(Rom) Kardinal Carlos Aguiar Retes verzichtete auf seinen Platz im Redaktionskomitee für den Schlußbericht der Amazonassynode, gab aber zugleich bekannt, daß das Ergebnis der Synode auch in Mexiko zur Anwendung gelangen könnte.
Kaum war der zweite Synodentag zu Ende platzte auch schon die zweite Mär rund um die Amazonassynode.
Zerbröselnde Amazonas-Mythen
Die erste Mär wurde noch in der vergangenen Woche von katholischen Medien verbreitet: Bei der Amazonassynode werde es nicht um den priesterlichen Zölibat und schon gar nicht um dessen Abschaffung gehen. Kaum hatte der erste Synodentag begonnen, forderte gleich der erste Redner nach Synodengeneralsekretär Baldisseri die Abschaffung des Zölibats. Dabei handelte es sich um keinen Geringeren als den von Papst Franziskus ernannten Generalrelator der Synode, Kardinal Claudio Hummes.
Die zweite Mär wurde in den vergangenen Monaten, ob zur Täuschung oder aus Naivität, nicht minder intensiv behauptet: Die Amazonassynode befasse sich ausschließlich mit dem Amazonas, weshalb die Synodalen auch nur von dort kommen würden. Kaum hatte der zweite Synodentag begonnen, erklärte der Primas von Mexiko, es könne durchaus sein, daß die Ergebnisse der Amazonassynode auch in Mexiko umgesetzt werden.
Welche Ergebnisse?
Die Frage ist brandaktuell, denn die Synode hat soeben erst begonnen und wird noch drei Wochen dauern. Kauft der Primas eines so bevölkerungsreichen Landes, das – für alle Geographiemuffel – nichts mit dem Amazonas zu tun hat, die Katze im Sack? Erklärt er blindlings die Ergebnisse, welche es auch immer sein mögen, in seinem Land übernehmen zu wollen? Ohne zu wissen, was am Ende der Synode herauskommt, geschweige denn, was Papst Franziskus dann entscheiden wird?
An diesem Punkt ist innezuhalten, denn selbst Denkfaulen dürfte auffallen, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann.
Auf die Katze gekommen
In der Tat gibt es schon einen Präzedenzfall. Österreichs Bischöfen kommt der Primat zu, bereits im vergangenen Juli erklärt zu haben, die Beschlüsse der Amazonassynode auch in Österreich umsetzen zu wollen. Das ominöse kirchliche Netzwerk REPAM, dem Franziskus die Synodenvorbereitung anvertraute (nur zu diesem Zweck war es 2014 gegründet worden), veröffentlichte am 5. Juli 2019 ein entsprechendes Schreiben, unterzeichnet im Namen der österreichischen Bischöfe von Msgr. Werner Freistetter, seines Zeichens österreichischer Militärbischof und neuerdings auch Apostolischer Administrator des Bistums Gurk-Klagenfurt. Der Brief war an Kardinal Hummes gerichtet – jenen Hummes, der seinem langjährigen Freund Jorge Mario Bergoglio am Ende des Konklaves von 2013 den Rat gab, sich Franziskus zu nennen, und der am Montag als Generalrelator der Synode die Zölibatsabschaffung forderte.
Das Ganze noch einmal:
- Der Primas von Mexiko, der 2017 von Papst Franziskus ernannte Kardinal Carlos Aguiar Retes, signalisiert schon am Beginn einer dreiwöchigen Tagung, das Ergebnis im Blindflug anerkennen und im eigenen Land umsetzen zu wollen.
- Österreichs Bischöfe erklärten bereits mehr als drei Monate vor Synodenbeginn, das Ergebnis im selben Blindflug anerkennen und an der Donau umsetzen zu wollen.
Kann es sein, daß die Bischöfe des mitteleuropäischen Österreich und jene des katholischsten Landes Lateinamerikas Hasardeure sind?
Von der Katze im Sack war bereits die Rede. Sollte es wirklich um die Katz gehen? Ist eine Aussage des Primas von Österreich, Kardinal Christoph Schönborn, hilfreich, der am 2. Oktober dem hauseigenen Pressedienst seines Erzbistums Wien erklärte:
„Diese Synode darf nicht für die Katz sein.“
An dieser Stelle ist eine Rückblende notwendig.
