Geheime Weihen gegen das Kirchenrecht

Was wir von Kardinal Wojtyła und Kardinal Slipyj lernen können


Johannes Paul II. mit Großerzbischof Josyf Slipyj
Johannes Paul II. mit Großerzbischof Josyf Slipyj

Von Peter Kwasniewski*

Anzei­ge

Vor­be­mer­kung des Über­set­zers: Die­ser Text erschien zuerst am 13. Okto­ber 2021 auf One­Pe­ter­Fi­ve. Er wird hier mit Erlaub­nis des Autors in deut­scher Über­set­zung ver­öf­fent­licht. Prof. Peter Kwas­niew­ski ist einer der bedeu­tend­sten tra­di­ti­ons­ori­en­tier­ten katho­li­schen Theo­lo­gen im eng­li­schen Sprach­raum. Er ist nach Ansicht des Über­set­zers beson­ders für sei­ne Stel­lung­nah­men zu lit­ur­gi­schen Fra­gen, u. a. im Rah­men des New Lit­ur­gi­cal Move­ment, von emi­nen­ter Bedeu­tung. Anmer­kun­gen in ecki­gen Klam­mern von Übers.

Eine der bemer­kens­wer­te­sten Epi­so­den im Leben von Karol Woj­ty­ła – und zwar eine, von der wir Heu­ti­gen viel ler­nen kön­nen – ereig­ne­te sich in sei­ner Zeit als Kar­di­nal­erz­bi­schof von Kra­kau. Für mich ist es erstaun­lich, daß – bei all der Auf­merk­sam­keit, die man Johan­nes Paul II. wid­met – die­ses Ereig­nis kei­ne Auf­merk­sam­keit erreg­te, viel weni­ger noch Kom­men­tie­rung. Das­sel­be gilt für ein bedeu­ten­des Ereig­nis im Leben des gro­ßen Kar­di­nals Josyf Slipyj.

Geheime Priesterweihen

Für Leser, die mit der The­ma­tik nicht ver­traut sind: „Ost­po­li­tik“ bezieht sich auf die Stra­te­gie des Vati­kans im Kal­ten Krieg, bestimm­te For­de­run­gen der Kom­mu­ni­sten in Ost­eu­ro­pa zu erfül­len, um damit Tole­ranz für eine mini­ma­le kirch­li­che Exi­stenz zu erhal­ten. [US-Autor Geor­ge] Weigel ist ein offen har­scher Kri­ti­ker der „Ost­po­li­tik“, auf die er erst vor zwei Wochen in einem Arti­kel über ihren Archi­tek­ten, Kar­di­nal Ago­sti­no Casaro­li, wie­der zu spre­chen kam.1 Wei­gels maß­geb­li­che Bio­gra­phie Zeu­ge der Hoff­nung prä­sen­tiert die wich­tig­sten Tat­sa­chen kor­rekt, aller­dings mit etwas Zuckerguß:

„Kar­di­nal Woj­ty­ła zwei­fel­te nie­mals an den guten Absich­ten von Paul VI. in des­sen Ost­po­li­tik, und er wuß­te natür­lich um die per­sön­li­che See­len­qual des Pap­stes. Die­ser war zer­ris­sen zwi­schen dem Instinkt sei­nes Her­zens, die ver­folg­te Kir­che zu ver­tei­di­gen, und dem Urteil sei­nes Ver­stan­des, die Poli­tik des sal­va­re il sal­va­bi­le („zu ret­ten, was zu ret­ten ist“) zu ver­fol­gen – die, wie er es ein­mal gegen­über Erz­bi­schof Casaro­li for­mu­lier­te, kei­ne „ruhm­rei­che Poli­tik“ war. Der Erz­bi­schof von Kra­kau glaub­te auch, Soli­da­ri­tät mit einem ver­folg­ten und schwer geschun­de­nen Nach­barn, der Kir­che in der Tsche­cho­slo­wa­kei, üben zu sol­len. Dort hat­te sich die Lage wäh­rend der Jah­re der neu­en vati­ka­ni­schen Ost­po­li­tik mas­siv verschlechtert.

Daher weih­ten Kar­di­nal Woj­ty­ła und Juli­usz Grob­licki, einer sei­ner Weih­bi­schö­fe, im Gehei­men Prie­ster für den Dienst in der ČSSR, obwohl (oder viel­leicht weil) der Hei­li­ge Stuhl den Unter­grund­bi­schö­fen die­ses Lan­des die Durch­füh­rung sol­cher Wei­hen ver­bo­ten hatte.

Die gehei­men Wei­hen in Kra­kau wur­den immer mit der aus­drück­li­chen Erlaub­nis des Obe­ren des betref­fen­den Kan­di­da­ten durch­ge­führt – also des Bischofs oder, im Fall von Ordens­leu­ten, des Pro­vin­zi­als. Sicher­heits­me­cha­nis­men muß­ten aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Im Fall der Patres Sale­sia­ner wur­de das System der zer­ris­se­nen Kar­te ein­ge­setzt. Die Urkun­de, mit der die Wei­he auto­ri­siert wur­de, zer­riß man. Der Kan­di­dat, der über die Gren­ze geschmug­gelt wer­den muß­te, brach­te die eine Hälf­te mit nach Kra­kau, wäh­rend die ande­re Hälf­te mit einem Geheim­ku­rier an den Sale­sia­ner­su­pe­ri­or in Kra­kau geschickt wur­de. Die bei­den Hälf­ten wur­den dann zusam­men­ge­fügt und die Wei­he konn­te in der erz­bi­schöf­li­chen Kapel­le in der Fran­ciszkańs­ka (Fran­zis­ka­ner­stra­ße) Nr. 3 stattfinden.

