Die Angst vor der großen Abrechnung

Papst Franziskus wird morgen in den Vatikan zurückkehren


Am Morgen der Beisetzung von Benedikt XVI., am 5. Januar, war der Petersdom von Nebel umhüllt: ein Bild für die Endphase des Pontifikats von Franziskus?
Am Morgen der Beisetzung von Benedikt XVI., am 5. Januar, war der Petersdom von Nebel umhüllt: ein Bild für die Endphase des Pontifikats von Franziskus?

(Rom) Papst Fran­zis­kus befin­det sich auf dem Weg der Bes­se­rung. Das bestä­tig­te das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt heu­te in sei­nem fünf­ten Kom­mu­ni­qué seit der Ein­lie­fe­rung des Kir­chen­ober­haupts in die Gemel­li-Kli­nik. Nicht gesagt wur­de, daß Papst Fran­zis­kus sich in den drei Wochen vor sei­ner Ein­lie­fe­rung bereits min­de­stens zwei­mal in die Päpst­li­che Uni­ver­si­täts­kli­nik Ago­sti­no Gemel­li in Rom bege­ben hat­te müs­sen. Freun­de und Geg­ner von Fran­zis­kus haben unter­des­sen ihre Akti­vi­tä­ten zur Vor­be­rei­tung eines mög­li­chen Kon­kla­ves inten­si­viert. Sei­ne Freun­de fürch­ten nicht nur sei­nen Rück­tritt, son­dern auch eine „gro­ße Abrech­nung“ mit sei­nem Pontifikat.

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Im vier­ten Kom­mu­ni­qué, gestern, wur­de von Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni erst­mals auf die behan­deln­den Ärz­te verwiesen:

„Im Rah­men der für den Hei­li­gen Vater vor­ge­se­he­nen kli­ni­schen Kon­trol­len wur­de eine Bron­chi­tis mit infek­tiö­sem Hin­ter­grund fest­ge­stellt, die die Ver­ab­rei­chung einer Anti­bio­ti­ka­the­ra­pie auf Infu­si­ons­ba­sis erfor­der­te, die die erwar­te­te Wir­kung mit einer Net­to­ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des zeig­te.
Auf­grund des vor­aus­sicht­li­chen Ver­laufs könn­te der Hei­li­ge Vater in den näch­sten Tagen ent­las­sen werden.“

Die Tat­sa­che, daß bis­her – anders als noch vor zwei Jah­ren, als sich Fran­zis­kus einer Magen­ope­ra­ti­on unter­zo­gen hat­te – nur der Vati­kan über den Gesund­heits­zu­stand des Pap­stes infor­miert, nicht aber die Ärz­te der Uni­ver­si­täts­kli­nik, heiz­te die Spe­ku­la­tio­nen an. Auch jetzt noch darf kein Arzt eine direk­te Stel­lung­nah­me abgeben.

„Man hat den Ein­druck, daß alle im Vati­kan den Atem anhal­ten und in einer Stil­le ver­har­ren, die von Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und Unsi­cher­heit zeugt“, so Mas­si­mo Fran­co vom Cor­rie­re del­la Sera.

Mit „alle“ sind aller­dings in erster Linie die Berg­o­glia­ner hin­ter den Leo­ni­ni­schen Mau­ern gemeint.

Morgen wahrscheinliche Rückkehr in den Vatikan

Ver­läuft jedoch alles nach Plan, dürf­te Fran­zis­kus mor­gen, Sams­tag, wie­der nach San­ta Mar­ta zurück­keh­ren. Im Vati­kan ist man immer noch bemüht, den Kran­ken­haus­auf­ent­halt als Rou­ti­ne­kon­trol­le dar­zu­stel­len, die bereits vor­ab geplant gewe­sen sei. Die Fak­ten spre­chen eine etwas ande­re Spra­che. Auch wird der Ein­druck ver­mit­telt, Fran­zis­kus könn­te schon wie­der der Lit­ur­gie der Kar­wo­che und des Oster­fe­stes vorstehen.

Trotz der Gene­sungs­mel­dung rüstet sich das vati­ka­ni­sche Amt für die lit­ur­gi­schen Fei­ern des Pap­stes in Wirk­lich­keit auf eine Kar­wo­che und Ostern ohne das Kir­chen­ober­haupt. Kar­di­nal Gio­van­ni Bat­ti­sta Re, der Dekan des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, der offi­zi­ell erklär­te, der Papst wer­de durch sei­ne Rück­kehr in den Vati­kan den kom­men­den Lit­ur­gien vor­ste­hen kön­nen, erklär­te zugleich, der Papst wer­de „nicht zele­brie­ren“. Was nun?