Die „gelenkten Synoden“ mit „vorgefertigten Ergebnissen“
Bei der ersten Familiensynode (2014), der ersten Synode unter dem Pontifikat von Franziskus, hatten zahlreiche Synodalen schlechte Erfahrungen gemacht. Sie mußten erleben, daß einige Synodalen von der Synodenregie bevorzugt, andere aber benachteiligt wurden. Die tägliche Pressekonferenz wurde so einseitig besetzt, daß unerwünschte Meinungen nicht gehört wurden. Hinzukamen verschwundene Bücher und Argumentationshilfen, rassistische Entgleisungen und eine insgesamt parteiisch agierender Synodenapparat.
Die Folge war, daß sich dreizehn Kardinäle, allesamt Synodalen, am Beginn der zweiten Familiensynode (2015) zusammentaten, um eine Wiederholung dieser Synodenlenkung zu verhindern. Sie schrieben Papst Franziskus einen Beschwerdebrief und beklagten die Sorge einer „gelenkten Synode“ mit „vorgefertigten Ergebnissen“.
Obwohl die hochrangigen Synodalen, darunter auch der damalige Glaubenspräfekt, Gerhard Kardinal Müller, dem Papst formal nur ihre Bedenken klagten, reagierte Franziskus empört. Außerplanmäßig trat er vor die Synodalen und warnte vor einer „konspirativen Hermeneutik“. Noch weit heftiger ging sein Umfeld vor, das Jagd auf „undichte“ Stellen machte und allerlei Verdächtigungen ausstieß.
Apropos: Kennen Kardinal Aguiar Retes und Bischof Freistetter vielleicht schon die Ergebnisse der Amazonassynode?
Nur eine solche Vorabkenntnis würde ihre Ankündigungen erklären. Damit drängen sich weitere und noch dramatischere Fragen auf:
Handelt es sich auch bei der Amazonassynode um eine „gelenkte Synode“ mit bereits „vorgefertigten Ergebnissen“?
Ein Indiz von zahlreichen: Keiner der dreizehn Kardinäle, die 2015 den Beschwerdebrief an Franziskus gerichtet haben – auch keiner der damals zunächst fälschlich als Unterzeichner verdächtigten Kardinäle, die eine Unterschrift aber dementierten –, ist bei der Amazonassynode als Synodale dabei. Damit versteht sich die Doppelsinnigkeit der territorialen Beschränkung auf den Amazonas, in dem es keinen Bischofsstuhl gibt, dessen Inhaber in der Weltkirche irgendeine erkennbare Bedeutung hätte. Grob gesagt erlaubt der territoriale „Kunstgriff“ so gut wie alle lästigen Kirchenvertreter fernzuhalten, einen restriktiven und somit leichter kontrollierbaren Kreis diskutieren und beschließen zu lassen, während die Synodenergebnisse aber weltweit umgesetzt werden können.
Praktisch!
Der konkrete Beleg: Die Kardinäle Marx und Schönborn, die nie im Verdacht standen, den Beschwerdebrief von 2015 unterzeichnet zu haben, wurden von Franziskus zu Synodalen für den fernen Amazonas ernannt. Wie rechtfertigt sich dieses Privileg?
Und überhaupt: Will die befreiungstheologische Indio-Theologie Lateinamerika nicht gerade von diesen Europäern, ihrem Einfluß und ihrem Geld befreien?
Nichts dem Zufall überlassen
Doch zurück zu Kardinal Aguiar Retes, dem Erzbischof von Mexiko-Stadt, der sich so freimütig und frühzeitig über die Synodenergebnisse zu freuen scheint. Er wurde am ersten Synodentag von den Synodenvätern zum Mitglied der Kommission für die Schlußredaktion des Synodenberichts gewählt. Vier Redaktionsmitglieder werden von den Synodalen gewählt, der Rest von Papst Franziskus ernannt.
Der Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, hatte zur „Orientierung“ ausgegeben, daß die zu Wählenden aus einem der sieben Amazonas-Anrainerstaaten kommen sollten. Die Synodalen hielten sich aber nicht daran und wählten den Primas von Mexiko auf den zweiten der vier Plätze. Schließlich hatte Papst Franziskus den geeichten Bergoglianer an führender Stelle in die Synodenvorbereitung eingebaut.
Der Mexikaner erklärte aber auf das Mandat zu verzichten, um die Wahl eines Synodalen aus den Amazonas-Staaten zu ermöglichen. Mit Mario Antonio Da Silva, Bischof von Roraima (Brasilien), Hector Miguel Cabrejos Vidarte, Erzbischof von Trujillo (Peru), Nelson Jair Cardona Ramirez, Bischof von San Jose del Guaviare (Kolumbien), und Sergio Alfredo Gualberti Calandrina, Erzbischof von Santa Cruz de la Sierra (Bolivien), wurde diese Vorgabe der Synodenregie umgesetzt.
