Die jüngst veröffentlichte pastorale Handreichung „Segen gibt der Liebe Kraft – Segnungen für Paare, die sich lieben. Handreichung für Seelsorger*innen“ hat – abgesehen von der schon für sich skandalös entlarvenden Entstellung der deutschen Sprache – einen neuen Konflikt zwischen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem römischen Dikasterium für die Glaubenslehre entfacht – obwohl beide Seiten betonen, zuvor in Kontakt gestanden zu haben.
Das Dokument enthält pastorale Richtlinien zur Segnung von Paaren, die nicht sakramental verheiratet sind – darunter auch Homo-Paare. Es wurde von der sogenannten „Gemeinsamen Konferenz“ verabschiedet, einem Gremium aus zehn Bischöfen und zehn Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), das rechtswidrig den Anspruch erhebt, eine Art deutsches Kirchenparlament zu bilden. Laut der am 23. April 2025 veröffentlichten Mitteilung richtet sich der Text als Empfehlung an die Diözesanbischöfe; seine Umsetzung liegt im Ermessen des jeweiligen Ordinarius.
Der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel „Tucho“ Fernández – selbst Autor des höchst umstrittenen Dokuments Fiducia supplicans, mit dem Papst Franziskus Segnungen für Homo-Paare ausdrücklich erst ermöglichte –, hatte bereits im Vorfeld seine Vorbehalte gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der deutschen Handreichung schriftlich geäußert.
In einem Schreiben vom 18. November 2024 an Bischof Stephan Ackermann, Koordinator der Arbeitsgruppe, formulierte der Kardinal zwei zentrale Einwände: Zum einen erwecke der Text den Eindruck, nicht-eheliche Verbindungen kirchlich zu legitimieren; zum anderen enthalte er ritualisierte Formen der Segnung, die mit den Vorgaben der Fiducia supplicans nicht vereinbar seien.
Worum geht es also, wenn ein Befürworter von Homo-Segnungen anderen Befürwortern von Homo-Segnungen auf die Finger klopft? Die deutschen Bischöfe, im Gleichschritt mit dem ZdK, agieren als Rammbock. Papst Franziskus folgte ihrer Spur, wollte jedoch selbst Ton und Tempo bestimmen – was unter den im Geist Gleichgesinnten an Rhein und Tiber zu ständigen Reibungen führte. Um diese macht- und einflußpolitischen Fragen dreht sich letztlich auch der jüngste Streit. Nicht um Lehre, nicht um Wahrheit.
Man erinnere sich: Als Kardinal Luis Ladaria Ferrer – der Vorgänger von Fernández und letzter Präfekt der damals noch Glaubenskongregation genannten Behörde – gegen die deutschen Bestrebungen zu Segnungen für Homo-Paare intervenieren wollte, wurde er von Papst Franziskus zurückgepfiffen (siehe auch: Die von Papst Franziskus geduldete deutsche Rebellion). Kein Wunder also, wenn den Mehrheitlern unter den deutschen Bischöfen der Kamm immer weiter schwillt.
Obwohl – wie Quellen aus dem Umfeld des Dikasteriums gegenüber der theologischen Fachzeitschrift Communio äußerten – zu keinem Zeitpunkt eine ausdrückliche Billigung aus Rom erfolgt sei, beharren die deutschen Bischöfe darauf, der Text sei „in Konsultation“ mit dem Heiligen Stuhl erarbeitet worden. DBK-Vorsitzender Bischof Georg Bätzing erklärte bei der Eröffnung der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda im September, man habe „in Abstimmung“ mit dem Dikasterium gearbeitet, und die Handreichung stelle eine pastoral angepaßte Umsetzung der Fiducia supplicans im deutschen Kontext dar.
