Päpstlicher Diskurs „gewollt unvollständig“

Römische Jesuitenzeitschrift lobt Kommunikationstechnik von Papst Franziskus


Papst Franziskus mit Hernan Reyes: „Vierhändig“ geschriebenes Buch.
Papst Franziskus mit dem Journalisten Hernan Reyes, mit dem er „vierhändig“ das Buch "Lateinamerika" geschrieben hat.

(Rom) Papst Fran­zis­kus star­tet heu­te zu einer Asi­en­rei­se. Es han­delt sich um die 32. Aus­lands­rei­se des amtie­ren­den Kir­chen­ober­haup­tes. Sie führt ihn zunächst nach Thai­land und dann nach Japan, zwei Län­der „mit tau­send­jäh­ri­ger, nicht­christ­li­cher Tra­di­ti­on“, wie Erz­bi­schof Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez, der Ghost­wri­ter des Pap­stes, schrieb. Die ihn beglei­ten­den Jour­na­li­sten inter­es­siert ande­res mehr:

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„Wie immer rich­ten sich die Erwar­tun­gen der 70 Jour­na­li­sten in sei­nem Gefol­ge schon jetzt auf die nie feh­len­de Pres­se­kon­fe­renz, die er wäh­rend des Rück­flugs nach Rom hal­ten wird“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Zuletzt gab es eine sol­che flie­gen­de Pres­se­kon­fe­renz schon auf dem Hin­flug nach Afri­ka. Die impro­vi­sier­ten Ant­wor­ten des Pap­stes auf die Jour­na­li­sten­fra­gen haben, da sehr öffent­lich­keits­wirk­sam, die Rol­le des „ordent­li­chen Lehr­am­tes“ von Jor­ge Mario Berg­o­glio über­nom­men. Das gilt für die Pres­se­kon­fe­ren­zen in luf­ti­gen Höhen und für die noch umstrit­te­ne­ren Inter­views, die Fran­zis­kus gibt.

Gesprächsbuch „Lateinamerika“, Originalausgabe
Gesprächs­buch „Latein­ame­ri­ka“, Originalausgabe

Nicht weni­ge Katho­li­ken sto­ßen sich an die­sem inof­fi­zi­el­len päpst­li­chen Rede­fluß. Weni­ger wäre mehr, heißt es schon seit Herbst 2013. Ent­schul­di­gend wird auf das „süd­län­di­sche Natu­rell“ eines Argen­ti­ni­ers ita­lie­ni­scher Abstam­mung ver­wie­sen. Als wirk­li­cher Trost gilt das aller­dings nicht. „Pius XII. war auch Ita­lie­ner“, wird gele­gent­lich ent­ge­gen­ge­hal­ten, um zu sagen, daß der aktu­el­le päpst­li­che Wort­schwall sich damit allein wohl nicht erklärt.

Anders sieht es das päpst­li­che Umfeld. Der inzwi­schen gestürz­te, aber weich gelan­de­te, ehe­ma­li­ge Prä­fekt des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats, Dario Edo­ar­do Viganò (nicht ver­wandt mit dem papst­kri­ti­schen, ehe­ma­li­gen Nun­ti­us in den USA, Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò), rühm­te bereits 2015 den „kom­mu­ni­ka­ti­ven Stil“ des regie­ren­den Pap­stes als gera­de­zu unver­gleich­lich. Inner­halb der katho­li­schen Kir­che konn­ten ihm nicht alle zustim­men, denn die Quan­ti­tät der päpst­li­chen Wor­te gehe nicht sel­ten zu Lasten der Qua­li­tät. Vor allem an Klar­heit feh­le es zu wich­ti­gen Fra­gen. Zwei­deu­ti­ge For­mu­lie­run­gen erzeu­gen Ver­wir­rung und Unsi­cher­heit. Die Bei­spie­le wer­den immer zahl­rei­cher und die Kon­se­quen­zen dar­aus immer drücken­der, wes­halb sie bei immer mehr Katho­li­ken an eine Schmerz­gren­ze stoßen.

Die Berg­o­glio-Gar­de mein­te auch schon, „in die­sen Zei­ten ist eine gewis­se Ver­wir­rung unvermeidlich“. 

Beden­ken gegen eine sol­che Hal­tung wur­den nicht berück­sich­tigt. Der Hof­staat hul­digt wei­ter. In der aktu­el­len Aus­ga­be der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca fin­det sich ein Auf­satz des argen­ti­ni­schen Jesui­ten Die­go Fares, der die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik von Papst Fran­zis­kus ana­ly­siert und mit „höch­ster Punk­te­zahl“ beno­tet, so San­dro Magister.

P. Diego Fares SJ
P. Die­go Fares SJ

Vor­aus­zu­schicken ist: Jede Aus­ga­be der Civil­tà Cat­to­li­ca braucht eine Druck­erlaub­nis des Hei­li­gen Stuhls. Zu wich­ti­gen The­men über­nimmt Papst Fran­zis­kus, im Gegen­satz zu sei­nen Vor­gän­gern, die Auf­ga­be des Zen­sors selbst.

Grund­la­ge der Ana­ly­se von Pater Fares ist das 2017 erschie­ne­ne Gesprächs­buch „Latein­ame­ri­ka“ des Pap­stes mit dem argen­ti­ni­schen Jour­na­li­sten Her­n­an Rey­es (sie­he dazu auch Popu­list ist der neue Kampf­be­griff der Ultra­li­be­ra­len).

