Gedanken von Giuseppe Nardi
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sprechen die Staatsführungen und Kommentatoren viel von „westlichen Werten“ und „europäischen Werten“. In einem Teil der Bevölkerung löst das Zweifel und ein Unbehagen aus. Von welchen „Werten“ ist denn da die Rede? Wie glaubwürdig sind jene, die diese „Werte“ reklamieren, aber zugleich die eigene Bevölkerung seit über zwei Jahren einsperren, maßregeln und bevormunden – und neuerdings sogar nach dem Krieg rufen? Es gilt jedoch das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten.
Die „westlichen Werte“, die es derzeit – zumindest verbal – um „jeden Preis“ zu verteidigen gelte, erweisen sich bei näherem Hinsehen als das genaue Gegenteil dessen, was sie vorgeben zu sein. Zunächst einmal ist in Erinnerung zu rufen, da das Wissen darum nicht mehr selbstverständlich ist, daß mit dem „Westen“ das gemeint ist, was noch vor einem halben Jahrhundert das Abendland genannt wurde. Andere Sprachen differenzieren nicht, im Deutschen ist das jedoch der Fall. Dadurch wird der damit verbundene Paradigmenwechsel verdeutlicht, der sich hinter dem Wortwechsel verbirgt, der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert durchsetzte. Der Westen und das Abendland sind nicht dasselbe, aus deutscher Perspektive schon gar nicht, da dem Westen der ebenfalls weitgehend in Vergessenheit geratene Begriff „Mitteleuropa“ gegenüberstand, vor allem aber sind sie nicht auf der Werteebene dasselbe.
Derzeit trifft man eher selten auf einen Politiker, der moralische Integrität beweist. Die Verwestlichung, in Europa meist als „Amerikanisierung“ wahrgenommen, hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Kahlschlag im Anforderungsprofil für Staatslenker geführt. Auch bezüglich der „Amerikanisierung“ sollte jedoch differenziert werden. Es zeigt sich insgesamt ein Defizit an präziser Begrifflichkeit. Es herrscht ein Mangel an Begriffen, um die aktuellen Entwicklungen, Phänomene und Gruppen von Akteuren präzise zu benennen. Kritiker unverhältnismäßiger, unsinniger oder willkürlicher Corona-Maßnahmen nannten deren Verfechter abwechselnd „Faschisten“ und „Kommunisten“. Was nun? Diese begriffliche Hilflosigkeit ist offenbar Ausdruck der empfundenen Ohnmacht.
„Amerikanisierung“ meint für Europa eine Kolonialisierung unter negativen Vorzeichen. Daher soll bewußt ein amerikanischer Politiker als Positivbeispiel genannt werden: Der Gouverneur von Florida Ron DeSantis hat ein Gesetz zum Verbot von Gender- und Homo-Propaganda an Grundschulen unterzeichnet. DeSantis war es auch, der mit seiner Corona-Politik gegen den Strom schwamm und den kleinen und großen Corona-Diktatoren (ob Urheber oder nur Trittbrettfahrer sei dahingestellt) einen Strich durch die Rechnung machte. Florida und Schweden sind die Kontrollgruppe, die mit ihren mehr als 30 Millionen Einwohnern bewiesen haben, daß undifferenzierte Corona-Maßnahmen wie Lockdown, Maskenpflicht, Diskriminierung durch 3G, 2G oder 1G willkürlich und unnötig sind, da sie im Vergleich zu Schweden und Florida keinen erkennbaren Nutzen brachten, dafür aber großen Schaden anrichteten. Das ist auch der Grund, weshalb Florida zum Thema Corona in europäischen Medien totgeschwiegen und Schweden schlechtgeredet wird.
Gegen das neue Gesetz zum Verbot von Gender- und Homo-Propaganda an Schulen protestieren die Demokratische Partei, linke NGOs und der amerikanische Konzernriese Disney,
Disney fordert die Aufhebung des Gesetzes, weil sich der Konzern heute in den ideologischen LGBTQ-Kampf einreiht, als dessen Instrument er sich anbietet. Disney vermittelt heute den Kindern die Gender-Revolution, damit sie als Erwachsene sich entsprechend verhalten, jedenfalls deren Vorgaben hinnehmen.