Als Reaktion auf die Einwände von Fernández seien im endgültigen Text einige Änderungen vorgenommen worden: Die Formulierung „offizielle Regelung“ wurde durch „allgemeine Orientierung“ ersetzt, und ein Ablaufplan für eine Segensfeier mit Begrüßung, Lesungen und Gebeten gestrichen. Dennoch enthält das Dokument weiterhin Hinweise auf „Akklamation, Gebet und Gesang“ sowie auf einen „Segensritus“ mit Elementen des Lobes, des Dankes und der Fürbitte.
Mehrere Diözesen in Deutschland haben seit der Veröffentlichung mit der Verbreitung und Umsetzung der Handreichung begonnen. Die DBK selbst äußerte sich bislang nicht öffentlich dazu, ob die endgültige Fassung den Rückhalt Roms besitzt.
Möglich wurde dieser lange geplante Sonderweg freilich nur, weil Papst Franziskus mit Tucho Fernández das Dokument Fiducia supplicans selbst autorisierte.
Der Papst gegen die Handreichung?
Papst Leo XIV. äußerte sich in einem Interview kurz vor der Vollversammlung in Fulda kritisch zur Veröffentlichung sogenannter „Rituale zur Segnung von Menschen, die sich lieben“ in Nordeuropa. Diese stünden, so der Papst, im offenen Widerspruch zum Geist von Fiducia supplicans, das lediglich spontane, kurze Segnungen erlaubt – nicht aber ritualisierte Formen, die liturgischen Feiern ähneln.
Doch da beißt sich der Hund in den eigenen Schwanz.
Eine Gruppe halbreifer Brandstifter plant das Feuer. Doch es war Franziskus selbst, der zur Fackel griff. Und nun versucht sein Nachfolger, die Flammen zu löschen – mit Verweis auf jenes Streichholz, mit dem sein Vorgänger das Feuer entzündete? Ein Paradox, das keinen Raum mehr läßt für eine Lösung im Sinne des überlieferten Lehramts oder der katholischen Morallehre.
In der Bundesrepublik Deutschland geht der Entstehungsprozeß der Handreichung – wie könnte es anders sein – auf einen Beschluß des Synodalen Weges vom 10. März 2023 zurück. Die Initiative wurde einer der sechs Arbeitskommissionen der besagten „Gemeinsamen Konferenz“ übertragen – einer kirchenrechtlich nicht existenten Struktur ohne jede Entscheidungskompetenz. Im Oktober 2024 wurde das Ergebnis Kardinal Fernández übermittelt, begleitet von dem Hinweis, man strebe keine formelle Zustimmung an, sondern wolle lediglich über die pastorale Entwicklung in Deutschland informieren.
Im Klartext: Die deutschen Bischöfe erklärten, selbstherrlich Entscheidungen treffen zu wollen – nicht nur im Widerspruch zur kirchlichen Morallehre, sondern auch entgegen geltendem Kirchenrecht. Und sie machten zugleich deutlich, daß die Autorität des Papstes für sie offenbar nur noch fakultativen Charakter habe.
Doch auch hier stellt sich die Frage: War es nicht Papst Franziskus selbst, der gerne zu verstehen gab, er wolle lediglich einen „Vorsitz in der Liebe“ ausüben? Freilich nur in eine Richtung – nämlich die progressive. Wer in die andere Richtung dachte, erlebte einen Papst, der nicht zögerte, mit absolutistischer Willkür den Knüppel zu schwingen.
Am 4. April 2025 wurde der Text schließlich mit Mehrheit von der „Gemeinsamen Konferenz“ angenommen – einem Gremium, das kirchenrechtlich weder existiert noch Entscheidungsbefugnis besitzt – und zur Veröffentlichung sowie Anwendung empfohlen. Der Ständige Rat der DBK hatte das Dokument bereits im Januar „zur Kenntnis“ genommen und seine Mitglieder ermutigt, es in besagtem Gremium zu unterstützen, ohne jedoch selbst einen bindenden Beschluß zu fassen. Ein Lehrbuchfall organisierter Heuchelei.
