Vom Westen und dem Abendland

Das Gefäß mit dem richtigen Inhalt füllen


Das Abendland als Hort der Zivilisation ist ohne das Kreuz und die Kirche nicht zu denken.
Das Abendland als Hort der Zivilisation ist ohne das Kreuz und die Kirche nicht zu denken. Ölgemälde von Karl Friedrich Schinkel (1805). Auf dem noch unvollendeten Turm weht eine Fahne mit dem Reichsadler des Heiligen Römischen Reiches.

Gedan­ken von Giu­sep­pe Nardi

Anzei­ge

Mit Blick auf den Krieg in der Ukrai­ne spre­chen die Staats­füh­run­gen und Kom­men­ta­to­ren viel von „west­li­chen Wer­ten“ und „euro­päi­schen Wer­ten“. In einem Teil der Bevöl­ke­rung löst das Zwei­fel und ein Unbe­ha­gen aus. Von wel­chen „Wer­ten“ ist denn da die Rede? Wie glaub­wür­dig sind jene, die die­se „Wer­te“ rekla­mie­ren, aber zugleich die eige­ne Bevöl­ke­rung seit über zwei Jah­ren ein­sper­ren, maß­re­geln und bevor­mun­den – und neu­er­dings sogar nach dem Krieg rufen? Es gilt jedoch das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten.

Die „west­li­chen Wer­te“, die es der­zeit – zumin­dest ver­bal – um „jeden Preis“ zu ver­tei­di­gen gel­te, erwei­sen sich bei nähe­rem Hin­se­hen als das genaue Gegen­teil des­sen, was sie vor­ge­ben zu sein. Zunächst ein­mal ist in Erin­ne­rung zu rufen, da das Wis­sen dar­um nicht mehr selbst­ver­ständ­lich ist, daß mit dem „Westen“ das gemeint ist, was noch vor einem hal­ben Jahr­hun­dert das Abend­land genannt wur­de. Ande­re Spra­chen dif­fe­ren­zie­ren nicht, im Deut­schen ist das jedoch der Fall. Dadurch wird der damit ver­bun­de­ne Para­dig­men­wech­sel ver­deut­licht, der sich hin­ter dem Wort­wech­sel ver­birgt, der sich in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­dert durch­setz­te. Der Westen und das Abend­land sind nicht das­sel­be, aus deut­scher Per­spek­ti­ve schon gar nicht, da dem Westen der eben­falls weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit gera­te­ne Begriff „Mit­tel­eu­ro­pa“ gegen­über­stand, vor allem aber sind sie nicht auf der Wer­te­ebe­ne dasselbe.

Der­zeit trifft man eher sel­ten auf einen Poli­ti­ker, der mora­li­sche Inte­gri­tät beweist. Die Ver­west­li­chung, in Euro­pa meist als „Ame­ri­ka­ni­sie­rung“ wahr­ge­nom­men, hat in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten zu einem Kahl­schlag im Anfor­de­rungs­pro­fil für Staats­len­ker geführt. Auch bezüg­lich der „Ame­ri­ka­ni­sie­rung“ soll­te jedoch dif­fe­ren­ziert wer­den. Es zeigt sich ins­ge­samt ein Defi­zit an prä­zi­ser Begriff­lich­keit. Es herrscht ein Man­gel an Begrif­fen, um die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen, Phä­no­me­ne und Grup­pen von Akteu­ren prä­zi­se zu benen­nen. Kri­ti­ker unver­hält­nis­mä­ßi­ger, unsin­ni­ger oder will­kür­li­cher Coro­na-Maß­nah­men nann­ten deren Ver­fech­ter abwech­selnd „Faschi­sten“ und „Kom­mu­ni­sten“. Was nun? Die­se begriff­li­che Hilf­lo­sig­keit ist offen­bar Aus­druck der emp­fun­de­nen Ohnmacht.

