
(Rom) Alle spanischen Diözesanbischöfe wurden für den 28. November nach Rom einbestellt. Es geht um die 45 Priesterseminare und damit um die Priesterausbildung in Spanien. Santa Marta wünscht radikale strukturelle Umbauten. Wie steht es aber um die inhaltliche Ausrichtung?
Seit Jahren drängt der Heilige Stuhl unter Papst Franziskus auf eine Umstrukturierung der Priesterausbildung in Spanien. Es gebe zu viele Priesterseminare für die derzeitigen Berufungen. Die Bischöfe wurden mehrfach aufgefordert, bestehende Priesterseminare aufzulassen und in überdiözesanen Seminaren zusammenzulegen. Ein entsprechender römischer Vorschlag wurde 2018 von der Spanischen Bischofskonferenz jedoch abgelehnt.
Rom läßt aber nicht locker. Kaum hatte die Bischofskonferenz 2020 einen neuen Vorsitzenden gewählt, erfolgte ein neuer Vorstoß.
Der Neokatechumenale Weg
Es wurde bekannt, daß die römische Kleruskongregation, nunmehr Klerusdikasterium, dem neuen Vorsitzenden Kardinal Juan José Omella ein Schreiben übermittelte, mit dem eine drastische Reduzierung der Priesterseminare angemahnt wurde. Ihre Gesamtzahl sollte halbiert werden. Msgr. Omella war 2015 von Franziskus zum Erzbischof von Barcelona ernannt und 2017 zum Kardinal erhoben worden.
In Spanien war man lange zurecht stolz darauf, „die Welt“ evangelisiert zu haben, also die außereuropäische Welt, die sogenannte Neue Welt. Grundlage dieser Evangelisierung waren die Priesterseminare.

Katholisches.info legte am 14. Oktober 2020 einen weiteren Hintergrund für das römische Drängen offen. Es geht nicht nur um die rückläufigen Berufungszahlen:
„Erstaunlich ist, daß die römische Kleruskongregation auf eine Reduzierung der Priesterseminare drängt und damit ‚strukturelle‘ Fragen in den Vordergrund stellt, wo es doch vor allem um die geistliche Frage der Berufungsförderung geht. Ein genauerer Blick auf die Maßnahme ergibt, daß sich in der „Anregung“ noch eine zweite Anregung versteckt: Rom empfiehlt, die internationalen Priesterseminare Redemptoris Mater des Neokatechumenalen Weges zu ‚integrieren‘ und damit aufzuheben. Aus diesen Seminaren kommen in manchen westlichen Diözesen derzeit die meisten Neupriester.“
Dahinter steht das Bestreben, die Bedeutung und den Einfluß des Neokatechumenalen Weges einzuschränken, dessen Kernland Spanien ist. Jeder fünfte spanische Seminarist, der sich heute auf das Weltpriestertum vorbereitet, entstammt dem Neokatechumenalen Weg und wird in einem Redemptoris-Mater-Seminar ausgebildet.
Die Visitation: Drohung und Umsetzung
Bekannt wurde auch, daß der damalige Kardinalpräfekt der Kleruskongregation Beniamino Stella, von Franziskus ernannt, den spanischen Bischöfen mit einer kanonischen Visitation gedroht hatte, sollte die Schließung von Priesterseminaren nicht in Angriff genommen werden.
Im Hintergrund zieht der Jesuit P. German Arana die Fäden für Franziskus. Arana, Rektor des Seminario Internacional de Comillas in Madrid, das mit der gleichnamigen, vom Jesuitenorden getragenen päpstlichen Universität verbunden ist, hat auch an der Päpstlichen Diplomatenakademie das entscheidende Wort bei der jährlichen Auswahl der zwölf zur Ausbildung zugelassenen Kandidaten zu sprechen. Ihm leiht Franziskus sein Ohr.
