28 Mitarbeiter der Gemelli-Klinik entlassen

Das Problem der Vatikanfinanzen


1964 wurde die Universitätsklinik Agostino Gemelli gegründet. Sie genießt international einen exzellenten Ruf, kämpft aber mit Finanzlücken, die Fragen aufwerfen.
1964 wurde die Universitätsklinik Agostino Gemelli gegründet. Sie genießt international einen exzellenten Ruf, kämpft aber mit Finanzlücken, die Fragen aufwerfen.

(Rom) Der Hei­li­ge Stuhl folg­te der ita­lie­ni­schen Regie­rung bei den stren­gen Coro­na-Maß­nah­men und leg­te noch stren­ge­re Maß­stä­be an. Nicht gefolgt ist der Vati­kan dem ita­lie­ni­schen Bei­spiel eines Kün­di­gungs­stopps, der wäh­rend der Zwangs­pau­se für die Wirt­schaft die Ent­las­sung von Mit­ar­bei­tern seit fünf Mona­ten blockiert. 28 Kran­ken­pfle­ger wur­den wegen Ein­spa­run­gen der vati­ka­ni­schen Gemel­li-Kli­nik ent­las­sen. Was steckt dahinter?

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Der Grund dafür, daß sich 28 Mit­ar­bei­ter des medi­zi­ni­schen Per­so­nals ohne Arbeit wie­der­fin­den, ist aller­dings weni­ger beim Coro­na­vi­rus zu suchen, son­dern Fol­ge eines klaf­fen­den Finanz­loches und von Macht­kämp­fen zwi­schen der Güter­ver­wal­tung des Apo­sto­li­schen Stuhls (APSA) und dem Gover­na­torat der Vati­kan­stadt. Wenn die APSA die „Schatz­kam­mer“ des Hei­li­gen Stuhls ist, ist das Gover­na­torat das reich­ste Dik­aste­ri­um der Römi­schen Kurie, da es durch die Vati­ka­ni­schen Muse­en und die Münz- und Brief­mar­ken­aus­ga­be über direk­te Ein­nah­men ver­fügt. Auch das Gesund­heits­we­sen bedeu­tet Zugang zu beacht­li­chen Geldsummen.

Die APSA wird seit 2018 von einem treu­en Berg­o­glia­ner, Kuri­en­bi­schof Nun­zio Galan­ti­no, gelei­tet, der zuvor von Fran­zis­kus für eini­ge Jah­re zum Gene­ral­se­kre­tär der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz beru­fen wor­den war. Der eigent­li­che star­ke Mann ist aller­dings inzwi­schen Juan Anto­nio Guer­re­ro Alves, ein spa­ni­scher Jesu­it, den Fran­zis­kus  im Novem­ber 2019 zum Prä­fek­ten des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats des Hei­li­gen Stuhls ernann­te. P. Guer­re­ro folg­te dar­in dem in Rom glück­lo­sen austra­li­schen Kar­di­nal Geor­ge Pell, der einer Intri­ge zum Opfer fiel und durch einen Miß­brauchs­pro­zeß aus dem Vati­kan hin­aus­be­för­dert wur­de. Obwohl vom Ober­sten Gerichts­hof Austra­li­ens frei­ge­spro­chen, muß er nach wie vor auf die Reha­bi­li­tie­rung durch Papst Fran­zis­kus war­ten. Die­ser hat­te Kar­di­nal Pell gleich mehr­fach fal­len­ge­las­sen. Mit­ten im Pro­zeß, im Febru­ar 2019, ent­hob er ihn als Wirt­schafts­prä­fek­ten sei­nes Amtes, was als Signal gedeu­tet wer­den konn­te, daß selbst der Hei­li­ge Stuhl den Kar­di­nal für schul­dig hielt.

Dem Gover­na­torat der Vati­kan­stadt steht seit 2011 der ehe­ma­li­ge Vati­kan­di­plo­mat Giu­sep­pe Kar­di­nal Ber­tel­lo vor. Papst Fran­zis­kus berief ihn als Ver­tre­ter der Römi­schen Kurie in den zunächst neun­köp­fi­gen, nun nur mehr sechs­köp­fi­gen Kar­di­nals­rat. Auch er steht Fran­zis­kus nahe.