Bereits vor 25 Jahren war es zwischen den Südstaaten-Baptisten und dem auf Kinder spezialisierten Konzern der Unterhaltungsindustrie wegen seiner homophilen Hauspolitik zum Zusammenprall gekommen. Immer häufiger werden in die Zeichentrickfilme für Kinder Anspielungen auf Homosexualität eingebaut und positiv vermittelt – und sie werden immer expliziter. Jüngstes Beipiel ist der Zeichentrickfilm „Buzz Lightyear of Star Command: The Adventure Begins“ mit einem schwulen Kuß. Wer wen unter Druck setzen kann, steht fest. Dem Konzern ist das Entkräften von „Homophobie“-Vorwürfen wichtiger als das Kindeswohl. Der Zeichentrickfilm wird in deutschen Kinos wahrscheinlich am 1. Juni starten. Unklar scheint im Moment nur, ob er schon ab 0 oder erst ab 6 Jahren freigegeben wird. Disney, der einst ein sicherer Produzent von Kinderfilmen war, verdirbt heute die Kindheit.
Es gibt jedoch noch Menschen, die für das Elternrecht der Erziehungsfreiheit und gegen eine permanente ideologische Indoktrination ankämpfen. Und dies geschieht mehr in den USA als in Europa. Wenn es also wahr ist, daß negative Entwicklungen in Europa als „Amerikanisierung“ wahrgenommen werden, weil sie von dort übernommen werden, so ist auch wahr, daß in den USA der Kulturkampf zwischen der christlichen Zivilisation und einer lebensfeindlichen Degeneration nicht entschieden ist. Gouverneur DeSantis ist ein Beleg dafür. Im vielfach gelähmten und erstarrten Europa schaut es da schlechter aus.
Daraus folgt, daß Europa gut daran täte, auch die positive Aspekte in den USA zu sehen und zu übernehmen. Letzteres wäre gar keine „Amerikanisierung“, sondern ein gemeinsames Eintreten für die abendländische Zivilisation. Kulturen gibt es viele, doch wirkliche Zivilisation gibt es nur eine, die christliche. Gute Ideen zur Verbreitung dieser Zivilisation können und sollen bereitwillig übernommen werden, wie es mit dem Marsch für das Leben geschehen ist, der 1974 erstmals in den USA stattfand und in den vergangenen 20 Jahren auch in zahlreichen europäischen Städten durchgeführt wird.
Auch die Boykott-Idee gegen den Disney-Film und und Disney insgesamt sollte aufgegriffen werden. Keinen Euro für jene, die den Verstand der Kinder manipulieren wollen.
Europa braucht einen inneren „Paradigmenwechsel“, der weg vom zersetzenden Kulturpessimismus führt. Die sprichwörtliche „Endzeitstimmung“ kann getrost den Gottlosen überlassen werden. Für Christen ist die Endzeit nicht mit Pessimismus verbunden, denn sie wissen, wer siegen wird. Christen leben seit zweitausend Jahren in der Endzeit, sie haben Erfahrung darin. Christus ist der Sieger, wer sich dessen bewußt wird, verfügt nicht nur über eine ganz andere Perspektive, sondern handelt aus einer inneren Kraft heraus, die von oben gespeist wird.
Aus dieser Haltung heraus ist auch der Kampf um das Abendland wiederaufzunehmen, das keineswegs verloren ist, obwohl sein Untergang schon vor hundert Jahren verkündet wurde. Nennen wir das Abendland heute von mir aus auch „Westen“, doch füllen wir diesen Westen mit dem, was die Zivilisation ausmacht, die trotz aller Schwächen die ganze Welt auf so unglaubliche Weise zum Guten verändert hat. Es genügt an die grausamen Zustände zu denken, wie sie einst in Europa herrschten und in Lateinamerika vor 600 Jahren, in Afrika vor 150 Jahren und … Die blindwütigen Ideologen aller Couleur, die ständig empört sind, weil sie aufgrund ihrer Scheuklappen im Tunnelblick gefangen sind, inszenieren zwar ein Geschrei und im Sog einer destruktiven Spirale noch Schlimmeres, doch niemand will zu den vorchristlichen, vorzivilisatorischen und, ja, voreuropäischen Verhältnissen zurückkehren. Das sollte der Ehrlichkeit halber eingestanden werden. Dann läßt sich gemeinsam noch viel verbessern, aber nur, wenn die Grundlage solide ist und stimmt, und diese Grundlage kann nur das Christentum sein. Auch der Rekurs auf ein „jüdisch-christliches Erbe“ klingt zwar nett, zumal aus deutschem Mund, ist aber historisch weder zutreffend noch hilfreich.
