„Der eine Gott und die moderne Gesellschaft“

Zwei neue Bücher von und über Eugenio Scalfari – und Papst Franziskus


„Grand Hotel Scalfari“ ist nur eines von zwei Büchern, die innerhalb weniger Tage von und über Eugenio Scalfari, den atheitischen und freimaurerischen Freund von Papst Franziskus erschienen sind.
„Grand Hotel Scalfari“, eines von zwei Büchern, die innerhalb weniger Tage von und über Eugenio Scalfari, den atheistischen Freund von Papst Franziskus erschienen sind.

(Rom) Euge­nio Scal­fa­ri, der athe­isti­sche Freund von Papst Fran­zis­kus leg­te ein neu­es Buch vor, das ver­deut­licht, wor­um es ihm – mit Hil­fe von Fran­zis­kus – geht. Das Buch „Il Dio uni­co e la socie­tà moder­na“ (Der eine Gott und die moder­ne Gesell­schaft, Ein­au­di, 2019) ent­hält alle Aus­sa­gen des regie­ren­den Pap­stes, die in der Ver­gan­gen­heit in der Kir­che für erheb­li­che Irri­ta­tio­nen sorg­ten und wohl noch sor­gen wer­den. Scal­fa­ri beharrt auf ihrer Authen­ti­zi­tät – unwidersprochen.

Anzei­ge

Euge­nio Scal­fa­ri ist um zwölf Jah­re älter als das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt. Wie läßt sich ihr Ver­hält­nis, das offen­sicht­lich bewußt von einer Aura des Unkla­ren und Undurch­sich­ti­gen umge­ben ist, beschrei­ben? Am ehe­sten als kon­ge­ni­al, da eine gewis­se Gei­stes­ver­wandt­schaft nach sechs Jah­ren der unre­gel­mä­ßi­gen, aber trotz aller Kri­tik fort­dau­ern­den „Zusam­men­ar­beit“ kaum bestrit­ten wer­den kann. 

Scal­fa­ri gilt seit den 70er Jah­ren als Doy­en des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus. Damals grün­de­te er links vom groß­bür­ger­lich-libe­ra­len Cor­rie­re del­la Sera sei­ne eige­ne Tages­zei­tung, La Repubbli­ca. Scal­fa­ri selbst mach­te seit den 50er Jah­ren jeden gesell­schafts­po­li­ti­schen Kampf mit, der das Land ein Stück wei­ter nach links füh­ren soll­te. Ziel­schei­be sei­nes media­len Akti­vis­mus waren neben der poli­ti­schen Rech­ten vor allem die Unauf­lös­lich­keit der Ehe, die Unan­tast­bar­keit eines Men­schen­le­bens und immer wie­der die katho­li­sche Kir­che und ihre Dog­men. In vie­len Kämp­fen war er als außer­par­la­men­ta­ri­scher Wort­füh­rer erfolg­reich: in den 70er Jah­ren wur­den Schei­dung und Abtrei­bung lega­li­siert, vor weni­gen Jah­ren auch „Homo-Ehe“ und Euthanasie.

Autobiographisches Gesprächsbuch
Auto­bio­gra­phi­sches Gesprächsbuch

In allen genann­ten Punk­ten war die Kir­che, von ihm als orga­ni­sier­ter Hort des Wider­stan­des gegen sei­ne Ziel­set­zun­gen gese­hen, der erklär­te Geg­ner. Mit sei­ner Zei­tung unter­stütz­te er kon­se­quent eine Min­der­heit in der Kir­che, die sei­nen Über­zeu­gun­gen nahe­stand. Er bot ihr brei­ten Raum, wäh­rend auf den­sel­ben Sei­ten die gemein­sa­men Geg­ner in der Kir­che, die „Dog­men­fi­xier­ten“ und „Para­gra­phen­rei­ter“, Papst Fran­zis­kus wür­de von den „Schrift­ge­lehr­ten“ spre­chen, attackiert wurden.