„Ame­ri­ka­ni­sie­rung“ meint für Euro­pa eine Kolo­nia­li­sie­rung unter nega­ti­ven Vor­zei­chen. Daher soll bewußt ein ame­ri­ka­ni­scher Poli­ti­ker als Posi­tiv­bei­spiel genannt wer­den: Der Gou­ver­neur von Flo­ri­da Ron DeS­an­tis hat ein Gesetz zum Ver­bot von Gen­der- und Homo-Pro­pa­gan­da an Grund­schu­len unter­zeich­net. DeS­an­tis war es auch, der mit sei­ner Coro­na-Poli­tik gegen den Strom schwamm und den klei­nen und gro­ßen Coro­na-Dik­ta­to­ren (ob Urhe­ber oder nur Tritt­brett­fah­rer sei dahin­ge­stellt) einen Strich durch die Rech­nung mach­te. Flo­ri­da und Schwe­den sind die Kon­troll­grup­pe, die mit ihren mehr als 30 Mil­lio­nen Ein­woh­nern bewie­sen haben, daß undif­fe­ren­zier­te Coro­na-Maß­nah­men wie Lock­down, Mas­ken­pflicht, Dis­kri­mi­nie­rung durch 3G, 2G oder 1G will­kür­lich und unnö­tig sind, da sie im Ver­gleich zu Schwe­den und Flo­ri­da kei­nen erkenn­ba­ren Nut­zen brach­ten, dafür aber gro­ßen Scha­den anrich­te­ten. Das ist auch der Grund, wes­halb Flo­ri­da zum The­ma Coro­na in euro­päi­schen Medi­en tot­ge­schwie­gen und Schwe­den schlecht­ge­re­det wird.

Gegen das neue Gesetz zum Ver­bot von Gen­der- und Homo-Pro­pa­gan­da an Schu­len pro­te­stie­ren die Demo­kra­ti­sche Par­tei, lin­ke NGOs und der ame­ri­ka­ni­sche Kon­zern­rie­se Dis­ney,

Dis­ney for­dert die Auf­he­bung des Geset­zes, weil sich der Kon­zern heu­te in den ideo­lo­gi­schen LGBTQ-Kampf ein­reiht, als des­sen Instru­ment er sich anbie­tet. Dis­ney ver­mit­telt heu­te den Kin­dern die Gen­der-Revo­lu­ti­on, damit sie als Erwach­se­ne sich ent­spre­chend ver­hal­ten, jeden­falls deren Vor­ga­ben hinnehmen.

Bereits vor 25 Jah­ren war es zwi­schen den Süd­staa­ten-Bap­ti­sten und dem auf Kin­der spe­zia­li­sier­ten Kon­zern der Unter­hal­tungs­in­du­strie wegen sei­ner homo­phi­len Haus­po­li­tik zum Zusam­men­prall gekom­men. Immer häu­fi­ger wer­den in die Zei­chen­trick­fil­me für Kin­der Anspie­lun­gen auf Homo­se­xua­li­tät ein­ge­baut und posi­tiv ver­mit­telt – und sie wer­den immer expli­zi­ter. Jüng­stes Bei­pi­el ist der Zei­chen­trick­film „Buzz Ligh­tyear of Star Com­mand: The Adven­ture Beg­ins“ mit einem schwu­len Kuß. Wer wen unter Druck set­zen kann, steht fest. Dem Kon­zern ist das Ent­kräf­ten von „Homophobie“-Vorwürfen wich­ti­ger als das Kin­des­wohl. Der Zei­chen­trick­film wird in deut­schen Kinos wahr­schein­lich am 1. Juni star­ten. Unklar scheint im Moment nur, ob er schon ab 0 oder erst ab 6 Jah­ren frei­ge­ge­ben wird. Dis­ney, der einst ein siche­rer Pro­du­zent von Kin­der­fil­men war, ver­dirbt heu­te die Kindheit.

Es gibt jedoch noch Men­schen, die für das Eltern­recht der Erzie­hungs­frei­heit und gegen eine per­ma­nen­te ideo­lo­gi­sche Indok­tri­na­ti­on ankämp­fen. Und dies geschieht mehr in den USA als in Euro­pa. Wenn es also wahr ist, daß nega­ti­ve Ent­wick­lun­gen in Euro­pa als „Ame­ri­ka­ni­sie­rung“ wahr­ge­nom­men wer­den, weil sie von dort über­nom­men wer­den, so ist auch wahr, daß in den USA der Kul­tur­kampf zwi­schen der christ­li­chen Zivi­li­sa­ti­on und einer lebens­feind­li­chen Dege­ne­ra­ti­on nicht ent­schie­den ist. Gou­ver­neur DeS­an­tis ist ein Beleg dafür. Im viel­fach gelähm­ten und erstarr­ten Euro­pa schaut es da schlech­ter aus.

