Was nach der EU-Wahl vom 26. Mai auf dem Spiel steht

Der Kampf gegen die Austauschmigration ist ein Kampf für das Leben Europas


Die EU-Wahlen 2019 haben jene Parteien belohnt, die sich zur Identität der europäischen Nationen bekennen. Sie müssen nun vor allem einen Kampf für das Lebensrecht der Unschuldigen führen. Dabei geht es um einen Kampf um Leben oder Tod unserer Zivilisation.

Von Rober­to de Mattei*

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Die Wah­len vom 26. Mai waren eine bedeu­tungs­vol­le Epi­so­de in einem Zusam­men­prall, der weit über das Schick­sal des Euro­päi­schen Par­la­ments oder der einen oder andern natio­na­len Regie­rung hin­aus­geht. Es gibt eine Lob­by, wel­che die Zer­stö­rung der christ­li­chen Iden­ti­tät und die Schaf­fung kos­mo­po­li­ti­scher Orga­ne zum Ziel hat, die sou­ve­rä­ne Voll­mach­ten über Leben und Tod der euro­päi­schen Bür­ger an sich zie­hen sol­len. Ein Bei­spiel für die­ses Pro­jekt ist jener Vor­fall in Frank­reich, wo das Ober­lan­des­ge­richt Paris die Ent­schei­dung über das Leben von Vin­cent Lam­bert, einen quer­schnitt­ge­lähm­ten Fran­zo­sen, den sei­ne Frau und die Ärz­te des Kran­ken­hau­ses von Reims, in dem er unter­ge­bracht ist, zum Tode ver­ur­teilt haben, an die UNO delegierte. 

Es ist offen­sicht­lich, daß die Voll­macht, über das Leben von Lam­bert zu bestim­men, weder den fran­zö­si­schen Rich­tern noch sol­chen der EU oder der UNO zusteht. Das Recht, ob natio­na­les oder inter­na­tio­na­les Recht, hat sei­ne Quel­le nicht in den Orga­nen, die es erlas­sen oder anwen­den, son­dern im Gött­li­chen Recht, das dem von Men­schen gesetz­ten Recht vor­aus­geht, und mit dem das Gesetz der Men­schen untrenn­bar ver­bun­den ist. Das Gött­li­che Recht oder Natur­recht ver­bie­tet das Töten eines Unschul­di­gen, und jedes von Men­schen gesetz­te Recht, von dem das Gegen­teil bestimmt wird, ist als ungül­ti­ges und wir­kungs­lo­ses Unge­setz zu betrach­ten. Da der ein­zi­ge Bewah­rer und Wäch­ter des Gött­li­chen Rechts und des Natur­rechts die katho­li­sche Kir­che ist, kommt es vor allem den Kir­chen­män­nern zu, das unver­äu­ßer­li­che Lebens­recht zu ver­kün­den. Heu­te fehlt aber die­se Stim­me der Kir­chen­män­ner. Das ein­zi­ge Pro­blem, für das sich die Füh­rungs­spit­ze der Kir­che zu inter­es­sie­ren scheint, ist die Auf­nah­me von außer­eu­ro­päi­schen Ein­wan­de­rern. Eine tota­le, bedin­gungs­lo­se und abso­lu­te Auf­nah­me. Das hat nichts mit der alten, christ­li­chen oder lai­zi­sti­schen Tugend der Gast­freund­schaft zu tun, son­dern mit einer ideo­lo­gi­schen Ent­schei­dung für eine Will­kom­mens-Phi­lo­so­phie, die in Wirk­lich­keit eine Theo­rie des Ver­zichts auf die euro­päi­sche Iden­ti­tät bzw. ihres Aus­tau­sches ist.

Trans­pa­rent der radi­ka­len Lin­ken, das kei­nen wirk­li­chen Durch­blick erken­nen läßt.