Kar­di­nal Woj­ty­ła setz­te den Hei­li­gen Stuhl über die­se Wei­hen nicht ins Bild. Er betrach­te­te sie nicht als Akte des Trot­zes gegen die Poli­tik des Vati­kans, son­dern als Pflicht zugun­sten lei­den­der Glau­bens­ge­nos­sen. Und höchst­wahr­schein­lich woll­te er auch kein Pro­blem auf­wer­fen, das nicht ohne Schmer­zen auf allen Sei­ten hät­te gelöst wer­den kön­nen. Er glaub­te mög­li­cher­wei­se auch, daß der Hei­li­ge Stuhl und der Papst über die­se Vor­gän­ge in Kra­kau Bescheid wuß­ten, auf sein Urteil und sei­ne Dis­kre­ti­on ver­trau­ten und die­se Art Sicher­heits­ven­til in einer zuneh­mend ver­zwei­fel­ten Situa­ti­on still­schwei­gend begrüß­ten.“ 2

Peter Kwas­niew­ski

Man beach­te, wie Weigel hier die Bedeu­tung der Tat­sa­chen, die er prä­sen­tiert, her­un­ter­spielt. Inmit­ten einer Kir­che zur Mit­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, die von einem unhin­ter­frag­ten Ultra­mon­ta­nis­mus im Griff gehal­ten wur­de, trotz­te Kar­di­nal Woj­ty­ła dem päpst­li­chen Inter­dikt für sol­che Prie­ster­wei­hen und ging trotz die­sem unter Betei­li­gung eines Weih­bi­schofs und mit dem Wis­sen der betref­fen­den Ordens­obe­ren ein­fach vor­an. Die For­mu­lie­rung „obwohl (oder viel­leicht weil)“ ist ein bemer­kens­wer­tes Bei­spiel für Bla­bla; wie soll es Sinn machen, zu sagen, daß jemand ver­bo­te­ne Wei­hen durch­führ­te, weil sie ver­bo­ten waren? Wie­der­um: Wenn ein Kar­di­nal, der wuß­te, daß er gegen den Wil­len und das Gesetz des Pap­stes han­del­te, den Papst nicht infor­mier­te, kann man dann ehr­li­cher­wei­se sagen, „er betrach­te­te sie nicht als Akte des Trot­zes gegen die Poli­tik des Vati­kans“, wenn sie doch genau das waren?3

Offen­sicht­lich brach­te er die­se Ange­le­gen­heit nicht vor „die Auto­ri­tä­ten“, weil er glaub­te, daß die­se in die­sem Fall im Unrecht waren. Dar­über hin­aus ist es völ­lig will­kür­lich zu behaup­ten, was wohl als Ret­tungs­ver­such gemeint ist, daß Woj­ty­ła „mög­li­cher­wei­se auch glaub­te, daß der Hei­li­ge Stuhl und der Papst über die­se Vor­gän­ge in Kra­kau Bescheid wuß­ten“. Wo ist hier die Evi­denz? Es war gera­de, weil der Papst und sein Staats­se­kre­tär damals dem Urteil und der Dis­kre­ti­on sol­cher Hel­den und Beken­ner des Glau­bens wie Kar­di­nal Ste­fan Wyszy­ń­ski oder (wie wir wei­ter unten noch sehen wer­den) Kar­di­nal Josyf Slipyj nicht ver­trau­ten, daß der Vati­kan die Wei­hen, öffent­li­che wie gehei­me, ver­bo­ten hat­te. Weigel soll­te sich ein­fach an die Wahr­heit hal­ten: Wie er rich­tig sag­te, der Kar­di­nal wuß­te um sei­ne Ver­pflich­tung vor dem Ange­sicht Got­tes und um sei­ne Pflicht gegen­über den lei­den­den Glau­bens­ge­nos­sen. Das ist alles, was zu sagen ist.4

Eine Infor­ma­ti­on durch einen ande­ren Bio­gra­phen Karol Wojtyłas:

„Woj­ty­la war mit dem Pra­ger Früh­ling enger ver­bun­den, als er durch­blicken las­sen konn­te. Er hat­te die gehei­men Wei­hen tsche­chi­scher Unter­grund­prie­ster über die Jah­re schritt­wei­se aus­ge­wei­tet. Spä­te­stens im Jahr 1965 form­te er auch Unter­grund­prie­ster­kan­di­da­ten aus der kom­mu­ni­sti­schen Ukrai­ne, Litau­en und Weiß­ruß­land (wo die Semi­na­re geschlos­sen wor­den waren) und weih­te sie. Man­che Kan­di­da­ten über­tra­ten die pol­ni­sche Gren­ze im Gehei­men, ande­re orga­ni­sier­ten sich welt­li­che Arbeits­stel­len, die ihnen lega­le Rei­sen ermög­lich­ten. Einer war bei­spiels­wei­se Psy­cho­lo­ge und erschien regel­mä­ßig an einer pol­ni­schen Gesund­heits­ein­rich­tung. Wyszy­ń­ski, Erz­bi­schof von War­schau, wuß­te grund­sätz­lich über die­se Akti­vi­tä­ten Bescheid, kann­te aber nicht die Details. Hät­ten die staat­li­chen Auto­ri­tä­ten dar­um gewußt, hät­ten sie Woj­ty­ła wohl hin­ter Schloß und Rie­gel gebracht.“ 5

Ob wir nun unter denen sind, die „Johan­nes Paul, den Gro­ßen“, prei­sen oder nicht, so ist doch eine Sache klar: Was er in Kra­kau mach­te, war völ­lig gerecht­fer­tigt und erhöh­te den Glanz sei­nes Charakters.

