
Synodennachlese von Giuseppe Nardi
Zieht Papst Franziskus am Ende die Handbremse? Oder vollzieht er den vollendeten Coup d’état? Wir wären nicht im Pontifikat von Franziskus, wenn darüber keine Unklarheit herrschen würde. In einem ersten Schritt verlängerte er die Dauer der Bischofssynode, die in Wirklichkeit gar keine Bischofssynode ist, bis Juni 2025. Zum Abschluß der zweiten Sitzungsperiode gab Franziskus nun bekannt, auf die bisher übliche Veröffentlichung eines nachsynodalen Schreibens zu verzichten. Gibt es rechtliche Bedenken? Oder will Franziskus erstmals einen „synodalen“ Putsch wagen, indem er seine Eingriffe in die Kirchenverfassung von 2018 zur Anwendung bringt?
Über die Sonderbarkeiten der Synodalitätssynode wurde bereits vielfach hingewiesen. Die institutionalisierte Bischofssynode war eine Erfindung der Endphase des Zweiten Vatikanischen Konzils, eingeführt von Papst Paul VI. Franziskus führte den Begriff der „Synodalität“ ein, der kanonisch, also kirchenrechtlich, keinerlei Relevanz hat. Man könnte von einem Stichwort oder gar von einem Modewort sprechen. Die PR-Branche erfindet neue Begriffe für alte Sachen, um das Geschäft zu beleben. Im konkreten Fall trifft dies aber nicht zu, denn das synodale Prinzip meint etwas ganz Konkretes, das in der von Franziskus gemeinten Form nicht der überlieferten Verfaßtheit der Kirche entspricht. Diese kennt zwar ein synodales Moment, doch die Gewichtungen sind anders als von Franziskus nun gedacht. Seine Neuerungen werden gerne mit Verweis auf die Ostkirche begründet, entsprechen in Wirklichkeit jedoch mehr jenen protestantischer Gemeinschaften.
Kurzum, er änderte die Spielregeln und kippte die Bischofssynode in die Mülltonne, indem er in einem weiteren Schritt Laien und Frauen zu Synodalen ernannte und damit Elemente des Protestantismus übernahm. Die vatikanischen Stellen ließen dann auch stillschweigend das Wort Bischof im Begriff Bischofssynode einfach weg und sprachen nur mehr von Synode. Dann aber kam eine erneute Wende. In den vergangenen Wochen sprachen die vatikanischen Stellen konsequent wieder von Bischofssynode, wohl wissend, daß das, was mit der Synodalitätssynode gerade stattfand, keine Bischofssynode war.
Es war Kardinal Müller, der es schon vor Monaten wieder einmal knapp, treffend und pointiert auf den Punkt gebracht hatte, indem er erklärte – er, den Franziskus als eine von vielen Gesten seines Gestenpontifikats persönlich zum Synodalen ernannt hatte –, daß die Synodalitätssynode natürlich eine „Versammlung“ der Kirche sei, aber keine Kirchensynode, denn was immer dort beschlossen werden oder daraus hervorgehen sollte, habe keinerlei rechtliche Relevanz.
Nun erklärte Franziskus in seiner Abschlußrede am Samstag, dem 26. Oktober, wörtlich:
„Aus diesem Grund beabsichtige ich nicht, ein ‚apostolisches Schreiben‘ zu veröffentlichen, es reicht das, was wir approbiert haben. Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Orientierungshilfe für die Mission der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten sein können: Deshalb stelle ich es allen sofort zur Verfügung, deshalb habe ich gesagt, dass es veröffentlicht werden soll. Ich möchte auf diese Weise den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen, den ich mit diesem Dokument dem heiligen und gläubigen Volk Gottes übergebe.“
Was aber heißt das genau? Nach bisheriger Praxis würde dem Schlußdokument der Synode keinerlei Rechtscharakter zukommen, weshalb es rechtlich gesehen auch nur „schöne“ Worte sein könnten, die in den Wind gesprochen sind. Der Charakter ist nur beratend und damit ein Dokument, das dem Papst zur Verfügung gestellt wird, aus dem er berücksichtigen kann, was er berücksichtigen mag.