Das Kon­zept vom „gro­ßen Aus­tausch“, den Renaud Camus (Le Grand Rem­pla­ce­ment, Ver­lag David Reinharc, Neuil­ly-sur-Sei­ne 2011; dt. Aus­ga­be: Revol­te gegen den Gro­ßen Aus­tausch. Ver­lag Antai­os, Schnell­ro­da 2016) ein­führ­te, wur­de von Prof. Rena­to Cri­stin in sei­nem Buch I padro­ni del caos, („Die Her­ren des Cha­os“, Ver­lag Liber­li­bri, Mace­ra­ta 2017) wei­ter ent­fal­tet. Mit­tels prä­zi­ser Ana­ly­se zeigt der Autor, der Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Tri­est lehrt, daß die erwähn­te Theo­rie dar­auf abzielt, die euro­päi­schen Völ­ker durch ande­re Völ­ker, durch afri­ka­ni­sche, ara­bi­sche, asia­ti­sche, vor­wie­gend mus­li­mi­sche Völ­ker zu erset­zen, und dadurch als kon­kre­ten, histo­ri­schen Hori­zont das Cha­os pro­du­ziert. Cri­stin erin­nert an ein Pro­jekt der UNO von 2001, in dem aus­drück­lich von der „Repla­ce­ment Migra­ti­on“ (damals als „Ersatz­mi­gra­ti­on“ über­setzt) die Rede ist, um dem demo­gra­phi­schen Nie­der­gang in Euro­pas zu begeg­nen.
Die Men­schen­flüs­se bedeu­ten nicht nur eine eth­ni­sche Ver­schie­bung, son­dern einen Zivi­li­sa­ti­ons­um­sturz, eine „Gegen-Kolo­nia­li­sie­rung“, in der die Migran­ten als Trä­ger einer hybri­den Kul­tur oder Mesti­zen­kul­tur gese­hen wer­den, die sich der christ­li­chen Zivi­li­sa­ti­on, die Euro­pa auf­ge­baut hat, ent­ge­gen­setzt. Die Zer­stö­rung der Natio­nal­staa­ten erfolgt sowohl durch den eth­ni­schen wie auch den kul­tu­rel­len Aus­tausch. Der kul­tu­rel­le Aus­tausch besteht in der Leug­nung jeder in der euro­päi­schen, christ­li­chen Tra­di­ti­on ver­wur­zel­ten Iden­ti­tät. Der eth­ni­sche Aus­tausch erfolgt durch die Ein­wan­de­rung von Migran­ten­mas­sen, die die euro­päi­schen Völ­ker erset­zen sol­len, die sich seit Jahr­zehn­ten durch Abtrei­bung und Ver­hü­tung selbst dezi­miert haben. Die­ser Anti­na­ta­lis­mus ist der bio­lo­gi­sche Aus­druck des kul­tu­rel­len und mora­li­schen Selbst­mor­des des Westens.

L'Espresso über Papst Franziskus: „Zorro subito“ statt „Santo subito“.
L’Es­pres­so: „Zor­ro subi­to“ statt „San­to subito“.

Die Ergeb­nis­se der EU-Wah­len haben jene poli­ti­schen Par­tei­en belohnt, die sich offen zu die natio­na­len Iden­ti­tä­ten beken­nen und sich auf sie beru­fen. Von beson­de­rer Bedeu­tung ist der histo­ri­sche Wahl­sieg der Lega von Matteo Sal­vi­ni, die in Ita­li­en 34,3 Pro­zent der Stim­men erhielt. Ita­li­en war zugleich auch das Land, in der der Migra­ti­ons­druck und die Ein­wan­de­rungs­lob­by beson­ders mas­siv agier­ten, indem nicht nur die Bischofs­kon­fe­renz aktiv wur­de, son­dern auch Papst Fran­zis­kus, der wie ein Anfüh­rer der poli­ti­schen Lin­ken auf­trat. Die Titel­sei­te des Wochen­ma­ga­zins L’Espresso [der ita­lie­ni­sche Spie­gel] vom 26. Mai zeigt Papst Fran­zis­kus mit der Mas­ke von Zor­ro, den schwarz­ge­wan­de­ten Rächer, und nennt ihn die Stim­me des „Volks­pro­te­stes“ gegen Sal­vi­ni. Am 27. Mai erklär­te Papst Fran­zis­kus in sei­ner Bot­schaft zum Welt­tag des Migran­ten und des Flücht­lings 2019, daß „das wah­re Mot­to des Chri­sten: ‚Die Letz­ten zuerst‘ lau­te und führ­te aus: „Es geht nicht nur um Migran­ten: Es geht dar­um, die Letz­ten an erste Stel­le zu set­zen“. Am sel­ben Vor­mit­tag traf der Papst den Indio-Häupt­ling Rao­ni Metuk­ti­re der Kay­a­po vom Ama­zo­nas, um mit Blick auf die bevor­ste­hen­de Ama­zo­nas­syn­ode im Okto­ber erneut den revo­lu­tio­nä­ren Indi­ge­nis­mus anzu­fa­chen.

Häupt­ling Metuk­ti­re seg­net Papst Fran­zis­kus (27. Mai 2019).

Berg­o­gli­os Theo­lo­gie der Letz­ten ist eine offe­ne Ermu­ti­gung für die Stra­te­gie der „Aus­tausch­mi­gra­ti­on“. Wer genau die „Letz­ten“ sind, ist zwar nicht klar, klar ist aber, wer aus­ge­tauscht wer­den soll durch die neue „bevor­zug­te Option“. 

Das Evan­ge­li­um for­dert dazu auf, nach der Got­tes­lie­be den Näch­sten zu lie­ben wie sich selbst: „Kein ande­res Gebot ist grö­ßer als die­se bei­den“ (Mk 12,29–31). Der hei­li­ge Tho­mas von Aquin erklärt in der Sum­ma theo­lo­gi­ca (q. 26, pars II-II) aller­dings, daß die Näch­sten­lie­be kein all­ge­mei­nes und unter­schieds­lo­ses Gefühl ist. Sie kennt viel­mehr eine prä­zi­se Abstu­fung, mit der eine „Lie­bes­ord­nung“ defi­niert wird. Dem­nach muß sich die Lie­be von den Näch­sten zu den Fern­sten abstu­fen. Gott gebührt der erste Platz. Er ist mehr zu lie­ben als der Näch­ste (a.2) und als wir selbst (a.3). Der Mensch hat sich selbst mehr zu lie­ben als den Näch­sten (a.4) und unter den Näch­sten sind eini­ge mehr zu lie­ben als ande­re (a.6). Die Näch­sten sind jene, von denen wir das Leben emp­fan­gen haben, und jene, denen wir das Leben wei­ter­ge­ge­ben haben: unse­re Eltern und unse­re Kin­der. Ihnen gegen­über hat unse­re Lie­be für den Näch­sten zu begin­nen. Es ergä­be kei­nen Sinn, wenn wir zum Bei­spiel unse­re Eltern aus dem Haus jagen und auf die Stra­ße set­zen wür­den, um Platz für Ein­wan­de­rer zu schaffen. 

