(Rom) Papst Franziskus schafft bereits das Erinnerungsnarrativ, wie er von der Welt nach seinem Tod gesehen werden möchte – und freut sich auch dabei, Verwirrung zu stiften, indem er gleich auch ein Erinnerungsnarrativ für Benedikt XVI. liefert in der Absicht, sein eigenes Ansehen zu erhöhen und das seines Vorgängers herabzusetzen – indem er ihn vordergründig lobt.
Wir haben bereits gestern berichtet über das Buch „El Sucesor“ („Der Nachfolger“), mit dem Franziskus zu einem Doppelstreich ausholt. Das Buch ist ab heute in Spanien erhältlich, in den kommenden Tagen auch in Lateinamerika. Franziskus liefert darin Bausteine, wie er der Nachwelt in Erinnerung bleiben möchte.
Da Franziskus ein politischer Denker ist, weiß er um die Bedeutung des direkten Vergleichs. Und sein direkter Vergleich, an dem er gemessen wird, ist sein Vorgänger Benedikt XVI. Also erzählt er in dem Buch auch gleich, wie er Benedikt XVI. gesehen haben möchte: in groben Zügen nämlich so, wie er den deutschen Papst schon zu dessen Lebzeiten behandelt hatte, als netten alten Opa, für den man für die Öffentlichkeit einige Freundlichkeiten übrig hat, den man aber ansonsten nicht weiter ernst oder wichtig nimmt.
Da Franziskus natürlich weiß, daß die Wahrnehmung von Benedikt XVI. in weiten Teilen der Kirche eine andere ist, geht er deutlich subtiler vor. Er will sich dabei selbst erhöhen und Benedikt heruntersetzen. Und wie will er das erreichen? Indem er ihn nach Möglichkeit umarmt. Diese Umarmung, die Franziskus nichts kostet, läßt ihn in den Augen seiner Anhänger strahlen, denn aus deren Perspektive ist der beste Benedikt ein durch Umarmung abgewürgter Benedikt. Es ist nicht vergessen: Der einzige Applaus, den progressive Kirchenkreise dem Papst aus Bayern zollten, war der überschwengliche Jubel über seinen Rücktritt.
Das neue Buch und eine Doppelstrategie
Und so gehört es zur Doppelstrategie, die Franziskus mit dem neuen Buch verfolgt, daß er einerseits enthüllt, daß ihn bestimmte Kirchenkreise beim Konklave 2005 „benutzen“ wollten. Er sagt nicht, daß es sich um die Mafia von Sankt Gallen handelte, doch ist das aus dem Kontext und bereits bekannten Details aus anderen Quellen offensichtlich. Sowie, daß andererseits, und das ist das Neue, aber auch „Benedikt benutzt wurde“.
Was für eine ausgleichende Gerechtigkeit, die der amtierende Papst hier quasi walten läßt. Beide Päpste wurden „benutzt“. Er und sein Vorgänger Benedikt. Beide waren also „Opfer“ irgendwelcher finsterer Mächte, die mit ihnen „Machtspiele“ spielen wollten. Und was für eine „Größe“ Franziskus dabei zeigt, wenn er sagt:
„Es hat mich verletzt, daß Benedikt benutzt wurde“.
Franziskus und Benedikt als Schicksalsgenossen? Gar Leidensgenossen? Zogen sie am gleichen Strang? Waren beide Opfer? Das ganze salbungsvolle Narrativ will mit der Realität aber nicht recht korrelieren. Und auch hier die Erhöhung für Franziskus, der von sich sagt, die „Machtspiele“ nicht mitgemacht zu haben, der nein sagte, zu den Spielchen, während es für Benedikt offenbleibt, ob sich dieser benutzen ließ… Nein, das ist nicht sehr freundlich.
Worum geht es? Es geht darum, wer die Erinnerung kontrolliert. Die Erinnerung an Franziskus und an Benedikt. Wir erinnern uns an die penetrante Betonung am Beginn des derzeitigen Pontifikats, daß „kein Blatt“ zwischen Franziskus und Benedikt passen würde, wo doch jeder sehenden Auges wußte, daß der ganze Nürnberger Reichswald dazwischenpaßte und noch ein paar Zellulosefabriken dazu. Allerdings widersprach Benedikt XVI. öffentlich nicht und stützte damit indirekt das bergoglianische Narrativ, weil er sich selbst zur Auflage gemacht hatte, seinen Nachfolger nicht öffentlich zu kritisieren. Wer benutzt da nun aber wen?