Finanzloch und Kontrolle des Gesundheitswesens

Der Kon­flikt zwi­schen den bei­den Dik­aste­ri­en dreht sich um das gro­ße Finanz­loch des Vati­kans und um die Kon­trol­le über das vati­ka­ni­sche Gesundheitswesen.

Um Geld ein­zu­spa­ren, sit­zen nun 28 Mit­ar­bei­ter des medi­zi­ni­schen Per­so­nals der Gemel­li-Kli­nik vor der Tür, die in den ver­gan­ge­nen Mona­ten mit­ge­hol­fen hat­ten, die hos­pi­ta­li­sier­ten Covid-19-Pati­en­ten zu ver­sor­gen. Die Sache ist aller­dings komplizierter.

Um genau zu sein, bedien­te sich die Kli­nik des Pap­stes für bestimm­te Dien­ste, wie den Kran­ken­trans­port mit Spe­zi­al­fahr­zeu­gen, seit Jah­ren des exter­nen Gesund­heits­un­ter­neh­mens Heart­li­fe Cro­ce Amica. Kurz nach­dem der Coro­na-Not­stand zu Ende gegan­gen war, lief im ver­gan­ge­nen Juni der Ver­trag aus und wur­de von der vati­ka­ni­schen Kli­nik nicht erneu­ert. Die Gemel­li-Kli­nik erhält mit­tels Kon­ven­tio­nen für ihre medi­zi­ni­schen Lei­stun­gen ansehn­li­che Sum­men von der öffent­li­chen Hand.

Heart­li­fe Cro­ce Amica, das wegen des aus­ge­lau­fe­nen Ver­trags die 28 Mit­ar­bei­ter ent­las­sen muß­te, die für die Gemel­li-Kli­nik tätig waren, ersuch­te um Akten­ein­sicht zur Neu­aus­schrei­bung der Dienst­lei­stung. Zugleich beton­te das Unter­neh­men, daß die Geset­ze der Regi­on Lati­um den Ein­satz von qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal verlangen.

Mit gleich drei Schrei­ben wur­de von der Kli­nik-Direk­ti­on geant­wor­tet, daß die Gemel­li-Kli­nik ein pri­va­tes Unter­neh­men sei, weder der Gesetz­ge­bung von Lati­um noch jener von Ita­li­en unter­lie­ge und  nicht dar­an den­ke, bekannt­zu­ge­ben, wer den Zuschlag für die Dien­ste erhielt, die bis­her von Heart­li­fe Cro­ce Amica gelei­stet wurden.

Offen­bar schließt das Rote Kreuz die Lücke, des­sen Ange­bot um 400.000 Euro gün­sti­ger sei, weil es auf den Ein­satz von ehren­amt­li­chen Mit­ar­bei­tern setzt.

Die roten Zahlen

Eini­ge Gesund­heits­ein­rich­tun­gen des Vati­kans sind skan­dal­ge­beu­telt. Für die Kri­se ste­hen Namen wie die der Kli­nik San Car­lo di Nan­cy, das Der­ma­to­lo­gi­sche Insti­tut IDI und auch die Gemel­li-Kli­nik selbst. Das Pro­blem sind nicht die Gesund­heits­stan­dards, die viel­mehr exzel­lent sind, son­dern zer­rüt­te­te Finan­zen, schlech­tes Manage­ment und ver­schwun­de­nes Geld. Die Güter­ver­wal­tung APSA muß­te zuletzt mehr­fach mit Mil­lio­nen­be­trä­gen aushelfen.

2016 errich­te­te Papst Fran­zis­kus eine eige­ne Kom­mis­si­on, um den Miß­stän­den abzu­hel­fen. Vor kur­zem wur­de ihr Man­dat erneu­ert. Gelei­tet wird sie von Msgr. Lui­gi Mistò.