Scal­fa­ri, der zwar die Chef­re­dak­ti­on längst abge­ge­ben hat, behielt sein Gewicht und sei­ne Kolum­ne. Man­che, auch Katho­li­ken, vom Vor­wurf ein­ge­lullt, Ver­schwö­rungs­theo­rien zu ver­brei­ten, hören es nicht ger­ne, doch für Scal­fa­ri ist es wich­tig: Er ist stolz auf sei­ne frei­mau­re­ri­sche Abkunft. Über sei­ne eige­ne Logen­zu­ge­hö­rig­keit schweigt er sich zwar aus, ver­weist aber ger­ne dar­auf, daß bereits sein Groß­va­ter und sein Urgroß­va­ter und sein Urur… beschürz­te Brü­der und Logen­grün­der waren. „Mei­ne Vor­fah­ren grün­de­ten Logen in der gesam­ten Gegend von Catanza­ro“, wird er in dem vor zwei Wochen erschie­ne­nen Buch von Anto­nio Gno­li und Fran­ces­co Mer­lo „Grand Hotel Scal­fa­ri. Con­fes­sio­ni liber­ti­ne su un seco­lo di car­ta“ (Grand Hotel Scal­fa­ri. Liber­ti­ne Bekennt­nis­se über ein Jahr­hun­dert Papier”, Mar­si­lio Edi­to­ri, 2019) zitiert. Scal­fa­ri selbst zitiert im Buch einen Frei­mau­rer­freund, der über sei­nen Groß­va­ter, einen „über­zeug­ten Sozia­li­sten“, sag­te, er sei „wie ein alter Luzi­fer gewe­sen, der sich ent­flammt“. Ähn­li­che Anspie­lun­gen fin­den sich zahl­reich in die­sem Buch, wäh­rend er deut­li­cher als bis­her andeu­tet, gleich nach dem Krieg in San Remo in die Loge ein­ge­tre­ten zu sein. Er tut dies, nicht ohne Hin­weis, daß 1874 in San Remo die Loge Ligu­ria gegrün­det wur­de, Vor­gän­ge­rin der heu­te dort arbei­ten­den Logen, und die Zei­tung Luci­fe­ro (Luzi­fer) her­aus­gab. Luzi­fer ist für die Logen­brü­der nicht das per­so­ni­fi­zier­te Böse des Chri­sten­tums, son­dern der „Licht­brin­ger“, der in Logen ange­be­tet und nach des­sen Kennt­nis­sen gestrebt wird.

Der eine Gott für die eine Weltreligion

Noch neue­ren Datums, als die erwähn­ten „Bekennt­nis­se“ ist das jüng­ste Buch Scal­fa­ris: „Der eine Gott und die moder­ne Gesell­schaft“. Es ist seit Diens­tag, 5. Novem­ber, im Buch­han­del und trägt den Untertitel: 

„Begeg­nun­gen mit Papst Fran­zis­kus und Kar­di­nal Car­lo Maria Martini“.

Der eine Gott für die eine Weltreligion
Der eine Gott für die eine Weltreligion

Die Kom­bi­na­ti­on der bei­den Jesui­ten Berg­o­glio und Mar­ti­ni, die 2005 gemein­sam im Kon­kla­ve saßen und sich bemüh­ten, die Wahl des dama­li­gen Glau­bens­prä­fek­ten Joseph Ratz­in­ger zum Papst zu ver­hin­dern, sticht sofort ins Auge. Mar­ti­ni, der Gegen­spie­ler von Papst Johan­nes Paul II. und ewi­ge „Ante-Papa“ (künf­ti­ge Papst), wie er sich selbst nann­te und dabei bewußt mit der Nähe zum Begriff „Anti-Papa“ (Gegen­papst) koket­tier­te, muß­te aber erken­nen, daß sei­ne Zeit nicht mehr kom­men wür­de. Er hat­te kei­ne Aus­sicht, eine Mehr­heit der Kar­di­nä­le hin­ter sich zu ver­sam­meln, so ver­schob er sei­ne Stim­men auf Berg­o­glio. Die­ser blieb zwar deut­lich hin­ter Ratz­in­ger zurück, war damit aber nach Stim­men sein wich­tig­ster Kon­kur­rent geworden.