Geheime Bischofsweihen

Als näch­stes betrach­ten wir den par­al­le­len Fall von Kar­di­nal Josyf Slipyj (1892–1984), des­sen Hei­lig­spre­chungs­pro­zeß in Rom bereits läuft. Er über­bot Woj­ty­ła, indem er sogar ver­bo­te­ne gehei­me Bischofs­wei­hen durch­führ­te. Er war zutiefst über­zeugt, daß das Wohl der Ukrai­ni­schen Grie­chisch-Katho­li­schen Kir­che (UGKK) in der Sowjet­uni­on das ver­lang­te. Der Prie­ster Hw. Ray­mond J. De Sou­za faßt zusammen:

„Im Jahr 1976 fürch­te­te das Ober­haupt der UGKK, Kar­di­nal Josef Slipyj, der nach 18 Jah­ren im sowje­ti­schen Gulag im Exil in Rom leb­te, um die Zukunft der UGKK: Wür­de sie Bischö­fe haben, die sie füh­ren wer­den, da Slipyj nun­mehr über acht­zig Jah­re alt war? Daher weih­te er ohne Erlaub­nis des Hei­li­gen Vaters, des Seli­gen Paul VI., im Gehei­men drei Bischö­fe. Damals ver­folg­te der Hei­li­ge Stuhl eine gegen­über dem kom­mu­ni­sti­schen Block nach­gie­bi­ge Poli­tik. Paul VI. gab damals aus Angst, die Sowjets zu ver­är­gern, kei­ne Erlaub­nis­se für Bischofs­wei­hen. Die Wei­he von Bischö­fen ohne päpst­li­chen Auf­trag ist ein sehr schwer­wie­gen­des kano­ni­sches Ver­ge­hen, das mit Exkom­mu­ni­ka­ti­on bestraft wird. Der seli­ge Paul VI. wuß­te wahr­schein­lich inof­fi­zi­ell, was Slipyj getan hat­te, und ver­häng­te kei­ne Stra­fen.“ 6

Vor kur­zem dis­ku­tier­te ich die­se Ange­le­gen­heit mit einer gut infor­mier­ten Quel­le, die die Memoi­ren von Kar­di­nal Slipyj, die es noch nicht auf eng­lisch gibt [und offen­bar auch nicht auf deutsch], gele­sen hat­te. Er erzähl­te mir, daß der Kar­di­nal unter dem Vor­wand „ein Tref­fen zu haben“ nach Rom gelockt wor­den sei. Dann habe man ihm gesagt, er dür­fe Rom nicht ver­las­sen, um in die Sowjet­uni­on zurück­zu­keh­ren, um unter sei­nen Leu­ten zu leben und mit ihnen zu lei­den, obwohl er grund­sätz­lich bereit war, wie­der in den Gulag zu gehen. Es war eine Quel­le gro­ßen Lei­dens für ihn, daß er in Rom kom­for­ta­bel leb­te, wäh­rend sei­ne Her­de unter der Unter­drückung durch den Kom­mu­nis­mus und die Ortho­do­xen stöhn­te. Jaros­lav Peli­kan schreibt in Con­fes­sor Bet­ween East and West [Beken­ner zwi­schen Ost und West] dazu:

„Hier im Exil, hier in Rom, für das er und sei­ne Kir­che so viel geop­fert hat­ten, fühl­te sich der ukrai­ni­sche Metro­po­lit zuneh­mend von dem behin­dert, was er in einer Zwi­schen­über­schrift eines dem Papst über­reich­ten Doku­men­tes die „nega­ti­ve Hal­tung“ bezeich­ne­te, die er immer wie­der sei­tens „der hei­li­gen Kon­gre­ga­tio­nen der Römi­schen Kurie“ erfuhr. Manch­mal nahm er in sei­ner Ver­bit­te­rung über die­se Hal­tung Zuflucht zu Über­trei­bun­gen und erklär­te, er habe nie­mals solch eine schlech­te Behand­lung sei­tens der Athe­isten in der Sowjet­uni­on erfah­ren, wie er sie jetzt von Mit­ka­tho­li­ken und Mit­brü­dern im geist­li­chen Amt in Rom erfah­re.“ 7

Gemäß mei­ner oben genann­ten Quel­le wuß­te Paul VI. sicher über die gehei­men Bischofs­wei­hen Bescheid, aber nahm von Stra­fen gegen den Kar­di­nal Abstand, weil die­ser weit­hin als Beken­ner des Glau­bens ver­ehrt wur­de. Einer der geheim geweih­ten Bischö­fe war Lub­o­myr Husar [der aller­dings spä­ter Mit­glied der Grup­pe von St. Gal­len wur­de, Anm.]. Johan­nes Paul II. aner­kann­te spä­ter offi­zi­ell des­sen Wei­he, ernann­te ihn zum Groß­erz­bi­schof der Ukrai­ni­schen Grie­chisch-Katho­li­schen Kir­che und kre­ierte ihn zum Kar­di­nal im Jahr 2001.8

