(Rom) „Lateinamerika“ heißt das Gesprächsbuch, das Papst Franziskus mit dem argentinischen Journalisten Hernan Reyes Alcaide veröffentlichte, dem Rom-Korrespondenten der Presseagentur Telam von markanter Gestalt. Es wurde von der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika in Rom vorgestellt. Am vergangenen Samstag veröffentlichte die chilenische Tageszeitung El Mercurio einige Auszüge, in der Papst Franziskus auf die Frage eingeht, ob er sich selbst als „Populisten“ sieht.
Reyes Alcaide fragte den Papst, was er vom Populismus hält und was er dazu sagt, daß ihn einige als Populisten bezeichnen.
Papst Franziskus: „Diese Frage ist sehr wichtig, weil heute Mißbrauch mit dem Wort ‚Populismus‘ betrieben wird und es ohne Unterschied gebraucht wird, um sich auf ganz verschiedene Situationen zu beziehen. In erster Linie würde ich ‚Populist‘ [populista] von ‚volkstümlich‘ [popular] unterscheiden. ‚Volkstümlich‘ nennt man, wenn jemand das Empfinden des Volkes zu interpretieren weiß, seine großen Neigungen, seine Kultur. Und daran ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Es kann die Grundlage für ein dauerhaftes Projekt der Veränderung sein.
Der Begriff ‚Populismus‘ hingegen bezieht sich auch auf diese Fähigkeit, das Volksempfinden zu interpretieren und ihm eine Bahn zu brechen. Er bekommt jedoch einen negativen Beigeschmack, wenn er die Geschicklichkeit von jemand meint, die Kultur des Volkes politisch zu instrumentalisieren und in den Dienst seiner eigenen Macht zu stellen.
Das Problem ist, daß sich heute dieses Wort zu einem Kampfbegriff in den ultraliberalen Plänen im Dienst der großen Konzerne verwandelt hat, die eine ‚Ausschüttung‘ ihrer üppigen Unternehmensgewinne versprechen. Von dieser Ideologie wird jeder, der die Absicht hat, die Rechte der Schwächsten zu verteidigen, in deutlich abschätzigem Ton als ‚Populist‘ bezeichnet. Angesichts solcher Bestrebungen, die in den großen Medien stark vorhanden sind, möchte ich daran erinnern, daß ich selbst darauf hingewiesen habe, daß ‚ich weit davon entfernt bin, einen unverantwortlichen Populismus zu betreiben‘.
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Zu fordern, daß jeder die Möglichkeit haben soll, dank seiner Arbeit in Würde zu leben, kann man nicht abschätzig als ‚Populismus‘ bezeichnen. Außer wir sprechen von einem extrem ideologischen Liberalismus.
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Es wäre sehr verantwortungslos, die Schwachen allein dem gefräßigen Räderwerk dieser Welt zu überlassen. Das wäre eine Leichtfertigkeit, die uns früher oder später auf den Kopf fallen würde.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)