Was Papst Fran­zis­kus Kar­di­nal Pell, solan­ge die­ser Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats war, ver­wei­ger­te, gewährt er sei­nem Ordens­mit­bru­der P. Guer­re­ro Alves – mit einer grund­le­gen­den Vari­an­te. Das Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at war von Fran­zis­kus errich­tet wor­den, um die Kon­trol­le über Ver­wal­tung und Finan­zen an einer Stel­le zu kon­zen­trie­ren. Dage­gen lei­ste­te die APSA, die reich­ste Insti­tu­ti­on des Vati­kans, ent­schie­de­nen Wider­stand, so ent­schie­den, daß man­che dar­in den wirk­li­chen Grund sehen, wes­halb gegen Kar­di­nal Pell in Austra­li­en Miß­brauchs­vor­wür­fe erho­ben wur­den und ihn in einen mehr­jäh­ri­gen Pro­zeß ver­wickel­ten. Die­se erwie­sen sich am Ende zwar als halt­los, brach­ten den Kar­di­nal aber um Anse­hen und Ämter.

Der neue Anlauf, der nun von P. Guer­re­ro Alves durch­ge­führt wird, erfolgt nicht mehr gegen die APSA, son­dern mit und durch die APSA. Die gesam­te Kon­trol­le der Vati­kan­finan­zen wird bei der APSA kon­zen­triert. Ihrem Ein­fluß unter­liegt nun auch der Gesund­heits­fonds FAS des Vati­kans, wodurch das Gewicht des Gover­na­torats im Gesund­heits­we­sen geschwächt wird. Die Coro­na-beding­ten Ver­lu­ste muß zudem in erster Linie das Gover­na­torat tragen.

An der Spit­ze des Gover­na­torats steht mit Giu­sep­pe Ber­tel­lo, einem Zög­ling von Kar­di­nal Sod­a­no, aller­dings einer der der­zeit ein­fluß­reich­sten Kar­di­nä­le hin­ter den Leo­ni­ni­schen Mau­ern. Der sich dar­aus erge­ben­de Macht­kampf wirkt sich läh­mend auf die Gesund­heits­ein­rich­tun­gen aus und ver­stärkt die Kri­se, anstatt sie zu lindern. 

Zum Gesund­heits­we­sen des Vati­kans gehö­ren 102 Kran­ken­häu­ser mit mehr als 18.000 Kran­ken­bet­ten, wei­te­re 257 Ein­rich­tun­gen sowie 1.535 Senio­ren­hei­me mit 7.000 Ärz­ten und 70.000 medi­zi­ni­schen Mit­ar­bei­tern sowie Ver­wal­tungs­per­so­nal. Auf­grund der Kon­ven­tio­nen erhal­ten sie vom Staat zwei Mil­li­ar­den Euro im Jahr, zu denen noch die Zuwen­dun­gen auf­grund der Kon­ven­tio­nen mit Regio­nen und Kom­mu­nen kommen.

Die Fra­ge steht im Raum, die sich Exper­ten stel­len, war­um es trotz die­ser Zah­len und Sum­men dem Vati­kan nicht gelun­gen ist, schwar­ze Zah­len zu schrei­ben. Anders aus­ge­drückt: Wo sind die Gel­der hin­ge­flos­sen, sodaß unterm Strich ein Finanz­loch klafft?

An die­ser Stel­le brin­gen Insi­der ein kata­stro­phal miß­glück­tes Immo­bi­li­en­ge­schäft in Lon­don ins Spiel. Kar­di­nal Ange­lo Becciu, damals Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs und heu­te Prä­fekt der Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on, bestritt mit Nach­druck, daß für die Lon­do­ner Luxus­im­mo­bi­lie Gel­der des Peters­pfen­nigs ein­ge­setzt wur­den. Die Rede ist von einem Ver­lust von 200 Mil­lio­nen Dollar.

Woher kam dann das Geld? Aus dem Gesund­heits­fonds? Auch das wird in Abre­de gestellt. Aller­dings wur­de Msgr. Ange­lo Perl­as­ca, der dem Gesund­heits­fonds vor­stand, wegen des Lon­don-Geschäf­tes „degra­diert“. Fakt ist, daß sowohl die Immo­bi­li­en­ge­schäf­te in Lon­don als auch das vati­ka­ni­sche Gesund­heits­we­sen ein enor­mes Defi­zit ver­ur­sacht haben. Die Ursa­chen­for­schung müß­te ein Gebot der Stun­de sein, doch im Vati­kan ist davon wenig zu vernehmen.

Statt­des­sen wer­den Ein­spa­run­gen umge­setzt, die Arbeits­plät­ze kosten und, wie Fach­leu­te sagen, das Pro­blem noch ver­stär­ken könnten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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