Beson­de­re Erwäh­nung ver­dient auch, daß die Wei­he­hand­lun­gen von Kar­di­nal Slipyj statt­fan­den, als der Codex des Kano­ni­schen Rechts von 1917 (von St. Pius X. begon­nen, von Bene­dikt XV. pro­mul­giert) noch in Kraft war. Canon 2370 des CIC von 1917 lau­tet: „Epis­co­pus ali­quem con­se­crans in Epis­co­pum, Epis­co­pi vel, loco Epis­co­po­rum, pres­by­te­ri assi­sten­tes, et qui con­se­cra­tio­nem reci­pit sine apo­sto­li­co man­da­to con­tra praescrip­tum can. 953, ipso iure sus­pen­si sunt, donec Sedes Apo­sto­li­ca eos dis­pen­sa­ve­rit” (Ein Bischof, der jeman­den zum Bischof weiht; Bischö­fe, die dabei anwe­send sind, oder assi­stie­ren­de Prie­ster, die den Platz von Bischö­fen ein­neh­men; und eine Per­son, die gegen die Vor­schrift von can. 953 eine Wei­he ohne apo­sto­li­schen Auf­trag emp­fängt, sind kraft des Geset­zes selbst sus­pen­diert, bis sie vom Apo­sto­li­schen Stuhl dis­pen­siert wer­den.) Die Spra­che des Codex macht klar, daß sol­che Kle­ri­ker nicht kraft einer Ver­kün­di­gung der Stra­fe son­dern ein­fach durch ihre eige­ne Tat selbst sus­pen­diert sind, näm­lich, durch eine Wei­he­hand­lung ohne apo­sto­li­schen Auf­trag – wel­chen Paul VI. Kar­di­nal Slipyj nie­mals erteilte.

Ein Rechts­po­si­ti­vist wür­de sagen, daß die Sus­pen­si­on, die er sich ein­ge­han­delt hat, spä­ter aus­drück­lich auf­ge­ho­ben wer­den müßte.

Aller­dings ist die Tat­sa­che, daß die Sus­pen­si­on nie­mals auf­ge­ho­ben wur­de, ein spre­chen­des Zeug­nis für die Rol­le der Epi­kie (epie­i­keia [korr.]) in der Inter­pre­ta­ti­on und Anwen­dung des Geset­zes. Kurz gesagt: Eine Situa­ti­on exi­stier­te, in der der Canon schlicht kei­ne Wir­kung ent­fal­te­te. Das soll­te uns über die Gren­zen des Rechts­po­si­ti­vis­mus nach­den­ken lassen.

Ecône durch eine neue Linse sehen

Wenn die Kir­che ange­grif­fen wird und ihr Über­le­ben auf dem Spiel steht oder wenn ihr Gemein­wohl ernst­haft gefähr­det ist, kann unver­hoh­le­ner „Unge­hor­sam“ gegen­über päpst­li­chen Befeh­len oder Geset­zen gerecht­fer­tigt sein – und nicht nur gerecht­fer­tigt, son­dern rich­tig, ver­dienst­voll, der Stoff der Hei­lig­keit. Nie­mand bestritt jemals, daß die Fixie­rung von Regeln zur Bischofs­wei­he Recht des Pap­stes ist, und daß Woj­ty­ła und Slipyj frag­los und wis­send kirch­li­ches Recht bra­chen, was ihnen einen Platz der Schan­de neben Erz­bi­schof Lefeb­v­re ein­ge­bracht haben soll­te. Statt­des­sen fei­ern wir sie als Hel­den des Wider­stan­des gegen den Kommunismus.

Der Grund, war­um wir das machen, ist, daß wir ein noch grund­le­gen­de­res Geset­zes als das der kano­ni­schen Vor­schrif­ten aner­ken­nen: Salus ani­ma­rum supre­ma lex, das Heil der See­len ist das ober­ste Gesetz. Es ist die Ret­tung der See­len, wofür die gesam­te Struk­tur des Kir­chen­rech­tes über­haupt exi­stiert. Es hat kei­nen ande­ren Zweck, als letzt­lich die Mit­tei­lung des Lebens Chri­sti an die Mensch­heit zu schüt­zen und zu beför­dern. Unter nor­ma­len Umstän­den schaf­fen kirch­li­che Geset­ze eine Struk­tur, inner­halb derer sich die Mis­si­on der Kir­che in einer geord­ne­ten und fried­vol­len Wei­se ent­fal­ten kann. Aber es kann Situa­tio­nen der Anar­chie und des Zusam­men­bruchs, der Kor­rup­ti­on oder des Glau­bens­ab­falls geben, in denen die ordent­li­chen Struk­tu­ren zum Hin­der­nis und nicht zum Unter­stüt­zer der Mis­si­on der Kir­che wer­den. In die­sen Fäl­len befiehlt die Stim­me des Gewis­sens, das zu tun, was, in Klug­heit und Lie­be, zur Ver­wirk­li­chung des sou­ve­rä­nen Geset­zes getan wer­den muß. Da die Jah­re ver­ge­hen und ich den Abstieg der Katho­li­schen Kir­che immer tie­fer in das lehr­mä­ßi­ge, mora­li­sche und lit­ur­gi­sche Cha­os beob­ach­te, kann ich die Mei­nung nicht län­ger akzep­tie­ren, daß Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re des „schuld­haf­ten Unge­hor­sams“ schul­dig gewe­sen wäre.9

Er war in einer schreck­li­chen Situa­ti­on gefan­gen, einer­seits ein feind­se­li­ger Vati­kan, der sich um die Tra­di­ti­on nicht zu küm­mern schien (und, mei­ne Güte, wie hat uns 2021 wie­der genau in die­se Situa­ti­on gebracht), und ande­rer­seits eine welt­wei­te Dia­spo­ra tra­di­tio­nel­ler Katho­li­ken, die auf ihn für eine halb-sta­bi­le Lösung blick­ten. Das Auf­zwin­gen des Novus Ordo und der vom Kon­zil lan­cier­ten Aggior­na­men­to-Theo­lo­gie war eine Art von „Ost­po­li­tik mit der Moder­ne“, gegen die Lefeb­v­re zu Recht pro­te­stier­te und gegen die einen ent­schei­den­den Schritt zu gehen er wil­lens war, wenn der Glau­be in einem Aus­maß bedroht schien wie nie­mals zuvor.