Kardinal Aguiar Retes mißachtete mit seinem Verzicht das Votum der anderen Synodenväter. Doch auf der Amazonassynode soll offensichtlich nichts dem Zufall überlassen werden. Was ist eine „gelenkte Synode“, wenn nicht das?
Franziskus‘ Mann in Mexiko
Mit Kardinal Aguiar Retes ersetzte Papst Franziskus den etwas renitenten Kardinal Norberto Rivera Carrera, der von 1995–2017 Erzbischof von Mexiko-Stadt und Primas von Mexiko war. Immerhin ist Mexiko das Land, das in Lateinamerika bisher am besten dem Erosionsdruck protestantischer Freikirchen standhält.
Im Gegensatz zu Marx und Schönborn war Kardinal Rivera im Oktober 2015 als einer der dreizehn Unterzeichner des Beschwerdebriefes an Franziskus verdächtigt worden, dementierte aber. Allein, daß er vom päpstlichen Umfeld verdächtigt wurde, besitzt Aussagekraft. Wenige Monate später, nach dem Papstbesuch in Mexiko im Februar 2016, leistete sich Kardinal Rivera mit Franziskus einen Schlagabtausch auf Distanz. Kaum hatte der Primas das 75. Lebensjahr vollendet, wurde er von Franziskus emeritiert.
Anders ist das Verhältnis zu Kardinal Aguiar Retes, den Franziskus zu einem der Organisatoren der Amazonassynode bestellte.
Die fünf von Papst Franziskus ernannten Mitglieder der Schlußredaktion sind übrigens: Kardinal Claudio Hummes (Generalrelator der Synode und als REPAM-Vorsitzender einer der Hauptverantwortlichen für die Synodenvorbereitung), Kardinal Lorenzo Baldisseri (Generalsekretär der Bischofssynode), Bischof Mario Grech (seit 2. Oktober Pro-Generalsekretär der Bischofssynode), der soeben kreierte Kardinal Michael Czerny SJ (geschäftsführender Leiter der Sektion Migranten und Flüchtlinge des Heiligen Stuhls) und David Martinez de Aguirre Guinea OP (Apostolischer Vikar von Puerto Maldonado in Peru). Czerny und Martinez de Aguirre sind Sondersekretäre der Synode. Alle fünf gehören zum Vertrautenkreis von Franziskus oder gelten zumindest als treue Bergoglianer. In den kommenden Tagen wird Franziskus noch drei weitere Redaktionsmitglieder ernennen.
Angesichts der hohen Erwartungen an die Synode, besonders im deutschen Sprachraum, will die päpstliche Entourage möglichst wenig dem Zufall überlassen, schließlich heißt das Ziel: Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe.
Aguiar Retes gab auf Twitter nicht nur seinen Verzicht bekannt, sondern signalisierte, ohne ins Detail zu gehen, daß die behauptete „Notwendigkeit“ wegen eines „Sakramenten-Notstandes“ im Amazonas verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, auch für Mexiko gelten könnte.
Das Chiapas-Experiment: In Mexiko steht alles bereit
Zur Erinnerung: In Mexiko gibt es das Bistum San Cristobal de las Casas, das durch das „Chiapas-Experiment“ bekannt wurde. Von 1959–2000 wurde das Bistum von Samuel Ruiz García geleitet, wenn auch die letzten fünf Jahre mit einem von Rom bestellten Koadjutor zur Seite. Ruiz Garcia war ein Verfechter der marxistischen Befreiungstheologie, ein Freund der linksextremen Guerilla und vor allem des Indigenismus. Er wollte einen „indigenen Klerus“ schaffen. Dafür ließ er die Berufungspastoral links liegen und weihte am Fließband verheiratete Indios zu ständigen Diakonen. Auf eine nicht näher definierte Weise erfolgte dabei auch eine „Weihe“ von deren Ehefrauen. Damit wollte er die Grundlage für ein verheiratetes Priestertums schaffen, indem die ständigen Diakone im nächsten Schritt zu Priestern geweiht werden sollten.
Als das Bistum kaum mehr Priester, dafür aber ein Vielfaches an verheirateten Diakonen hatte, zog Rom Mitte der 90er Jahre spät, aber doch die Handbremse.
