
(Rom/Peking) Das umstrittene Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China wird geheimgehalten. Dennoch sickern langsam Inhalte durch. Sie treffen sich mit dem, was bereits vermutet wurde und können die besorgten chinesischen Katholiken nicht beruhigen. Vor allem die jüngste Verhaftung eines Untergrundbischofs legt offen, wie prekär die Lage der Kirche in China ist – entgegen den positiven, teils euphorischen Tönen, die Ende September in Rom angeschlagen wurden. Wurde Franziskus im Geheimabkommen ein Vetorecht bei Bischofsernennungen zuerkannt, aber dem kommunistischen Regime ein „Indoktrinierungsrecht“?
Die Geheimhaltung, die zwischen dem Vatikan und den chinesischen Kommunisten vereinbart wurde, stieß unter Katholiken auf Kritik. Besonders die betroffene, romtreue Untergrundkirche ist in hohem Maße alarmiert.
Außer der Teilnahme zweier Bischöfe bei der Jugendsynode, die vor allem ein mediengerechter Imagegewinn für Peking war, brachte das Abkommen bisher keine positiven Auswirkungen. Im Gegenteil: Im kommunistischen Großreich gehen sogar die Zerstörungen von Kirchen weiter. Einer der beiden Bischöfe, deren Teilnahme als Synodalen vom Regime genehmigt wurde, ist ein von der Kommunistischen Partei Chinas eingesetzter Bischof, der bis zur Unterzeichnung des Geheimabkommens exkommuniziert war und auch weiterhin der schismatischen, regimehörigen Patriotischen Vereinigung angehört. Als Vorleistung für das Abkommen erkannte Franziskus sieben exkommunizierte, schismatische Bischöfe als reguläre Bischöfe an. Ein Schritt, der innerkirchlich sehr umstritten ist.
Verhaftung eines Untergrundbischofs
In der Volksrepublik China selbst geht die Politik der Daumenschraube durch das Regime weiter. Am vergangenen Freitag wurde Bischof Shao Zhumin von Wenzhou von der politischen Polizei verhaftet. Bischof Shao ist von Rom anerkannt, aber nicht von den Kommunisten. Während Papst Franziskus alle vom Regime eingesetzten Bischöfe anerkannte, ist das kommunistische Regime offensichtlich umgekehrt nicht gewillt, die von Rom eingesetzten Bischöfe anzuerkennen. Vor dieser Einseitigkeit hatte Kardinal Joseph Zen, die graue Eminenz der Untergrundkirche gewarnt. Er warnte Rom davor, daß Peking das Abkommen nur dann unterzeichnen werde, wenn es sich davon einseitigen Nutzen für sich verspricht. Von einem Interessenausgleich könne aber keine Rede sein. Papst Franziskus hielt den Kritikern vor, ohne den Kardinal namentlich zu nennen, „Unglückspropheten“ zu sein.
Die Verhaftung von Bischof Shao zeigt, daß die Lobeshymnen, die in Rom wegen des Abkommens angestimmt wurden, von Papst Franziskus selbst, aber auch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der Wirklichkeit nicht standhalten.
Bischof Shao wird, folgt das Regime der üblichen Vorgehensweise, für 10 – 15 Tage an einem unbekannten Ort fern von seinem Bistum isoliert und ideologisch indoktriniert. Durch die Gehirnwäsche soll er dem Regime gefügig gemacht werden. Die Gläubigen seines Bistums haben die Katholiken der ganzen Welt aufgerufen, für ihren Bischof zu beten, so Pater Bernardo Cervellera, Schriftleiter von AsiaNews und ausgewiesener China-Kenner.
Das Regime nennt solche Zwangsverschleppungen „Urlaubszeit“. „In Wirklichkeit handelt es sich um Verhöre und Indoktrinierung“, so Cervellera.
Bischof Shao gehört zur Untergrundkirche, ist aber vom Vatikan offiziell als Bischof von Wenzhou anerkannt. In den vergangenen zwei Jahren wurde er mindestens fünfmal von der Polizei abgeholt, zuletzt im Mai 2017. Er kehrte damals erst nach sieben Monaten wieder aus der Haft zurück.
Als Untergrundbischof wird man ihn während der Zeit der Zwangsverschleppung zur Unterwerfung unter die Religionspolitik des Regimes „drängen“. Bisher hielt er stand. Konkret bedeutet die Unterwerfung vor allem die Mitgliedschaft in der regimehörigen, schismatischen Patriotischen Vereinigung. In ihr wurde vom Regime Ende der 50er Jahre eine von Rom „unabhängige“, dem Regime unterworfene Kirche geschaffen. Die Kommunisten nennen das neuerdings „Sinisierung“ der Kirche.
Papst Benedikt XVI. bekräftigte in seinem Schreiben an die chinesischen Katholiken von 2007, daß die Patriotische Vereinigung unvereinbar mit der kirchlichen Lehre und eine Mitgliedschaft in ihr unmöglich ist.
