
(Rom) Der Jesuit German Arana ist der „schlechte Ratgeber“, der Papst Franziskus zum „fatalen Fehler“ im Fall Barros verleitete. Er hat zudem in der Päpstlichen Diplomatenakademie maßgeblichen Einfluß auf die künftigen Diplomaten des Heiligen Stuhls.
Arana, der „schlechte Ratgeber“ im Fall Barros
InfoVaticana, die spanische Nachrichtenseite, gegen die der Vatikan wegen ihrer kritischen Berichterstattung einen Feldzug ganz eigener Art führt, hatte im vergangenen April erstmals auf den spanischen Jesuiten hingewiesen. Nun wurde das Thema von Sandro Magister, dem ungekrönten Doyen der Vatikanisten, aufgegriffen.

Gabriel Ariza nannte Arana am 14. April einen „Papstflüsterer“. Der Jesuit war dafür zuständig, im Vorfeld der Bischofsernennung für das Bistum Osorno in Südchile, den vorgesehenen Kandidaten, den Karadima-Zögling Juan Barros Madrid informell für Franziskus auf seine Eignung zu prüfen. Aranas Urteil verleitete Franziskus Barros zu ernennen, obwohl bereits damals erhebliche Bedenken bestanden. So lautet heute die Darstellung.
Fast dreieinhalb Jahr hielt Franziskus an Barros fest, weil er der Aranas-Beurteilung vertraute. Durch dieses Beharren des Papstes, das ihn sogar zu schweren Anschuldigung gegen Barros-Kritiker verleitete, denen Franziskus im Verleumdung vorwarf, spitzte sich die Situation immer mehr zu. Im vergangenen Januar, als der Papst Chile besuchte, kam es kurz nach seiner Abreise zum Eklat.
Franziskus, von Kardinal Sean Patrick O’Malley in der Sache zur Rede gestellt, mußte seine Haltung korrigieren. Seither finden vielschichtige Aktivitäten statt, um den Fehler auszubügeln und das verlorene Vertrauen der Chilenen in die Kirche zurückzugewinnen.
Hat Arana das päpstliche Vertrauen verspielt?
Vor zwei Wochen wurde Bischof Barros von Franziskus schließlich emeritiert. Die Angelegenheit ist damit noch nicht vom Tisch. Allerdings zeichnet sich eine erste Entspannung ab. Die Kehrtwende des Papstes macht es nun auch möglich, etwas mehr hinter die Kulissen zu blicken. Um genau zu sein, war es ein anderer enger Papst-Vertrauter, der chilenische Vatikan-Journalist Luis Badilla, der mit dem Finger auf Arana zeigte.
Es ist daher kein Zufall, daß der Name des Jesuiten German Arana erst Mitte April auftauchte. Es soll zweierlei signalisieren: daß Papst Franziskus offenbar von Arana enttäuscht ist, und der spanische Jesuit der eigentlich Schuldige ist, nicht Franziskus. Der Chilene Badilla, ein berzeugter Bergoglianer, dürfte einige erst jetzt bekanntgewordene Fakten nämlich schon länger gekannt haben.
Dazu paßt, daß erst jetzt Dokumente auftauchen, die belegen, daß anders als noch in den vergangenen Jahren vom päpstlichen Umfeld angedeutet, weder die chilenischen Bischöfe noch der zuständige Apostolische Nuntius die Ernennung Barros zum Bischof von Osorno unterstützt hatten.
Sandro Magister zeigte die enge Verbindung zwischen Papst Franziskus und German Arana auf, die bisher nicht bekannt war.
Das Diplomatenkorps, Rückgrat des derzeitigen Pontifikats
Magister ging nun einen Schritt weiter und beleuchtete gestern Aranas Rolle im Vatikan noch etwas näher. Ein Unterfangen das bei jenen nicht so leicht ist, die hinter den Kulissen wirken.

Gestern lenkte Magister die Aufmerksamkeit auf weitere Aufgaben, die Arana im Vatikan und für Papst Franziskus erfüllt. Dabei sticht an erster Stelle seine Stellung an der Päpstlichen Diplomatenakademie heraus. Die Riege der Vatikandiplomaten spielte eine nicht unerhebliche Rolle bei der Wahl von Papst Franziskus. Die genauen Kontakte, die den Nicht-Diplomaten Franziskus mit dem Diplomatenkorps verbinden, sind noch nicht wirklich bekannt. Tatsache ist, daß Franziskus sich in starkem Maße auf diese Gruppe innerhalb der Kirche und besonders im Vatikan stützt. Bereits kurz nach seiner Wahl war von einer „Revanche der Diplomaten“ die Rede, deren Einfluß Papst Benedikt XVI. zurückzudrängen versuchte.