Gegen­über LaPres­se gab Re bekannt, daß Fran­zis­kus am Palm­sonn­tag durch den Sub­de­kan des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums Leo­nar­do Kar­di­nal Sand­ri ersetzt wer­de. Die Chri­sam­mes­se am Mor­gen des Grün­don­ners­tags wer­de Kar­di­nal­vi­kar Ange­lo De Dona­tis, die Mis­sa in Coe­na Domi­ni am Abend des Grün­don­ners­tags der Erz­prie­ster des Peters­doms Mau­ro Kar­di­nal Gam­bet­ti zele­brie­ren. Die Zele­bra­ti­on am Oster­sonn­tag will Kar­di­nal­de­kan Re selbst übernehmen.

Seit Mitt­woch befin­det sich Papst Fran­zis­kus in der Päpst­li­chen Uni­ver­si­täts­kli­nik Ago­sti­no Gemel­li in Rom

Der ver­meint­li­che Wider­spruch, daß der Papst einer­seits „nicht zele­brie­ren“, aber der Lit­ur­gie „vor­ste­hen“ wer­de, ergibt sich aus der neu­en Sprach­re­ge­lung, die eine Fol­ge der Lit­ur­gie­re­form des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ist. Durch die Ein­füh­rung der „Kon­ze­le­bra­ti­on“ wur­de zunächst das Ver­ständ­nis von „Zele­brant“ erwei­tert. In einem wei­te­ren Schritt kam dann hin­zu, daß der Zele­brant und der „Vor­ste­her“ der Zele­bra­ti­on nicht die­sel­be Per­son sein müs­sen. Auf­grund sei­nes Ran­ges könn­te ein nur kon­ze­le­brie­ren­der oder offen­bar sogar ein weder zele­brie­ren­der noch kon­ze­le­brie­ren­der Papst den­noch der Lit­ur­gie „vor­ste­hen“. Das Ver­ständ­nis von Zele­brant wird aufgelöst.

Die von Kar­di­nal Re genann­ten Ter­mi­ne, so der Kar­di­nal­de­kan gegen­über LaPres­se, sei­en jeden­falls aus Rück­sicht auf den Gesund­heits­zu­stand des Pap­stes bereits ent­schie­den wor­den. Zum Kreuz­weg am Kar­frei­tag beim Kolos­se­um und zur Oster­nacht wur­de noch nichts bekannt­ge­ge­ben. Geplant ist nach der­zei­ti­gem Stand, daß Fran­zis­kus am Oster­sonn­tag den Segen Urbi et orbi spen­den und sei­ne Oster­bot­schaft ver­le­sen wird. An den übri­gen Zele­bra­tio­nen, auch jener des Palm­sonn­tags, ist eine „Prä­senz“ von Papst Fran­zis­kus möglich.

Papst war in den vergangenen Wochen inkognito schon mehrfach in der Gemelli-Klinik

Eli­sa­bet­ta Piqué, die Vati­ka­ni­stin der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Naci­on und per­sön­li­che Freun­din des Pap­stes, gab bekannt, was „nahe­ste­hen­de Quel­len“ ihr anver­traut hat­ten: Papst Fran­zis­kus war bereits in den drei Wochen vor sei­ner Ein­lie­fe­rung am ver­gan­ge­nen Mitt­woch „min­de­stens zwei Mal inko­gni­to zu Unter­su­chun­gen in der Uni­ver­si­täts­kli­nik Ago­sti­no Gemelli“.

Eini­ge Medi­en, so die spa­ni­sche Tages­zei­tung El Mun­do, sehen bereits die Gefahr eines „Schat­ten­kon­kla­ves“. Es sei­en „Manö­ver“ im Gan­ge „von Freun­den und Geg­nern rund um einen auf alle Fäl­le geschwäch­ten Papst“, so Mas­si­mo Fran­co (Cor­rie­re del­la Sera).

„Die Aus­wir­kun­gen der Ein­lie­fe­rung von Fran­zis­kus in die Poli­kli­nik Ago­sti­no Gemel­li nach der Atem­kri­se vom Mitt­woch sind bereits zu spüren.“

Es gehe um „all die Schat­ten“, die Fran­zis­kus schon seit län­ge­rem beglei­ten und die sich seit dem Tod von Bene­dikt XVI. noch „ver­stärkt“ hät­ten. Mas­si­mo Fran­co meint damit nicht den Kran­ken­haus­auf­ent­halt des Pap­stes, denn des­sen „Leben ist nicht in Gefahr“, son­dern zitier­te eine „vati­ka­ni­sche Quelle“:

„Das The­ma ist viel­mehr, wie er selbst ana­ly­sie­ren wird, was ihm wider­fah­ren ist, und wel­che Schluß­fol­ge­run­gen er dar­aus zie­hen wird.“

Anders aus­ge­drückt: Es geht um einen „mög­li­chen Ver­zicht“, sprich, sei­nen Rück­tritt. Einen sol­chen hat­te Fran­zis­kus in meh­re­ren der zahl­rei­chen Inter­views, die er erst vor drei Wochen zu sei­nem zehn­jäh­ri­gen Thron­ju­bi­lä­um gewähr­te, ziem­lich deut­lich ausgeschlossen.

