Chinesisch erhält im Vatikan mehr Bedeutung

Einen Monat nach der erneuten Verlängerung des Geheimabkommens


Die kommunistische Fahne (als Staatsflagge der Volksrepublik China) vor dem Petersdom
Die kommunistische Fahne (als Staatsflagge der Volksrepublik China) vor dem Petersdom

Papst Fran­zis­kus selbst kün­dig­te gestern am Ende sei­ner Gene­ral­au­di­enz an, daß „näch­ste Woche, mit dem Advent, auch die chi­ne­si­sche Über­set­zung der Zusam­men­fas­sung der Kate­che­se der Audi­enz begin­nen wird“. Aller­dings wer­den die Chi­ne­sen, jeden­falls jene in der Volks­re­pu­blik Chi­na, nichts davon mit­be­kom­men. Die Ankün­di­gung erfolgt einen Monat nach der drit­ten Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens mit den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern in Peking, zu dem ein beschö­ni­gen­des Nar­ra­tiv ver­brei­tet wird.

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Es wird also ab dem kom­men­den Mitt­woch bei den Gene­ral­au­di­en­zen am Mitt­woch eine Über­set­zung der Kate­che­se und Gruß­wor­te für die chi­ne­si­schen Gläu­bi­gen geben. Das soll eine neue Geste der Nähe zu den Katho­li­ken in der Volks­re­pu­blik Chi­na sein.

Aktu­ell wird bei der Gene­ral­au­di­enz die auf ita­lie­nisch vor­ge­tra­ge­ne Papst-Kate­che­se zusam­men­fas­send auch auf fran­zö­sisch, eng­lisch, deutsch, por­tu­gie­sisch, spa­nisch, pol­nisch und ara­bisch ver­le­sen. Nun wird auf Wunsch des Pap­stes auch Chi­ne­sisch dazukommen.

Nach der gewalt­sa­men kom­mu­ni­sti­schen Macht­er­grei­fung 1949 wur­den von den neu­en Macht­ha­bern in Peking die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zum Hei­li­gen Stuhl abge­bro­chen. 2018 unter­zeich­ne­ten die bei­den Sei­ten ein pro­vi­so­ri­sches Abkom­men, des­sen Inhalt jedoch geheim­ge­hal­ten wird. Die­ses Abkom­men mit zwei­jäh­ri­ger Lauf­zeit wur­de seit­her 2020, 2022 und zuletzt im Okto­ber 2024 ver­län­gert. Die Ver­län­ge­rung gilt nun für vier Jah­re. Das deu­tet an, daß eine unbe­fri­ste­te Lösung gesucht wird, der Weg dazu aber nur in sehr klei­nen Schrit­ten erfolgt.

Die Pekin­ger Staats­füh­rung ließ bis­her auch kei­ne Signa­le erken­nen, die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen wiederaufzunehmen.

Das Geheim­ab­kom­men soll Bischofs­er­nen­nun­gen regeln, sehr zugun­sten der kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber. Ihnen über­ließ Fran­zis­kus das Nomi­nie­rungs­recht, was in der Pra­xis so aus­sieht, daß Peking ein­fach neue Bischö­fe ein­setzt und dem Papst die Mög­lich­keit bleibt, die­se teils auch erst nach­träg­lich anzu­er­ken­nen – oder auch nicht. Letz­te­res wür­de aller­dings die ver­ein­bar­te Zusam­men­ar­beit annul­lie­ren und soll bis­her noch nicht vor­ge­kom­men sein. In Rom hofft man, daß sich die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas (KPCh) im Lau­fe der Zeit über­zeugt, daß durch die Kir­che kei­ne Gefahr für das Regime aus­ge­he und die­ses der Kir­che daher mehr Spiel­raum läßt. Die­ser ist bis­her mas­siv ein­ge­schränkt (auch hier).

Das chi­ne­si­sche Außen­mi­ni­ste­ri­um beschränkt sich seit Jah­ren auf feste knap­pe For­meln. Es gebe „kon­struk­ti­ve Gesprä­che“, man bemü­he sich, die Bezie­hun­gen „zu ver­bes­sern“. Ob eine sol­che Ver­bes­se­rung statt­fin­det, kann dar­aus nicht abge­le­sen werden.