Bedeutet das nun, daß Franziskus am Ende doch die Handbremse zieht, nachdem er die ewigen Unruhegeister in der Kirche, die im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils aus der Büchse der Pandora freigelassen wurden, sich „synodal“ austoben ließ, oder zündet er vielmehr nun erst so richtig den Turbo?
Die revolutionären neuen Regeln von 2018
Wäre da nicht die bergoglianische Doppelbödigkeit, die alles vermeidet, was mit Klarheit zu tun hat. 2018 führte Franziskus neue Regeln für die Bischofssynode ein. Damals stand die Kirche gerade vor der Jugendsynode, die wie soviel in diesem Pontifikat eine Nullnummer blieb. Ein großer Aufwand mit keinerlei Wirkung.
Am 18. September 2018 veröffentlichte Franziskus die Apostolische Konstitution Episcopalis communio, die Neuerungen von größter Tragweite enthält, aber abgesehen von den Kirchenrechtlern nur wenig Aufmerksamkeit fand. Paul VI. hatte 1965 die Bischofssynode mit rein beratendem Charakter eingeführt und sich dabei auf das Zweite Vatikanische Konzil berufen. Franziskus erkannte ihr vor sechs Jahren aber überraschend und zum Entsetzen vieler Kirchenrechtler auch lehramtliche Befugnisse zu. Die revolutionäre Passage findet sich im Artikel 18 der Konstitution.
„Wenn es vom Papst ausdrücklich approbiert wird, ist das Schlußdokument Teil des ordentlichen Lehramtes des Petrus-Nachfolgers.
Sollte der Papst der Synodenversammlung beschließende Vollmacht gemäß Can. 343 des Codex des Kirchenrechtes übertragen haben, ist das Schlußdokument Teil des ordentlichen Lehramtes des Petrus-Nachfolgers, sobald es von ihm ratifiziert und promulgiert ist.“
Die Bombe war gezündet, doch niemand schien die Explosion zu hören. Franziskus hatte die Detonation ziemlich unterirdisch herbeigeführt, ausreichend gut versteckt. Katholisches.info schrieb dazu am 24. September 2018:
„Hätte die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten und die Anerkennung der Homosexualität bei der Familiensynode die vom päpstlichen Umfeld erhoffte Mehrheit erhalten, wären sie damit automatisch Teil des kirchlichen Lehramtes geworden. Papst Franziskus, der diese Agenda seit seiner Wahl vorantreibt, hätte sich damit begnügen können, auf den verbindlichen Synodenbeschluß zu verweisen, ohne selbst formal eine Entscheidung getroffen zu haben, für die er verantwortlich gemacht und kritisiert werden könnte. Eine solche Vorgehensweise käme seinem in der Vergangenheit an den Tag gelegten Wunsch entgegen, eine Revolution lostreten, aber nicht die Verantwortung dafür übernehmen zu wollen. Die Chronologie der Zulassung von Personen in irregulären Situationen zu den Sakramenten ist ein Paradebeispiel für ideologische Zielstrebigkeit bei gleichzeitiger Verschleierung der eigenen Spuren.
Die Aufgabe von Franziskus wird sich künftig um so mehr darauf beschränken, das gewünschte Thema vorzugeben und dafür zu sorgen, daß die ‚richtigen‘ Synodalen ernannt und in der Synodenversammlung die ‚richtigen‘ Mehrheiten zustandekommen – unter anderem, aber nicht nur, durch seine persönliche Ernennung von Synodenvätern.“
Die nächsten Synoden, die Jugendsynode 2018 und die Amazonassynode 2019, verstrichen dann jedoch, ohne daß Franziskus sich an die von ihm gewollten Änderungen erinnern würde. Dann folgte die synodale Mega-Synode über die Synodalität, möglicherweise die letzte seines Pontifikats. Erst in seiner Abschlußrede deutete Franziskus an, daß er dem Synodenschlußbericht den Rechtscharakter des ordentlichen Lehramtes zuerkennen könnte, wie er es im Artikel 18 seines Konstitution Episcopalis communio revolutionär festgelegt hatte. Denn was heißt, „es genügt das, was wir approbiert haben“?
Handbremse oder Coup d’état?
Wir rekapitulieren:
- 1965 Einführung der Bischofssynode als rein beratendes Gremium durch Paul VI.