Kar­di­nal Mar­ti­ni war das pro­gres­si­ve Gegen­ge­wicht zum „restau­ra­ti­ven“ Dop­pel-Pon­ti­fi­kat von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. In sei­nem letz­ten Inter­view, das er erst nach sei­nem Able­ben im Cor­rie­re del­la Sera ver­öf­fent­li­chen ließ – Mar­ti­ni starb im August 2012 –, hin­ter­ließ er sein gei­sti­ges Ver­mächt­nis: Die Kir­che müs­se end­lich den „Rück­stand“ von 200 Jah­ren auf­ho­len. Mit ande­ren Wor­ten: Sie habe die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on von 1789 nach­zu­ho­len und sich zu eigen zu machen. 

Genau an die­ser Stel­le setzt Scal­fa­ri in sei­nem neu­en Buch an: 

„Das Pro­blem der Moder­ni­sie­rung der Kir­che stellt sich histo­risch alle zwei oder drei Jahr­hun­der­te, und es ist des­halb, daß das Chri­sten­tum mehr als 2000 Jah­re stand­ge­hal­ten hat und noch immer exi­stiert. Jetzt ist die Not­wen­dig­keit gege­ben, die Kir­che zu moder­ni­sie­ren, indem sie der Gesell­schaft ange­paßt wird.“

Die Moder­ni­sie­rung, ver­stan­den als Anpas­sung an die heu­ti­ge Gesell­schaft, ist ein roter Faden, der das Buch durch­zieht. Der zwei­te rote Faden ist die Glo­ba­li­sie­rung im Sin­ne des Uni­ver­sa­lis­mus, aller­dings weni­ger des christ­li­chen, son­dern dem der Frei­mau­re­rei. So expli­zit sagt es Scal­fa­ri zwar nicht, aber aus­rei­chend deut­lich, wenn man sich Les­sings Ring­pa­ra­bel mitdenkt.

Die Anpas­sung der Kir­che soll, so Scal­fa­ri, nicht an irgend­ei­ne, bei­spiels­wei­se die christ­li­che Gesell­schaft erfol­gen, son­dern an die „Gesell­schaft, die die Welt bil­det“, an eine „Welt­ge­sell­schaft“. Und die­se, so der 95 Jah­re alte Jour­na­list, „hat auch ihre Reli­gio­nen“. Eini­ge davon sei­en mono­the­istisch, „aber mit einem eige­nen Gott, der nicht der der Bibel und vor allem nicht der Evan­ge­li­en ist“.

„Der Papst, den wir heu­te haben, dem in der Zeit das Wir­ken von Kar­di­nal Mar­ti­ni vor­aus­ging, der sein Freund war zur Zeit der Kon­kla­ven, bekräf­tigt stän­dig, daß der Schöp­fer­gott ein und der­sel­be ist in der gan­zen Welt. Es kann kei­nen Gott geben, der Eigen­tum eines Vol­kes ist. Histo­risch gibt es die­se Situa­tio­nen zwar in einer gro­ßen Zahl von Staa­ten, aber was Papst Fran­zis­kus sagt, das stimmt für jene, die an einen Gott glau­ben: die­ser Gott ist einer allein, die Epo­che der Göt­ter liegt inzwi­schen schon 2000 Jah­re zurück und hat jeden Sinn verloren.“

Das sei „das Beson­de­re an Papst Fran­zis­kus“, wes­halb Scal­fa­ri sei­ne Gesprä­che mit dem Papst und die ihnen vor­aus­ge­gan­ge­nen Gesprä­che mit Kar­di­nal Mar­ti­ni nun in Buch­form ver­öf­fent­lich­te. Am Diens­tag wur­de es zusam­men mit der Aus­ga­be der Repubbli­ca ver­teilt.

Dar­in abge­druckt sind alle Kolum­nen, die er im Lau­fe der Jah­re über sei­ne Begeg­nun­gen mit Fran­zis­kus und zuvor schon mit Kar­di­nal Mar­ti­ni schrieb. Ent­hal­ten sind somit auch alle von Scal­fa­ri Papst Fran­zis­kus in direk­ter Rede zuge­schrie­be­nen Aus­sa­gen, die in der Kir­che hoch­um­strit­ten sind und als „skan­da­lös“ oder sogar „häre­tisch“ kri­ti­siert wur­den. Da es sich um den Papst han­delt, wur­de die teils empör­te Kri­tik kirch­li­cher Ver­tre­ter mehr unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit und oft sogar hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand geäu­ßert. Die öffent­lich geäu­ßer­te Kri­tik läßt aber aus­rei­chend deut­lich erken­nen, wie bri­sant und heiß die Sache ist: ent­we­der das Vor­ge­hen Scal­fa­ris oder die Über­zeu­gun­gen von Papst Franziskus.