Aus Rom wird unterdessen – laut Communio – weiterhin betont, daß das Glaubensdikasterium keiner Version des Dokuments seine Zustimmung erteilt habe. Künftige nationale Pastoralstrukturen bedürfen in jedem Fall der entsprechenden recognitio durch den Heiligen Vater.
Und so spielen sich homophile Prälaten gegenseitig den Ball zu – und keiner will die Verantwortung übernehmen. Denn schließlich, wie es von beiden Seiten heißt, wolle man den „Dialog fortsetzen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons

Bätzing hat öffentlich die Unwahrheit gesagt und bleibt Vorsitzender der DBK? Wie wenig Format kann so ein „Bischof“ noch haben!!
„Worum geht es also, wenn ein Befürworter von Homo-Segnungen anderen Befürwortern von Homo-Segnungen auf die Finger klopft?“ fragen Sie. Ähnlich frage ich bei einem kath. Theologen – einem, der sich als super-kath. versteht -, selbst homosexuell ist u. dies immer wieder sichtbar vor sich herträgt, der aber GEGEN sämtliches kirchliches „Entgegenkommen“ Homosex. gegenüber wie die Segnung ihrer „Liebe“ erstaunlicherweise Position bezieht… Und sich dann aber wiederum in Kommentaren über Gläubige lustig macht, die Homoaktivitäten von den biblischen Schriften her als falsch bezeichnen u. die ablehnende Haltung Gottes, wie sie in Lev 18 ausgeführt wird, zitieren… Ja, da beißen sich sämtliche Hunde in ihren eigenen Schwanz… Einer ein Abbild des anderen! Oder die betreffenden Theologen ins eigene, irre gewordene Gehirn…
Sie werden diesen Kommentar nicht freischalten,müssen auch nicht aber die der schon zweite Kommentar von Juliana Bauer gegen Dr. Berger. Die gleiche Juliana Bauer hat mehrmals heftig im Inernet den Priesterzölibat angegriffen, während der gleiche Dr.Berger in einem Interview für das rechte und nicht religiöse Compact Magazin 2019 den Priesterzölibat heftig verteidigt hat gegen den Missbrauchsverdacht und die Lehre der katholischen Kirche für Zölibat und <homosexualität. ..Juliana Bauer bevorzugt das Modell der Ostkirche und hat ihre Meinung nicht geändert.. David Berger hat im heiligen Schein eine andere Meinung vertrteten, die er seither geändert hat. Obwohl mich der Artikel von Felizutas Küble über Bergers Konversion und sein Leserkommenta rdarunter sehr bewegt haben, bin auch ich der Meinung, das seine Bekehrung nikcht weit genug geht.
Juliana bauer und David berger im Vergleich
Juliana Bauer
Noch eine wahre Zölibats-Geschichte – die Geschichte einer Narrerei.
(Ich glaube, ich erzählte sie schon einmal).
In Stammersdorf im Wiener Bezirk u. dem Erzbistum Wien zugehörig verliebte sich der kath. Priester. Er heiratete – u. musste dann, wie üblich u. zum großen Leidwesen seiner Gläubigen, sein Priesteramt aufgeben.
Die Pfarrgemeinde bekam nach einiger Zeit einen neuen Pfarrer. Und – - – der Pfarrer kam – - – mit Ehefrau u. Kindern…! Er war ein kath. Ost-Kirchen-Priester! (Einen anderen fand Kardinal Schönborn offenbar nicht… Zumal er auch Bischof für die Ostkirchenpfarrer in Österreich ist).
Und nun? Ein Narrenspiel klerikaler Art!
Viele Gläubige fühlen sich, wie ich erst kürzlich las, heute noch, nach mehr als 12, 13 Jahren, an der Nase herumgeführt…
Was meint ihr dazu?