Verfolgung verschärft
Die Verhaftung von Bischof Shao ist auch deshalb spektakulär, weil es bisher schien, als werde er auch von regimehörigen Kreisen geschätzt. Im Bistum Wenzhou gibt es über 130.000 Katholiken. Lediglich ein Drittel ist offiziell registriert. Gut zwei Drittel gehören der Untergrundkirche an. Von den 70 Priestern, gehören die Hälfte der regimehörigen, schismatischen Kirche und die andere Hälfte der romtreuen Untergrundkirche an. Bischof Shao ist es aber gelungen, eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Teilen zustande zu bringen.
Vielleicht liegt gerade darin der Grund für seine Verhaftung. Jede Aktivität, die nicht unter der Kontrolle des Staates steht, wird vom Regime als Bedrohung empfunden. Die „neue Religionspolitik“ des Regimes ist mit Restriktionen gespickt. In der Oktav von Allerheiligen wurde beispielsweise den regimehörigen Priestern verboten, Gräber von Bischöfen und Priestern der Untergrundkirche zu besuchen, die von allen Gläubigen sehr geschätzt und zum Teil verehrt werden.
Auch der regimehörigen Kirche wurde vom Staat jede Aktivität mit Minderjährigen verboten. Das betrifft nicht nur religiöse Aktivitäten, sondern jede Form von Aktivität. Der Staat will ein absolutes Monopol über die Jugend ausüben.
Seit der Unterzeichnung des Geheimabkommens mit dem Vatikan wurden die Kontrollen und die Verfolgung der Untergrundkirche verstärkt, während gegenüber dem regimehörigen Klerus die „Unabhängigkeit“ von Rom der schismatischen Kirche bekräftigt wird.
Der Inhalt des Geheimabkommens?
Aus vatikanischen Diplomatenkreisen wird bestätigt, daß das Geheimabkommen eine Regelung für die Bischofsernennungen enthält. Demnach habe der Vatikan das Nominierungsrecht für Bischöfe an die Kommunisten abgetreten. Dem Papst bleibt ein Vetorecht. Im schlimmsten Fall kann das Kirchenoberhaupt die Vorschläge des Regimes ablehnen, aber selbst keine Bischofsernennungen vornehmen.
Kritiker sprechen davon, daß es deshalb in der Volksrepublik bald nur mehr vom kommunistischen Regime ausgesuchte Bischöfe geben werde. Die Zukunft wird zeigen, ob und welchem Ausmaß Franziskus von seinem Vetorecht Gebrauch machen, oder sich den Vorschlägen des Regimes fügen wird, um die Kommunisten nicht durch als „unfreundlich“ empfundene Gesten – etwa die Ablehnung eines regimehörigen Bischofs – zu reizen. Vielleicht hat die derzeitige Kirchenführung in Rom aber auch gar nicht so große Probleme mit regimetreuen Bischöfen: Der politische Arm von Papst Franziskus, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, schilderte das kommunistische Großreich am vergangenen 2. Februar als eine Art Paradies auf Erden und sprach ein ebenso ungewöhnliches wie bedenkliches Lob aus:
„In diesem Moment sind jene, die die Soziallehre der Kirche am besten verwirklichen, die Chinesen.“
Manche Kritiker sehen dahinter eine alte Sehnsucht, bestimmter Kirchenkreise nach einer Allianz von Sozialismus und Christentum, die sich bisher – aus gutem Grund – nirgends verwirklichen ließ.
Die Verhaftung von Bischof Shao zeigt zudem, daß der Vatikan auch das „Recht“ zur Indoktrinierung und Umerziehung der Bischöfe an das Regime abgetreten zu haben scheint. Der Vatikan reagierte bisher mit keinem Wort auf die Verhaftung und Verschleppung von Bischof Shao, obwohl er vom Vatikan nicht nur als Geheimbischof, sondern offiziell anerkannt ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews
Ich bin immer wieder mehr als erstaunt, dass kaum jemand in diesem Forum kommentiert. Interessiert das alle nicht? Schlaft Ihr alle? Hier müsste ein Aufschrei erfolgen, denke ich nur an die Chinareisen vom ehemaligen Kardinal McCarrick, das Geheimabkommen, für das der Papst die alleinige Verantwortung übernommen und die staatliche Zerstörung von zwei Marien-Kirchen in China, der Inhaftierung von Priestern, die sich bei der staatlichen Organisation nicht registrieren lassen wollten und jetzt die Verhaftung eines Bischofs. Was Kardinal Zen dazu sagen würde, kann ich mir vorstellen und was der Papst dazu sagen wird kann ich mir erst recht vorstellen, nämlich nichts – ein Schweigen bis zum Pontifikatsende.
Richtig beobachtet. Im persönlichen Gespräch echauffiert man sich, aber außer folgenlosem Bramarbasieren kommt nichts dabei heraus. Es kommt einem unwillkürlich die Witzfigur des Barons Mucki von Kalk (genial in den Graf-Bobby-Filmen von Gunther Philipp verkörpert) in den Sinn: man weiß ja nix, man tut ja nix, man red ja nur davon.
Waren bisher die (folgenlosen) Zustimmungen wie „Genau so ist es!“ oder „Ja, es reicht wirklich!“ üblich (unweigerlich folgten die nächsten hilfreichen Kommentare: „Ich bin dabei!“ – der Klassiker! – sowie „Ich auch!“) kommt mittlerweile nicht einmal mehr das.