Kardinäle verhinderten die Ernennung Wilmers zum Glaubenspräfekten

Das Aufbegehren der Purpurträger


Msgr. Heiner Wilmer mit Papst Franziskus. Den modernistischen deutschen Bischof hatte Franziskus als nächsten Glaubenspräfekten vorgesehen. Dagegen begehrten die Kardinäle auf.
Msgr. Heiner Wilmer mit Papst Franziskus. Den modernistischen deutschen Bischof hatte Franziskus als nächsten Glaubenspräfekten vorgesehen. Dagegen begehrten die Kardinäle auf.

(Rom) Es schien alles schon fix zu sein: Kurz vor Weih­nach­ten wur­de die Ernen­nung eines neu­en Prä­fek­ten des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re (vor­mals Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on) erwar­tet. Doch dann kam alles anders – zumin­dest vorerst.

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Der noch immer amtie­ren­de Glau­bens­prä­fekt Kar­di­nal Luis Lada­ria Fer­rer hat­te sein Man­dat auf uner­war­te­te Wei­se im Som­mer 2017 erhal­ten. Der spa­ni­sche Jesu­it war bis dahin Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on gewe­sen, also die rech­te Hand des Präfekten.

Prä­fekt war damals noch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der vor­ma­li­ge Bischof von Regens­burg, den Papst Bene­dikt XVI. 2012 nach Rom beru­fen hat­te in der Absicht, die­se Schlüs­sel­po­si­ti­on in zuver­läs­si­ge Hän­de zu legen, um eine Kon­ti­nui­tät über sei­nen Amts­ver­zicht hin­aus sicherzustellen.

Die abgewürgte Glaubenskongregation

Die Wahl von Papst Fran­zis­kus brach­te alle Koor­di­na­ten jedoch viel mehr durch­ein­an­der, als man­che in ihren kühn­sten Vor­stel­lun­gen erwar­tet hat­ten. Kar­di­nal Mül­ler, nun als „Ratz­in­ge­ria­ner“ bearg­wöhnt, sah sich stän­dig genö­tigt, Treue­bekun­dun­gen gegen­über dem neu­en Papst abzu­ge­ben. Er wur­de von jenen, die beson­de­re Erwar­tun­gen in den neu­en Papst setz­ten, unter die Gene­ral­ank­la­ge gestellt, jene Kir­che zu reprä­sen­tie­ren, die nun end­gül­tig über­wun­den wer­den soll­te. Der deut­sche Kar­di­nal ver­such­te mit einer Grat­wan­de­rung, bei der er sich der Risi­ken bewußt war, in eine neue Rol­le hin­ein­zu­wach­sen. Die­se skiz­zier­te er in einem Inter­view mit der fran­zö­si­schen Tages­zei­tung La Croix Ende März 2015 mit dem Hin­weis, daß es einen Bedarf gibt, das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus „theo­lo­gisch zu struk­tu­rie­ren“. Er sah sich zuneh­mend in der Not­wen­dig­keit, neben dem „Papst der Gesten“ und der „spon­ta­nen Rede“ als eigent­li­cher Glau­bens­wäch­ter han­deln zu müs­sennot­falls auch gegen all­zu impro­vi­sier­te und devi­an­te Wege des Pap­stes selbst. So hielt er im Früh­jahr 2016 eine Lec­tio magi­stra­lis in Madrid, mit der er das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia in die kirch­li­che Kon­ti­nui­tät stell­te, ihm also den „berg­o­glia­ni­schen“ Zahn zu zie­hen versuchte.

Der soeben zum Kar­di­nal kre­ierte Ger­hard Mül­ler mit Papst Bene­dikt XVI.