24 Wo.
Juliana Bauer
Probleme wird es bei den Menschen immer geben. In jedem Stand. So wie es auch viel Schönes u. viel Freude gibt. Man sollte da mal mit den katholischen Ost-Kirchen-Priestern sprechen. Bei denen zu 90% ein verheiratet Priestertum existiert – ich hörte da fast nur positive Stimmen.
Dort ist es nicht der Priester alleine, sondern das Priesterehepaar, das sich gemeinsam für Christus u. Gottes Reich engagiert. Und Priester erzählten, dass ihre Frau oft die erste Ansprechpartnerin der Gläubigen in den Pfarrhäusern sei. Ein weiterer, häufiger bereichernder Aspekt: nicht wenige Söhne werden auch wieder Priester. Was also will Rom mehr?
In den kath. Ostkirchen konnte sich der verpflichtende Priesterzölibat der lateinischen Kirche nie behaupten. Der übrigens unter vielen Drohungen u. unter massiver Gewalt im 11. u. dann definitiv im 12.Jh. von den Reformpäpsten durchgepeitscht wurde – eine Tatsache, die sehr viele Katholiken nicht wissen u. ich selbst erst, aufgrund historischer fundierter Recherchen, seit 4 Jahren weiß u. die mich schockierte. Auch vom sogen. Zölibats-Krieg in Mailand u. Oberitalien erfuhr ich in diesem Zusammenhang (1063–75), während dem viele verheiratete Priester u. ihre Familien von Zölibatsfanatikern unter Duldung durch die Päpste Alexander II. u. Gregor VII. umgebracht wurden. Auch das schockierte mich total, genauso wie der sexuelle Missbrauch an Kindern. Aber davon spricht uns kein Papst, kein Bischof. Davon sprach kein Benedikt XVI., kein Johannes Paul II., kein Paul VI. Im Grunde werden wir seit Jahrhunderten für dumm verkauft. Werden uns rosarote Bilder über den „heiligen“ Zölibat, diesen „strahlenden Edelstein“ (Paul VI.) vorgegaukelt.
Der Zölibat ist zum Teil schon das Problem für den Priestermangel. Ich kannte als junge Frau sehr viele Priesterkandidaten in Freiburg. Von denen sich nach etwa 2 Jahren gut 50% gegen das Priestertum entschieden – sie wollten heiraten. Priester der Ostkirchen hingegen hörte ich schon berichten, dass bei ihnen der Priestermangel nicht so eklatant sei.
Und ja – der erzwungene, aufoktroyierte Zölibat ist Missachtung elementarer Menschenrechte. Vor allem, wenn Sie sich vorstellen, dass er mit Gewalt durchgepeitscht wurde. Jesus selbst forderte ihn nicht u. auch nicht Paulus. Diese sahen in ihm ein Charisma – wie auch die Ehe. Übrigens gab es vehemente Widerstände zahlreicher Priester im 11.Jh., auch Widerstände bei Bischöfen u. Äbten. In Passau z.B. musste sich der Bischof nach der Verkündigung des geplanten Zölibats-Gesetzes vor seinen aufgebrachten Priestern in Sicherheit bringen, in Erfurt entstand ein Tumult – die Priester wollten Erzbischof Siegfried beinahe “lynchen“, in Rouen u. Paris herrschte Aufruhr. In Rouen jagten die Priester den Erzbischof Jean mit
https://www.facebook.com/domradio.de/videos/z%C3%B6libat-abschaffen-wie-realistisch-ist-das-wirklich-gibts-im-kardinalskollegium-/685364387237
https://philosophia-perennis.com/2019/04/19/missbrauch-in-der-kirche-die-opfer-werden-instrumentalisiert-um-der-kirche-zu-schaden/
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Catholica
Missbrauch in der Kirche: Die Opfer werden instrumentalisiert, um der Kirche zu schaden
David Berger
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David Berger
19. April 2019
5124
(David Berger) Durch einige angebliche aktuelle Äußerungen von Papst Benedikt XVI. ist das Thema des Missbrauchs in der Kirche aus einer ganz anderen Perspektive erneut in die Tagesdebatten zurückgekehrt.
