Theologenkommission legt Ehestudie vor – mit Auswirkungen für die Nichtigkeitsverfahren?

Ehesakrament bei fehlendem Glauben ungültig?


Die Kathedrale von Noto auf Sizilien, eine beliebte Hochzeitskirche
Die Kathedrale von Noto auf Sizilien, eine beliebte Hochzeitskirche

Die Inter­na­tio­na­le Theo­lo­gen­kom­mis­si­on des Pap­stes leg­te gestern eine Stu­die über die „Rezi­pro­zi­tät zwi­schen Glau­ben und Sakra­men­ten in der Sakra­men­ten­öko­no­mie“ vor. Die Stu­die über die Wech­sel­sei­tig­keit von Glau­ben und Sakra­men­ten befaßt sich auch mit der Fra­ge, ob die sakra­men­ta­le Ehe von Getauf­ten, die nicht gläu­big sind, ein Sakra­ment ist. Vom Hei­li­gen Stuhl wur­de die umfang­rei­che Stu­die bis­her in eng­li­scher und spa­ni­scher Spra­che veröffentlicht.

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Die umfang­rei­che Stu­die ist das Ergeb­nis von fünf Jah­ren Arbeit. Ihr Haupt­teil ist der 4. Teil, in dem die Fra­ge behan­delt wird, ob eine Ehe, die ohne Glau­ben geschlos­sen wur­de, ein Sakra­ment ist. Die Fra­ge wird anhand des Lehr­am­tes der drei jüng­sten Päp­ste behan­delt. Die Theo­lo­gen­kom­mis­si­on ver­weist zunächst dar­auf, daß es für die Kir­che nicht zwei For­men der Ehe gibt, eine natür­li­che und eine sakra­men­ta­le, son­dern nur die sakra­men­ta­le Ehe. Sie gelangt daher zum Schluß, dar­ge­legt im Para­gra­phen 188, daß es eine Ehe ohne Glau­ben nicht geben kön­ne, wes­halb die Kir­che mit gutem Grund die Ehe­schlie­ßung ver­wei­gert, wenn die Braut­leu­te einen offen­kun­di­gen Glau­bens­man­gel erken­nen lassen.

Damit ver­wirft die Kom­mis­si­on theo­lo­gi­sche Posi­tio­nen, die sie als „extre­me Posi­tio­nen“ bezeich­net, die ent­we­der einen Auto­ma­tis­mus des Sakra­ments ver­tre­ten, unab­hän­gig vom Vor­han­den­sein von Glau­ben bei den Ehe­leu­ten, oder den feh­len­den Glau­ben der Braut­leu­te durch den Glau­ben der Kir­che ersetzt sehen, wodurch die Gül­tig­keit und Wirk­sam­keit des Ehe­sa­kra­ments garan­tiert werde.

Die Inter­na­tio­na­le Theo­lo­gen­kom­mis­si­on ver­tritt hin­ge­gen die Posi­ti­on einer „dia­lo­gi­schen Natur der Sakra­men­ten­öko­no­mie“, bei der die sakra­men­ta­le Ehe somit nicht ohne einen leben­di­gen Glau­ben der Braut- oder Ehe­leu­te auskomme.

Die Kom­mis­si­on begrün­det in den Para­gra­phen 151–165 unter Nen­nung der lehr­amt­li­chen Quel­len, wann und in wel­cher Form die ver­gan­ge­nen drei Päp­ste die Fra­ge nach der Wech­sel­wir­kung von per­sön­li­chem Glau­ben der Braut­leu­te und dem Zustan­de­kom­men eines gül­ti­gen Ehe­sa­kra­ments auf­ge­wor­fen und die Not­wen­dig­keit ihrer gründ­li­chen Unter­su­chung ange­mahnt haben.

Die Kom­mis­si­on folgt in ihrem Ergeb­nis der in der Theo­lo­gie und in Rom all­ge­mein ver­tre­te­nen Posi­ti­on. Behan­delt wer­den auch pasto­ra­le Aspek­te, was eine Ableh­nung eines Wun­sches, sich kirch­lich trau­en zu las­sen, bedeu­ten kön­ne und wie damit umzu­ge­hen sei.

Die Stu­die wirft aber auch Fra­gen auf, näm­lich nicht so sehr wegen der The­ma­tik, die von der Kom­mis­si­on in den Mit­tel­punkt gestellt wur­de und die die Ehe­schlie­ßung selbst betrifft, son­dern Fra­gen zu den Fol­ge­wir­kun­gen für bereits geschlos­se­ne Ehen durch „getauf­te Ungläu­bi­ge“ oder „nicht­gläu­bi­ge Getaufte“.