Die Aktio­nen von Woj­ty­ła und Slipyj las­sen Ecô­ne in neu­em Licht erschei­nen. Damit soll nicht gesagt wer­den, daß sich alle Schwie­rig­kei­ten in Luft auf­lö­sen, denn für jeder­manns Beur­tei­lung, ob Freund oder Feind, kann es nicht nor­mal sein, daß eine Gesell­schaft von Prie­stern in Diö­ze­sen rund um die Erde ohne offi­zi­el­le Juris­dik­ti­on wirkt, und man muß um eine glück­li­che Lösung für eine Not­si­tua­ti­on beten, die von jenen her­bei­ge­führt wor­den ist, die pflicht­ver­ges­sen, dem Rauch Satans – und nun offen­kun­dig Hau­fen von bren­nen­den Schwuch­teln – erlaubt haben, die Kir­che Got­tes zu erfül­len. Wenn ein Gebäu­de nie­der­brennt, ver­sucht man mit allen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln das Feu­er zu löschen und die Opfer zu ret­ten. Man war­tet nicht, bis die Feu­er­wehr ein­trifft – beson­ders, wenn man aus bit­te­rer Erfah­rung erstens weiß, daß der Feu­er­wehr­chef nicht auf sei­nem Posten ist, schläft, berauscht ist oder davon über­zeugt ist, daß Brän­de zuträg­lich sind, und daß zwei­tens die mei­sten Feu­er­wehr­leu­te stüm­per­haf­te Idio­ten sind, deren Metho­den nicht funk­tio­nie­ren, oder aber – noch schlim­mer – von Sabo­teu­ren bezahlt sind, Ben­zin ins Feu­er zu sprühen.

So viel ist klar: Für die Kri­se sind nicht die­je­ni­gen anzu­kla­gen, die im Bewußt­sein einer Ver­pflich­tung vor Gott und einer Pflicht gegen­über lei­den­den Glau­bens­ge­nos­sen auf sie reagiert haben, so gut sie eben konn­ten. Sie setz­ten die intel­li­gen­ten Waf­fen des Gehor­sams gegen­über dem Ober­sten Gesetz ein, das alle ande­ren bestimmt: salus ani­ma­rum supre­ma lex.

Lektionen, die wir daraus ziehen können

Soll­te es der Vati­kan im Gefol­ge von Tra­di­tio­nis Cus­to­des tat­säch­lich wagen, Prie­ster­wei­hen im tra­di­tio­nel­len Ritus zu ver­bie­ten, wäre es für einen Bischof, der ver­steht, was auf dem Spiel steht10, voll­kom­men gerecht­fer­tigt, Prie­ster auf tra­di­tio­nel­le Wei­se, aber geheim zu wei­hen, und ohne Ansu­chen oder Erhalt einer Erlaub­nis. Auch wenn der neue Wei­he­ri­tus gül­tig ist, wie auch der neue Meß­ri­tus, ist er schwer­wie­gend man­gel­haft und lit­ur­gisch unpas­send und unau­then­tisch. Das auto­ri­ta­ti­ve Zeug­nis, der Vor­zug und die Über­le­gen­heit der lex oran­di des tra­di­tio­nel­len Ritus müs­sen im Leben der Kir­che bewahrt wer­den, bis das triden­ti­ni­sche Pon­ti­fi­cale Roma­num all­ge­mein wie­der­her­ge­stellt wer­den kann.

Gleich­zei­tig sehen wir, daß Woj­ty­ła und Slipyj dis­kret agier­ten, was uns zeigt, daß sol­che Aktio­nen wie die ihri­gen nicht öffent­lich ange­kün­digt und sozu­sa­gen zum Spek­ta­kel gemacht zu wer­den brau­chen. Sie reagier­ten in einer drän­gen­den und ver­zwei­fel­ten Lage auf eine mög­lichst dis­kre­te und ent­schie­de­ne Wei­se. Wenn ich das fest­stel­le, bestrei­te ich nicht, daß es eine Situa­ti­on geben kann, in der sol­che Aktio­nen nicht auch zu Recht in hel­lem Tages­licht durch­ge­führt wer­den kön­nen. Ich will nur sagen, daß, wenn mate­ria­ler Unge­hor­sam ver­langt ist, der klan­de­sti­ne Weg gegen­über dem öffent­li­chen nor­ma­ler­wei­se zu bevor­zu­gen ist.

Das hat offen­kun­di­ge Impli­ka­tio­nen für unse­re gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on. Wenn sich ein Prie­ster guten Gewis­sens ent­schließt, sich unge­rech­ten Befeh­len oder Wün­schen der kirch­li­chen Auto­ri­tät nicht zu unter­wer­fen, soll­te er sei­nen Unge­hor­sam nicht unbe­dingt an die gro­ße Glocke hän­gen, son­dern ein­fach unge­hor­sam sein und mit sei­ner seel­sorg­li­chen und prie­ster­li­chen Arbeit wei­ter­ma­chen. Das Schlüs­sel­wort ist wie­der­um nor­mal: Es kann Zei­ten geben, in denen offe­ner Wider­stand der beste Weg ist wie in der Beset­zung der Kir­che Saint-Nico­las-du-Char­don­net in Paris unter der Füh­rung von Msgr. Ducaud-Bour­get und der Wie­der­be­set­zung der ver­bar­ri­ka­dier­ten Kir­che Saint-Lou­is in Port-Mar­ly.11

Frei­lich macht die Ver­su­chung, alles sofort in die Sozia­len Medi­en zu stel­len – mit allem Für und Wider bezüg­lich all­ge­mei­ner Unter­stüt­zung, die das her­vor­bringt –, eine gute Ent­schei­dung über die klüg­ste Vor­gangs­wei­se (die sich eben als „Han­deln unter dem Radar“ her­aus­stel­len kann) schwie­ri­ger als je zuvor.