Das Buch ent­hält alles, was der Vati­kan in den ver­gan­ge­nen sechs­ein­halb Jah­ren vor­sich­tig und sinn­ge­mäß als „nicht ganz glaub­wür­dig“ bezeich­ne­te, ohne sich bis­her aber ein­deu­tig zu distanzieren.

Aus dem Mund des neu­en Vati­kan­spre­chers Matteo Bruni klang das zur jüng­sten Scal­fa­ri-Kolum­ne über Papst Fran­zis­kus vom 9. Okto­ber 2019 so:

„Wie bereits bei ande­ren Gele­gen­hei­ten gesagt wur­de, kön­nen die Wor­te, die Dr. Euge­nio Scal­fa­ri dem Hei­li­gen Vater aus den Gesprä­chen mit ihm in Anfüh­rungs­zei­chen zuschreibt, nicht als getreue Wie­der­ga­be des tat­säch­lich Gesag­ten betrach­tet wer­den, son­dern stel­len vor allem eine per­sön­li­che und freie Inter­pre­ta­ti­on des­sen dar, was er gehört hat, wie es aus dem ganz offen­sicht­lich erscheint, was heu­te bezüg­lich der Gott­heit Jesu Chri­sti geschrie­ben steht.“

Ein kla­res Demen­ti war das eben­so­we­nig wie schon zuvor jene der Bruni-Vor­gän­ger Greg Bur­ke und P. Feder­i­co Lom­bar­di SJ. Katho​li​sches​.info schrieb zur Bruni-Stel­lung­nah­me, mit der man im Vati­kan die Sache schnell vom Tisch haben wollte:

„Will der Vati­kan­spre­cher damit sagen, Scal­fa­ri sei ein seni­ler Hoch­be­tag­ter oder gar bös­wil­lig? Oder woll­te er nur äußern, daß der Doy­en des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus nicht mehr gut hört und in gutem Glau­ben sich etwas zusam­men­reimt, was Fran­zis­kus so weder gesagt noch gemeint hat?“

Franziskus und Scalfari – ein kongeniales Duo?

Obwohl der Papst durch eine ihm direkt zuge­schrie­be­ne Aus­sa­ge schwer kom­pro­mit­tiert wur­de, und sich ein sol­cher Vor­fall seit der ersten Ver­öf­fent­li­chung Scal­fa­ris im Okto­ber 2013 bei jeder Begeg­nung wie­der­hol­te, schweigt das Kir­chen­ober­haupt und scheint nie ernst­haft in Erwä­gung gezo­gen zu haben, die Gesprä­che mit einem – stim­men die Aus­sa­gen der Vati­kan­spre­cher – so unse­riö­sen und unglaub­wür­di­gen Jour­na­li­sten zu beenden.

Das Ver­hal­ten des Pap­stes und die zurück­hal­ten­de Reak­ti­on der sub­al­ter­nen Vatik­an­be­am­ten läßt viel­mehr die Annah­me zu, daß Scal­fa­ri das Sprach­rohr des der­zei­ti­gen Kir­chen­ober­haup­tes ist, um beson­ders bri­san­te Neue­run­gen wie Ver­suchs­bal­lons star­ten zu las­sen. Wenn ihr Ver­hält­nis als „kon­ge­ni­al“ beschrie­ben wur­de, dann auch des­halb, weil die Zusam­men­ar­beit auf Gegen­sei­tig­keit zu beru­hen scheint. Scal­fa­ri teilt die Aus­sa­gen des Pap­stes, da sie sei­nem Den­ken ent­spre­chen. Er ver­deut­licht sie wahr­schein­lich auch etwas, wor­an ihn der Vati­kan nicht hin­dert. Fran­zis­kus bedient sich des Jour­na­li­sten, um sei­ne Bot­schaf­ten aus­zu­sen­den, und Scal­fa­ri erfreut sich, daß eine weit gewich­ti­ge­re Stim­me als er selbst sagt, was er auch sagen will und trägt dies bereit­wil­lig in die Welt hinaus.

