
Der aus der Reichsstadt Mühlhausen stammende Gilles Reithinger ist als Weihbischof von Straßburg zurückgetreten. Papst Franziskus akzeptierte den Schritt des erst 51jährigen Oberelsässers.
Das vatikanische Presseamt meldete gewohnt knapp und nüchtern:
„Der Heilige Vater hat den Rücktritt Seiner Exzellenz Gilles Reithinger als Weihbischof der Erzdiözese Straßburg (Frankreich) angenommen.“
Msgr. Reithinger war erst am 26. Juni 2021 zum Weihbischof von Straßburg ernannt worden. Er gehört der Gesellschaft der ausländischen Missionen zu Paris (Pariser Mission) an, die im 17. Jahrhundert für die Missionierung in Asien gegründet wurde. Von 2016 bis zu seiner Bischofsweihe war er Generaloberer dieses Missionsordens.
Während der Heilige Stuhl nichts über die Hintergründe sagte, berichtet die weltliche Presse ausführlich. Seit dem Frühjahr 2023 wird Msgr. Reithinger mit mehreren Fällen von homosexuellem Mißbrauch in Verbindung gebracht, nie als Täter, aber als Zeuge (im Mißbrauchsfall durch einen Mitarbeiter der Missionsgesellschaft), als Untätiger (in Mißbrauchsfällen an thailändischen Kindern durch einen Mitbruder) und direkt durch den Mitbruder P. Philippe R., der des Mißbrauchs an einem autistischen Mann beschuldigt wird und Reithinger als „Initiator in Sachen Sex und Doppelleben“ nannte.
Was das vatikanische Presseamt nicht verlautbarte: Gegen Msgr. Reithinger wurde eine kanonische Untersuchung eingeleitet. Konkret betrifft dies von den drei genannten Vorwürfen jenen der Vertuschung von homosexuellem Kindesmißbrauch durch einen Ordensmitbruder.
Das Erzbistum Straßburg ist seit April 2023 vakant. Papst Franziskus hatte 2016 den Augustiner-Chorherren Luc Ravel zum Erzbischof ernannt, der im April 2017 sein Amt antrat, diesen dann aber ab 2022 mehrfach zum Rücktritt aufgefordert, weil er ihm eine „autoritäre Regierung“ vorwarf. Seither ist der Bischof von Metz, Msgr. Philippe Ballot, auch Apostolischer Administrator von Straßburg. Msgr. Ballot begründete den Rücktritt Reithingers mit dessen „Gesundheitszustand“, der ihn „daran hindert, sein bischöfliches Amt voll auszuüben“. Einzelheiten zu diesem „Gesundheitszustand“ nannte Msgr. Ballot nicht.
In der kanonischen Untersuchung wird geprüft, ob sich Reithinger der Vertuschung schuldig gemacht hat. Ein inzwischen verstorbener Mitbruder, P. Gabriel Girard, soll bei einem Missionsaufenthalt in Thailand mehrere Jungen sexuell mißbraucht haben.
Eines der Opfer erzählte France 3 und France Info, daß Girard „jeden Morgen kam, sich einen von uns aussuchte und ihn mit ins Bett nahm“.
Die vier Jungen, die den Missionar belasten, gehören alle der Minderheit der Karen an, einem tibetobirmanischen Volk in Myanmar und Thailand.
Der Missionar P. Camille Rio erhielt Kunde von dem Mißbrauch und verständigte seinen Vorgesetzten P. Reithinger, der jedoch untätig geblieben sei. Reithinger hatte gegenüber France 3 bestritten, irgendeinen Hinweis erhalten zu haben. Ihm sei nie etwas zur Kenntnis gebracht worden, weshalb er auch nichts „verheimlicht, heruntergespielt oder versteckt“ habe.
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: X (Twitter) Screenshot
Reithinger ist nicht in der thüringischen alten Reichstadt Mühlhausen geboren, sondern im elsässichen Mülhausen. Das war zwar auch Reichstadt, schreibt sich aber ohne stummen h.