Schlußfolgerung

Eine der vie­len Wei­sen, auf die Erz­bi­schof Lefeb­v­re nun als gerecht­fer­tigt dasteht, ist die­se: Er sah, daß er wei­ter­hin Prie­ster (und auch Bischö­fe) im tra­di­tio­nel­len Ritus wei­hen muß­te. Der usus anti­qui­or ist aus einem Guß – eine ein­heit­li­che, kohä­ren­te und ererb­te lex oran­di, die die lex cre­den­di des katho­li­schen Glau­bens ver­kör­pert. Ja, es gibt Prie­ster, die gül­tig im neu­en Ritus geweiht wur­den (wie Erz­tra­di­tio­na­list Hw. Gre­gor Hes­se) und die sich spä­ter der Petrus­bru­der­schaft, der Pius­bru­der­schaft oder ande­ren anschlos­sen. Aber es ist wich­ti­ger, auf allen Wei­he­stu­fen die alten Wei­he­ri­ten intakt und leben­dig zu bewah­ren, als es den mei­sten Leu­ten bewußt ist.

Wenn die Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst oder die Kon­gre­ga­ti­on für die Orden ver­fü­gen soll­ten, daß die alten Wei­he­ri­ten nicht mehr gebraucht wer­den dür­fen, dann wird auch das für uns ein Non-pos­su­mus-Moment wer­den: Das kön­nen wir ein­fach nicht hin­neh­men. Aber mehr noch, es wird eine Zeit der größ­ten Her­aus­for­de­rung in den näch­sten Jah­ren wer­den: Wer­den sich Kar­di­nä­le, Erz­bi­schö­fe, Bischö­fe fin­den, die unter die­sen Umstän­den dann Wei­hen im über­lie­fer­ten Ritus zu ertei­len bereit sind? Unser Herr, der uns in sei­ner Vor­se­hung das herr­li­che Erbe der Kir­che Roms zuteil­te, wird bestimmt für des­sen Erhalt in der Stun­de der Not sorgen.

*Dr. Peter Kwas­niew­ski gra­du­ier­te am Tho­mas Aqui­nas Col­lege und an der Catho­lic Uni­ver­si­ty of Ame­ri­ca. Er lehr­te am Inter­na­tio­nal Theo­lo­gi­cal Insti­tu­te in Gam­ing (Öster­reich), am Öster­reich-Pro­gramm der Fran­ciscan Uni­ver­si­ty of Steu­ben­ville und am Wyo­ming Catho­lic Col­lege, des­sen Mit­grün­der er 2006 war. Heu­te ist er frei­er Publi­zist und Vor­tra­gen­der zu The­men des tra­di­tio­nel­len katho­li­schen Glau­bens. Sei­ne Bei­trä­ge erschei­nen im Inter­net unter ande­rem auf One­Pe­ter­Fi­ve, New Lit­ur­gi­cal Move­ment, Life­Si­teNews, The Rem­nant, und Catho­lic Fami­ly News. Er ver­faß­te drei­zehn Bücher, unter ihnen Reclai­ming Our Roman Catho­lic Bir­th­right: The Geni­us and Time­liness of the Tra­di­tio­nal Latin Mass (Ange­li­co, 2020), The Ecsta­sy of Love in the Thought of Tho­mas Aqui­nas (Emma­us, 2021) und Are Cano­nizati­ons Infal­lible? Revi­si­ting a Dis­pu­ted Que­sti­on (Arou­ca, 2021). Sei­ne Bücher wur­den in min­de­stens acht­zehn Spra­chen über­setzt. In deut­scher Spra­che liegt vor: Neu­an­fang inmit­ten der Kri­se. Die hei­li­ge Lit­ur­gie, die tra­di­tio­nel­le latei­ni­sche Mes­se und die Erneue­rung in der Kir­che (Una Voce, 2017). Sei­ne Netz­sei­te ist www​.peterk​was​niew​ski​.com.

Über­set­zung: Wolf­ram Schrems
Bild: Johan­nes Paul II. mit Kar­di­nal Slipyi, mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von kata​kom​be​.org, gemein­frei.


1 Weigel hat offen­bar Winds­wept Hou­se [deutsch: Der letz­te Papst] nicht gele­sen. Sonst wäre er bezüg­lich der Per­son von Kar­di­nal Ago­sti­no Casaro­li (Kar­di­nal Cosi­mo Mae­stroi­an­ni [korr.] in Mar­tins nur dürf­tig ver­hüll­ter Fik­ti­on) weni­ger naiv – und auch von Paul VI.

2 Geor­ge Weigel: Wit­ness to Hope: The Bio­gra­phy of John Paul II, revi­dier­te Aus­ga­be (New York: Har­per Peren­ni­al, 2020), S. 233.