Beob­ach­tern war klar, daß dies in jeder Hin­sicht nicht nur ein schwie­ri­ges, son­dern letzt­lich ein unmög­li­ches Unter­fan­gen war. Man­che spra­chen früh­zei­tig von einem „Him­mel­fahrts­kom­man­do“. In der Tat ging die Sache nicht lan­ge gut und Fran­zis­kus ent­ließ Kar­di­nal Mül­ler Ende Juni 2017 von einem Tag auf den ande­ren, und das auf eine ziem­lich unfreund­li­che Art und Wei­se. Die Miß­bil­li­gung, die Fran­zis­kus dem letz­ten Glau­bens­prä­fek­ten von Papst Bene­dikt XVI. ent­ge­gen­bringt, zeigt sich bis heu­te: Fran­zis­kus über­trug dem deut­schen Kar­di­nal seit­her kein Amt mehr. Mül­ler, in des­sen Bischofs­stadt Bene­dikt XVI. 2006 sei­ne histo­ri­sche Regens­bur­ger Rede gehal­ten hat­te, ist jedoch wei­ter­hin Kar­di­nal und ver­fügt als sol­cher nach wie vor über einen nicht unbe­deu­ten­den Ein­fluß, den er gel­tend zu machen sucht.

Auch auf das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des, mit dem Fran­zis­kus den über­lie­fer­ten Ritus abwür­gen, jeden­falls repres­siv zurück­drän­gen will, gab Kar­di­nal Mül­ler eine Ant­wort, indem er unmit­tel­bar nach des­sen Ver­öf­fent­li­chung die Prie­ster­wei­he im über­lie­fer­ten Ritus spendete.

Die eingeebnete Glaubenskongregation

2017 rück­te Luis Lada­ria uner­war­tet zum Glau­bens­prä­fek­ten auf. Fran­zis­kus sicher­te sich damit Ruhe von Sei­ten der unge­lieb­ten Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Wann immer Lada­ria, den Fran­zis­kus zum Kar­di­nal kre­ierte, war­nend auf­tre­ten woll­te, wie es sei­ne Pflicht wäre, wur­de er von Fran­zis­kus zurück­ge­pfif­fen. Lada­ria gehorch­te, wie es das Amt gebie­tet, und beließ es dabei, wäh­rend Kar­di­nal Mül­ler in sol­chen Situa­tio­nen ande­re Wege such­te, um den­noch zu sagen, was zu sagen war.

Die Man­da­te an der Römi­schen Kurie wer­den auf fünf Jah­re ver­ge­ben. Am 1. Juli 2022 lief die Amts­zeit Lada­ri­as aus. Da sie nicht ver­län­gert wur­de, ist seit­her klar, daß Fran­zis­kus einen Nach­fol­ger sucht. Damit war auch klar, daß er für die­ses Dik­aste­ri­um eine neue Pha­se vorsieht.

Die erste Pha­se (Mül­ler) war die Ein­he­gung des Ratz­in­ger-Erbes und die Mar­gi­na­li­sie­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, um jene Krei­se zufrie­den­zu­stel­len, denen die römi­schen „Glau­bens­wäch­ter“ regel­recht ver­haßt sind. Die zwei­te Pha­se (Lada­ria) war eine dome­sti­zier­te Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die kaum mehr initia­tiv in Erschei­nung trat. Die umstrit­te­ne Note zur Coro­na-Imp­fung vom Dezem­ber 2020 stellt eine eher ein­sa­me Aus­nah­me in der Über­ein­stim­mung der Inten­tio­nen zwi­schen dem Palaz­zo del Sant’Uffizio und San­ta Mar­ta dar.

Die Reaktivierung einer umgepolten Glaubenskongregation

In der ersten Dezem­ber­hälf­te ver­dich­te­ten sich die Signa­le, daß unter Fran­zis­kus eine drit­te Pha­se an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on unmit­tel­bar bevor­ste­hen dürf­te. Zuver­läs­si­ge Stim­men aus dem Vati­kan gaben es schon als gesi­chert aus, daß die­se neue Pha­se nach dem deut­schen Bischof Hei­ner Wil­mer von Hil­des­heim benannt sein wer­de, einem ehe­ma­li­gen Gene­ral­obe­ren des Deho­nia­ner­or­dens. Ihn hat­te Fran­zis­kus, auf ent­spre­chen­de Emp­feh­lun­gen von inter­es­sier­ter Sei­te hin, ernst­haft als näch­sten Glau­bens­prä­fek­ten ins Auge gefaßt. Damit war klar, daß die drit­te Pha­se, nach dem Abwür­gen und Mar­gi­na­li­sie­ren, die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on in eine neue akti­ve, aller­dings umge­pol­te Pha­se füh­ren soll­te. Nach­dem Fran­zis­kus in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bereits eine Rei­he ande­rer Kuri­en­be­hör­den umge­baut hat­te, ging er also nun ver­spä­tet dar­an, auch die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on umzu­bau­en, die man­che ihm nahe­ste­hen­de Krei­se am Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats am lieb­sten ganz auf­ge­löst gese­hen hät­ten. Fran­zis­kus selbst ist die­se Behör­de nicht son­der­lich sym­pa­thisch, was auf älte­re Res­sen­ti­ments zurück­geht, die in eini­gen Tei­len des Jesui­ten­or­dens herrschen.

