Ein Gespenst geht um: Der synodale Weg ins Schisma

Vatikan alarmiert


Kardinal Marx im Februar 2020 bei Papst Franziskus. Das Bild wurde der Zeitung La Repubblica entnommen, die es zum Artikel veröffentlichte.
Kardinal Marx im Februar 2020 bei Papst Franziskus. Das Bild wurde der Zeitung La Repubblica entnommen, die es zum Artikel veröffentlichte.

(Rom) Bereits in den ver­gan­ge­nen Wochen tauch­te es wie­der­holt in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung auf: Nun ist das „Gespenst eines neu­en deut­schen Schis­mas“ ganz oben ange­kom­men. So lau­te­te näm­lich die Schlag­zei­le auf der Titel­sei­te der gest­ri­gen Aus­ga­be von La Repubbli­ca. Dabei ist der erst­ge­nann­te Grund gera­de­zu harm­los, sei aber „nur die Spit­ze des Eisberges“.

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La Repubbli­ca ist die von Euge­nio Scal­fa­ri, dem bevor­zug­ten Inter­view­part­ner von Papst Fran­zis­kus, gegrün­de­te Tages­zei­tung. Sie ist nicht nur Ita­li­ens links­ge­rich­te­tes Leit­me­di­um, son­dern auch die ein­zi­ge Tages­zei­tung, die Fran­zis­kus laut eige­ner Anga­be täg­lich liest. Wie die Zei­tung die Bestre­bun­gen der ton­an­ge­ben­den Mehr­heit der deut­schen Bischö­fe und die vati­ka­ni­schen Reak­tio­nen dar­auf dar­stellt, ver­dient daher eini­ge Aufmerksamkeit.

Gender-Gezänk: Brüderlichkeit oder Geschwisterlichkeit?

Harm­los ist der Hin­weis, daß es wegen der jüng­sten Enzy­kli­ka Fra­tel­li tut­ti zum Kon­flikt zwi­schen der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz und dem Vati­kan gekom­men war. Die Füh­rungs­spit­ze der deut­schen Bischö­fe erreg­te sich über den Titel der Enzy­kli­ka, obwohl es sich dabei um ein Zitat des hei­li­gen Franz von Assi­si han­delt. Ori­gi­nal­zi­ta­te las­sen sich nicht ändern, doch dafür wer­den nun Brü­der und Brü­der­lich­keit in den deut­schen Über­set­zun­gen vati­ka­ni­scher Doku­men­te – und nur in den deut­schen – als „Geschwi­ster“ und „Geschwi­ster­lich­keit“ wie­der­ge­ge­ben, also „gegen­dert“. Des­halb wird der Titel der Enzy­kli­ka im Gegen­satz zu ande­ren Spra­chen auch nicht ins Deut­sche über­setzt, um die allei­ni­ge Nen­nung von Brü­dern zu ver­mei­den und nicht gegen eine poli­tisch kor­rek­te Spra­che zu verstoßen.

Fin­det sich auf der Titel­sei­te der Repubbli­ca nur ein Hin­weis, geht es im Innen­teil der Zei­tung dann zur Sache. Die gro­ße Über­schrift lautet:

„Zöli­bat und Frau­en­prie­ster: Angst im Vati­kan wegen eines deut­schen Schismas“.

Papst Fran­zis­kus arbei­te dar­an, so Clau­dio Tiso, der Autor des Bei­trags, „einen schmerz­li­chen Bruch zu ver­mei­den“. Zugleich ver­teilt Tiso gleich zu Beginn Sym­pa­thie­punk­te, um kei­ne Zwei­fel oder Ver­wechs­lun­gen auf­kom­men zu las­sen. „Deutsch­land“, das als „Zen­trum der Bewe­gung“ beschrie­ben wird, die „die Kir­che erneu­ern will“, erhält eini­ge Plus­punk­te, wäh­rend die Minus­punk­te erwar­tungs­ge­mäß einer „kon­ser­va­ti­ven Front“ zuge­schrie­ben wer­den, die den „Zusam­men­stoß“ vor­be­rei­te. Die mei­sten Plus­punk­te erhält die Haupt­fi­gur dazwi­schen, die durch­gän­gig wohl­wol­lend dar­ge­stellt wird, näm­lich Papst Franziskus.

Alarmierter Vatikan

In Deutsch­land, so das Blatt, wer­fe man dem Papst vor, die „Refor­men“ gebremst zu haben. Nach der Gefahr einer Abspal­tung der „kon­ser­va­tiv­sten Tei­le“ der Kir­che, die das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus zu pro­vo­zie­ren schien, gehe nun das „Gespenst einer Tren­nung der pro­gres­si­ven Front“ um. Die­ses Gespenst namens „Schis­ma“, das laut Tiso das „größ­te Tabu“ in der christ­li­chen Gemein­schaft sei, könn­te sich „bald“ im „Schluß­do­ku­ment“ des soge­nann­ten Syn­oda­len Wegs, einer „Natio­nal­syn­ode“, kon­kre­ti­sie­ren, das von den deut­schen Bischö­fen vor­be­rei­tet werde.

