(Rom) Papst Franziskus empfing am Montag den Lehrkörper und die Studenten des Päpstlichen Lateinamerikanischen Kollegs in Rom. In seiner Ansprache forderte er vor allem die Studenten auf, die demnächst in ihre Heimatdiözesen zurückkehren, „Hirten des Volkes, nicht Kleriker des Staates“ zu sein. Eine Ermahnung, die im Zusammenhang mit der Realität in Lateinamerika nicht verwundert, allerdings aus dem Mund von Franziskus erstaunt. Was genau meinte der Papst damit?
Die Audienz fand gestern in der Sala Clementina des Apostolischen Palastes statt. Das Pontificium Collegium Pium Latinum Americanum wurde 1858 gegründet und steht seither unter der Leitung des Jesuitenordens. 1905 erhielt es die Anerkennung als päpstliche Hochschule.
Wörtlich sagte Papst Franziskus gleich zu Beginn:
„Die Jahre, die Sie in Rom verbringen, sind eine Zeit der Gnade, die der Herr Ihnen gewährt, um Ihre Ausbildung zu vertiefen, nicht nur auf intellektueller und akademischer Ebene, und um den Reichtum und die Vielfalt der Weltkirche zu erfahren. Vielleicht ist das der größte Reichtum, dieser Reichtum und diese Vielfalt. Dieser Reichtum und diese Vielfalt kennzeichnen auch unsere lateinamerikanischen Völker, zu denen Sie zurückkehren werden, um weiterhin Hirten der Herde zu sein, die die Kirche Ihnen anvertraut hat. Hirten des Volkes und nicht Kleriker des Staates.“
Die Unabhängigkeit vom Staat, die in der Kirchengeschichte weder die orthodoxen noch die protestantischen Kirchen bewahren konnten, ist ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche. Dies zu erreichen und zu bewahren führte in manchen Epochen zu heftigen Verwerfungen; man denke an das langwierige Austarieren der Zweischwerterlehre im Mittelalter oder die Zeit des sogenannten aufgeklärten Absolutismus. Die Frage ist ständig im Fluß, die Unabhängigkeit muß laufend neu bewahrt werden, da sich die politischen Akteure und Verhältnisse laufend ändern.
Im vergangenen Mai hatte Franziskus dem russisch-orthodoxen Patriarchen von Moskau, Kyrill I., in einem Interview vorgeworfen, ein „Staatskleriker“ zu sein.
Die päpstliche Ermahnung erscheint für die Kirche gerade in Lateinamerika von Bedeutung zu sein, wo es in den vergangenen 200 Jahren historisch enge Verschränkungen von Klerus und Politik punktuell gab, das Phänomen aber erst seit dem Zweiten Weltkrieg verstärkt auftritt. Allerdings ist es auch in einigen europäischen Staaten wieder zum Problem geworden angesichts der Bereitwilligkeit, mit der Bischöfe des deutschen Sprachraums sich einseitig den Regierungen andienen, indem sie deren politische Agenden unterstützen (Stichwort: Migrations‑, Klima‑, Corona‑, Homo‑, neuerdings sogar Kriegspolitik).
Bleiben wir jedoch in Lateinamerika, wo beträchtliche Teile der Kirche befreiungstheologisch ausgerichtet sind. Das marxistisch deklinierte Christentum (manche sprechen auch von einem christlich verbrämten Marxismus) konnte sich dort so stark einwurzeln, weil die Priesterausbildung vielfach in diesem Geist erfolgt – und eine andere Position gar nicht geduldet wird. Die Schließung des Priesterseminars von Ciudad del Este und die Absetzung des dortigen Opus-Dei-Bischofs Rogelio Livieres Plano im Jahr 2014 sind noch in frischer Erinnerung. Sein blühendes diözesanes Priesterseminar, das fast dreimal soviel Seminaristen zählte wie das befreiungstheologisch dominierte zentrale Priesterseminar aller anderen paraguayischen Diözesen, wurde solange bekämpft, bis es beseitigt war. Bischof Livieres hatte in einem Jahrzehnt den Beweis erbracht, welches Potential in Lateinamerika brachliegt. Doch das interessierte in der ideologischen Verblendung nicht.