Der ab 2000 amtierende Nachfolger von Ruiz Garcia mußte auf Anweisung aus Rom die Weihe von viri probati (verheirateten Männern) zu Diakonen einstellen und stattdessen Priesterberufungen fördern, was erfolgreich gelang – auch indigene Berufungen, was sein Vorgänger noch kategorisch als „unmöglich“ ausgeschlossen hatte.
Während Papst Benedikt XVI. das von seinem Vorgänger Johannes Paul II. verhängte Verbot beibehielt, wurde es von Papst Franziskus aufgehoben. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Durch das römische Verbot konnte die Zahl der Priester im Bistum von 54 im Jahr 2000 auf 125 im Jahr 2017 mehr als verdoppelt werden. Seit der Aufhebung des Verbots durch Franziskus schnellte hingegen sofort wieder die Zahl der verheirateten Diakone von 316 auf 450 hinauf, da sie nur eine Schmalspurausbildung erhalten. Gleiches ist ja auch für den Amazonas angedacht. Die theologische und philosophische Bildung des zölibatären Priesters soll, man glaubt es kaum, durch die „Ahnenweisheit“ der verheirateten „Dorfältesten“ ersetzt werden.
Trotz der erfreulichen Priesterzunahme kommen daher heute auf jeden Priester im Bistum San Cristobal de las Casas wieder fast vier verheiratete Diakone. Der Höchststand war 2000 erreicht worden, als es sogar sechs verheiratete Diakone je Priester waren. Ein Verhältnis, das durch die genannten römischen Maßnahmen in der Zweit dazwischen auf unter 1:3 gesenkt werden konnte.
Mit dem „Chiapas-Experiment“ wird seit den 90er-Jahren Druck ausgeübt, die inflationär zu Diakonen geweihten Indigenen auch zu Priestern zu weihen. Im Chiapas, international bekannt vor allem durch kommunistische Guerillatätigkeit, steht seit Jahren alles dafür bereit, was die „Amazonas-Werkstatt“ anstrebt.
Kardinal Aguiar Retes signalisierte mit seinem jüngsten Hinweis, daß der Zusammenhang real ist, wenngleich mexikanische Medien das Hauptaugenmerk auf seine Aussagen zur Klima-Agenda legen.
Auch darin folgt er wortgetreu Papst Franziskus oder den Kardinälen Marx und Schönborn. Die „Zerstörung des Planeten“ könne einen Punkt erreichen, von dem es „kein Zurück“ mehr gebe, was „für die Menschheit katastrophal“ wäre.
Bleibt die Frage, aber das nur am Rande, warum noch bis gestern keiner dieser Purpurträger etwas von dieser globalen Katastrophe, die zur Zerstörung von Menschheit und Planet führe, bemerkt hatte.
Die Aussagen zum Klimawandel von Kirchenvertretern sind für die Kirche nicht bedrohlich. Ganz anders ist das bei der „tieferen Agenda“, die hinter dem mediengerechten Gerede über das „Weltklima“ versteckt wir. Der von den Synodenmachern angestrebte Paradigmenwechsel beim Kirchen‑, Religions‑, Offenbarungs- und Gottesverständnis sowie beim Weihesakrament und damit der Sakramentenverwaltung greift Substanz und Natur der Kirche an. Er kann wirklich zur existentiellen Bedrohung für die Kirche und damit die Menschheit (und den Planeten) werden.
Wie weit läßt Papst Franziskus diese Kräfte gehen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews/MiL (Screenshots)
Es scheint hoch an der Zeit, sich wieder in Erinnerung zu rufen, was Papst Franziskus am 10. September auf dem Rückflug von Mauritius vor versammelter Journalistenrunde sagte: „Ich habe keine Angst vor einer Kirchenspaltung“. Und den meisten maßgeblichen Teilnehmern dieser „surrealen“ Amazonas-Synode dürfte eine solche Angst von vornherein völlig unbekannt gewesen sein.
Papst Franziskus läßt nicht nur „solche Kräfte“ weit gehen, allein solche Kräfte beruft er in seine Macht- und Hierarchiestrukturen. Und zu den anderen sagte er bereits vor der ersten Familiensynode „alle sollen offen reden“ – so wusste er sofort, welche er entfernen musste.
Freistetter = Freimaurer?
Auf dem Foto zeigt Kardinal Retes jedenfalls eine eindeutige Freimaurergeste.