ni­schen tra­di­tio­na­li­sti­schen Freun­de an Pre­vost ist, daß er als Prä­fekt mise­ra­bel gear­bei­tet hat. Er sei ver­ant­wort­lich für die Ernen­nung sehr schlech­ter Bischö­fe in den USA und für die Abset­zung von Bischof Strickland.

Mei­nes Erach­tens ist die­se Kri­tik jedoch nicht ganz fair. Das ist so, als wür­de man sagen, daß Pre­vost für die Ernen­nung von Gar­cía Cuer­va in Bue­nos Aires oder Car­ra­ra in La Pla­ta ver­ant­wort­lich ist. Ja, er hat mit sei­nem Namen unter­schrie­ben, aber die Bischö­fe in Argen­ti­ni­en wur­den von Berg­o­glio ernannt, und Pre­vost hat dort unter­schrie­ben, wo Berg­o­glio ihm gesagt hat, daß er unter­schrei­ben soll. Und etwas Ähn­li­ches geschah mit den USA: Es war Fran­zis­kus, der die Bischö­fe dort durch sei­nen Lakai­en, Kar­di­nal Chri­sto­phe Pierre, den Apo­sto­li­schen Nun­ti­us, direkt ernann­te. Ich behaup­te nicht, daß Pre­vost die Bischö­fe miß­fie­len, die er ernen­nen muß­te. Ich weiß es nicht, aber ich weiß, daß er nicht der war, der das Gewicht der Ent­schei­dung hatte.

Aus die­sem Grund und weil ich eini­ger­ma­ßen opti­mi­stisch bin, den­ke ich, daß wir ihm in die­sem Punkt Aner­ken­nung zol­len soll­ten. Wir wer­den bald sehen, ob die von mir vor­ge­schla­ge­ne wohl­wol­len­de Ver­si­on wahr ist oder eher die andere.

Jene, die mit Leo XIV. verloren haben

Mei­ner Mei­nung sind es zwei Grup­pen, die ver­lo­ren haben, denn die­se bei­den Grup­pen hat­ten eine ech­te Chan­ce zu gewin­nen: die über­zeug­ten oder häre­ti­schen Berg­o­glia­ner (Tag­le, Zup­pi, David, Tolen­ti­no, Hol­le­rich) und Paro­lin und sei­ne gan­ze Mafia der Diplo­ma­ti­schen Aka­de­mie, d. h. die Kuria­len. Ich glau­be nicht, wie man­che behaup­ten, daß Pre­vost der Kan­di­dat des ent­schie­de­nen berg­o­glia­ni­schen Pro­gres­si­vis­mus war. Wenn über­haupt, dann war er ihre zwei­te Wahl. Und eine klei­ne Selbst­be­trach­tung genügt: Was hät­ten wir gefühlt, wenn es Zup­pi oder Tag­le oder ein ande­res asia­ti­sches Gesicht auf dem Bal­kon gewe­sen wäre? Nein, Pre­vost war nicht der Wunsch­kan­di­dat des häre­ti­schen Flü­gels des Hei­li­gen Kollegiums.

Aber die gro­ßen Ver­lie­rer waren zwei­fel­los auch Paro­lin, Re, die Sil­ve­st­ri­ni-Seil­schaft, und die gan­zen Bur­schen der Pon­ti­fi­cia Eccle­sia­sti­ca Aca­de­mia. Alles rech­ne­te mit Paro­lin, und in der Zeit zwi­schen dem wei­ßen Rauch und dem Erschei­nen von Kar­di­nal Mam­ber­ti war ich, wie ein gro­ßer Teil der Welt, sicher, daß Paro­lin erschei­nen wür­de, und ich hät­te sogar gewet­tet, daß er den Namen Johan­nes [XXIV.] wäh­len wür­de. Ich habe mich wie­der geirrt, und ich bin froh, daß ich mich geirrt habe. Wir wer­den sehen, wie sie die Nie­der­la­ge ver­dau­en, und wir wer­den sehen, ob Papst Leo Paro­lin als Staats­se­kre­tär bestä­tigt oder ob er, wie Bene­dikt es getan hat, jeman­den von außen ein­setzt. Wenn das der Fall ist, soll­ten wir beten, daß er, anders als Ratz­in­ger, einen Kan­di­da­ten wählt, der das Rück­grat hat, sich der Meu­te zu stel­len, der er sich gegen­über­se­hen wird.

Meine Hypothese zur Wahl

Eine wei­te­re Sache, die mich sehr über­rascht hat, war die Schnel­lig­keit sei­ner Wahl. Ich hät­te auf Frei­tag­nach­mit­tag oder Sams­tag­mor­gen getippt. Sicher ist, daß er genau­so schnell gewählt wur­de wie Bene­dikt XVI., der eine füh­ren­de Rol­le spiel­te, und schnel­ler als Berg­o­glio. Ich habe dazu die Ana­ly­se ver­las­sen, um eine kon­kre­te Hypo­the­se vorzuschlagen.

Die Wahl von Pre­vost war bereits vor­be­rei­tet. Wie ich schon frü­her gesagt hat­te, war klar, daß der Aus­er­wähl­te ein Gemä­ßig­ter sein wür­de. Es blieb abzu­war­ten, ob es ein gemä­ßig­ter Rech­ter oder ein gemä­ßig­ter Lin­ker sein wür­de, aber es wür­de ein Gemä­ßig­ter sein. Sicher­lich war ein gro­ßer Teil der Mehr­heits­grup­pe, die ihn unter­stütz­te, die­je­ni­ge, die in der Gra­fik, die wir ver­öf­fent­licht haben, als „Extre­mi­sten der Mit­te“ auf­ge­zeigt haben. Aber sie reich­ten nicht aus, denn sie wuß­ten, daß ihnen die Ultra-Pro­gres­si­ven und Häre­ti­ker gegen­über­stan­den, die mit den „Paro­li­ni­sten“ und Kuria­len eine Sperr­mi­no­ri­tät hatten.