Dazu paßt es, wenn Franziskus vereinnahmende Freundlichkeiten für Benedikt übrig hat, aber zugleich Hiebe gegen dessen Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein austeilt. Das Spiel ist unter Mächtigen bekannt. Wenn ich jemand nicht direkt schlagen kann, weil sich das gegen mich wenden könnte, schlage ich dafür einen nahen Vertrauten von dem, den ich treffen will, und das ist im Fall von Benedikt eben Georg Gänswein.
Unter Mitgliedern des bergoglianischen Hofstaates ist es ein Automatismus, daß jeder, der für seine persönlichen Verfehlungen oder Schandtaten kritisiert wird, reflexartig behauptet, er sei nur ein Prügelknabe, denn in Wirklichkeit gelte der Angriff nicht ihm, sondern Papst Franziskus. Das jüngste Beispiel war des Papstes Augapfel Victor Manuel „Tucho“ Fernández höchstselbst, der diese Form der Selbstverteidigung wählte, als er wegen Fiducia supplicans, aber auch wegen seiner Porno-Schriftstellerei ins Visier geriet. Oder man denke an den unrühmlichen Kardinal Maradiaga in Honduras…
Der einzige, der das wirklich von sich behaupten kann, ist hingegen Gänswein, der wirklich von Franziskus geprügelt wurde (und wird), weil dieser Benedikt nicht prügeln konnte. So bleibt Gänswein auch im neuen Buch der Blitzableiter, denn mit ihm, wie Franziskus enthüllt, habe er ein „schwieriges Verhältnis“ gehabt. Franziskus geht noch weiter. Er prügelt so grausam auf Gänswein ein, daß er diesem sogar unterstellt, er habe zu jenen gehört, die Benedikt „benutzt“ hätten, und das habe ihn, Bergoglio, „sehr traurig“ gemacht, „hat mich verletzt“, das war ein „Mangel an Edelmut und Menschlichkeit“…, so Franziskus.
Kein Kommentar. Manche Worte richten sich ja ganz von selbst.
Fake News „falscher Mythos“
Die Mainstream-Medien unterstützen das bergoglianische Narrativ, ob Javier Martínez-Brocal (ABC), Alvise Armellini (Reuters) oder Elisabetta Piqué, die Franziskus-Freundin und Vatikanistin der größten argentinischen Tageszeitung La Nación – wie könnte es anders sein. Piqué schreibt: Das neue Buch „El Sucesor“ sei sogar ein „Schlüsseldokument“, denn „es stürzt den falschen Mythos von den zwei verfeindeten oder entgegengesetzten Päpsten, den einige Sektoren zu verbreiten versuchten, die gegen den argentinischen Papst sind“.
Die gegensätzlichen Positionen waren also nur ein „falscher Mythos“, erfunden von jenen, die Benedikt „benutzt“ haben? In Wirklichkeit seien Franziskus und Benedikt ein Herz und eine Seele gewesen? Piqué zitiert zum Beleg folgende Stelle aus dem neuen Buch, in dem Franziskus erzählt:
„Am Anfang kam er [Benedikt] hierher, um mit mir zu essen. Er kam hierher oder ich ging zu ihm ins Kloster zum Essen. Sein Koch machte sehr saftige argentinische Steaks, mit zu viel Pfeffer, aber sehr gut.“
Überzeugender geht es ja auch kaum mehr, nicht wahr!? Franziskus will vergessen machen, wie schnell seine Besuche im Kloster Mater Ecclesiae versiegten und zuletzt ganz ausblieben. Er will vergessen machen, daß seine Besuchsfrequenz sich proportional verminderte, je weniger er glaubte, auf Benedikt noch Rücksicht nehmen zu müssen. Aus diesem Grund lagen sie in den letzten Jahren bei exakt null.
Zum Beleg genügt es, zwei schlagende Stichwörter in Erinnerung zu rufen: den von Franziskus erfundenen Neologismus „Indietristen“ – war nicht Benedikt der Ober-Indietrist – und das Buch „Aus der Tiefe des Herzens“, mit dem Benedikt XVI. Anfang 2020 ein Plädoyer für das sakramentale Priestertum vorlegte und dessen Zertrümmerung verhinderte.
Dann war Schluß mit dem Steak-Essen in Mater Ecclesiae. Aber ja, Franziskus weiß, daß manche eben doch wissen, daß er Benedikt XVI. die ganze Zeit in Wirklichkeit links liegenließ und nur für einige PR-Fotos benutzte. Deshalb tischt er nun das Märchen auf, Gänswein und Kardinal Sarah hätten Benedikt XVI. für das Plädoyer für das Weihesakrament nur „benutzt“. Der wahre und offenbar auch einzige Mensch, der es mit Benedikt ehrlich meinte, war wohl Franziskus selbst – jedenfalls nach seiner eigenen doch etwas verzerrten Wahrnehmung.