Die Kom­mis­si­on nahm ihre Arbeit zu einem Zeit­punkt auf, als Papst Fran­zis­kus in zwei Schrit­ten die Unauf­lös­lich­keit der sakra­men­ta­len Ehe erschütterte. 

Der erste Schritt dazu erfolg­te noch im Jahr sei­ner Wahl mit der Ein­be­ru­fung der bei­den Fami­li­en­syn­oden. Ange­führt von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per wur­de damit der Weg zur fak­ti­schen Zulas­sung von Ehe­schei­dung und Zweit­ehe geeb­net, umge­setzt von Fran­zis­kus durch sein nach­syn­oda­les Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia.

Der zwei­te Schritt war die Ände­rung der Ehe­ge­richts­bar­keit durch ein ver­ein­fach­tes Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren und die Ein­füh­rung neu­er Nich­tig­keits­grün­de. Obwohl im Okto­ber 2015 die zwei­te Fami­li­en­syn­ode noch bevor­stand, schuf Papst Fran­zis­kus bereits einen Monat vor­her voll­ende­te Tatsachen. 

Mit dem Motu pro­prio Mitis Iudex Domi­nus Iesus (Der mil­de Rich­ter Herr Jesus), das er ohne Vor­ankün­di­gung erließ, ver­lieh Fran­zis­kus zum 8. Dezem­ber 2015 einer Rei­he von Neue­run­gen Rechts­kraft, die er „maria­ni­sche“ Etap­pen nannte:

  • Abschaf­fung der zwei­ten Instanz und des dop­pel­ten Urteils
  • Abschaf­fung des Rich­ter­kol­le­gi­ums und Erset­zung durch einen Einzelrichter
  • Über­tra­gung der Zustän­dig­keit an den Bischof, in Fäl­len „evi­den­ter“ Nich­tig­keit direkt zu entscheiden
  • Ver­ein­fa­chung der dis­pen­sa super ratum durch Ein­füh­rung des „sehr wahr­schein­li­chen“ Zwei­fels, daß die Ehe nicht voll­zo­gen wurde
  • Ein­füh­rung  neu­er Nichtigkeitsgründe

Die Nich­tig­keits­er­klä­rung eines Ehe­ban­des, das heißt, eines Sakra­ments, ist von so schwer­wie­gen­der Bedeu­tung, daß das zwin­gen­de dop­pel­te Urteil (und die Letzt­ent­schei­dung der Rota Roma­na bei Nicht-Über­ein­stim­mung der bei­den Urtei­le) bis dahin als Garan­tie gegen einen mög­li­chen Irr­tum der Rich­ter gese­hen wurde.

Als neue Nich­tig­keits­grün­de nennt Fran­zis­kus im Motu proprio:

  • jenen Man­gel an Glau­ben, der die Simu­la­ti­on des Kon­sen­ses oder den wil­lens­be­stim­men­den Irr­tum her­vor­brin­gen kann; 
  • eine kur­ze Dau­er des ehe­li­chen Zusammenlebens; 
  • eine zur Ver­mei­dung der Fort­pflan­zung vor­ge­nom­me­ne Abtreibung; 
  • das hart­näcki­ge Ver­har­ren in einer außer­ehe­li­chen Bezie­hung zum Zeit­punkt der Ehe­schlie­ßung oder unmit­tel­bar danach; 
  • das arg­li­sti­ge Ver­schwei­gen von Unfrucht­bar­keit oder einer schwe­ren anstecken­den Krank­heit oder von Kin­dern aus einer vor­her­ge­hen­den Bezie­hung oder eines Gefängnisaufenthalts; 
  • ein dem ehe­li­chen Leben völ­lig frem­des Hei­rats­mo­tiv oder die uner­war­te­te Schwan­ger­schaft der Frau; 
  • Aus­übung phy­si­scher Gewalt zur Erzwin­gung des Konsenses; 
  • den durch ärzt­li­che Doku­men­te erwie­se­nen feh­len­den Vernunftgebrauch; 
  • usw.

Man­che die­ser Grün­de, etwa ein „zu kur­zes Zusam­men­le­ben“, lösten unter Ehe­band­ver­tei­di­gern, aber auch im gläu­bi­gen Volk erheb­li­ches Kopf­schüt­teln aus.

Der „feh­len­de Glau­ben“, der im Mit­tel­punkt der fünf­jäh­ri­gen Stu­die der Theo­lo­gen­kom­mis­si­on stand, wur­de von Fran­zis­kus zuoberst an erster Stel­le genannt.

Pao­lo Deot­to, der Chef­re­dak­teur von Ris­cos­sa Cri­stia­na, sprach damals von einem „wei­te­ren Schritt zur Demo­lie­rung der Fami­lie“. In der Ver­tei­di­gung ihrer Ehe wür­den die Ehe­leu­te in die­sem Pon­ti­fi­kat nicht gera­de verwöhnt.

Nicht min­der deut­lich wur­de Giu­lia­no Fer­ra­ra, der ehe­ma­li­ge Chef­re­dak­teur der Tages­zei­tung Il Foglio, der am 9. Sep­tem­ber 2015 schrieb:

„Die Kir­che der Barm­her­zig­keit hat sich in Bewe­gung gesetzt. Sie bewegt sich nicht auf dem Ver­wal­tungs­weg, son­dern auf dem Gerichts­weg, auf dem vom Recht wenig übrigbleibt“.

In einer Prä­zi­sie­rung von Novem­ber 2015, ver­le­sen von Msgr. Pio Vito Pin­to, dem Dekan der Sacra Rota Roma­na, anläß­lich der Eröff­nung des neu­en Gerichts­jah­res, stell­te Fran­zis­kus klar, daß jede Diö­ze­se ein eige­nes Gericht für die neu­en, ver­kürz­ten Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren errich­ten soll­te, falls dies nicht mög­lich sei, aber inter­diö­ze­sa­ne Gerich­te geschaf­fen wer­den können.

Ein nie­der­schmet­tern­des Urteil fäll­te Geral­di­na Boni, Lehr­stuhl­in­ha­be­rin für Kir­chen­recht und Geschich­te des Kir­chen­rechts an der Uni­ver­si­tät Bolo­gna sowie Con­sult­orin des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te. Sie schrieb zu dem, dem ein­zel­nen Bischof anver­trau­ten, ver­kürz­ten Nich­tig­keits­ver­fah­ren anstel­le ordent­li­cher Kirchengerichtsverfahren:

„Per­sön­lich wer­den wir kei­ne theo­re­ti­schen Vor­be­hal­te gegen eine Auf­wer­tung der diö­ze­sa­nen Gerichts­bar­keit haben. Wir den­ken aber, daß dies zumin­dest durch auf­ein­an­der­fol­gen­de Etap­pen ent­wirrt wer­den und zudem natür­lich bes­ser ver­packt wer­den soll­te. Die Mög­lich­keit des Rich­ters, zur Wahr­heits­fest­stel­lung zu gelan­gen, für die zwei­tau­send Jah­re der Geschich­te umsich­tig den gericht­li­chen Weg als den sicher­sten aus­ge­wie­sen haben, darf nicht gefähr­det wer­den. Wenn die­ser nicht mehr gang­bar ist, wird es schwie­rig, die fest­stel­len­de Natur der Urtei­le bei­zu­be­hal­ten, die statt­des­sen dazu füh­ren, die Nich­tig­keit der Ehe zu ‚kon­sti­tu­ie­ren‘ und damit irrepa­ra­bel die Unauf­lös­lich­keit zu kom­pro­mit­tie­ren: Das, was nicht ein­mal der Papst in sei­ner ple­ni­tu­do pote­sta­tis (Fül­le der Gewalt) tun kann.“

Durch die Ver­öf­fent­li­chung der Stu­die der Inter­na­tio­na­len Theo­lo­gen­kom­mis­si­on ergibt sich für die Prie­ster die prak­ti­sche Emp­feh­lung, kei­ne Ehe­schlie­ßung zu erlau­ben, wenn bei den Braut­leu­ten ein offen­kun­di­ger Man­gel an Glau­ben gege­ben ist. 

Das soll­te aller­dings kei­ne Neu­heit darstellen. 

Ent­schei­den­der ist, wie sich die Stu­die in die auf­ge­zeig­te Stoß­rich­tung von Papst Fran­zis­kus ein­fügt, die Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren zu beschleu­ni­gen und zu erleich­tern, da Fran­zis­kus den feh­len­den Glau­ben an erster Stel­le unter den neu­en Ehe­nich­tig­keits­grün­den nennt. Die Fra­ge stellt sich damit weni­ger am Beginn der Ehe­schlie­ßung, son­dern mehr bei bereits geschlos­se­ner und voll­zo­ge­ner Ehe. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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