Neuabdruck der jüngsten Scalfari-Kolumne
Neu­ab­druck der jüng­sten Scalfari-Kolumne

Die Aura des Unge­klär­ten und ver­meint­li­cher Unge­reimt­hei­ten, wel­che die Gesprä­che und mehr noch die Berich­te dar­über umgibt, erlaubt es jeder­zeit, nach Bedarf dosier­te Rück­zie­her zu machen, soll­ten die Wogen zu sehr hoch­ge­hen. Das ist aber gar nicht der Fall, weil die Authen­ti­zi­tät der Aus­sa­gen von vati­ka­ni­scher Sei­te im Unkla­ren gelas­sen wird, wäh­rend Scal­fa­ri unge­hin­dert die Authen­ti­zi­tät der­sel­ben behaup­ten kann, die in der Öffent­lich­keit ihre Krei­se zie­hen und Wir­kung entfalten. 

Scal­fa­ri gibt zudem offen zu, frei aus dem Gedächt­nis zu rekon­stru­ie­ren, ver­si­chert aber, den Inhalt der päpst­li­chen Aus­sa­gen getreu wie­der­zu­ge­ben. Zudem, so sei­ne eben­so unwi­der­spro­che­ne Dar­stel­lung im Novem­ber 2013, habe er selbst­ver­ständ­lich dem Papst vor Druck­le­gung den Text vorgelegt. 

Die jüng­ste Kolum­ne zu sei­nen Begeg­nun­gen mit Papst Fran­zis­kus ver­öf­fent­lich­te Scal­fa­ri zum Auf­takt der Ama­zo­nas­syn­ode. Dar­in berich­te­te er, Papst Fran­zis­kus habe zuge­ge­ben, daß Jesus nicht der Sohn Got­tes sei. Die Got­tes­sohn­schaft ist der Knack­punkt, der das Chri­sten­tum von den ande­ren mono­the­isti­schen, neu­er­dings „abra­ha­mi­tisch“ genann­ten Reli­gio­nen, vom Juden­tum und vom Islam, trennt – und zwar unüber­brück­bar. Bei­de ande­ren Reli­gio­nen leh­nen ent­schie­den ab, daß Gott einen Sohn hat. Im Rah­men bei­der Reli­gio­nen wur­den schwer­wie­gen­de Ver­leum­dun­gen gegen Jesus Chri­stus in die Welt gesetzt und bis heu­te nicht zurückgenommen. 

Die „Anglei­chung“ an die ande­ren Reli­gio­nen durch Ver­zicht auf das Tren­nen­de, eine heu­te geprie­se­ne, ja gefor­der­te zivi­le „Tugend“, wür­de den ent­schei­den­den Unter­schied ein­eb­nen und eine Ein­schmel­zung in der Viel­falt zur einen Welt­re­li­gi­on der Welt­ge­sell­schaft mög­lich machen. Der „eine Gott“ könn­te nach die­sem Modell dann auch pro­blem­los der frei­mau­re­ri­sche „Gro­ße Bau­mei­ster aller Wel­ten“ sein. 

Ent­spre­chend – und trotz des zitier­ten „Demen­ti“ des Vati­kan­spre­chers – ent­hält das neue Scal­fa­ri-Buch auch die Aus­sa­ge von Papst Fran­zis­kus, in der die Gott­heit Jesu Chri­sti in Fra­ge gestellt wird.