Die Spra­che von Fran­zis­kus, so Fares, sei gera­de­zu ein „Ereig­nis an neu­er Kom­mu­ni­ka­ti­on“. In die­sem „vier­hän­dig“ geschrie­be­nen Buch, in dem sich der inter­view­te Papst „zum Co-Autor ver­wan­delt“, habe sich „end­gül­tig ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil kon­so­li­diert, den Fran­zis­kus lang­sam, lang­sam ent­wickelt hat“. Pater Fares nennt als Beginn die­ser Ent­wick­lung das „erste Inter­view, das er P. Anto­nio Spa­da­ro“ im Sep­tem­ber 2013 gab. Der Jesu­it nennt zudem die flie­gen­den Pres­se­kon­fe­ren­zen als Haupt­ex­er­zier­feld, um die­sen „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil“ auszufeilen.

„Fran­zis­kus hat ver­stan­den, daß Inter­views eine Art sind, um an die Rän­der der Spra­che ‚hin­aus­zu­ge­hen‘.“

Fares geht aber noch weiter:

„Hin­aus­ge­hen in dem Sinn, daß er bei offi­zi­el­len Reden eine ‚voll­stän­di­ge‘ Rede über­reicht, wäh­rend in einem Inter­view sein Dis­kurs ‚unvoll­stän­dig‘ ist und von dem ver­voll­stän­digt wird, was der Ande­re sagt.“

Die Zwei­deu­tig­keit der Spra­che, die von ande­ren bemän­gelt wird, ist laut Fares gewollt. Die Spra­che von Fran­zis­kus sei gewollt „unvoll­stän­dig“. Gewollt sei dem­nach auch die Ver­voll­stän­di­gung etwa durch Euge­nio Scal­fa­ri. An die­ser Stel­le wird die Ana­ly­se hochbrisant.

„Lateinamerika“, italienische Ausgabe
„Latein­ame­ri­ka“, ita­lie­ni­sche Ausgabe

An die­ser Stel­le kom­men zwangs­läu­fig die umstrit­te­nen Gesprä­che des Pap­stes mit Euge­nio Scal­fa­ri, dem ita­lie­ni­schen Jour­na­li­sten, Intel­lek­tu­el­len und Athe­isten aus frei­mau­re­ri­schem Haus, in den Sinn. Des­sen Kolum­nen über die­se Gesprä­che sind nicht nur mit direk­ter Rede von Fran­zis­kus gespickt, son­dern auch mit häre­ti­schen Vor­schlä­gen, Ideen und Posi­tio­nen – die Scal­fa­ri dem Papst zuschreibt. Das Spek­trum umfaßt die „Abschaf­fung“ der Sün­de, der Höl­le, der Gott­heit Jesu… 

Der Vati­kan „demen­tier­te“, heißt es. Die Zwei­fel an der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­art des Pap­stes wur­den damit nicht aus­ge­räumt. Die Zwei­fel betref­fen näm­lich auch, ob der Vati­kan wirk­lich demen­tier­te, denn auch dies­be­züg­lich blieb die Kom­mu­ni­ka­ti­on „unvoll­stän­dig“. Gewollt unvoll­stän­dig? Das erste der umstrit­te­nen Gesprä­che von Fran­zis­kus mit Scal­fa­ri wur­de vom Vati­kan­ver­lag sogar in Buch­form ver­öf­fent­licht. Eine Distan­zie­rung sieht anders aus.

Laut Pater Die­go Fares SJ und der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca, ist alles gewollt „unvoll­stän­dig“. Und da die Druck­erlaub­nis für den Auf­satz vom Hei­li­gen Stuhl erteilt wur­de, viel­leicht von Fran­zis­kus per­sön­lich, scheint man es dort nicht anders zu sehen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shots)

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3 Kommentare

  1. Der Jesu­it Die­go Fares ver­sucht schlau­er­wei­se schön­zu­re­den, indem er aus der Not eine Tugend zu machen ver­sucht. Die Spra­che von Fran­zis­kus ist nicht „gewollt unvoll­stän­dig“. Er kann offen­sicht­lich nicht anders, weil sei­ne intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten schlicht­weg nicht mehr her­ge­ben. Einen Hin­weis dar­auf mögen die mit­un­ter recht naiv daher­kom­men­den, sich oft­mals selbst wider­spre­chen­den päpst­li­chen San­ta-Mar­ta-Impro­vi­sa­ti­ons­ho­mi­li­en geben. 

    Berg­o­glio weiß um sei­ne eige­ne Schwä­che, hat­te dies zu Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats zuge­ge­ben und anfäng­lich Inter­views des­we­gen aus­drück­lich abge­lehnt. („Ich kann das nicht.“) Aber schon bald dar­auf hat­te er irgend­wie Spaß dar­an gefun­den und über­lässt es mitt­ler­wei­le denen, die so den­ken wie er selbst, schwam­mi­ge, mehr­deu­ti­ge Inter­view-Sager so zu ver­voll­stän­di­gen bzw. zu inter­pre­tie­ren, wie es ihm in die Agen­da passt. Des­halb gibt es manch­mal zwar etwas Spott in der Öffent­lich­keit, aber kei­ne aus­drück­li­chen Demen­tis sei­tens des Vatikans.

  2. Man braucht nur das Buch „Der Diktatorpapst“
    von Mar­can­to­nio Colon­na lesen.

    Die­ser Papst der sich so beschei­den und volksnahe
    gibt, ist sei­ner eige­nen Macht voll bewusst.

    Aber die Mäch­te der Unter­welt wer­den sie nicht
    überwältigen.
    Mt.16.18

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