
(Moskau) Die russisch-orthodoxe Kirche gab bekannt, daß ein Treffen zwischen ihrem Oberhaupt, Patriarch Kyrill, und Papst Franziskus auch weiterhin nicht auf der Tagesordnung steht. In Moskau wurde die bisherige Haltung bekräftigt, daß ein Papstbesuch in Rußland kein Thema sei.
„Bislang werden keine konkreten Vorbereitungen für ein solches Treffen getroffen. Das Datum und der Ort des Treffens stehen noch nicht fest, und die Themen dieses Treffens befinden sich noch im Arbeitsstadium“, sagte der für die Außenbeziehungen des Patriarchats zuständige Metropolit Hilarion in der Sendung „Kirche und Welt“ des russischen Fernsehsenders Rossija24.
Ein erstes Treffen gab es vor mehr als fünf Jahren, am 12. Februar 2016 in Havanna. Es war überhaupt die erste Begegnung eines Papstes mit einem Moskauer Patriarchen. Die Karibikinsel Kuba wurde als „neutraler“ Boden für diesen historischen Moment gewählt.
„Dieses Treffen war in vielerlei Hinsicht nützlich und wichtig. Und da ein Treffen stattgefunden hat, kann es natürlich ein weiteres und ein drittes geben. Warum sollte sich unser Patriarch mit dem armenischen Patriarchen treffen können, aber zum Beispiel nicht mit dem Papst?“ zeigte sich Hilarion von Wolokolamsk grundsätzlich offen für weitere Begegnungen.
Allerdings schob der Metropolit gleich nach, daß die Voraussetzungen für einen Papstbesuch in Rußland „derzeit nicht gegeben“ seien, was auch der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vor kurzem so gesagt hatte. Die Begegnung von 2016 sorgte wegen der Ukraine nicht nur in der katholischen Kirche für Unruhe, auch in der russisch-orthodoxen Kirche war sie nicht unumstritten.
Bei der Begegnung von Franziskus mit Patriarch Kyrill auf Kuba war eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet worden, die unter den mit Rom unierten Ukrainern für erhebliche Empörung sorgte. Die Kirchenfrage in der Ukraine, die vom politischen Konflikt zwischen Moskau und Kiew überschattet ist, verlagerte sich inzwischen von einem Konflikt zwischen den Orthodoxen und den Unierten zu einem primär innerorthodoxen Streit, seit der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel die ukrainisch-orthodoxe Kirche für autokephal (eigenständig) erklärte und seinem Patriarchat unterstellte. Auf diese Weise versuchte Konstantinopel die Spaltung der Orthodoxie in der Ukraine zu überwinden. Allerdings wurde diese Loslösung vom Moskauer Patriarchat bis heute nicht anerkannt.
Als Zeichen des Entgegenkommens ordnete Franziskus im selben Jahr die Auflösung des Päpstlichen Collegiums Russicum an. Es war von Papst Pius XI. nach der Errichtung der kommunistischen Diktatur in Rußland errichtet und dem Jesuitenorden anvertraut worden. Am Russicum wurden Priester ausgebildet, die nach der Priesterweihe in der Sowjetunion im Untergrund zu wirken hatten. Vor ihrer Abreise wurden sie vom Papst in geheimer Audienz empfangen und ihnen die letzte Ölung gespendet, denn die Wahrscheinlichkeit, den Kommunisten in die Hände zu fallen und ihren Einsatz mit dem Leben zu bezahlen, war groß.
Die Auflösung erfolgte 2016 als Zeichen des guten Willens, da für die Orthodoxie das Territorialprinzip gilt, laut der es nur eine Kirche in einem Gebiet geben könne, und das sei in Rußland die russisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Russija24 (Screenshot)