Die zentrale Botschaft – dritter Abdruck innerhalb eines Monats

La Repubbli­ca stell­te das Buch in der Diens­tag­aus­ga­be auf zwei gan­zen Sei­ten vor. Dazu gehört auch der erneu­te und unver­än­der­te Abdruck die­ser jüng­sten Kolum­ne vom 9. Okto­ber, die – rech­net man das Buch hin­zu – damit inner­halb von einem Monat schon drei­mal ver­öf­fent­licht wur­de. Für Scal­fa­ri ent­hält sie offen­bar die wich­tig­ste der Bot­schaf­ten, die ihm von Fran­zis­kus anver­traut wur­den, wich­ti­ger noch als die Abschaf­fung der Wahr­heit (Okto­ber 2013), der Sün­de (Dezem­ber 2013), die Abschaf­fung der Ungleich­heit (2016) und die Abschaf­fung der Höl­le (2017).

Die eine Welt­re­li­gi­on stellt offen­bar den bis­her krö­nen­den Abschluß in der Ent­fal­tung des Fran­zis­kus-Lehr­am­tes nach Scal­fa­ri dar. Im Novem­ber 2016 begrüß­te Fran­zis­kus Scal­fa­ris Wort vom „uni­ver­sa­len Mesti­zen­tum“, das durch glo­ba­le Ras­sen­ver­mi­schung eine Welt­be­völ­ke­rung ent­ste­hen lasse. 

Im Sep­tem­ber 2017 ver­deut­lich­te Scal­fa­ri den Gedanken:

„In der glo­ba­len Gesell­schaft, in der wir leben, sie­deln sich gan­ze Völ­ker in die­ses oder jenes Land um, und es wird sich Schritt für Schritt, je mehr Zeit ver­geht, eine Art von immer mehr inte­grier­tem ‚Mesti­zen­tum‘ schaf­fen. Er [Fran­zis­kus] sieht dar­in eine posi­ti­ve Sache, wo die ein­zel­nen Per­so­nen und Fami­li­en und Gemein­schaf­ten immer mehr inte­griert und die ver­schie­de­nen Volks­grup­pen ver­schwin­den wer­den, und der Groß­teil unse­rer Erde von einer Bevöl­ke­rung mit neu­en phy­si­schen und spi­ri­tu­el­len Merk­ma­len bewohnt sein wird. Es wird Jahr­hun­der­te oder sogar Jahr­tau­sen­de brau­chen, bis ein sol­ches Phä­no­men umge­setzt sein wird, aber – laut den Wor­ten des Pap­stes – das ist die Rich­tung. Er pre­digt nicht zufäl­lig den ein­zi­gen Gott, das heißt, einen für alle. Ich bin nicht gläu­big, aber ich erken­ne in den Wor­ten von Papst Fran­zis­kus eine Logik: ein ein­zi­ges Volk und ein ein­zi­ger Gott. Es gab bis­her kein reli­giö­ses Ober­haupt, das der Welt die­se sei­ne Wahr­heit gepre­digt hätte.“ 

Den Aspekt der Reli­gi­on ver­deut­lich­te Scal­fa­ri in sei­ner Kolum­ne vom 9. Okto­ber: Der eine Gott sei der allei­ni­ge Schöp­fer, auch Jesus sei sein Geschöpf. Irgend­wann habe Gott sich ent­schie­den, Mensch zu wer­den, was aber – laut Scal­fa­ri – eine gei­sti­ge Sache sei, indem Gott sich des Men­schen Jesus bedient habe, so wie der Engel in Sau­lus auf dem Weg nach Damas­kus hin­ein­ge­fah­ren sei und ihn zum Pau­lus gemacht habe – immer laut Scal­fa­ri. Die christ­li­che Leh­re besagt anderes. 

Wört­lich schreibt der Jour­na­list über Papst Franziskus: 

„Der Papst ist der erste, der die Ein­zig­ar­tig­keit Got­tes Tag für Tag ver­tritt. An einen Gott zu den­ken, der Eigen­tum eines Vol­kes ist, aber nicht ande­rer, ist sinnwidrig.“