- 2018 Mit der Konstitution Episcopalis communio führt Franziskus die Möglichkeit ein, Synodenschlußdokumenten lehramtlichen Charakter zuzuerkennen.
- 2021 Franziskus kippt die Bischofssynode, aus der er eine „Synode“ macht, indem er erstmals einer Frau, und damit erstmals einem Laien, das Stimmrecht auf einer Synode zuerkennt.
- 2023 Für die Synodalitätssynode bestimmt Franziskus 80 von ihm ernannte, stimmberechtigte Nicht-Bischöfe, von denen mindestens die Hälfte Frauen zu sein haben.
- 2024 Franziskus erklärt zum Synodenabschluß, erstmals kein nachsynodales Schreiben zu veröffentlichen, sondern das Synodenschlußdokument als „Leitfaden für die Mission der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten (…) zur Verfügung zu stellen“, um damit den „synodalen Weg anzuerkennen“ und dessen Dokument dem Volk Gottes „zu übergeben“.
- 2025 Anerkennung des (modifizierten?) Synodenschlußdokuments mit lehramtlichem Charakter?
Was Franziskus hier kryptisch ankündigte, könnte bedeuten, daß das Synodenschlußdokument Teil des ordentlichen Lehramtes wird. Wird das Synodenschlußdokument Teil des ordentlichen Lehramts? Das ist seit Samstag die Frage. Franziskus hat wieder einmal einen, in diesem Fall sogar gigantischen Brocken Unklarkeit auf die Kirche geworfen.

Fakt ist, wie die Chronologie zeigt, daß Franziskus schrittweise Hand an die Kirchenverfassung legt. Rechtlich gibt es enorme Bedenken gegen die Zuerkennung irgendeines lehramtlichen Charakters, doch ausgeschlossen ist ein solcher Schritt im derzeitigen Pontifikat nicht mehr. Die Haupthürde stammt noch von Franziskus selbst. In seiner Konstitution von 2018 legte er fest, daß er vorab dem Schlußdokument bereits lehramtlichen Charakter zuerkennen müßte, da die Synodalen ja schließlich den Rechtscharakter ihres Handelns wissen müssen. Dabei geht es nicht nur um die notwendige Transparenz, sondern um die Rechtsverbindlichkeit. Ein Parlament kann ja auch nicht irgendeinen Beschluß fassen, ohne die Rechtsverbindlichkeit dieses Beschlusses zu kennen.
Da Franziskus erst in seiner Abschlußrede entsprechende Andeutungen machte, dürfte die Angelegenheit nicht nur deshalb, aber auch deshalb hinfällig sein. Franziskus hat seine Ankündigung vom Samstag allerdings nicht unbeabsichtigt getätigt. Anders ausgedrückt: Er hat eine Absicht, läßt sich jedoch wie immer nicht in die Karten schauen.
Es tun sich nun verschiedene Szenarien auf. Er könnte das Synodenschlußdokument überarbeiten lassen, wofür bis Juni 2025 ausreichend Zeit ist, und dieses überarbeitete Dokument mit unverbindlichem Charakter als Dokument der Synode an die Kirche weiterreichen oder aber auch mit verbindlichem Charakter unterschiedlicher Stufung als Synodenlehramt (nicht seines) in Kraft setzen. Die von Franziskus gewollte Revolution, die jedoch von anderen ausgelöst und durchgeführt wird, das scheint, wie die vergangenen Jahre zeigen, ohnehin die bevorzugte bergoglianische Strategie zu sein. Bekanntlich geht es um das Anstoßen von „irreversiblen Prozessen“, wofür zuweilen eine Fußnote genügt, wie Amoris laetitia zeigte.
Diese vielen Wege und Türen, die allein ihm das Heft des Handelns überlassen, aber der Außenwelt den Eindruck vermitteln, irgendwie mitreden oder gar mitbestimmen zu können, ist eine Situation, die ganz nach dem Geschmack des argentinischen Pontifikats ist. Damit sind die kommenden Monate bis Juni 2025 nun gekennzeichnet und auch belastet.
Und damit ist noch kein Wort über den Inhalt des erst in italienischer Fassung veröffentlichten Synodenschlußberichts selbst gesagt… Welche „Fußnoten“ und Fallstricke sind darin enthalten?
Bild: Vatican.va/Vatican Media (Screenshots)