Mei­ne Hypo­the­se ist, daß ihm die etwa zwan­zig Stim­men der kon­ser­va­ti­ven und der tra­di­ti­ons­freund­li­chen Grup­pe – Bur­ke, Sarah, Erdö, Mül­ler etc. den Sieg sicher­ten. Sie wuß­ten, daß es unmög­lich war, einen eige­nen Kan­di­da­ten durch­zu­set­zen und daß sie nach der letz­ten Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on weit davon ent­fernt waren, eine Sperr­mi­no­ri­tät zu erreichen.

Ande­rer­seits, und das weiß ich, wie schon an ande­rer Stel­le gesagt, aus meh­re­ren direk­ten Quel­len, hat­te sich die­se Grup­pe seit min­de­stens drei Jah­ren auf das Kon­kla­ve vor­be­rei­tet und ihre Stra­te­gie sehr gut aus­ge­ar­bei­tet. Noch bedeut­sa­mer ist die Infor­ma­ti­on, die der Cor­rie­re del­la Sera eini­ge Tage vor dem Kon­kla­ve ver­öf­fent­lich­te: „Der Ame­ri­ka­ner Robert Fran­cis Pre­vost, 69, der Papa­bi­le ist und zu einem gehei­men Tref­fen in das Haus von Kar­di­nal Bur­ke kommt, sagt: ‚Ich habe noch nicht dar­über nach­ge­dacht, was ich in den Kof­fer packen soll, auch wenn es nur noch eine Woche bis zum extra omnes ist, aber es tut mir leid, man hat uns gesagt, daß wir nicht reden sol­len…‘.“ Dazu kommt die auf­fal­lend fest­li­che und freu­di­ge Begrü­ßung des neu­en Pon­ti­fex durch Kar­di­nal Bur­ke, die der von Kar­di­nal Sarah ähnelt.

Mei­ne Hypo­the­se ist also, daß wir zumin­dest nicht mehr ver­folgt wer­den, daß die Fei­er der über­lie­fer­ten Mes­se wie­der frei wird und daß wir mehr Klar­heit in der Leh­re haben wer­den. Ich gehe davon aus, daß dies die mini­ma­len Kom­pro­mis­se sind, auf die sich die kon­ser­va­ti­ve und tra­di­ti­ons­freund­li­che Grup­pe mit ihm eini­gen konnte.

*Cami­nan­te Wan­de­rer, argen­ti­ni­scher Blog­ger und Philosoph

Die Reak­ti­on von Argen­ti­ni­ens Bischö­fen auf die Bekannt­ga­be, daß Kar­di­nal Pre­vost zum neu­en Papst gewählt wur­de (Sekun­de 00:36), und ihre Ent­täu­schung, als sein Papst­na­me bekannt­ge­ge­ben wur­de (Minu­te 1:07).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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1 Kommentar

  1. Eine sehr inter­es­san­te und gute Ana­ly­se: tat­säch­lich hat­ten die lehr­amtstreu­en Kar­di­nä­le nur eine Mini­mal­chan­ce im Ver­gleich zu der gro­ßen Mehr­heit, die sich aber offen­bar Ihres Sie­ges so sehr sicher war.
    Die Wahl von Kar­di­nal Pre­vost, der ja sei­nen kirch­li­chen Auf­stieg Berg­o­glio zu ver­dan­ken hat, zeigt, daß der All­mäch­ti­ge auch auf krum­men Zei­len gera­de schrei­ben kann.
    Mit der Wahl eines ech­ten Ame­ri­ka­ners, aber ohne angel­säch­si­sche Wur­zeln!, sehe ich den Angli­zis­mus und selbst­ge­fäl­li­gen Iso­la­tio­nis­mus, wie er mit König Hein­rich VIII. in Eng­land begon­nen hat­te, nun­mehr an sein Ende gekom­men. Denn das Auf­be­geh­ren gegen Papst und Kir­che und die Abna­be­lung Eng­lands und im Gefol­ge sei­ner Kolo­nien in Nord­ame­ri­ka vom Katho­li­zis­mus, ist mit der Wahl von Robert Fran­cis Pre­vost an ihr Ende gelangt. Ame­ri­ka wur­de jetzt, heu­te von der Geschich­te ein­ge­holt (und Groß­bri­tan­ni­en eben­so) und damit der Ame­ri­ka­nis­mus mit sei­nen trü­ge­ri­schen Ver­spre­chen (Land der unbe­grenz­ten Mög­lich­kei­ten, Leucht­tür­me der Demo­kra­tie und Men­schen­rech­te usw. mit­samt dem Ras­se­dün­kel vie­ler der Eng­lisch­spra­chi­gen). Bei­de, die USA wie auch GB kön­nen nun­mehr (wie­der) nor­ma­le Staa­ten und ihre Bewoh­ner nor­ma­le Sterb­li­che wer­den. Das ist eine sehr posi­ti­ve Nach­richt für Ame­ri­ka­ner und Eng­län­der wie für vie­le in der Welt. Der angel­säch­sisch ange­führ­te Glo­ba­lis­mus hat mit der Wahl eines US-Ame­ri­ka­ners zum Papst einen hef­ti­gen und hof­fent­lich dau­er­haf­ten Schlag erhalten.

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