3 Man­che sagen, daß sich das Ver­bot gehei­mer Wei­hen ledig­lich auf die Tsche­cho­slo­wa­kei bezog, sodaß Woj­ty­ła dadurch, daß er die Semi­na­ri­sten zu sich nach Kra­kau bestell­te, das Pro­blem schlau umging und daher nicht wirk­lich Unge­hor­sam gegen­über einer kir­chen­recht­li­chen Bestim­mung übte. Aller­dings ist eines klar: Der Grund für das Ver­bot war, die kom­mu­ni­sti­schen Auto­ri­tä­ten zu besänf­ti­gen, die bestimmt nicht erfreut gewe­sen wären, hät­ten sie erfah­ren, daß Semi­na­ri­sten über die Gren­ze ver­schwan­den, um anders­wo geweiht zu wer­den (nach Jona­than Kwit­ny spen­de­te Woj­ty­ła gehei­me Prie­ster­wei­hen auch für die Kir­che in der Ukrai­ne, Litau­en und Weiß­ruß­land). Daher hät­te die vati­ka­ni­sche Ost­po­li­tik Woj­ty­ła die Wei­hen sicher­lich ver­bo­ten, wenn man die­se Ange­le­gen­heit her­aus­ge­fun­den hät­te. Man kann also sagen, daß das, was er tat, gegen die bekann­te oder erschließ­ba­re Absicht des Gesetz­ge­bers ver­stieß, aber nicht gegen die Sinn­ge­bung jeden kirch­li­chen Geset­zes, näm­lich die Ret­tung der See­len. Und das ist mein Haupt­punkt in allen Bei­spie­len die­ses Arti­kels. Wie der Mensch nicht für den Sab­bat gemacht ist, son­dern der Sab­bat für den Men­schen, so ist auch die Kir­che nicht für das Kir­chen­recht gemacht, son­dern das Kir­chen­recht für die Kirche.

4 Die Tat­sa­che, daß Weigel über die­se Wei­hen erst durch ein per­sön­li­ches Ein­ge­ständ­nis von Johan­nes Paul II. im Jahr 1996 über­haupt erfuhr, wie es in einer Fuß­no­te in sei­nem Buch heißt, zeigt, daß Woj­ty­łas Gewis­sen wegen sei­ner Taten nicht beun­ru­higt war: Er hat­te kei­ne Absicht, das zu ver­heim­li­chen, zumin­dest nicht, nach­dem sich der Staub gelegt hat­te. Erwäh­nung ver­dient auch, wenn Woj­ty­ła eine Andeu­tung oder einen Hin­weis von Rom erhal­ten hät­te, daß er fort­fah­ren sol­le (wie Weigel grund­los annimmt), hät­te er das dann in sei­nem Bericht an Weigel sicher ange­führt. Das hat er aber nicht, und es ist in Wahr­heit viel glaub­wür­di­ger, daß es zu die­sem The­ma kei­ner­lei Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Rom und Woj­ty­ła gab.

5 Jona­than Kwit­ny, Man of the Cen­tu­ry: The Life and Times of Pope John Paul II (New York: Hen­ry Holt, 1997), S. 220.

6 “Ukrai­ni­an Car­di­nals Husar and Slipyj are heroes to Church com­mu­ni­ty”, The Catho­lic Regi­ster, 22. Juni 2017. Gemäß einer ande­ren Quel­le war es im Jahr 1977. De Sou­za betrach­te­te zum Zeit­punkt der Abfas­sung des Bei­trags die Selig­spre­chung von Paul VI. offen­bar als legi­tim. Vie­le tra­di­tio­nel­le Katho­li­ken stel­len sie und die „Hei­lig­spre­chung“ in Fra­ge. Für eine aus­führ­li­che Erör­te­rung sie­he: Peter A. Kwas­niew­ski, Hrsg.: Are Cano­nizati­ons Infal­lible? Revi­si­ting a Dis­pu­ted Que­sti­on (Water­loo, ON: Arou­ca Press, 2021), bes. S. 219–241.

7 Jaros­lav Peli­kan: Con­fes­sor Bet­ween East and West: A Por­trait of Ukrai­ni­an Car­di­nal Josyf Slipyj (Grand Rapids, MI: Wil­liam B. Eerd­mans, 1990), S. 173. Inter­es­san­te Bei­spie­le der Ost­po­li­tik fin­den sich im gan­zen Buch, bspw. S. 182–186.

8 Die Ukrai­ni­sche Grie­chisch-Katho­li­sche Kir­che ist eine eige­ne Hoff­nungs­ge­schich­te für sich. Man betrach­te die fol­gen­de Sta­ti­stik und wen­de sie ana­log auf den Zustand der Kir­che des Latei­ni­schen Ritus und des lit­ur­gi­schen „Todes und Auf­er­ste­hung“ von den 1960ern bis in die Gegen­wart an: „Im Jahr 1939 hat­te die UGKK etwa 3000 Prie­ster in der Ukrai­ne. Im Jahr 1989, nach fünf­zig Jah­ren Krieg und Ver­fol­gung, war die Prie­ster­schaft um 90 Pro­zent auf bloß 300 redu­ziert. Bei einem Durch­schnitts­al­ter von 70 Jah­ren war die Prie­ster­schaft der UGKK nur eine Gene­ra­ti­on von der völ­li­gen Aus­lö­schung ent­fernt. Dann kamen gött­li­che Befrei­ung und Auf­er­ste­hung einer Mär­ty­rer­kir­che. Bei­na­he drei­ßig Jah­re spä­ter hat die UGKK wie­der­um 3000 Prie­ster mit einem Durch­schnitts­al­ter von 39 Jah­ren. Es gibt etwa 800 Semi­na­ri­sten für fünf Mil­lio­nen ukrai­ni­sche Katho­li­ken des öst­li­chen Ritus welt­weit“ (ebd.).