Dar­aus folgt, daß Euro­pa gut dar­an täte, auch die posi­ti­ve Aspek­te in den USA zu sehen und zu über­neh­men. Letz­te­res wäre gar kei­ne „Ame­ri­ka­ni­sie­rung“, son­dern ein gemein­sa­mes Ein­tre­ten für die abend­län­di­sche Zivi­li­sa­ti­on. Kul­tu­ren gibt es vie­le, doch wirk­li­che Zivi­li­sa­ti­on gibt es nur eine, die christ­li­che. Gute Ideen zur Ver­brei­tung die­ser Zivi­li­sa­ti­on kön­nen und sol­len bereit­wil­lig über­nom­men wer­den, wie es mit dem Marsch für das Leben gesche­hen ist, der 1974 erst­mals in den USA statt­fand und in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren auch in zahl­rei­chen euro­päi­schen Städ­ten durch­ge­führt wird.

Auch die Boy­kott-Idee gegen den Dis­ney-Film und und Dis­ney ins­ge­samt soll­te auf­ge­grif­fen wer­den. Kei­nen Euro für jene, die den Ver­stand der Kin­der mani­pu­lie­ren wollen.

Euro­pa braucht einen inne­ren „Para­dig­men­wech­sel“, der weg vom zer­set­zen­den Kul­tur­pes­si­mis­mus führt. Die sprich­wört­li­che „End­zeit­stim­mung“ kann getrost den Gott­lo­sen über­las­sen wer­den. Für Chri­sten ist die End­zeit nicht mit Pes­si­mis­mus ver­bun­den, denn sie wis­sen, wer sie­gen wird. Chri­sten leben seit zwei­tau­send Jah­ren in der End­zeit, sie haben Erfah­rung dar­in. Chri­stus ist der Sie­ger, wer sich des­sen bewußt wird, ver­fügt nicht nur über eine ganz ande­re Per­spek­ti­ve, son­dern han­delt aus einer inne­ren Kraft her­aus, die von oben gespeist wird.

Aus die­ser Hal­tung her­aus ist auch der Kampf um das Abend­land wie­der­auf­zu­neh­men, das kei­nes­wegs ver­lo­ren ist, obwohl sein Unter­gang schon vor hun­dert Jah­ren ver­kün­det wur­de. Nen­nen wir das Abend­land heu­te von mir aus auch „Westen“, doch fül­len wir die­sen Westen mit dem, was die Zivi­li­sa­ti­on aus­macht, die trotz aller Schwä­chen die gan­ze Welt auf so unglaub­li­che Wei­se zum Guten ver­än­dert hat. Es genügt an die grau­sa­men Zustän­de zu den­ken, wie sie einst in Euro­pa herrsch­ten und in Latein­ame­ri­ka vor 600 Jah­ren, in Afri­ka vor 150 Jah­ren und … Die blind­wü­ti­gen Ideo­lo­gen aller Cou­leur, die stän­dig empört sind, weil sie auf­grund ihrer Scheu­klap­pen im Tun­nel­blick gefan­gen sind, insze­nie­ren zwar ein Geschrei und im Sog einer destruk­ti­ven Spi­ra­le noch Schlim­me­res, doch nie­mand will zu den vor­christ­li­chen, vor­zi­vi­li­sa­to­ri­schen und, ja, vor­eu­ro­päi­schen Ver­hält­nis­sen zurück­keh­ren. Das soll­te der Ehr­lich­keit hal­ber ein­ge­stan­den wer­den. Dann läßt sich gemein­sam noch viel ver­bes­sern, aber nur, wenn die Grund­la­ge soli­de ist und stimmt, und die­se Grund­la­ge kann nur das Chri­sten­tum sein. Auch der Rekurs auf ein „jüdisch-christ­li­ches Erbe“ klingt zwar nett, zumal aus deut­schem Mund, ist aber histo­risch weder zutref­fend noch hilfreich.