An der Diplomatenakademie des Vatikans, der ältesten der Welt, werden die künftigen Diplomaten und Botschafter des Heiligen Stuhls ausgebildet, jene Vatikanvertreter, die morgen in den Beziehungen zu den Staaten in der ganzen Welt eine zentrale Rolle spielen.
Jährlich werden nur zwölf junge Priester aus aller Welt nach einem strengen Ausleseverfahren zur Ausbildung an der Akademie zugelassen.
German Arana ist Mitglied der kleinen Kommission, die über Ablehnung oder Aufnahme der Kandidaten entscheidet.
„Nichts davon scheint im ansonsten so umfangreichen Päpstlichen Jahrbuch auf“, so Magister.
Das Jahrbuch wird vom Staatssekretariat herausgegeben und enthält, jährlich aktuell, detaillierte Angaben zu Ämtern, Aufgaben und Personenstand im Vatikan und in der Weltkirche.
Die jüngste Ausgabe ist erst vor wenigen Tagen erschienen. Zur Diplomatenakademie, einer Eliteschmiede künftiger Entscheidungsträger, finden sich nur erstaunlich karge Angaben. Namentlich genannt werden nur Staatssekretär Pietro Parolin als Kardinalprotektor der Akademie und der Apostolische Nuntius und Kurienerzbischof Giampiero Gloder als derzeitiger Präsident. Msgr. Gloder und Kardinal Parolin stammen aus derselben norditalienischen Provinz Vicenza.
Die Aufnahmekommission wird nicht erwähnt. Ein Zusammenhang zwischen Arana und der Diplomatenakademie läßt sich anhand des Jahrbuches nicht finden. Der Kommission gehört neben Arana auch Gloder und ein Vertreter der für die Beziehungen zu den Staaten zuständigen Abteilung des Staatssekretariats an.
Die Vernetzung
Auch über die neue Dritte Sektion des Staatssekretariats findet sich im Päpstlichen Jahrbuch kein Hinweis. Von ihr hängt die Diplomatenakademie nun offiziell ab. Für Magister ist die neue Sektion Teil
„des präzisen Willens von Papst Franziskus, sich bei der Regierung der Römischen Kurie und der Weltkirche auf das Diplomatenkorps zu stützen, das während des Pontifikats von Benedikt XVI. vorübergehend in den Schatten gestellt wurde“.

Benedikt XVI. ersetzte den damaligen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, einen Vollblutdiplomaten, durch den Nicht-Diplomaten Kardinal Tarcisio Bertone. Für das Diplomatenkorps war es ein unverzeihlicher „Sündenfall“, den Benedikt XVI. damit begangen hatte. Der deutsche Papst hatte sich nicht nur Kardinal Sodano zum erbitterten Feind gemacht, sondern durch seinen Einfluß eine ganze, besonders einflußreiche Korporation. Sodano gehörte, obwohl er selbst altersbedingt nicht mehr am Konklave teilnehmen konnte, zu den eifrigen Unterstützern der Kandidatur von Jorge Mario Bergoglio. Und tatsächlich ist das Diplomatenkorps unter Franziskus in der Kirche mächtiger denn je. Mit Pietro Parolin kehrte nicht nur ein Diplomat in das Amt des Kardinalstaatssekretärs zurück. Diplomaten besetzen höchste Ämter, die weit außerhalb ihres Wirkungsbereiches liegen. Lorenzo Baldisseri wurde Generalsekretär der Bischofssynoden, Beniamino Stella zum Präfekten der Kleruskongregation, und beide wurden von Franziskus auch zu Kardinälen erhoben.
Vor allem Kardinal Stella hat das Ohr des Papstes. Auf seine „Empfehlung“ gehen die Ernennungen von Msgr. Giacomo Morandi zum Sekretär der Glaubenskongregation und von Matteo Visioli zum Untersekretär zurück. Stella, der als Nuntius in Kuba und dann in Kolumbien wirkte, nahm 2007 an der Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik in Aparecida teil, die für Papst Franziskus als Schlüsselereignis gilt. Der damalige Erzbischof von Buenos Aires war für die Redaktion des Schlußdokuments verantwortlich. Anschließend übernahm Stella die Leitung der Diplomatenakademie in Rom, bevor ihn Franziskus nach seiner Wahl für noch höhere Ämter bestimmte.