Wer die Ausführungen des emeritierten Papstes liest, stellt ganz schnell fest. dass er die Sexualmoral der ‚68er eben nicht (wie kolportiert) als Ursache der Verfehlungen ansieht, sondern er beschreibt das Umfeld – den auch heute sehr wirksamen Zeitgeist – der die Gesellschaft, in der die Kirche agierte, und diese auch selber veränderte. Insgesamt wurden seine 20seitigen Ausführungen von Spiegel & Co stark verkürzt und inhaltlich verfälscht wiedergegeben.
Missbrauch in Kirche ist nicht skandalöser als in anderen Bereichen
Zur Thematik habe ich bereits vor einigen Monaten dem Compact-Magazin ein Interview zu dem Themenkomplex gegeben, das hier nun – mit Erlaubnis von Jürgen Elsässer – zweitveröffentlicht wird:
Das Magazin schreibt: „Zur Vertiefung des Themas lesen Sie nachfolgend das spannende wie aufschlussreiche Interview mit dem bekannten Blogger und Herausgeber von Philosophia perennis, Dr. David Berger, Theologe und früherer Mitarbeiter des Heiligen Stuhls, aus unserem aktuellen Magazin „Greta nervt“:
Herr Dr. Berger, war sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche schon während Ihrer Zeit im Vatikan ein Thema?
Als Dogmatiker an der Päpstlichen Thomas-Akademie und Mitarbeiter der Glaubenskongregation, der theologische Zeitschriften auf ihre Rechtgläubigkeit geprüft hat, hatte ich mit den Kollegen, die Verfehlungen im geistlichen Amt behandeln, selber nichts zu tun. Es gab aber eine eigene Abteilung dafür, sodass man sich durchaus intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.
Das war vor zehn, fünfzehn Jahren. Der Papst hat aber erst jetzt dazu ein Gipfeltreffen einberufen…
Man hört oft den Vorwurf, dass diese Sache bewusst verschleppt wurde, um etwa sicherzustellen, dass die Priester, die in solche Taten verwickelt waren, schon tot sind. In Rom dauert aber alles etwas länger. Das war übrigens auch so, als ich bei der Thomas-Akademie rausgeworfen wurde. Dafür hat man sieben Monate gebraucht.
Man darf den Vatikan nicht mit einem deutschen Amt vergleichen, wo morgens etwas ausgearbeitet wird und abends die Ergebnisse vorliegen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass man bei den Missbrauchsfällen spätestens seit 2011, als die Klagen in den USA anhängig waren, Tempo gemacht hat, um den Bankrott ganzer Diözesen zu verhindern.
Franziskus hat in seiner Erklärung Ende Februar sexuellen Missbrauch in der Kirche als «noch schwerwiegender und skandalöser» als in anderen Teilen der Gesellschaft bezeichnet, weil dieser «im Gegensatz zu ihrer moralischen Autorität und ihrer ethischen Glaubwürdigkeit» stehe.
Für mich stellt sich die Frage, ob es überhaupt angemessen ist, das zu sagen.
Warum?
Ein Schulleiter hat genauso moralische Ansprüche. Ich bin nicht der Meinung, dass Kindesmissbrauch in einem Internat wie der Odenwaldschule oder in einer anderen nichtkirchlichen Institution weniger schlimm ist. Ja, er kann, in familiären Verhältnissen ausgeübt, für das Opfer noch schwerwiegendere Folgen haben. Aber Papst Franziskus neigt dazu, zuerst auf die katholische Kirche und seine eigenen Leute einzuschlagen.
Diese Taten wurden nun mal im kirchlichen Kontext begangen.
