
Von Caminante Wanderer*
Wir alle wissen, daß Kardinäle und anderes Personal, das am Konklave teilnimmt, einen feierlichen Geheimhaltungseid ablegen, der mit einer sehr ernsten Drohung verbunden ist: Wenn sie verraten, was dort geschah, ziehen sie sich die Exkommunikation zu. Wir wissen allerdings auch, daß es eine ganze Reihe von Kardinälen gibt, die an die Wirkung der Exkommunikation glauben, so sehr wie an den Weihnachtsmann. Mit anderen Worten, es ist nicht ungewöhnlich, daß sie reden und daß Nachrichten durchsickern. Theoretisch ist es also möglich, den Verlauf des Konklaves von vergangener Woche zu erfahren.
Das Problem ist jedoch nicht die Geheimhaltung, das Problem sind die sogenannten Vatikanisten, die als Journalisten Seiten mit dem füllen müssen, was sie wissen und was sie sich einbilden zu wissen, und die im Interesse der sie bezahlenden Kreise, bei denen es sich ausnahmslos um Progressive verschiedener Couleur handelt, arbeiten und lügen müssen. Aus diesem Grund sind wir in den letzten Tagen auf mehrere Versionen der Ereignisse gestoßen, deren gemeinsames Element darin besteht, daß die konservativen Kandidaten niemals ausreichend Stimmen erhalten hätten, und die uns stattdessen weismachen wollen, daß die Wahl von Robert Prevost eine Meisterleistung der progressiven Kardinäle war.
Diese Versionen haben mich nie überzeugt, und so habe ich mir meine eigene zurechtgelegt, ohne daß mir ein Kardinalsgeheimnis zu Ohren gekommen wäre, sondern durch einfache Schlußfolgerung:
Die Prämisse lautet: Die Konservativen hatten eine, wenn auch geringe, Stimmenzahl, und die Progressiven hätten niemals einen Kandidaten gewählt, der nicht rein von ihnen war. Schließlich übermittelte mir eine zuverlässige Quelle einige Daten, die ich nicht nur deshalb veröffentlichen möchte, weil ich dieser Quelle vertraue, sondern auch, weil sie plausibel sind und mehr oder weniger mit dem übereinstimmen, was ich gedacht hatte.
Erstens, und das habe ich bereits in den letzten Tagen gesagt, hat sich der konservative Sektor seit Jahren auf dieses Konklave vorbereitet. Sie hatten Strategien; sie waren nicht so unbedarft wie im Jahr 2013.
Zweitens gab es, wie der Corriere della Sera berichtete, einige Tage vor dem Konklave ein Treffen der konservativen Gruppe unter der Leitung von Kardinal Timothy Dolan [Erzbischof von New York] in der Wohnung von Kardinal Raymond Burke in der Via Rusticucci, an dem auch der damalige Kardinal Prevost teilnahm.
Wie sind die Abstimmungen verlaufen?
Erster Wahlgang
Wie von allen erwartet, wurde bei dieser Abstimmung die Atmosphärentemperatur gemessen, was zu einer Streuung der Präferenzen führte. Fünf Kardinäle erhielten jedoch eine nennenswerte Anzahl von Stimmen.
- Pietro Parolin. Er erhielt die meisten Stimmen, blieb aber unter den 50 Stimmen, die als sicher galten.
- Robert Prevost schnitt viel besser ab als erwartet.
- Luis Antonio Tagle, gewählt vom harten progressiven Flügel.
- Peter Erdö, gewählt von den konservativsten Kardinälen.
- Anders Arborelius, der auch einige Stimmen aus der Mitte bekam.
Zweiter Wahlgang
Die Stimmen der Konservativen, die zwischen Erdö und Arborelius aufgeteilt wurden, erreichten die erwartete Zahl: nicht mehr als 30 Stimmen, und es war klar, daß sie nicht mehr wachsen würden und daß sie nicht das blockierende Drittel bildeten. Aus diesem Grund und in Anbetracht der Situation wurde die im voraus geplante Strategie aktiviert: Am Donnerstagmorgen hatte Kardinal Prevost ein langes und fruchtbares Frühstücksgespräch mit Kardinal Dolan, der, wie gesagt, der Führer der konservativen Stimmen war. Kurz darauf zogen sich Kardinal Erdö und Kardinal Arborelius, wie in der Strategie vorgesehen, zurück.
Bei der Abstimmung überholte Prevost auf diese Weise Parolin: Prevost erhielt seine ursprünglichen Stimmen plus die des konservativen Sektors.
Dritter Wahlgang
Angesichts dieser Situation blieb Kardinal Parolin keine andere Wahl, als eine Einigung mit Kardinal Tagle und dem progressiven Sektor zu suchen. Parolin hatte vor dem Konklave versucht, die Unterstützung der Konservativen zu gewinnen, die eine solche Möglichkeit aber strikt abgelehnt hatten.
Viele von Tagles Wählern weigerten sich jedoch aus persönlichen Animositäten, Parolin zu unterstützen. Es war sehr schwierig für Hollerich wie insgesamt die Deutschen, für ihn zu stimmen. Andererseits war bekannt, daß Papst Franziskus sehr deutlich gemacht hatte, nicht zu wollen, daß sein Staatssekretär sein Nachfolger wird, und die schwarzhäutigen Bergoglianer würden ihrem Führer gehorchen.
Kardinal Parolin konnte sich nicht stark verbessern, und obwohl er einige Stimme dazugewann, waren sie nicht ausreichend. Kardinal Prevost hingegen war auf dem Vormarsch und näherte sich den 89 Stimmen.
Vierter Wahlgang
Die Würfel waren gefallen und Kardinal Parolin wußte es. Er konnte es nicht riskieren, die Wahl zu verlieren, da dies eine unerträgliche Demütigung für jemanden gewesen wäre, der sich seit zwölf Jahren darum bemüht hatte, nächster Papst zu werden, und andererseits wußte er, daß dies unweigerlich zum Verlust seines Amtes als Staatssekretär führen würde. Er kündigte daher seinen Rückzug an.
So wurde Kardinal Robert Prevost mit mehr als 100 Stimmen als Leo XIV. zum Papst gewählt.
Etwa 30 progressive Kardinäle zogen eine Protestwahl vor und schrieben auf ihren Stimmzettel den Namen einer heterogenen Mischung von Kardinälen, darunter vor allem Mario Grech und Jean-Marc Aveline.
Fazit
Im Gegensatz zu dem, was die übliche progressive Presse und Journalisten wie die unsägliche Elisabetta Piqué behaupten, war die Wahl von Kardinal Prevost kein Triumph für die Bergoglianer. Im Gegenteil: Er hat mit den unverzichtbaren Stimmen der Konservativen gewonnen. Und diese haben nicht als letzten Ausweg gehandelt, sondern als Ergebnis einer wohlüberlegten und gut durchdachten Strategie und in dem Wissen, wen sie wählen würden. Und bisher hat er sie nicht im Stich gelassen.
*Caminante Wanderer, argentinischer Blogger und Philosoph
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer