
Von Roberto de Mattei*
Das Erscheinugsbild des Westen ist heute die einer säkularisierten und dekadenten Welt, ohne Glauben und ohne Gewißheiten. Auf der Überzeugung von dieser Schwäche gründen die Feinde des Westens ihre ideologischen und expansionistischen Ambitionen.
Der Gipfel in Peking am 2. September war nicht nur ein diplomatisches Treffen, sondern eine regelrechte ideologische Bühne, auf der der chinesische Diktator und seine Vasallen – allen voran Wladimir Putin – dem Westen im Rahmen einer gigantischen Militärparade drohten. Xi Jinping trug dieselbe graue Jacke, die Mao Zedong als ein Symbol der chinesischen Revolution galt, und die Porträts, Slogans und Verweise auf Maos Denken erinnerten die Welt daran, daß China nicht nur als Wirtschaftsmacht auftreten will, sondern auch als politisches Gegenmodell zum Westen. Der Kommunismus – sowohl in der post-maoistischen Version von Xi Jinping als auch in der post-stalinistischen Variante Putins – zeigt sich nicht als Überbleibsel der Vergangenheit, sondern als Banner einer neuen weltweiten Hegemonie. Don Stefano Caprio hat kürzlich in AsiaNews dokumentiert, daß während der 25 Jahre von Putins Herrschaft 213 neue Denkmäler für Stalin errichtet wurden – dazu Hunderte von Gedenkinitiativen. „Die Zukunft wird wie die Vergangenheit sein, und die Vergangenheit war wunderbar“, verkündete Putin.1
Ist es also der Kommunismus, der aufersteht, während das Christentum stirbt? Nein, so ist es nicht.
Die jüngsten Daten aus säkularisierten Ländern wie den USA, Frankreich und Großbritannien zeichnen ein überraschend anderes Bild: Die Bekehrungen zum katholischen Glauben nehmen deutlich zu – in einigen Fällen handelt es sich sogar um eine echte historische Trendumkehr.
Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 treten in die katholische Kirche in den USA mehr Menschen ein, als sie verlassen. Eine von Shane Schaetzel durchgeführte Untersuchung, die Daten des Pew Research Center, des CARA (Center for Applied Research in the Apostolate) und vatikanische Statistiken miteinander vergleicht, zeigt: Die Zahl der Erwachsenentaufen, die im Jahr 2020 auf 70.000 gesunken war, nimmt nun rasch wieder zu – für 2025 werden fast 160.000 neue erwachsene Katholiken erwartet.2
Diese Wende ist umso bedeutsamer, als es sich nicht um bereits katholische Einwanderer handelt, sondern um US-Amerikaner, die sich aus freien Stücken für den Glauben entscheiden. Parallel dazu ist die Zahl der Austritte seit 2020 stark zurückgegangen – erstmals seit zwanzig Jahren ergibt sich dadurch ein positives Ergebnis. Die Geburtenrate bleibt jedoch rückläufig (die Taufen von Neugeborenen haben sich im Vergleich zu 2000 halbiert), doch die Lebendigkeit des US-amerikanischen Katholizismus scheint durch die Erwachsenenkonversionen neue Kraft zu schöpfen.
Besonders bemerkenswert ist jedoch die Situation in Frankreich. Zu Ostern 2025 hat die katholische Kirche 10.384 erwachsene Katechumenen aufgenommen – ein Anstieg von 45 % gegenüber 2024 und der höchste Wert, seitdem die Französische Bischofskonferenz Statistiken erhebt. Noch beeindruckender ist die Altersstruktur: Die größte Gruppe stellen die 18 bis 25jährigen (42 %), die erstmals die Altersgruppe der 26 bis 40jährigen übertroffen haben.3
Gleichzeitig bereiten sich über 7.400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren auf die Taufe vor – ein Anstieg von 33 % innerhalb eines Jahres. Viele von ihnen stammen aus nicht-christlichen oder völlig religionsfernen Familien. Besonders auffällig ist auch die Zahl der Konvertiten aus dem Islam: Jedes Jahr empfangen zwischen 300 und 400 Muslime die katholische Taufe – oft unter großen persönlichen Schwierigkeiten.