Der syn­oda­le Weg ins Schisma?

Im Vati­kan sei man dar­über bereits seit eini­gen Mona­ten alar­miert. In den ver­gan­ge­nen Tagen habe der Alarm jedoch „mit bei­spiel­lo­ser Hef­tig­keit zu läu­ten begon­nen“. Fran­zis­kus selbst sei besorgt, hat­te er doch der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz im Juni 2019 eigens einen Brief geschrie­ben mit der Ermah­nung, daß es kei­ne Kir­che geben kön­ne, deren See­le nicht das Evan­ge­li­um sei.

Tiso zitiert die betref­fen­de Stel­le aus dem Schrei­ben von Papst Fran­zis­kus an das pil­gern­de Volk Got­tes in Deutsch­land nicht, was aber an die­ser Stel­le gesche­hen soll: 

„Nur ‚in Ord­nung und im Ein­klang‘ sein zu wol­len, wür­de mit der Zeit ledig­lich das Herz unse­res Vol­kes ein­schlä­fern und zäh­men und die leben­di­ge Kraft des Evan­ge­li­ums, die der Geist schen­ken möch­te, ver­rin­gern oder gar zum Schwei­gen brin­gen: «Das aber wäre die größ­te Sün­de der Ver­welt­li­chung und ver­welt­lich­ter Gei­stes­hal­tung gegen das Evan­ge­li­um». So käme man viel­leicht zu einem gut struk­tu­rier­ten und funk­tio­nie­ren­den, ja sogar ‚moder­ni­sier­ten‘ kirch­li­chen Orga­nis­mus; er blie­be jedoch ohne See­le und ohne die Fri­sche des Evan­ge­li­ums. Wir wür­den ledig­lich ein ‚gas­för­mi­ges‘, vages Chri­sten­tum, aber ohne den not­wen­di­gen ‚Biss‘ des Evan­ge­li­ums, leben. «Heu­te sind wir geru­fen, Ungleich­ge­wich­te und Miss­ver­hält­nis­se zu bewäl­ti­gen. Wir wer­den nicht in der Lage sein, irgend­et­was Gutes zu tun, was dem Evan­ge­li­um ent­spricht, wenn wir davor Angst haben». Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, dass es Span­nun­gen und Ungleich­ge­wich­te gibt, die den Geschmack des Evan­ge­li­ums haben, die bei­zu­be­hal­ten sind, weil sie neu­es Leben verheißen.“

Deutschland, das Epizentrum des potentiellen Erdbebens

Tiso fol­gert, daß „Deutsch­land das Epi­zen­trum des poten­ti­el­len Erd­be­bens ist“. Und er macht im ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, in Kar­di­nal Rein­hard Marx, den Anfüh­rer des Pro­te­stes aus. Die Wort­wahl ist dabei kein Zufall und soll an die Abfall­be­we­gung von der Kir­che unter Mar­tin Luther und ande­ren soge­nann­ten Refor­ma­to­ren erin­nern, die unter dem Sam­mel­be­griff „Pro­te­stan­ten“ bekannt wurden.

Kar­di­nal Marx, der Erz­bi­schof von Mün­chen und Frei­sing, den Fran­zis­kus mit zahl­rei­chen Ämtern und Auf­ga­ben an der Römi­schen Kurie bedach­te (unter ande­rem als Ver­tre­ter Euro­pas im nun­meh­ri­gen C7-Kar­di­nals­rat sowie als Koor­di­na­tor des Wirt­schafts­ra­tes des Hei­li­gen Stuhls), habe den Syn­oda­len Weg des­halb beschrit­ten und eine Natio­nal­syn­ode ein­be­ru­fen, um „der kirch­li­chen Struk­tur eine ent­schei­den­de Reform aufzuprägen“.

Dabei dre­he sich der Kon­flikt um zwei Haupt­the­men: den prie­ster­li­chen Zöli­bat und das Frau­en­prie­ster­tum. Dazu gehör­ten in Abwand­lung auch das Frau­en­dia­ko­nat und die Ein­set­zung von Lai­en als Lei­ter einer Pfarrei.

Trotz Coro­na-Ein­schrän­kun­gen wur­de im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber, auf­ge­teilt auf ver­schie­de­ne Städ­te, die deut­sche Natio­nal­syn­ode fort­ge­setzt. Zwei Kom­mis­sio­nen befas­sen sich mit den genann­ten Haupt­the­men, die imstan­de sei­en, „jede gemein­sa­me Grund­la­ge zu zer­brö­seln und einen regel­rech­ten Bra­dy­se­is­mos“ aus­zu­lö­sen, ein lang­sa­mes Beben, „sobald das deut­sche Doku­ment im Vati­kan eintrifft“.