Der engere Kreis
Stellas Beförderung fiel der erste hochrangige Ratzingerianer zum Opfer. Franziskus entließ ohne viel Federlesens Kardinal Mauro Piacenza, den Benedikt XVI. nach dem Fiasko mit Kardinal Claudio Hummes an die Spitze der Kleruskongregation berufen hatte, um das sakramentale Priestertum zu stärken. Hummes hatte zusammen mit anderen Kräften die Ernennung des heiligen Johannes Maria Vianney zum Patron der Priester boykottiert, weil er kein „vorkonziliares Priestermodell“ wollte. Die Wahl seines Freundes Bergoglio zum Papst verschafft ihm mit der Entlassung Piacenzas die Gelegenheit zur persönliche Vergeltung.
Viele Jahre war der spanische Vatikandiplomat Fernando Chica Arellano persönlicher Sekretär von Stella. Seit 2007 ist er Leiter der Spanischen Sektion des Staatssekretariats und seit 2008 auch „Assistent“ Stellas als Präsident der Diplomatenakademie. Ein solches Amt gab es zuvor nicht. Es wurde eigens für Chica Arellano geschaffen „mit der Aufgabe, die künftigen Diplomaten während ihrer Ausbildung aus der Nähe zu begleiten“, so Magister.
Seit 2015 ist Msgr Chica Arellano Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei der FAO, der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft mit Sitz in Rom. Er unterhält weiterhin engsten Kontakt mit Kardinal Stella, aber auch mit seinem Landsmann, dem Jesuiten German Arana. So beginnt sich der Kreis zu schließen.
German Arana, treuer Diener oder Bauernopfer?
Am 3. Mai stattete Papst Franziskus der Diplomatenakademie einen Besuch ab, die ihren Sitz an der Piazza Minerva neben dem berühmten Pantheon hat. Er unterhielt sich längere Zeit mit dem Lehrkörper und mit den Studenten. Dabei betonte er die geistliche Formung, die neben der Diplomatenausbildung der künftigen Nuntien die zentrale Rolle spielen müsse.

Das ist die Aufgabe von German Arana, der seit vielen Jahren als Spiritual und Exerzitienmeister wirkt. Nach dem Papstbesuch in Paraguay hielt er den Bischöfen des Landes 2016 sechstägige Schweigeexerzitien.
Vor seiner Ernennung zum Bischof von Osorno war Juan Barros Madrid nach Spanien geschickt worden, wo er an Exerzitien teilnahm, die von Arana gehalten wurden, jenem Mann, der ebendiese Bischofsernennung, die Franziskus bisher am meisten in Bedrängnis brachte, möglich machte. German Arana begleitete Barros auf dem schwersten Gang seines Lebens, wie er später sagen sollte, der Inthronisation in seinem Bistum Osorno, wo er von Protesten empfangen wurde. Er wich während der gesamten Feierlichkeiten nicht von seiner Seite. War er im päpstlichen Auftrag dort? Arana war es auch, der Barros in den folgenden Jahren immer wieder in Schutz nahm.
Der Fall Barros dürfte dem Ansehen Aranas einen Knick versetzt haben, da auch das päpstliche Ansehen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Was das allerdings genau bedeutet, muß sich erst noch zeigen. Im Fall Barros wird durch Zuarbeiten von Bergoglianern nun auf Arana gezeigt. Das hat seine Berechtigung, aber auch die Funktion, von Franziskus abzulenken.
Der spanische Jesuit hat an der Diplomatenakademie weiterhin eine zentrale, aber für die Öffentlichkeit faktisch unsichtbar Rolle inne. Sein Einfluß auf die künftigen Diplomaten ist weit bedeutender als sein Einfluß auf die „unglücklich“ verlaufene Bischofsernennung von Osorno. Ob er auch im Sturm ein treuer Diener oder nur ein Bauernopfer ist, muß sich erst noch zeigen.
Franziskus wird sich aber fragen müssen, ob er sein engsten Umfeld richtig ausgewählt hat und auf den Prüfstand stellen, wem er sein Vertrauen schenkt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/InfoVaticana/Nacion (Screenshots)