Während 2015 noch rund 3.900 Erwachsene getauft wurden, ist diese Zahl heute nahezu verdreifacht – ein Zuwachs von 160 % in zehn Jahren. Für das säkularisierte Frankreich ist das eine überraschende und nachdenklich stimmende Entwicklung.
Auch im Vereinigten Königreich zeigt sich ein unerwarteter Anstieg – mit jungen Männern an vorderster Front. Allein in der Diözese Westminster wurden 2025 rund 500 Erwachsene aufgenommen, die Hälfte davon ungetaufte Katechumenen – ein Zuwachs von 25 % gegenüber dem Vorjahr. In Southwark, der anderen großen Londoner Diözese, wurde mit 450 erwachsenen Taufbewerbern zu Ostern ein zehnjähriger Rekord erreicht. Landesweit belegen zahlreiche Berichte eine wachsende Präsenz junger Menschen, die sich vom katholischen Glauben angezogen fühlen.4
Eine aktuelle Studie der Bible Society mit dem Titel „The Quiet Revival“ stellt fest, daß zwischen 2018 und 2024 die Kirchenbesuche in Großbritannien um 55 % gestiegen sind. Unter den regelmäßig teilnehmenden 18 bis 24jährigen identifizieren sich 41 % als Katholiken – sie übertreffen damit mittlerweile die Anglikaner.
Die drei Länder – USA, Frankreich und Großbritannien – weisen zwar unterschiedliche Merkmale auf, doch sie laufen in einem Punkt zusammen: Nach Jahrzehnten des Niedergangs beginnt der Katholizismus wieder, Herzen und Gewissen zu erobern – vor allem unter jungen Erwachsenen. Sie suchen im katholischen Glauben jene Schönheit der Liturgie und jene Festigkeit der Lehre, die unserer Zeit fehlen.
In einer Epoche der Säkularisierung und des Rückgangs religiöser Praxis verändern diese neuen Konversionen zwar nicht sofort die zahlenmäßige Gesamtbilanz, doch sie senden ein starkes Signal: Die Katholizität übt weiterhin eine spirituelle, kulturelle und existentielle Anziehungskraft aus – besonders dann, wenn sie in seiner traditionellen Form dargeboten wird. Die Ära von Leo XIV. beginnt unter diesen Vorzeichen.
Hinzu kommt, daß eines der Länder mit der geringsten Zahl an Konversionen Rußland ist – dort machen Katholiken weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus. Und doch hat die Jungfrau Maria 1917 in Fatima genau die Bekehrung Rußlands prophezeit sowie den endgültigen Triumph ihres Unbefleckten Herzens. Dieser Triumph wird nicht der einer schismatischen orthodoxen Religion sein, sondern die Rückkehr zum integralen katholischen Glauben, wie ihn Rußland zur Zeit seiner Bekehrung – zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert – kannte, als das Reich von Kiew sich vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer und bis zu den Karpaten erstreckte und vollständig in die westliche Christenheit integriert war – unter der höchsten Autorität des römischen Papstes.
Die Verheißung der Gottesmutter ist eine Gewißheit, die uns vom Himmel geschenkt wurde – denn was Gott ankündigt, das verwirklicht Er auch. Die Konversionen im Westen scheinen eine Vorwegnahme dieser Verheißung zu sein. Die Zukunft gehört nicht dem Kommunismus – sondern der Kirche Christi.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 https://www.asianews.it/news-en/Stalin
2 https://thecatholicherald.com/article/more-americans-joining-catholic-church-than-leaving-for-first-time-in-decades
3 https://www.catholicworldreport.com/2025/04/12/record-number-of-adult-baptisms-in-france-shows-surge-among-youth/
4 https://catholicvote.org/polls-suggest-uk-young-adults-belief-in-a-higher-power-is-rising/