
(Rom) Im kommenden Oktober findet im Vatikan die Jugendsynode statt. An den Verbreitungen und den Vorbereitungsdokumenten wurde bereits einige Kritik geübt. Ihr schloß sich nun Erzbischof Luigi Negri, einer der profiliertesten katholischen Bischöfe an, und fand mahnende Wort in Richtung Rom.
Für den Heiligen Stuhl scheint es zwar eine kirchenferne Jugend zu geben, auf die sich Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme konzentrieren, aber keine glaubens- und kirchentreue Jugend. Die traditionsverbundenen Jugendorganisationen wurden bisher gar nicht berücksichtigt. Stattdessen wurde zur Vorsynode der Vertreter einer französischen Jugendorganisation eingeladen, die mehr einem linken Kampfbund ähnelt und von manchen Bischöfen nicht mehr als katholisch anerkannt wird. Er engagierte sich im Vatikan, offenbar unwidersprochen, für eine „positive Homosexualität“.
Wehe wir bieten der Jugend nur die übliche Banalität

Kritik übte nun der emeritierte Erzbischof von Ferrara, Msgr. Luigi Negri. Erzbischof Negri, von Papst Benedikt XVI. besonders geschätzt, ist einer der markantesten und deutlichsten Bischöfe Italiens und gehört unter anderem zu den Gründern und Herausgebern der katholischen Internetzeitung La Nuova Bussola Quotidiana. Mit der Wahl von Papst Franziskus begann ein Kesseltreiben seiner innerkirchlichen Gegner, um ihn aus dem Amt zu drängen. Dem folgte Franziskus zwar nicht, emeritierte Msgr. Negri aber trotz guter Gesundheit, sobald er das 75. Lebensjahr vollendet hatte. In seinem jüngsten Buch spricht Erzbischof Negri von einem „Klima der Vergeltung“, das in der Kirche herrsche.
In einem heute von der Nuova Bussola Quotidiana veröffentlichten Kommentar warnt Erzbischof Negri vor einer Jugendsynode, die sich auf ideologisch motivierte Plattheiten reduziert, in politischer Korrektheit verharrt, um nicht anzuecken, und damit ihre Lebendigkeit einbüßt, die aber notwendig sei, um wirklich für den Glauben und die Kirche fruchtbar werden zu können.
Wörtlich schreibt Negri:
„Die Jugendsynode kann eine große Gelegenheit sein unter der Bedingung, daß ein echter Dialog zu den großen Fragen des Lebens möglich ist. Die Vorbereitungsdokumente weisen aber nicht in diese Richtung, sondern scheinen mehr darum besorgt, die üblichen, politisch korrekten Klischees zu wiederholen. Doch wehe uns, wenn wir die Erwartungen auf einem überzeugenden Vorschlag, der das ganze Leben betrifft, auf banale Interessen und Initiativen umlenken.“
Die Synode sei eine „große Chance des Dialogs zwischen dem Papst und der Jugend“, so Negri. Sie müsse aber auch genützt werden.
Jugend wurde im Stich gelassen
„Es besteht kein Zweifel, daß de Jugendlichen von Generationen von Erwachsenen sich selbst überlassen wurden, die nicht imstande waren, auf ihre substantiellen Fragen, die den Sinn des Lebens betreffen, Antwort zu geben. Und sie wurden – mehr oder weniger schnell und mehr oder weniger abwimmelnd – auf zweitrangige Aspekte abgelenkt, die man ihnen aber als wichtig und entscheidend präsentierte. Es genügt an die vielen Ismen des 20. Jahrhunderts zu denken: den Nationalismus, den Sozialismus usw. Dann wurde sie auf noch mediokre Weise auf den Wohlstandskult, den Kult der Wirtschaftskraft und des Wohlbefindens umgeleitet.“