Abge­se­hen davon: Die Lie­be, die wir unse­rem Näch­sten schul­den, ist vor allem geist­li­cher Natur. Was wir mehr als alles ande­re wün­schen sol­len, ist das See­len­heil jener, die wir lie­ben. Lie­ben heißt also in erster Linie, das ewi­ge Heil ihrer See­le zu wün­schen. Gegen­über Migran­ten bedeu­tet das vor allem, ihre Bekeh­rung zum wah­ren Glau­ben zu wün­schen. Heu­te gibt es in Euro­pa aber kei­ne Pasto­ral zur Evan­ge­li­sie­rung von Migran­ten. Der Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus wird viel­mehr dar­ge­stellt, als sei er ein höhe­rer Wert als die mono­kul­tu­rel­le, christ­li­che Identität.

Das neue Will­kom­mens-Dog­ma wir zudem von der­sel­ben Gesell­schaft ver­kün­det, die unschul­di­gen Men­schen das Leben nimmt: den unge­bo­re­nen Kin­dern und den alten Men­schen. Erste­re wer­den zum Tod durch Abtrei­bung ver­ur­teilt, letz­te­re durch Eutha­na­sie, ohne daß es dage­gen einen wirk­li­chen Wider­stand durch die Män­ner der Kir­che gibt. Wer sich aber empört, weil an Schu­len ein Kreuz hängt, oder ein Poli­ti­ker den Rosen­kranz küßt, will nicht nur jede Prä­senz des Chri­sten­tums aus dem öffent­li­chen Raum ver­ban­nen, son­dern das Licht des Gött­li­chen Rechts und des Natur­rechts aus­lö­schen, das in unse­ren Gewis­sen noch über­lebt und von uns die Ver­tei­di­gung des unschul­di­gen Men­schen­le­bens ver­langt. Wer noch über ein christ­li­ches Bewußt­sein ver­fügt, kann gar nicht anders, als die leben­di­ge Gegen­wart des Kreu­zes zu for­dern, nicht nur im pri­va­ten Leben, son­dern auch im öffent­li­chen Leben und in der kol­lek­ti­ven Iden­ti­tät der euro­päi­schen Nationen. 

Wir rufen daher die Par­tei­en auf, die am ver­gan­ge­nen Sonn­tag die Wah­len in Ita­li­en, in Ungarn, in Frank­reich, in Polen und in ande­ren Län­dern gewon­nen und die Ein­wan­de­rungs­ideo­lo­gie besiegt haben, sich nicht nur all­ge­mein und ober­fläch­lich auf die christ­li­chen Wur­zeln zu beru­fen, son­dern die­ser Iden­ti­tät kon­kre­ten Aus­druck in den Insti­tu­tio­nen und Geset­zen der EU zu ver­schaf­fen, an erster Stel­le durch eine kom­pro­miß­lo­se Ver­tei­di­gung des Lebens und der Fami­lie. Der Fall Lam­bert ist nach den Fäl­len Elu­a­na Eng­la­ro und Alfie Evans das Bei­spiel für einen Kampf, der in den kom­men­den Mona­ten aus­zu­tra­gen sein wird. Dadurch wird zwar wegen der zu erwar­ten­den Reak­tio­nen das Kli­ma viel­leicht auf­ge­heiz­ter und kon­flikt­rei­cher, den­noch, denn heu­te geht es im Kampf um Leben oder Tod unse­rer Zivilisation. 

Der kleine Alfie Evans mußte 2018 sterben, weil sich Ärzte und Richter über das Lebensrecht und das Elternrecht aufschwangen.
Der klei­ne Alfie Evans muß­te 2018 ster­ben, weil sich Ärz­te und Rich­ter über das Lebens­recht und das Eltern­recht aufschwangen.


Die­ser Kampf ist mehr noch als in den Par­la­men­ten vor allem im kul­tu­rel­len Bereich aus­zu­tra­gen, weil es ein Kampf um die Men­ta­li­tät ist. Die Wahl­er­geb­nis­se haben aber unter ande­rem die Funk­ti­on, die tie­fe­ren Ten­den­zen der öffent­li­chen Mei­nung zu enthüllen.

Die Wahl­er­geb­nis­se vom 26. Mai bewei­sen, daß es ein euro­päi­sches Volk gibt, das nicht kapituliert.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Wikicommons/​Giuseppe Nardi

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