Das Schisma als schlimmstes Ergebnis

Ent­spre­chend wur­de von Rai­ner Maria Kar­di­nal Woel­ki, dem Erz­bi­schof von Köln und Gegen­spie­ler von Marx in der Bischofs­kon­fe­renz, vor dem „schlimm­sten Ergeb­nis“ des Syn­oda­len Wegs gewarnt: einem Schis­ma. „Eine Mög­lich­keit, die nicht mehr blo­ße Theo­rie scheint“, wie Tiso schreibt, da die­se Befürch­tung auch im Vati­kan ange­kom­men sei, der der­zeit vom Finanz­skan­dal um Kar­di­nal Ange­lo Becciu gebeu­telt wird.

Tiso geht noch wei­ter: Der „deut­sche Bruch“ habe „nicht nur theo­lo­gi­sche Wur­zeln“. Im Vati­kan gebe es vie­le, die dar­auf ver­wei­sen, daß der „Reich­tum“ der Kir­chen im Nor­den deren „Hori­zont, ihre Zie­le und ihre Wahr­neh­mung ver­än­dert“. Dabei gehe es mög­li­cher­wei­se auch um „geo­re­li­giö­se Zie­le“, näm­lich eine „bevor­zug­te Ach­se zum Pro­te­stan­tis­mus“ zu schaf­fen mit dem Zweck, den Dia­log auf den Westen zu beschrän­ken und gegen­über der Ortho­do­xie abzu­gren­zen. Die vati­ka­ni­schen Über­le­gun­gen wür­den sich folg­lich daher auf „das Ver­hält­nis zwi­schen den ‚pro­gres­si­ven‘ deut­schen Bischö­fen und den Luthe­ra­nern“ konzentrieren.

„Die ein­zi­ge Form des Über­le­bens [einer pro­gres­si­ven deut­schen Abspal­tung] im Fal­le eines Schis­mas könn­te näm­lich nur in einer Art von Alli­anz mit den Pro­te­stan­ten reifen.“

Die­se wäre dann eine Art Ver­wirk­li­chung einer deut­schen reli­giö­sen „Wie­der­ver­ei­ni­gung“, nach­dem eine poli­ti­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung nach dem Fall der Ber­li­ner Mau­er vor 30 Jah­ren erreicht wer­den konnte.

Die guten Kon­tak­te von La Repubbli­ca in den Vati­kan schim­mern in der wei­te­ren Dar­stel­lung durch, wenn Tiso schreibt:

„Der Papst wird auch dann, wenn das deut­sche Doku­ment ein­trifft, nichts unter­neh­men, um zu ver­är­gern und die Spal­tun­gen zu nähren.“

Die Einheit der Katholiken würde für immer zerbrechen

Er wer­de auch „kei­ne Ver­ur­tei­lun­gen“ vor­neh­men. Wenn über­haupt, wer­de er dar­an erin­nern, „daß eini­ge der Haupt­kno­ten bereits vom hei­li­gen Johan­nes Paul II. gelöst wur­den“. Dar­über hin­aus wür­den wahr­schein­lich „Ver­tie­fun­gen und neue Kon­tak­te“ gesucht. „Es wer­den dann die deut­schen Bischö­fe dar­über ent­schei­den, was zu tun ist.“ Papst Fran­zis­kus sei in die­ser Pha­se sei­nes Pon­ti­fi­kats vor­dring­lich damit beschäf­tigt, die Arbeit an den „Bau­stel­len der Kuri­en­re­form, der Neu­ord­nung der Bis­tü­mer und der Neu­aus­rich­tung der Ordens­ge­mein­schaf­ten abzuschließen“.

„Mit Sicher­heit“ suche er kei­nen „so schmerz­li­chen Bruch“, so Tiso. Auch des­halb nicht, weil die Aktio­nen der deut­schen Bischö­fe die „kon­ser­va­ti­ve Front“ auf­ge­schreckt und mobi­li­siert haben, die bereits in den ver­gan­ge­nen Jah­ren „den Papst hart kri­ti­siert hat­te“ und die päpst­li­che Hal­tung gegen­über dem Syn­oda­len Weg von Marx als Test betrach­te, wie es um die Posi­tio­nen von Fran­zis­kus ste­he, um dar­aus wei­ter­ge­hen­de Kon­se­quen­zen zu ziehen.

Inner­halb der vati­ka­ni­schen Mau­ern gebe es in die­sem Zusam­men­hang näm­lich eine noch viel wei­ter­ge­hen­de Befürch­tung, näm­lich, daß das deut­sche Vor­pre­schen eine „Dyna­mik zur Schaf­fung von Natio­nal­kir­chen“ aus­lö­sen könnte.

„Ein Phä­no­men, das für immer die Ein­heit der Katho­li­ken zer­bre­chen würde.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Repubblica/​Wikicommons (Screen­shot)

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