Ich bin weit davon entfernt, hier irgendwas verharmlosen zu wollen. Es gibt aber schon die Tendenz, dass das, was katholische Priester gemacht haben, besonders skandalisiert wird. Überlegen Sie doch bitte mal, was in Berlin passiert ist:
Da hatten die Grünen, damals noch Alternative Liste, in den 1980er Jahren in Kreuzberg ihren berüchtigten Falckenstein-Keller, wo über Tausend Jungs missbraucht worden sind. Daraus wird kein jahrelanger Skandal gemacht. Genauso kommt Kindesmissbrauch in Moscheen vor. Doch darüber gibt es kaum Berichte.
Das kann man aber nicht dem Papst anlasten.
Nein, aber durch seine Erklärung verstärkt er ja die Tendenz, Missbrauch in der Kirche als skandalöser als in anderen Institutionen darzustellen. Das ist aber typisch für Franziskus: Er handelt aus einem Schuldkomplex heraus.
Wieso macht er das?
Ich halte ihn zum einen für nicht besonders intelligent, zum anderen ist er inkonsequent. Er sagt an einem Tag dies und am anderen Tag jenes. Im Grunde sagt er immer das, was in den Medien gut ankommt. Merkel hat erklärt, sie habe die Grenzen 2015 geöffnet, um unschöne Bilder zu verhindern. Von einem solchen Zuschnitt ist auch der jetzige Papst.
„Der Abschaffung des Zölibats stehe ich hingegen eher skeptisch gegenüber“
Wenn Kritiker also in der Institution Kirche, ihren Strukturen und ihrer Lehre die Ursachen für den sexuellen Missbrauch suchen, liegen sie falsch?
Teils, teils. Natürlich ist das auch ein strukturelles Problem der Kirche. Es gibt Studien, die besagen, dass die Missbrauchstäter in der katholischen Kirche oft gar nicht wirklich pädophil veranlagt sind, sondern dass es bestimmte interne Ursachen dafür gibt, dass sie dann zu pädophilen Handlungen neigen. Eine dieser Ursachen ist – und da haben die Kritiker durchaus recht –, dass viele Kleriker kein natürliches Verhältnis zur Sexualität entwickeln können. Das betrifft besonders die Generationen, die jetzt in die Missbrauchsfälle verwickelt sind. In den Priesterseminaren hat man dieses Thema immer peinlich vermieden, oder es kam lediglich in Form dummer Gags vor, sodass diese Leute, was das Thema Sexualität betrifft, emotional auf dem Stand eines Grundschülers waren. Dass sie dann ihre Sexualität mit «Gleichaltrigen», also wirklichen Minderjährigen, ausleben, ist leider ebenso nachvollziehbar wie die Tatsache, dass sie kein echtes Schuldbewusstsein für diesen extremen Bruch mit der Moral entwickeln konnten, bei dem man in Kauf nimmt, dass Kinder ihr Leben lang geschädigt sein werden.
Eine weitere strukturelle Ursache liegt in der extremen Machtbetontheit, die aber in vielen Institutionen vorherrscht, nicht nur in der Kirche. Sexueller Missbrauch hat für mich weniger mit Sexualität zu tun, sondern ist gewaltsamer Ausdruck von Machtausübung. Sigmund Freud hat einmal gesagt, dass Sexualität, Gewalt und Religion die drei Grundtriebe des Menschen sind, die erst durch die Zivilisation domestiziert werden. In der katholischen Kirche kommen alle drei Faktoren zusammen. Wer verheiratet ist und drei Kinder hat, der denkt in der Regel nicht den ganzen Tag über Sexualität nach, sondern sie gehört einfach zum normalen Leben dazu. Wenn aber jemand, der sehr viel Umgang mit Menschen hat, ständig darauf achtgeben muss, dass er sich möglichen Sexualpartnern nicht zu sehr nähern darf, dann spielt das – zudem auch noch dämonisierte – Thema Sexualität eine viel größere Rolle als bei anderen Leuten.