Papst Fran­zis­kus strebt die Ein­heit der chi­ne­si­schen Katho­li­ken an, die durch das rote Regime gespal­ten wur­den in eine Rom-treue Unter­grund­kir­che und eine regi­me­hö­ri­ge „offi­zi­el­le“ Kir­che, die als Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung der chi­ne­si­schen Katho­li­ken bekannt ist. Aner­ken­nung genießt nur letz­te­re, die direkt von der KPCh abhän­gig ist.

Kri­ti­ker wie Kar­di­nal Joseph Zen, eme­ri­tier­ter Bischof von Hong­kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, wer­fen dem Hei­li­gen Stuhl unter Fran­zis­kus vor, die Rom-treue Unter­grund­kir­che im Namen der Ein­heit dem kom­mu­ni­sti­schen Regime aus­ge­lie­fert zu haben.

Seit der Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens kam es in den ver­gan­ge­nen sechs Jah­ren zu ins­ge­samt zehn Bischofs­er­nen­nun­gen. Alle neu­ernann­ten Bischö­fe gehö­ren der vom Regime kon­trol­lier­ten Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung an. Letz­te­res Detail wird in den römi­schen Dar­stel­lun­gen ger­ne über­gan­gen und bleibt meist unerwähnt.

Von San­ta Mar­ta und dem vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at nahe­ste­hen­den Jour­na­li­sten wird neu­er­dings ver­brei­tet, daß die chi­ne­si­sche Regie­rung zwar die Kan­di­da­ten vor­schlägt, aber die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung von Papst Fran­zis­kus getrof­fen wer­de. So kann man den Sach­ver­halt auch dar­stel­len. Aller­dings ist das besten­falls die hal­be Wahrheit.

Das wird schon dar­an über­deut­lich, daß der Hei­li­ge Stuhl sich seit dem Amts­an­tritt von Fran­zis­kus pein­lichst genau jeg­li­cher Kri­tik am kom­mu­ni­sti­schen Regime in Peking ent­hält. Fran­zis­kus umgeht die Fra­ge der Men­schen­rech­te, lobt die Macht­ha­ber und schmei­chelt ihnen, wäh­rend eini­ge sei­ner eng­sten Bera­ter sich sogar mit völ­lig unan­ge­mes­se­nen Lobes­hym­nen (auch hier) über­schlu­gen.

Die Chi­ne­sen der Volks­re­pu­blik Chi­na (der zwei­te chi­ne­si­sche Staat ist Tai­wan oder Repu­blik Chi­na) wer­den aller­dings von den chi­ne­si­schen Kate­che­sen von Papst Fran­zis­kus nichts erfah­ren. Die Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung, die den Infor­ma­ti­ons­fluß kon­trol­liert, ver­öf­fent­lich­te – Geheim­ab­kom­men hin oder her – bereits bis­her fak­tisch nichts von dem, was der Papst in Rom sagt. Rom hofft also einer­seits auf eine posi­ti­ve Wir­kung auf die Staats­füh­rung in Peking und wohl auch auf indi­rek­te Kanäle.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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1 Kommentar

  1. Das ist die lustig­ste Mel­dung des Jah­res und die tref­fend­ste: Kommt uns nicht allen alles, was im Vati­kan vor sich geht, seit 2013 zuneh­mend chi­ne­sisch vor? Und damit mei­ne ich kei­nes­wegs nur die wun­der­lich­sten Neo­lo­gis­men des Pap­stes oder sei­nen sozia­li­stisch ange­hauch­ten Pasto­ral-Sprech, den ich – par­don – ein­fach nicht mehr ertra­gen kann.
    Ich ver­mu­te aller­dings, dass hin­ter dem Vor­ha­ben mit dem Chi­ne­si­schen weni­ger der Wunsch steckt, mit der ver­folg­ten Kir­che in Chi­na in enge­rem Kon­takt zu tre­ten, son­dern mit den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern, denen man sich im „fran­zis­ka­ni­schen“ Rom – was Wun­der – ja nur all­zu bereit­wil­lig in die Hän­de wirft. – Die von Peking gewünsch­te „Sini­sie­rung“ der katho­li­schen Reli­gi­on kommt den vati­ka­ni­schen Bestre­bun­gen ja ohne­hin ent­ge­gen. Nach der Ein­füh­rung des „Maya-Ritus“ kann uns hier schließ­lich ja nichts mehr verwundern.
    Aus katho­li­scher Sicht erscheint die­ses Pon­ti­fi­kat des­halb ganz sicher als „chi­ne­sisch“.

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