Rom stützte sich bei seinen Bestrebungen von Anfang an auf die von Franziskus eingesetzten Erzbischöfe von Madrid und Barcelona, Osoro und Omella, die von ihm auch zu Kardinälen kreiert wurden.
Am vergangenen 12. Juni ernannte Franziskus bereits den zweiten Erzbischof von Madrid. Nachfolger von Kardinal Osoro wurde Msgr. José Cobo Cano, den er im September auch zum Kardinal kreierte. Von ihm erwartet sich Rom mehr Tatkraft, auch in der Angelegenheit der Priesterseminare.

Obwohl P. Arana im Fall Barros, gemeint ist der chilenische Bischof Juan Barros Madrid, eine Situation entstehen hatte lassen, die Franziskus kurzzeitig sogar der Kritik des Mainstream aussetzte, hält der Papst an seinem Mitbruder fest. Aranas Rolle beim 2020 erfolgten Vorstoß, die spanischen Priesterseminare zu halbieren, bestätigte, daß Papst Franziskus ‚treue Diener‘ nicht fallen läßt.
Im Herbst 2022 war es soweit. Franziskus ordnete die angedrohte Visitation an und schickte seine Emissäre in die spanischen Priesterseminare, die auch heute noch einen gewissen Einfluß auf die Priesterausbildung in Lateinamerika haben. Als Visitatoren sandte Franziskus zwei uruguayische Bischöfe: Msgr. Milton Luis Tróccoli Cebedio, Bischof von Maldonado-Punta del Este-Minas, und Msgr. Arturo Eduardo Fajardo, Bischof von Salto. Beide waren von Franziskus zu Bischöfen ernannt worden und beide waren zuvor Regenten des Interdiözesanen Priesterseminars Cristo Rey von Uruguay gewesen.
„Wenn wir nur fünf in der Diözese sind, ist das kein Seminar“
Kurz vor ihrer Beauftragung hatte Franziskus bei einem Treffen mit Seminaristen und Priestern in Rom gesagt, daß ein Priesterseminar eine Mindestanzahl von Kandidaten haben sollte: „Wenn wir nur fünf in der Diözese sind, ist das kein Seminar“.
Wie es sein sollte, äußerte Franziskus auch: Ein Priesterseminar sollte mindestens „25, 30“ Seminaristen umfassen. Große Seminare hingegen sollten auf „kleinere Einheiten aufgeteilt“ werden.
Die Priesterseminare Spaniens waren aber nicht nur wegen ihrer Größe ins Visier von Santa Marta geraten, sondern auch wegen der Lehrpläne. Sie seien „zu sehr auf Dogmatik, Spiritualität und Liturgie“ ausgerichtet, aber „zu wenig auf die soziale Dimension“. Religión Confidencial beklagte Bestrebungen zu einer „Psychologisierung“ der Priesterausbildung. Das mache für die Seminaristen „das Durchhalten noch komplizierter“ und es werde „eine Desorientierung in bezug auf das von der Kirche gewünschte Priestermodell verursachen“.
Was aber ist das von der Kirche gewünschte Priestermodell? Jenes von Santa Marta? Jenes von Benedikt XVI.?
Papst Benedikt XVI. wollte 2010 den heiligen Johannes Maria Vianney, Pfarrer von Ars, zum Patron und Modell der Priester erheben, was jedoch von progressiven Kirchenkreisen als „vorkonziliar“ sabotiert wurde, allen voran von Kardinal Claudio Hummes, damals Präfekt der Kleruskongregation. Hummes gehörte dann 2013 zu den Bergoglio-Wählern und gab dem neugewählten Papst zudem die Empfehlung, sich Franziskus zu nennen.

In den ersten Monaten des Jahres besuchten die beiden Visitatoren spanische Priesterseminare. Anschließend legten sie Santa Marta ihren Abschlußbericht vor. Nun, ein Jahr nach ihrer Ernennung, werden alle 70 spanischen Diözesanbischöfe für den 28. November nach Rom zitiert.