Demnach müsste ja der Zölibat als erstes auf den Prüfstand…
In erster Linie muss man genau schauen, wen man zum Priester weiht. Und denen muss deutlich gemacht werden, was dies für ihr Leben bedeutet. Dazu gehört auch, dass man die Themen Sexualität und Sexualverbot ganz offen anspricht. Der Abschaffung des Zölibats stehe ich hingegen eher skeptisch gegenüber. Wer Priester werden möchte, soll sich das gut überlegen und muss sich darüber im Klaren sein, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Die katholische Kirche wird nicht dadurch wieder attraktiver, dass man sie zu einer protestantischen Untergruppe macht.
Aber besteht hier nicht die Gefahr, dass die Probleme fortexistieren?
Laut Freud gibt es die Möglichkeit, seine Triebe zu sublimieren. Genau das steht ja auch hinter der Idee des Zölibats: Der Sexualtrieb soll durch Frömmigkeit sublimiert werden. Wenn Sie einmal das Thema Homosexualität nehmen, so finden Sie im Katechismus die Aussage, dass die Veranlagung von Schwulen und Lesben völlig in Ordnung ist und dass man ihnen mit Takt und Respekt begegnen soll. Aber: Sie dürfen ihre Sexualität nicht ausleben. Sie unterliegen also im Grunde auch einer Art «Zölibat», ohne Priester zu sein. Im einen wie im anderen Fall wird erwartet, dass man dies durch besondere Loyalität zum Glauben ausgleicht.
Glauben Sie, dass die Missbrauchsfälle von bestimmter Seite instrumentalisiert werden, um die Kirche insgesamt zu schädigen?
Natürlich gibt es solche Bestrebungen. Ich habe das selbst erlebt, als ich 2010 mein Buch Der heilige Schein veröffentlicht und darin die Kirche wegen ihrer Haltung zur Homosexualität kritisiert habe. Dieses Buch war noch keine fünf Stunden auf dem Markt, da bin ich zur ersten Talkshow eingeladen worden. Und das ging dann mehrere Wochen so weiter. Wenn ich etwas Kritisches über den Homo-Hass im Islam geschrieben hätte, wäre das ganz anders gewesen.
Das Schlimme aber ist, dass eine solche Instrumentalisierung auch in der Kirche selbst stattfindet – und zwar von beiden Seiten: Die Konservativen instrumentalisieren den Missbrauch, indem sie diesen mit Homosexualität komplett gleichsetzen, um dann zu erreichen, dass die Kirche in ihrer Haltung zu dieser Frage noch extremer wird. Die weitaus größere Gruppe der Liberalen, die Franziskus auf ihrer Seite haben, wollen die Sache auf andere Weise instrumentalisieren, indem sie – vereinfacht – sagen: Wir müssen im Bereich der einvernehmlichen Sexualität alles freigeben. Beide Seiten versuchen also, einfach nur ihre Agenda durchzusetzen. Ich habe leider den Eindruck, dass man an den Opfern des Missbrauchs und an der Verhinderung neuer Opfer kaum interessiert ist.
Sie haben vorhin gesagt, die katholische Kirche dürfe nicht zu einer Untergruppe des Protestantismus werden. Wie kann sie wieder attraktiver werden für die Gläubigen?
Indem sie wieder ihr Label belegt, das sie schon seit 2.000 Jahren hat. Je mehr die Kirche das nach außen präsentiert, was sie gar nicht ist, desto mehr macht sie sich überflüssig. Genau das passiert, wenn man sich der Moderne und dem Zeitgeist anpasst.
Wenn eine Religionsgemeinschaft relevant sein will, muss sie eine Gegenwelt zum Profanen bieten, muss die Welt des Sakralen repräsentieren. Und das bedeutet auch, Gegenentwürfe anzubieten und Stachel im Fleisch zu sein.