Heute gebe es zwar „große Möglichkeiten“, aber „eine Unfähigkeit zu erziehen“. Jedem Jugendlichen seien große positive Möglichkeiten ins Herz gelegt, aber „sie verlangen eine ernsthafte, beständige, konstruktive und geduldige Erziehung“, so Erzbischof Negri. Die vorherigen „und auch die jetzige Erwachsenengeneration“ seien zu dieser Erziehungsleistung „nicht fähig“ gewesen, „wahrscheinlich, weil diese Konfrontation mit den Jugendlichen immer die kulturelle und moralische Schwäche der Erwachsenengenerationen offenkundig werden ließ“.
Die Not der Jugendlichen sei heute sehr groß. Sie seien offen, suchen und verlangen nach klaren Antworten auf die existentiellen Fragen des Lebens. Anstatt dieses Fragen und Suchen durch Ablenkung und Konsum zu ersticken, sollten Antworten gegeben werden. Das sei eine große Herausforderung, aber auch eine „enorme Chance“ für die Kirche.
Die Jugendlichen „öffnen sich und warten. Wehe, wenn wir sie erneut auf banale Interessen und Ebenen umlenken. Wehe, wenn wir, anstatt sie in das Abenteuer des wirklichen Lebenssinnes eintauchen zu lassen, ihnen dabei helfen, sich mit Banalem zu begnügen.“
Eindruck, Synodendokumente wollen zur politischen Korrektheit erziehen
Beim Lesen der Vorbereitungsdokumente und beim Anblick „der verschiedenen kirchlichen Initiativen auf allen Ebenen“, befalle ihn immer derselbe Eindruck, „daß sie Klischees wiederholen“.
„Ich habe den Eindruck, daß die Gefahr besteht, daß sie weder von Jugendlichen noch für Jugendliche geschrieben werden, sondern dazu, den Jugendlichen die üblichen Schablonen der politischen Korrektheit nahezulegen.“
Deshalb würden Beziehungsprobleme, die Ablehnung der katholischen Moral und die „anderen üblichen“ Punkte zu „großen Fragen“ stilisiert.

„Ich glaube aber nicht, daß das der Ausgangspunkt für die Jugendlichen ist, und ich glaube auch nicht, daß das ihre Erwartung ist. Ich glaube, daß es notwendig ist, wieder an die große Allianz zwischen den Generationen anzuknüpfen, und diese Allianz tut sich nur auf, wenn jede Generation ihre echte und definitive Verantwortung übernimmt: die Erwachsenen, indem sie überzeugende Antworten geben, was den ganzen Bogen des Lebens betrifft, und nicht nur zu diesem und jenem Einzelaspekt, und die Jugendlichen, indem sie, durch eine angemessene Erziehung gefordert und befähigt werden, ihrerseits Verantwortung für sich, aber auch vor Gott und für die Gesellschaft zu übernehmen.“
Erzbischof Negri bekräftigt in seiner Kolumne die bereits von anderer Seite vorgebrachte Kritik, daß es den Eindruck „gelenkter“ Synoden gebe, und die Ergebnisse schon im Vorfeld festgelegt und festgeschrieben seien. Mit seiner Kritik geht Negri über die Jugendsynode hinaus. Er spricht im Plural von „Synoden“, und meint damit auch die Familiensynoden von 2014/2015 und die Amzonassynode von 2019, ohne sie namentlich zu erwähnen. Andere Synoden gab es im derzeitigen Pontifikat nicht, oder sind in Vorbereitung.
„Inakzeptabel“, daß alles schon vorher festgelegt wirkt
„Was mir inakzeptabel erscheint, ist diese Situation vorab feststehender Klarheit, weshalb diese Dokumente schon im voraus geschrieben wirken. Sie scheinen für alle Argumente der Synoden bereits geschrieben zu sein.“

Konkret auf die Jugendsynode bezogen, führt er seinen Gedanken näher aus. Die vorgefertigten Dokumente würden das Bild einer Jugend zeichnen, der alles egal und die für nichts zu begeistern sei. In Wirklichkeit sei die Jugend heute genauso offen wie die Jugend aller Zeiten. Sie verlange aber nach einer Erziehungsleistung, damit sie „den Wert der katholischen Sexualmoral, den Wert der Familie, der Arbeit, der Kinder usw. wiederentdeckt“.
Er weigere sich, so Erzbischof Negri, zu glauben, daß die „heutige Jugend“ besondere Bedürfnisse habe, auf die Rücksicht genommen werden müsse, und daß sie sich als Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens „maximale Befriedigung auf allen Ebenen“ erwarte. Das seien lediglich falsche, banale Antworten, die den Jugendlichen von Erwachsenen vorgesetzt werden.
„Der Wohlstand ist kein Ideal der Jugend. Der Wohlstand ist ein Ideal der Alten, das den Jugendlichen vorgesetzt und manchmal auch aufgezwungen wird.“
Jugendsynode eine „große Gelegenheit“, wenn sie „echt ist“
Deshalb sei er der Überzeugung, daß die Jugendsynode eine „große Gelegenheit“ sein könnte, wenn sie „wirklich echt“ wäre und den verschiedenen Seiten die Möglichkeit zur wirklichen Teilnahme bieten würde, um die Antworten vorzulegen, die sie wirklich beschäftigen, um die Perspektiven aufzuzeigen, die sich wirklich sehen, um die Schwierigkeiten zu benennen, die sie wirklich plagen, und um die positiven Möglichkeiten sichtbar zu machen, die Teil ihrer Erfahrung sind. Was es „braucht, ist ein wirklicher und ehrlicher Dialog“.
Die Jugendsynode findet vom 3.–28. Oktober 2018 statt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Pildorasdefe/MiL/CEU/Wikicommons (Screenshots)