Gott wirkt in der Geschich­te. Er hat den Weg der Heils­ge­schich­te gewählt, indem er in der Hoch­blü­te des Römi­schen Rei­ches Mensch gewor­den ist. Er hat das Abend­land zum ersten Trä­ger der Zivi­li­sa­ti­on gemacht. Die­ses geheim­nis­vol­le Wir­ken Got­tes in der Geschich­te gilt es zu erken­nen und anzu­er­ken­nen. Das bewahrt vor Abwe­gen, auch vor Ras­sis­mus und heu­te vor allem ras­si­sti­schem Anti­ras­sis­mus, wie er von den übli­chen Bekann­ten ange­heizt wird. Die Gegen­sei­te ist gera­de nicht allmächtig. 

Eine EU ohne christ­li­che Wur­zeln berei­tet ihnen den Boden. So hat­ten es sich die Grün­der­vä­ter in den 50er Jah­ren nicht gedacht. Sie muß­ten aller­dings schon damals die Rech­nung mit star­ken Gegen­kräf­ten machen. Da waren nicht nur die kom­mu­ni­sti­sche Sowjet­uni­on und ihre Satel­li­ten, son­dern auch die sozia­li­sti­schen Kräf­te im Westen, dazu kir­chen­feind­li­che und anti­christ­li­che Strö­mun­gen, die seit dem 18. Jahr­hun­dert ihre zer­set­zen­de Arbeit ver­rich­te­ten. Die­se Kräf­te sind mit Hil­fe des Gel­des sehr mäch­tig gewor­den. Was übri­gens kein Grund ist, des­halb das Geld abzu­schaf­fen, womit wir wie­der beim rich­ti­gen Maß wären.

Chri­stus hat übri­gens bezüg­lich des Gel­des gewarnt, daß Rei­che es schwe­rer haben, ins Him­mel­reich zu gelan­gen. Das Him­mel­reich aber ist das End­ziel, das ein­zig wirk­lich wich­ti­ge Ziel, das ein Mensch in sei­nem Leben zu gewin­nen hat.

Die EU, die vom begrüß­ten zum bearg­wöhn­ten Pro­jekt wur­de und man­chen ein Moloch zu sein scheint, ist nur ein Gerüst. Es sind Men­schen, die es zu dem machen, was es ist. Und es sind Men­schen, die das ändern und die Ent­wick­lung in eine bes­se­re Rich­tung len­ken kön­nen. Das ist möglich.

Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag errang Vik­tor Orbán ent­ge­gen west­li­cher Zuru­fe von inter­es­sier­ter Sei­te sei­nen bis­her größ­ten Wahl­sieg. Das miß­fällt den Mäch­ti­gen in Brüs­sel. EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en brach­te ihre Miß­bil­li­gung über das Wahl­ver­hal­ten der unga­ri­schen Bür­ger zum Aus­druck, indem sie gleich ankün­dig­te, das Ver­fah­ren gegen Ungarn wegen angeb­li­cher „Ver­let­zung der Rechts­staat­lich­keit“ durch das unga­ri­sche Gesetz gegen sexu­el­le Indok­tri­na­ti­on und Gen­der-Ideo­lo­gie an den Schu­len ein­zu­lei­ten. Da schließt sich der Kreis um fal­sche und rich­ti­ge Wer­te, und der Bogen spannt sich von Flo­ri­da nach Ungarn. 

Von der Ley­ens Absicht mit dem Ver­fah­ren ist es, Buda­pest von EU-Gel­dern aus­zu­schlie­ßen. Ungarn soll zah­len, aber nichts bekom­men. Mit dem dis­kri­mi­nie­ren­den Zudre­hen des Geld­hahns will man das Land an der Donau in die Knie zwin­gen. Das ist die Rache der Glo­ba­li­sten gegen den Wil­len des Vol­kes. Eine schä­bi­ge Erpres­sung durch jene, die gegen­über der Welt „euro­päi­sche Wer­te“ ver­kün­den und sich als Ver­tei­di­ger der Demo­kra­tie geben, aber in der EU auf die Demo­kra­tie und die wirk­li­chen euro­päi­schen Wer­te all­er­gisch reagieren.

Das läßt sich ändern.

Bild: Wikicommons/​Karl Fried­rich Schin­kel (1815)

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