Das derzeitige Pontifikat ist bekannt für seine zahlreichen apostolischen Visitatoren. Eine Visitation hatte in den meisten Fällen wenig erfreuliche Konsequenzen. Nur für wenige sind sie gut verlaufen, etwa für Msgr. Juan José Pineda, Weihbischof von Tegucigalpa und enger Freund und Mitarbeiter von Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der wiederum Franziskus sehr nahesteht. Spitze Zungen behaupten, Pineda sei deshalb glimpflich davongekommen, weil er homosexuell ist.
Indem die Drohung von Kardinal Stella im Herbst 2022 in die Tat umgesetzt wurde, gab Santa Marta zu verstehen, daß es ernst wird. Mit der Vorladung nach Rom sollen nun Nägel mit Köpfen gemacht werden. Offiziell soll bei dieser Gelegenheit über das Ergebnis der Visitation der Priesterseminare und die zukünftige Ausbildung der spanischen Seminaristen gesprochen werden. Bischof Joan Enric Vives von Urgell gab die Einberufung nach Rom bekannt und bestätigte diese auch auf Anfrage.
Alle spanische Bischöfe nach Rom zitiert
Erstmals werden sämtliche spanischen Bischöfe außerhalb der alle fünf Jahre üblichen Ad-limina-Besuche nach Rom zitiert. Ihr jüngster Ad-limina-Besuch hatte erst Anfang 2022 stattgefunden.
Einen vergleichbaren Vorgang gab es erst einmal, ebenfalls unter Franziskus, als dieser im Mai 2018 alle chilenischen Bischöfe in den Vatikan einlud – um den erwähnten Fall Barros zu besprechen. Da sich Franziskus damals weigerte, Barros zu entlassen, boten alle Bischöfe geschlossen ihren Rücktritt an. Ein in der Kirchengeschichte beispielloses Ereignis.
Damals hatte die vatikanische Pressekonferenz die Einberufung der chilenischen Bischöfe bekanntgegeben, nun waren es die spanischen Bischöfe selbst, durch jenen von Urgell, die es taten.
Vom 20. bis 24. November werden Spaniens Bischöfe ihre traditionelle Herbstvollversammlung abhalten. Anschließend werden sie für einige Tage nach Rom reisen. Bei der Frühjahrsvollversammlung 2024 wird ein neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz gewählt. Franziskus scheint die Angelegenheit Priesterseminare vorher erledigen zu wollen.
Thema der Einberufung ist dasselbe, das der apostolischen Visitation zugrunde lag: „die Umsetzung des Ausbildungsplans für die spanischen Seminare und die Förderung der Seminaristenausbildung“.
Es geht also um die Erfüllung der Forderung nach einer Mindestanzahl von Seminaristen. Im Studienjahr 2022/23 bereiteten sich in den diözesanen spanischen Priesterseminaren 974 Seminaristen auf das Priestertum vor. Es waren erstmals in der Geschichte weniger als tausend. Dafür brauche es, laut Santa Marta, keine 45 Seminare. Diese diözesanen Seminare sollten zur Gänze durch interdiözesane Seminare ersetzt werden.
Katalonien ist dabei Vorreiter. Kardinal Omella, der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz, ist Katalane. In Barcelona existiert seit 1988 mit dem Seminari Major Interdiocesà ein gemeinsames interdiözesanes Priesterseminar, in dem Seminaristen aus verschiedenen Diözesen ausgebildet werden.
Kritiker beklagen, daß Rom viel Energie und Zeit für ein strukturelle Frage einsetzt, wo es bei den Priesterberufungen und der Priesterausbildung vielmehr um inhaltliche Fragen gehen sollte.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Aber natürlich geht es um inhaltliche Fragen, nur sollen diese nicht bekannt, sondern von strukturellen Fragen übertüncht werden.