Gott wirkt in der Geschichte. Er hat den Weg der Heilsgeschichte gewählt, indem er in der Hochblüte des Römischen Reiches Mensch geworden ist. Er hat das Abendland zum ersten Träger der Zivilisation gemacht. Dieses geheimnisvolle Wirken Gottes in der Geschichte gilt es zu erkennen und anzuerkennen. Das bewahrt vor Abwegen, auch vor Rassismus und heute vor allem rassistischem Antirassismus, wie er von den üblichen Bekannten angeheizt wird. Die Gegenseite ist gerade nicht allmächtig.
Eine EU ohne christliche Wurzeln bereitet ihnen den Boden. So hatten es sich die Gründerväter in den 50er Jahren nicht gedacht. Sie mußten allerdings schon damals die Rechnung mit starken Gegenkräften machen. Da waren nicht nur die kommunistische Sowjetunion und ihre Satelliten, sondern auch die sozialistischen Kräfte im Westen, dazu kirchenfeindliche und antichristliche Strömungen, die seit dem 18. Jahrhundert ihre zersetzende Arbeit verrichteten. Diese Kräfte sind mit Hilfe des Geldes sehr mächtig geworden. Was übrigens kein Grund ist, deshalb das Geld abzuschaffen, womit wir wieder beim richtigen Maß wären.
Christus hat übrigens bezüglich des Geldes gewarnt, daß Reiche es schwerer haben, ins Himmelreich zu gelangen. Das Himmelreich aber ist das Endziel, das einzig wirklich wichtige Ziel, das ein Mensch in seinem Leben zu gewinnen hat.
Die EU, die vom begrüßten zum beargwöhnten Projekt wurde und manchen ein Moloch zu sein scheint, ist nur ein Gerüst. Es sind Menschen, die es zu dem machen, was es ist. Und es sind Menschen, die das ändern und die Entwicklung in eine bessere Richtung lenken können. Das ist möglich.
Am vergangenen Sonntag errang Viktor Orbán entgegen westlicher Zurufe von interessierter Seite seinen bisher größten Wahlsieg. Das mißfällt den Mächtigen in Brüssel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte ihre Mißbilligung über das Wahlverhalten der ungarischen Bürger zum Ausdruck, indem sie gleich ankündigte, das Verfahren gegen Ungarn wegen angeblicher „Verletzung der Rechtsstaatlichkeit“ durch das ungarische Gesetz gegen sexuelle Indoktrination und Gender-Ideologie an den Schulen einzuleiten. Da schließt sich der Kreis um falsche und richtige Werte, und der Bogen spannt sich von Florida nach Ungarn.
Von der Leyens Absicht mit dem Verfahren ist es, Budapest von EU-Geldern auszuschließen. Ungarn soll zahlen, aber nichts bekommen. Mit dem diskriminierenden Zudrehen des Geldhahns will man das Land an der Donau in die Knie zwingen. Das ist die Rache der Globalisten gegen den Willen des Volkes. Eine schäbige Erpressung durch jene, die gegenüber der Welt „europäische Werte“ verkünden und sich als Verteidiger der Demokratie geben, aber in der EU auf die Demokratie und die wirklichen europäischen Werte allergisch reagieren.
Das läßt sich ändern.
Bild: Wikicommons/Karl Friedrich Schinkel (1815)
Es gibt eine Legende, die besagt, dass die westliche Welt mit dem Selbstmord des Führers im Bunker begann und mit dem Lockdown endete wie ein Filmriss im Kino.
Was lässt sich ändern? Ansonsten weitgehend Zustimmung.