Sei­ne Signa­le sind jedoch wider­sprüch­lich wie vie­les im Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus. Einer­seits beton­te er rund um den 13. März deut­li­cher als je zuvor, daß ein Papst „auf Lebens­zeit“ gewählt ist, ande­rer­seits ließ er zeit­na­he durch­blicken, daß er aus schwer­wie­gen­den gesund­heit­li­chen Grün­den, oder wenn er mer­ken soll­te, an Klar­heit des Ver­stan­des zu ver­lie­ren, zurück­tre­ten könn­te. Fran­zis­kus will sich, ein Wesens­merk­mal sei­nes Pon­ti­fi­kats, auch in die­sem Punkt alle Optio­nen offenhalten.

Soll­te er zurück­tre­ten, so Fran­zis­kus, wer­de er nicht im Vati­kan blei­ben, aber auch nicht nach Argen­ti­ni­en zurück­keh­ren. Mit Sicher­heit wer­de er nicht mehr „das wei­ße Gewand“ tra­gen. Es kön­ne sein, daß er sich in eine römi­sche Pfar­rei oder in die Late­ran­ba­si­li­ka zurückziehe.

Die Angst vor der „Abrechnung“

Der Chef­re­dak­teur des Cor­rie­re del­la Sera sieht indes „eine fieb­ri­ge und etwas zer­zau­ste Auf­re­gung“ am Werk, die „Freun­de und Geg­ner“ von Fran­zis­kus seit Mitt­woch erken­nen lassen.

  • Die Freun­de des Pap­stes sei­en von der Sor­ge getrie­ben, daß es nicht nur zum Amts­ver­zicht von Fran­zis­kus, son­dern in der „tief gespal­te­nen Kir­che“ auch zu einer „Abrech­nung“ mit sei­nem Pon­ti­fi­kat kom­men könnte.
  • Die Geg­ner von Fran­zis­kus hin­ge­gen hoff­ten, daß es frü­her, als ande­ren lieb sei, zu einem Kon­kla­ve kom­men könnte.
  • Bei­de Sei­ten schei­nen sich hin­ge­gen dar­in einig, daß das näch­ste Kon­kla­ve „eines der schwie­rig­sten und kon­flikt­reich­sten der letz­ten Jahr­zehn­te“ wer­den dürfte.

Fran­co schmei­chelt Fran­zis­kus, wenn er betont, der argen­ti­ni­sche Papst „lei­de“ unter dem Kon­flikt der inner­kirch­li­chen Spal­tung, „die auch im Jahr­zehnt von Fran­zis­kus nicht geheilt wur­de“. Hier wer­den Kro­ko­dils­trä­nen ver­gos­sen, denn Fran­zis­kus trug mit Nach­druck dazu bei, die­se Spal­tung anzu­hei­zen und zu vertiefen.

Fakt ist, daß die Vor­be­rei­tun­gen für ein Kon­kla­ve immer „inten­si­ver“ wer­den. Eini­ge, so Fran­co, sehen ein selt­sa­mes Para­dox: Das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus sei zehn Jah­re lang vom Schat­ten Bene­dikts XVI. beglei­tet wor­den. Erst durch des­sen Tod sei es „zur Nor­ma­li­tät zurück­ge­kehrt“, doch genau nun könn­te es auch schon zu Ende sein, „als ob Fran­zis­kus und Bene­dikt Päp­ste mit schwer zu tren­nen­den Lebens­läu­fen wären“.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Youtube/​Wikicommons

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2 Kommentare

  1. Papst Berg­o­glio bat- sehr tief­blicken las­send- die jun­gen Semi­na­ri­sten nicht „gegen“ ihn, son­dern „für“ ihn zu beten. 

    Das wol­len wir- die gesam­te katho­li­sche Chri­sten­heit- ger­ne für ihn tun:

    Für einen raschen, reu­igen und sei­ne See­le noch ret­ten­den Heim­gang- Exau­di nos, Domi­ne Jesu Christe!

    Die Posau­ne des Gerichts wird auch die­sem Papst für sein unse­li­ges Pon­ti­fi­kat schal­len: Tuba mir­um spar­gens sonum, coget OMNES ante thronum!

    • Wo ist die Demut? Man kann dem Herrn nicht auf­zwin­gen, wie das Gebet zur Gel­tung kom­men soll!

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