Besonders tragisch ist auch das Beispiel Brasiliens, das größte katholische Land der Welt, in dem sich die Kirche jedoch in einer linken Sackgasse befindet. Der dort großteils befreiungstheologische Episkopat mischt sich seit Jahren aktiv in die Wahlen ein, was einige Bischöfe ganz offen tun. Jüngst wurde erfolgreich Wahlkampf für den sozialistischen Kandidaten Luiz Inácio Lula da Silva betrieben. Und sie waren erfolgreich damit: Brasilien, das Johannes Paul II. als „Land der Hoffnung“ bezeichnet hatte, ist knapp wieder in marxistische Hände gefallen. Der brasilianische Klerus ist in dieser Hinsicht weitgehend gleichgeschaltet, sodaß Gläubige gegen den Linksdruck in der Kirche protestieren. Ein Problem, auf das seit Jahren aufmerksam gemacht wird, ohne daß Rom eine Initiative dagegen ergriffen hätte. Dabei sind die negativen Folgen für die Kirche dramatisch: Es findet seit den 80er Jahren eine massive Abwanderung der Katholiken zu konservativen protestantischen Freikirchen statt. Kardinal Claudio Hummes, der Papst Franziskus den Papstnamen „Franziskus“ empfahl, gehörte zu den frühen Unterstützern Lula da Silvas.
Jene, die in Brasilien dem befreiungstheologischen Kurs entgegenhalten, sind eine mutige Minderheit, aber nicht tonangebend. Während Franziskus nichts gegen den politisierten linken Klerus unternahm, schwächte er hingegen aktiv jene Minderheit, die dagegenzuhalten versucht.
Der bekannte Liturgiker und Freund von Benedikt XVI., Don Nicola Bux, zeigte nach einer Brasilienreise einen Lösungsweg für die Kirche in diesem Land auf.
Franziskus sagte am Montag zudem:
„Ich habe am Rande erwähnt, daß Sie zurückkehren, um Hirten des Volkes Gottes zu sein. Bitte verhandeln Sie niemals über die Seelsorge. Hirten des Gottesvolkes, nicht Staatskleriker. Verfallen Sie nicht dem Klerikalismus, der eine der schlimmsten Perversionen ist. Seien Sie sehr vorsichtig, Klerikalismus ist eine Form der geistlichen Weltlichkeit. Der Klerikalismus ist deformierend, er ist korrupt, und er führt zu einer Korruption, einer verschärften Korruption, mit einer verstopften Nase, die einen vom Volk entfernt, die einen das Volk vergessen läßt, aus dem man kommt. Paulus sagte zu Timotheus: ‚Denk an deine Mutter und deine Großmutter‘ (vgl. 2 Tim 5–7), mit anderen Worten: Geh zurück zu Deinen Wurzeln, vergiß Deine Mutter und Deine Großmutter nicht. Ich sage dies zu jedem einzelnen von Ihnen. Zurückkehren zur Herde, aus der wir genommen wurden… ‚Ich habe dich aus der Herde herausgeführt‘ (vgl. 2 Sam 8).