9 Ich emp­feh­le die wohl­wol­len­de, aber nicht unkri­ti­sche Behand­lung Lefeb­v­res in H. J. A. Sires: Phoe­nix from the Ashes: The Making, Unma­king, and Resto­ra­ti­on of Catho­lic Tra­di­ti­on (Ket­te­ring, OH: Ange­li­co Press, 2015), S. 410–430, und an ande­ren Stel­len. Ich glau­be immer noch, wie ich hier am 3. April 2019 schrieb, daß die Kapel­len der Pius­bru­der­schaft im Fall von Not­la­gen oder mora­li­scher Unmög­lich­keit besucht wer­den soll­ten, d. h., wenn kei­ne ande­re tra­di­tio­nel­le Pfar­re oder Kapel­le in Ein­heit mit dem Orts­or­di­na­ri­us inner­halb eines ange­mes­se­nen Radi­us erreich­bar ist. Ich sage das als jemand, der abso­lut kei­ne Abnei­gung gegen Kirch­gän­ger bei der FSSPX hat, von denen man­che per­sön­li­che Freun­de sind, und der bestimmt nichts weni­ger als den höch­sten Respekt für die Prie­ster hat, die wäh­rend der „Pan­de­mie“, als die all­ge­mei­ne Reak­ti­on auf skan­da­lö­se Wei­se inad­äquat war, wei­ter­hin die Mes­se zele­brier­ten und die Sakra­men­te spendeten.

10 Kein Teil der Lit­ur­gie erlitt wohl grö­ße­ren Scha­den als die Riten der Wei­he, die zuin­nerst die Exi­stenz und das Wohl­erge­hen der Kir­che auf Erden betref­fen. Ein Klas­si­ker zu die­sem The­ma ist das Werk von Micha­el Davies The Order of Mel­chise­dech, das lan­ge Zeit ver­grif­fen war und vor kur­zem von Roman Catho­lic Books (der Link führt zum Sophia-Ver­lag, der es ver­treibt) neu auf­ge­legt wur­de. Davies zeigt die Pro­te­stan­ti­sie­rung und die moder­ni­sie­ren­de Ent­stel­lung in den neu­en Wei­he­ri­ten und argu­men­tiert zugun­sten der Dring­lich­keit der Bei­be­hal­tung und Wie­der­her­stel­lung der tra­di­tio­nel­len Wei­he­ri­ten. Für einen genau­en Ver­gleich der neu­en und alten Riten mit eini­gen erstaun­li­chen Schluß­fol­ge­run­gen vgl. Dani­el Gra­ham: Lex Oran­di: Com­pa­ring the Tra­di­tio­nal and Novus Ordo Rites of the Seven Sacra­ments (ohne Ort, Pre­view Press, 2015), S. 159–185. Ich hof­fe, die­se The­men in einem künf­ti­gen Arti­kel abhan­deln zu können.

11 Mehr über den Hero­is­mus die­ser nach­kon­zi­lia­ren Gene­ra­ti­on, siehe hier.

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5 Kommentare

  1. Der Arti­kel ist hoch­in­ter­es­sant. Er zeigt die Gren­zen des Kir­chen­rech­tes auf. Nach der Pra­xis von Kar­di­nal Karol Woj­ty­la, dem späteren
    Papst Johan­nes Paul II, sind die Gren­zen des Kir­chen­rech­tes an dem Punkt erreicht, wenn erkenn­bar ist, dass durch die Anwen­dung der kir­chen­recht­li­chen Rege­lun­gen der Kir­che mehr gescha­det als genutzt wird. Die­se Erkennt­nis ist auch in der heu­ti­gen Zeit hoff­nungs­voll. Kon­kret den­ke ich an China.

  2. war­um hat die­ser Papst dann spä­ter getan, was er getan hat?
    War­um hat er dann spä­ter die, denen er wäh­rend des Kom­mu­nis­mus so sehr gehol­fen hat­te, von hin­ten erdolcht?
    Oder noch vor dem Fall des eiser­nen Vor­han­ges, mit den Assis­tref­fen, mit dem Korankuss, mit sei­ner sta­li­ni­sti­schen Selbst­kri­tik gegen­über den Juden, mit sei­nem Bei­ne sprei­zen für die Pro­te­stan­ten und Mus­li­me, wozu nach dem Mau­er­fall nicht den gering­sten Anlass gab? Mit sei­ner Ableh­nung Levebres?
    Mit sei­ner har­sche nKapitalismuskritik?
    Mit sei­ner leicht­fer­ti­gen Aus­le­gung von den Bot­schaf­ten von Fatima?
    Kann er zu alle­dem wirk­lich gezwun­gen wor­den sein?
    Auch die Theo­lo­gie des Lei­bes, soviel Wah­res sie auch ent­hal­ten mag, zeich­net ein ver­klär­tes Bild der Gemein­schaft der Eheleute

  3. „Eine Situa­ti­on exi­stier­te, in der der Canon schlicht kei­ne Wir­kung ent­fal­te­te. Das soll­te uns über die Gren­zen des Rechts­po­si­ti­vis­mus nach­den­ken lassen.“
    Damit, näm­lich mit der Dis­kre­panz von Sein und Sol­len, wird der Rechts­po­si­ti­vis­mus spie­lend fer­tig. Gera­de hier zeigt er sei­ne Prä­zi­si­on. Nicht ange­wand­te bzw durch­ge­setz­te Rechts­vor­schrif­ten sind ungül­ti­ge, dh nicht exi­sten­te Rechtsvorschriften.

    • Da wir uns in einer vor­ge­richt­li­chen Zeit befin­den, soll­te, den­ke ich, das Wir­ken Got­tes soll­te hier mit­be­ach­tet wer­den. Wenn der Herr will, dann kön­nen Gren­zen über­wun­den wer­den. Johan­nes Paul II hat davon gespro­chen, dass es böse Hand­lun­gen gibt, die Gutes Bewir­ken. In die­sem Sin­ne kann man von einem posi­ti­ven Recht spre­chen, das von Gott zuge­las­sen wird. Oder von einem nicht Anwen­den von Rechts­vor­schrif­ten im Sin­ne der gött­li­chen Vor­se­hung. Und als Auf­trag an die ein­zel­nen Men­schen, das, was im neu­en Testa­ment vor­ge­ge­ben ist.

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