Ein Gott für alle, aller­dings nicht im Sin­ne der vom Chri­sten­tum gelehr­ten Bekeh­rung, son­dern der einen Welt­re­li­gi­on für die eine (mesti­zi­sche) Welt­ge­sell­schaft. Ist erst die Hür­de des Got­tes­soh­nes besei­tigt, stün­de laut Scal­fa­ri die­ser Ent­wick­lung nichts mehr im Wege, denn die­ses Den­ken sei „per­fekt logisch für jemand, der an einen Gott glaubt“. Er wird noch deut­li­cher: Hat sich erst das Ver­ständ­nis durch­ge­setzt, daß alle, die an einen Gott glau­ben, zwangs­läu­fig an den­sel­ben Gott glau­ben, wenn auch ver­schie­den in den Zere­mo­nien und in der Erschei­nung, dann soll­ten die ver­blie­be­nen Unter­schie­de „über­wind­bar sein“:

„Papst Fran­zis­kus macht es jeden Tag vor, nicht nur mit Wor­ten, son­dern auch mit Taten: er umarmt die Mus­li­me, er umarmt natür­lich die Juden, von den Pro­te­stan­ten ganz zu schwei­gen, da Chri­sten, aber mit ver­schie­de­nen Verhaltensweisen.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Repubblica/​Verlage (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Euge­nio Scal­fa­ri ist zwar hoch­be­tagt, aber offen­sicht­lich noch sehr klar im Kopf. Und irgend­wie bös­wil­lig scheint er auch noch zu sein – aber nicht gegen­über sei­nem Freund Fran­zis­kus, son­dern per se gegen­über der katho­li­schen Kir­che, deren Freund er nie im Leben war. 

    Auch dürf­te der beschla­ge­ne Doy­en des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus noch ganz gut hören – not­falls mit Hil­fe eines gut funk­tio­nie­ren­den Hör­ge­räts, das man tech­nisch sicher pro­blem­los mit einem Auf­nah­me­ge­rät kom­bi­nie­ren könn­te. Weil sich ein so erfah­re­ner Medi­ne­pro­fi wie Scal­fa­ri wohl kaum auf Dau­er dem Vor­wurf der Lüge aus­set­zen wird, wer­den zu gege­be­ner Zeit bestimmt auch die heim­lich mit­ge­schnit­te­nen Gesprä­che sowohl schrift­lich als auch aku­stisch vor­ge­legt werden. 

    Scal­fa­ris fami­liä­re Frei­mau­rer-Ver­wur­ze­lung und die dar­aus zu zie­hen­den Schlüs­se wer­den von Giu­sep­pe Nar­di plau­si­bel auf­ge­zeigt. Es ist offen­sicht­lich, dass der amtie­ren­de Papst mit frü­hem pero­ni­sti­schen Hin­ter­grund und der frei­mau­re­risch-libe­ra­li­sti­sche Atheist/​Agnostiker Scal­fa­ri es „gut mit­ein­an­der kön­nen“, viel­leicht sogar eine Art Sym­bio­se ein­ge­gan­gen sind und sich somit gegen­sei­tig befruchten. 

    So ist inzwi­schen auch davon aus­zu­ge­hen, dass die soeben zu Ende gegan­ge­ne ama­zo­ni­sche „Pachamama“-Synode in die­ses Geflecht ver­wo­ben ist mit dem – frei­lich uto­pi­schen – letz­ten Ziel der Eine-Welt-Herr­schaft. Inwie­weit dar­über bereits ein ent­spre­chen­der Aus­tausch zwi­schen Scal­fa­ri und Berg­o­glio statt­ge­fun­den hat und ob davon dem­nächst auch noch etwas an die Öffent­lich­keit kommt, bleibt mit Span­nung abzu­war­ten. Mög­lich ist inzwi­schen ja nahe­zu alles. Die Wirk­lich­keit über­trifft manch­mal sogar die aben­teu­er­lich­sten Spekulationen.

  2. Ich bin des Ita­lie­ni­schen lei­der nicht mäch­tig und hof­fe daher, dass sich ein Ver­lag fin­det, der die­ses Buch mög­lichst bald in deut­scher Über­set­zung herausgibt.

    • Zur Arti­kel-Über­schrift „Der eine Gott und die moder­ne Gesell­schaft“ ist mir mitt­ler­wei­le noch etwas ein­ge­fal­len: Hat nicht gewis­ser­ma­ßen einen ersten Anstoß dazu bereits Hans Küng mit sei­nem 1990 erst­ver­öf­fent­lich­ten Buch „Pro­jekt Welt­ethos“ gegeben?

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