Und ja, Franziskus nennt Benedikt in dem neuen Buch posthum einen „großen Mann“. Doch wie sagte schon Jesus zu seinen Jüngern: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird …“ (Mt 7,21). Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, wen Franziskus sonst alles als „ganz Große“ bezeichnet hat: die erklärte Kirchenfeindin Emma Bonino, den Freimaurer und Atheisten Eugenio Scalfari, den erklärten Kirchenfeind und „Eingeweihten“ Marco Pannella, den Freimaurer und Kommunisten Giorgio Napolitano… Betitelungen, man muß es sagen, mit einem gewissen Brechreizeffekt…
Offensichtlich ist daher, daß Santa Marta und seine Sprachrohre der Welt mit dem neuen Buch einen großen Bären aufbinden wollen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Das Buch ist wie alle Interviews des Papstes peinlich und seinem Amt nicht angemessen. Er wirkt wie ein Schwätzer und nicht wie ein Papst.
So mancher Ton ist auch einem Priester nicht angemessen…
Ich würde eher sagen, eine Herdenkonformität des Schweigens und Wegschauens ist für einen Priester unangemessen.
Franziskus hat eine doppelte Natur. Wenn er mit eigenen Worten spricht, ist er ein Schwätzer. Wenn er Tucho vorliest, kann er glänzen. In den Interviews und freien Reden ist es Bergoglio selbst, der nicht besonders talentiert ist.
Aquilinius schreibt das unten in seinem Kommentar ebenfalls.
Immer wieder stellt sich für aufmerksame Beobachter aufs Neue die Frage: Wie konnte man nur so einen Mann zum Papst wählen? Wo ruht erkennbar der Segen Gottes auf diesem wahrlich chaotischen Pontifikat. Wäre all das bereits vor dem letzten Konklave bekannt gewesen, was Bergoglio nunmehr in gehäufter Weise so alles von und über sich zum besten gibt – wer hätte ihn dann überhaupt noch seine Stimme gegeben? Vielleicht gerade noch eine Handvoll geistlich ziemlich ver-rückter Kardinäle.
Gelungene Polemik. Weil jeder Satz wahr ist.
Auf meine Ehre und Gewissen als wertkonservativer Katholik:
Ich werde Papst Franziskus ganz gewiss keine einzige Träne nachweinen, wenn sein Pontifikat einmal abgelaufen ist.
Was ist Realität? Hier eine Gegenbehauptung.
Der Amtsverzicht von Papst Benedikt im Jahr 2013 war ein Verzicht auf das Ministerium. Als Priester blieb er weiter Papst. Noch mehr. Benedikt war der Katechon. Solange Benedikt lebte, war dem Treiben der Unterwanderer der Kirche ein göttlicher Riegel vorgeschoben. Diese biblische Bestimmung zwang Bergoglio schon im Konklave von 2005 zum Rückzug der Kandidatur. Bergoglio wußte, seine Zeit war noch nicht soweit. Er wußte aber gleichzeitig, wann seine Zeit kommen würde.
Zwischen den regierenden Papst und den Emeritus paßte kein Blatt. Bergoglio befand sich schließlich unter dem Amt, unter dem Munus von Benedikt. Wo Benedikt sein Wort erhob, war er nicht aufzuhalten.
Ich behaupte sogar, die heute aufgezählten Kardinäle sind nicht alle Kardinäle. Es ist nur der Kardinal, den der Katechon, den der Emeritus kreiert hat. Die von Bergoglio proforma kreierten Kardinäle kamen zur eigentlichen Erhebung zum Emeritus Benedikt und dieser hat dann entschieden, wer Kardinal ist. Kardinal ist, wer Benedikt XVI den Ring küssen durfte.
https://www.youtube.com/watch?v=O4GnNFBlGRU
Deshalb wurde Fernandez erst nach dem Ableben von Papst Benedikt zum Kardinal erhoben. Deshalb hat Franziskus den Titel Vicar Christi aus der eigenen Amtsbezeichnung entfernen lassen. Benedikt war der Vicar Christi und Franziskus das Staatsoberhaupt von Benedikts Gnaden. Daß die Amtsbezeichnung erst im Laufe des Pontifikats von Franziskus bereinigt wurde, ist Ausdruck einer Tatsache. Die Tatsache ist, Franziskus wurde durchgehend von der Realität eingeholt. Die Realität war, Benedikt ist der von Gott bestimmte Papst. Franziskus hat lediglich lange gebraucht, das einzusehen.