(Rom) Kardinal George Pell wurde gestern in Untersuchungshaft genommen. Die Maßnahme ist für kontinentaleuropäische Rechtsstandards ungewöhnlich, nicht aber für den angelsächsischen Raum. In 70 Prozent der Fälle wird sie in Australien nach einer Verurteilung ersten Grades wegen eines Sexualdelikts verhängt. Während in Australien Zweifel an der Verurteilung laut werden, weil sie nur aufgrund einer Zeugenaussage, aber ohne Beweise erfolgte, unterstützt der Vatikan die Vorverurteilung des Kardinals. Papst Franziskus verhängte weitere Sanktionen, die vom Presseamt auf ungewöhnliche Weise bekanntgegeben wurden.
Noch am Dienstag, dem Tag der Urteilsverkündung – das Urteil selbst war bereits am 11. Dezember 2018 gefällt worden –, veröffentlichte das vatikanische Presseamt eine offizielle Erklärung des Heiligen Stuhls.
Der interimistische Vatikansprecher Gisotti erklärte, daß sich der Heilige Stuhl dem anschließt, was der Vorsitzende der Australischen Bischofskonferenz zur Verurteilung ersten Grades von Kardinal Pell sagte. Er sprach zudem von einer „schmerzlichen Nachricht“, die „sehr viele Menschen schockiert“ habe. Der Heilige Stuhl bekundete aus dem Mund Gisottis „größten Respekt für die australischen Gerichtsbehörden“. Man warte nun das Berufungsverfahren ab und erinnere daran, „daß Kardinal Pell seine Unschuld beteuert hat und das Recht hat, sich bis zur letzten Instanz zu verteidigen“.
In Erwartung eines rechtskräftigen Urteils, so der Heilige Stuhl, „schließen wir uns den australischen Bischöfen im Gebet für alle Opfer des Mißbrauchs an“. Zugleich bekräftigte Gisotti, daß der Heilige Stuhl alles Menschenmögliche tun werde, damit die Kirche „ein sicherer Ort für alle ist, besonders für die Kinder und die Schutzlosesten“.
Gisotti gab in der Erklärung auch die erstmals von Papst Franziskus verhängten „Präventivmaßnahmen“ bekannt. Franziskus untersagte Kardinal Pell „präventiv“ die öffentliche Ausübung seines Priestertums und „jedweden Kontakt“ mit Minderjährigen.
Einen ganzen Arbeitstag später folgte Ungewöhnliches. Abseits der offiziellen Kanäle enthüllte Gisotti am späten Abend desselben Tages auf seinem privaten Twitter-Kanal plötzlich noch mehr:
„Ich kann bestätigen, daß Kardinal George Pell nicht länger Präfekt des Wirtschaftssekretariats ist.“
Das Amt übte der australische Purpurträger bereits seit dem Sommer 2017 nicht mehr aus, als er Rom enttäuscht verließ und nach Australien zurückkehrte, um sich vor Gericht den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu stellen. Offiziell war er aber weiterhin Dikasterienleiter.
Das Detail seiner Entlassung als Präfekt seines römischen Dikasteriums war in der Erklärung des Heiligen Stuhls nicht enthalten gewesen. Die Vorgehensweise eines Pressesprechers, der privat enthüllt, was er offiziell bekanntgeben sollte, dürfte zumindest ungewöhnlich sein. Erst gestern veröffentlichte das vatikanische Presseamt eine weitere Stellungnahme:
„In Beantwortung von Journalistenfrage erklärte der Direktor ‚ad interim‘ des Presseamtes des Heiligen Stuhls, Alessandro Gisotti:
Ich bestätige, daß Kardinal George Pell nicht mehr Präfekt des Wirtschaftssekretariats ist. Ich kann auch bekanntgeben, daß sich nach der Verurteilung erster Instanz von Kardinal Pell nun die Kongregation für die Glaubenslehre mit dem Fall in den von den kanonischen Bestimmungen festgelegten Formen und Zeiten beschäftigen wird.“
In der nachgereichten, zweiten Erklärung wurde nicht dementiert, was Gisotti bereits am Tag zuvor auf Twitter enthüllt hatte, sondern noch mehr Zusätzliches verkündet, was in der offiziellen Reaktion auf das Urteil zunächst fehlte, nämlich die Einleitung eines kanonischen Prozesses gegen Kardinal Pell. Ein solcher Schritt kann nur mit Genehmigung des Papstes erfolgen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter (Screenshot)
Ein durch und durch politischer Prozess.
Es ist ein unglaublicher Vorgang, das überaus zweifelhafte Urteil (ohne jeglichen Beweis!), erst zweieinhalb Monate nachdem es gefällt wurde direkt nach dem Missbrauchsgipfel überaus medienwirksam zu verkünden.
Ich behaupte, dass Kardinal Pell als konservativer Kardinal einfach aus dem Weg geräumt werden sollte.
Wäre er ein progressiver Kardinal, so hätte es nie einen Missbrauchsprozess gegen ihn gegeben.
Vergangenen Sonntag wurde in unserer Kirche anlässlich des Missbrauchsgipfels der Hirtenbrief von Bischof Fürst in der „Predigt“ von unserem Pfarrer vorgelesen und noch durch ein paar persönliche Sätze ergänzt.
Mein Eindruck:
Die unterschwellige Botschaft an die Gläubigen lautet: „Die katholische Kirche ist in weiten Teilen ein heruntergekommener und verdorbener Haufen“.
Kein Wunder, dass immer mehr „Gläubige“ austreten wollen.
Irgendwo hab ich das Gefühl, dass hohe und höchste Kirchenvertreter selber die katholische Kirche in Misskredit bringen wollen.