Bitte, jedes Mal, wenn Sie im wahrsten Sinne des Wortes ‚exquisiter‘ werden, d. h. sich vom Volk entfernen, jedes Mal, wenn Sie das tun, wenden Sie sich von der Gnade Gottes ab und verfallen der Plage des Klerikalismus. Seelsorger des Volkes, nicht Kleriker des Staates. Bitten Sie um die Gnade, immer vor, inmitten und hinter den Menschen zu sein, mit den Menschen, aus denen Jesus Sie herausgenommen hat.“
Mißfällt es Franziskus, daß viele Bischöfe und Priester in Lateinamerika befreiungstheologisch durchtränkt sind und links stehen? Das erscheint zweifelhaft. Dabei sind diese Kirchenmänner vielfach „Staatskleriker“ im Sinne der durch Franziskus gestern erfolgten Ermahnung. Viele sind es ganz offen, andere versteckt. Gemeinsam ist ihnen die verzerrte Grundierung in der marxistischen Befreiungstheologie, die manche „Volkstheologie“ nennen oder hinter Begriffen wie „progressiv“ oder „alternativ“ verstecken. Die Volkstheologie ist die argentinische Variante der Befreiungstheologie. Einer ihrer bedeutendsten Vertreter, Juan Carlos Scannone, war ein Lehrmeister von Papst Franziskus.
Gemeinsam ist allen geistigen Strömungen, die heute als befreiungstheologisch etikettiert werden können, daß sie gemeinsame Sache mit dem Marxismus machen auf der Grundlage des jedoch unerfüllten Traumes einer Verschmelzung von Sozialismus und Christentum. Auf christlicher Seite ist dafür eine Realitätsverweigerung notwendig, die nicht anerkennen will, daß sich der Marxismus konstitutiv aus diametral entgegengesetzten Quellen speist.
Wie sind nun die Worte von Papst Franziskus an die lateinamerikanischen Kleriker gemeint, die in Rom ihre Ausbildung vertiefen und für höhere Aufgaben in ihrer Heimat bestimmt sind? Hat er sie aufgefordert, ihre einseitige Einmischung in die Politik an der Seite der politischen Linken zu beenden? Hat er gar gebrandmarkt, daß gar nicht so wenige, gerade auch aus dem Jesuitenorden, zu Staatsklerikern marxistischer Regime geworden sind? Das gilt nicht nur für Nicaragua.
Die dreifache Wiederholung seiner Ermahnung am Montag scheint ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, sondern improvisiert worden zu sein. Was Franziskus aber genau meinte, läßt sich nicht wirklich entziffern. Es läßt sich nur sagen, was er offenbar nicht meint, woraus sich im Umkehrschluß einige Überlegungen aufdrängen, die allerdings zur Ebene der Spekulation zwingen. Marxistische Befreiungstheologen haben ihre dialektische Antwort: Der Schweizer Kapuzinerpater Walbert Bühlmann quittierte 1986 die Tatsache der Kirchenverfolgung durch die marxistischen Regime in Mosambik und Angola mit dem Hinweis, die Verfolgten seien Konterrevolutionäre, daher keine echten Christen und selber Schuld, denn wirkliche Christen stünden auf der Seite dieser revolutionären Regime und würden nicht verfolgt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Wikicommons (Screenshots)
In China fördert Franziskus die Staatskleriker und lässt die Untergrundkirche dumm sterben.
Es geht auch anders, ein Politiker verteidigt seine Religion:
Kritik an der Diskriminierung von Homosexuellen in Katar wies der Energieminister von sich. „Als Muslime glauben wir daran, dass LGBTQ nicht akzeptabel ist in unserer Religion.“ Das islamische Gesetz akzeptiere dies nicht. „Der Westen sagt, dass wir als Kataris uns verändern müssen. Dass wir unsere Religion, unseren Glauben ändern müssen und das tun, was sie für richtig halten: LGBTQ komplett akzeptieren. Wo ist mein Menschenrecht, das zu wählen, was ich für meine Religion, mein Land, meine Kinder und meine Familie will?“ Der Westen wolle Katar „diktieren, was er will“. In Katar werde sich nichts ändern.
Über den Islam sagte Al-Kaabi: „Es gibt eine Milliarde Muslime auf der ganzen Welt“, so der Energieminister. Man könne eine Milliarde Menschen nicht ändern: „Wir sind stolz auf unsere Religion“.