
(Rom) Während Papst Franziskus zum grausamsten Tabubruch in Frankreich schweigt, seit es den Rechtsstaat gibt, und aus deutschen Landen wegen der Ukraine unter Beschuß steht, wird im Vatikan eifrig an neuen Regeln für die Zeit nach ihm gearbeitet.
Schweigen: Der französische Angriff gegen das Lebensrecht
In Frankreich wurde am 4. März erstmals in der weltweiten Geschichte des Rechtsstaates ein Recht in der Verfassung verankert, willkürlich unschuldige Menschen töten zu können. Die Abtreibungslegalisierung, die in Frankreich seit 1975 gilt, genügte nicht mehr. Das „Recht“, unschuldige Kinder zu töten, mußte als „sakrosankt“ in der Verfassung verankert werden. Die Verrohung ist beispiellos und zeigt, wie weit die derzeitige französische Staatsführung sich vom Naturrecht, der Wahrheit über den Menschen und somit von Recht und Ordnung verabschiedet hat.
Die Sache hat noch ein bezeichnendes Detail: Eine Verfassungsänderung verlangt in Frankreich eine Volksabstimmung, in der das Volk ihr zustimmen muß. Das wollten die Abtreibungslobbyisten aber unter allen Umständen vermeiden, denn – o Schreck – die Lebensrechtsbewegung hätte dann gleichviel Sendezeit erhalten wie die Abtreibungsfanatiker. Also fand man den juristischen Trick, eine Volksabstimmung zu umgehen, indem die vereinten beiden Häuser des Parlaments gemeinsam abstimmten. Nicht einmal zehn Prozent der Abgeordneten lehnten den beispiellosen Rechtsbruch ab, der zur wohl größten Anklage gegen die Demokratie wurde, deren Schwächen gnadenlos offengelegt wurden. Dabei zeigte sich, daß linke und rechte Politiker, wenn sie keinen Glauben und somit keine objektive Grundlage des Rechts und des Menschenbildes haben, unterschiedslos und gleich erbärmlich versagen. Und Papst Franziskus und der Vatikan schweigen dazu. Die peinliche Wortstocherei der Päpstlichen Akademie für das Leben kann als Reaktion nicht gezählt werden.
Sturm: Der deutsche Angriff gegen Papst Franziskus wegen der Ukraine
Während die grausamen Tötungsgelüste in Frankreich den deutschen Mainstream völlig gleichgültig lassen, wenn nicht sogar zu ideologischen Freuden beflügeln, führt derselbe Mainstream einen giftigen Angriff gegen Papst Franziskus, weil dieser die ukrainische Regierung aufgefordert hatte, nach mehr als zwei Jahren des Krieges, doch endlich an den Verhandlungstisch zurückzukehren. An diesem saß man bereits im März 2022 in Istanbul und war sich in einer Reihe von Punkten schon einig. Die angelsächsischen Mächte, vertreten durch ihren Emissär Boris Johnson, drängten den ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyj jedoch, die Verhandlungen abzubrechen und auf die Waffen der westlichen „Partner“ zu setzen. Selenskyj erließ sogar ein absurdes Gesetz, wie es die Geschichte noch nicht kannte, das Verhandlungen mit Rußland sogar verbietet. Seither sind auf beiden Seiten hunderttausende junge Männer gefallen oder kriegsversehrt. Doch die deutschen Medien attackieren Papst Franziskus dafür, daß er zu Frieden und Dialog aufrief. Was aber sonst sollte ein Papst tun? Doch selbst so elementare Kenntnisse scheinen in Deutschlands Parteizentralen und Redaktionsstuben nicht mehr vorhanden zu sein. Oder aber, man weiß mehr als man der eigenen Öffentlichkeit sagt.
Die Wortmeldung von Franziskus über die „weiße Fahne“ hatte nämlich auch eine politische Seite. Er sagte genau das, was die italienische Regierung denkt. Giorgia Meloni gibt sich seit ihrem Regierungsantritt transatlantisch linientreu, doch mit Blick auf die nationalen Interessen ist sie in Wirklichkeit an einem möglichst schnellen Ende des Konflikts interessiert. Aufgrund der Gemengelage der politischen Ereignisse und der engen Verbindung zwischen Italien und dem Vatikan zwischen der italienischen Staatskanzlei im Palazzo Chigi und dem vatikanischen Staatssekretariat wurde vereinbart, in der Ukraine-Frage den Papst vorzuschicken.
Ein päpstlicher Witz
Vor einigen Wochen, vor den gesundheitlichen Beschwerden, die Franziskus zuletzt plagten, erzählte der Papst gegenüber argentinischen Freunden aus Buenos Aires und Córdoba einen Witz:
„Was verlieren ein Theologe, ein Philosoph und ein Jurist? Ein Theologe verliert seinen Glauben, ein Philosoph seine Vernunft, ein Jurist seine Zeit“, und lachte, während er Dulce de leche, die traditionelle argentinische Nachspeise, verkostete.