Die Tage vor Weih­nach­ten ver­gin­gen jedoch, ohne daß die Nomi­nie­rung eines neu­en Glau­bens­prä­fek­ten ver­laut­bart wur­de. Was war geschehen?

Papst Fran­zis­kus umge­ben von Kar­di­nä­len, die durch­aus ihr Gewicht gel­tend machen können.

Das Aufbegehren der Kardinäle

Genau las­sen sich die Ereig­nis­se nicht rekon­stru­ie­ren. Die Berich­te, daß die Ernen­nung eines ultra­pro­gres­si­ven Bischofs wie Wil­mer bevor­ste­he, schreck­te Tei­le der kirch­li­chen Hier­ar­chie auf. Eini­ge Kar­di­nä­le orga­ni­sier­ten eine kon­si­sten­te Oppo­si­ti­on gegen die Nomi­nie­rung Wil­mers und mach­ten ihre ableh­nen­de Hal­tung auch gegen­über San­ta Mar­ta deutlich.

Eine nicht uner­heb­li­che Rol­le scheint dabei Kar­di­nal Mül­ler gespielt zu haben. Er hat­te ja bereits im Okto­ber 2015, damals noch als Glau­bens­prä­fekt, die Kar­di­nals­op­po­si­ti­on gegen eine Fami­li­en­syn­ode mit vor­ge­fer­tig­ten Ergeb­nis­sen ange­führt. Fran­zis­kus tob­te und reagier­te mit einer War­nung vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“.

Kar­di­nal Mül­ler war es auch, der im Janu­ar 2020 eine direk­te Emp­feh­lung an San­ta Mar­ta aus­sprach, daß Papst Fran­zis­kus statt des (inzwi­schen ver­stor­be­nen) Athe­isten Euge­nio Scal­fa­ri sei­nen Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. zum Bera­ter machen sollte. 

Weni­ge Mona­te spä­ter, im Mai 2020, war es Kar­di­nal Mül­ler, der jener von Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò ver­faß­ten und eben­so dra­ma­ti­schen wie histo­ri­schen War­nung vor dunk­len Macht­spie­len und Machi­na­tio­nen glo­ba­li­sti­scher Krei­se hin­ter den Coro­na-Maß­nah­men das auf­se­hen­er­re­gen­de Gewicht ver­lieh. Wie sehr die­ser Appell ins Schwar­ze traf, zeig­te sich an sei­nem ver­bis­se­nen Tot­schwei­gen durch den media­len und poli­ti­schen Main­stream und am Eifer, mit dem sich die Füh­rung der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz eilig davon distanzierte.

Nun scheint es Kar­di­nal Mül­ler zu ver­dan­ken zu sein, der mit einer zah­len­mä­ßig star­ken Unter­stüt­zung im Kar­di­nals­kol­le­gi­um Papst Fran­zis­kus dazu bewe­gen konn­te, von einer Ernen­nung Wil­mers zum Glau­bens­prä­fek­ten abzusehen.

Fran­zis­kus ist aller­dings für sei­ne Abnei­gung bekannt, sich sei­ne Absich­ten durch­kreu­zen zu las­sen. Für die Zukunft, so heißt es in Rom, gebe es also kei­ne Garan­tie. Fakt ist jedoch, daß die unter­blie­be­ne Ernen­nung Wil­mers, die in der drit­ten Advents­wo­che bereits als „sicher“ galt, einen kon­kre­ten Grund hat: Ein Teil des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums begehr­te dage­gen auf vor­erst erfolgreich.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va/​V​a​t​i​c​a​n​M​e​dia (Screen­shots)

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