Die Anekdote steht in einem offenen Widerspruch zu dem, was Franziskus in Rom als Bergoglio-Stil etablierte. In Wirklichkeit wendet Franziskus sogar sehr viel Zeit und Energie auf, um rechtliche und moralische Schlupflöcher zu entdecken und Winkelzüge zu erfinden, um „unumkehrbare Prozesse“ anzustoßen, wie er selbst sagte, sprich revolutionäre Paradigmenwechsel, ohne dafür haftbar gemacht werden zu können. Der Rechtsbereich ist genau genommen sogar der, in dem sich Franziskus die meiste Kritik zuzieht. Exzellenten Juristen wie Kardinal Raymond Burke stehen die Haare zu Berge angesichts der schwindelerregenden Konstruktionen, die in Santa Marta ausgetüftelt werden. Man beachte nur die Menge an Motuproprien, die von Franziskus im Vergleich zu seinen Vorgängern erlassen wurde. Franziskus erscheint nach außen anders, doch in Wirklichkeit produziert er in einer regelrechten Regelwut einen Wildwuchs des Rechts.
Der Auftrag an das Dikasterium
In diesen Tagen erhielt das Dikasterium für die Gesetzestexte, unter der Leitung des 66jährigen neapolitanischen Erzbischofs Filippo Iannone, überraschenderweise den Auftrag, Kanonisten der besten europäischen Universitäten mit der Ausarbeitung eines Rahmengesetzes zu beauftragen. Dieses Dikasterium ist an der römischen Kurie für die Ausarbeitung und Auslegung von Gesetzen zuständig, wurde aber in den elf Jahren des bisherigen Pontifikats faktisch noch nie konsultiert. Seine Regelungsflut produzierte Franziskus bisher über eigene Haus- und Hofjuristen am zuständigen Dikasterium vorbei.
Die auszuarbeitenden Normen sollen die Zeit der Sedisvakanz regeln. Es soll, so der Auftrag, insbesondere festgelegt werden, wie zu verfahren ist, wenn ein Papst aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr amtsfähig sein sollte. Anders ausgedrückt: Es soll geregelt werden, durch wen und wie ein amtierender Papst darum ersucht – und vielleicht auch gezwungen – werden könnte, den Stuhl Petri zu räumen, um dadurch die Sedisvakanz und die Einberufung eines Konklaves zu erreichen. Franziskus will also eine Norm einführen, wie ein regierender Papst „veranlaßt“ werden könnte, sich ins Privatleben zurückzuziehen, also das zu tun, was von Papst Benedikt XVI. getan wurde. Die Begründung, wie es scheint, sollte sich auf Leiden und Gebrechen beziehen und darauf abzielen, daß eine Amtsunfähigkeit vermieden wird und der betroffene Papst sich der Genesung und dem Auskurieren seiner Beschwerden widmen könnte.
Die Sache verwundert, da Franziskus mehr als einmal und sehr deutlich zu verstehen gab, daß er keine Absicht hegt, zurückzutreten, ja nicht einmal daran denke. Im Vatikan wird bei entsprechenden Nachfragen kurz angebunden darauf verwiesen, daß Franziskus Jesuit und in den Ordensregeln schließlich das perinde ac cadaver festgeschrieben sei, das als „Kadavergehorsam“ bekannt wurde.
Doch Franziskus ist kein Papst, der sich selbst binden lassen will. Die von ihm geplante Neuregelung soll erst für seine Nachfolger gelten.
Er selbst verlangt freie Hand, wie seine Säuberungen in der Diözese Rom zeigten. Msgr. Riccardo Lamba wurde gleich 600 Kilometer weit aus Rom wegbefördert und Msgr. Giuseppe Angelo Tonello wegen „Majestätsbeleidigung“ in seine norditalienische Heimatdiözese zurückgeschickt, wo er jetzt Pfarrer ist. Seine Stelle als Kanzler der Diözese Rom wurde, „wie könnte es anders sein“, wie es in Rom heißt, mit Maria Teresa Romano von einer Frau besetzt. Schon im vergangenen Jahr übertrug Franziskus die Leitung der Personalabteilung einer Frau, die zuvor für ein Automobilunternehmen gearbeitet hatte. Der Umstand, daß nach handfesten Gerüchten die neue Kanzlerin der Diözese von ihrem Mann getrennt ist und mit einem anderen Mann zusammenlebt, also ein Paar in einer „irregulären Situation“ bilde, sind in bergoglianischen Zeiten zu vernachlässigende Details. Im Gegenteil: Mit Amoris laetitia und Fiducia supplicans wurde von Franziskus für solche Eventualitäten bereits vorgesorgt.
Im römischen Klerus ist man darüber weniger belustigt. Die Frustration wächst und wächst. Man erinnere sich daran, daß es die römischen Pfarrer waren, die sich im März 2020 querlegten, als Franziskus in seiner Diözese wegen Corona nicht nur alle Gottesdienste untersagte, sondern sogar alle Kirchen und Kapellen zusperren ließ. Nur dem Widerstand des Klerus war es zu verdanken, daß der Papst zurückruderte und erlaubte, daß zumindest die Pfarrkirchen für das persönliche Gebet offenbleiben konnten.
Die Frustration des Klerus hat vor allem damit zu tun, daß Franziskus nicht nur Laien demonstrativ den Klerikern vorzieht, sondern zugleich die Priester, die sich noch in Ämtern befinden, ununterbrochen demütigt.
Und was die bevorstehende Sedisvakanz und das Konklave betrifft, wird man sehen, was das zuständige Dikasterium und vor allem die Haus- und Hofkanonisten von Santa Marta austüfteln. Wie es heißt, wird „intensiv“ an neuen Regeln gearbeitet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)