Bischof von Hongkong wird nach 40 Jahren erstmals Peking besuchen

Das totalitäre Regime


Msgr. Stephen Chow Sau-yan SJ, seit Dezember 2021 Bischof von Hongkong (rechts neben ihm Kardinal Joseph Zen), wird nach Ostern Peking besuchen.
Msgr. Stephen Chow Sau-yan SJ, seit Dezember 2021 Bischof von Hongkong (rechts neben ihm Kardinal Joseph Zen), wird nach Ostern Peking besuchen.

(Hong­kong) Die Nach­richt kommt über­ra­schend. Msgr. Ste­phen Chow Sau-yan SJ, der Bischof von Hong­kong, wird im kom­men­den April die Haupt­stadt der Volks­re­pu­blik Chi­na auf­su­chen. Seit bald 40 Jah­ren war kein Bischof von Hong­kong mehr in Peking.

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Die Rei­se von Bischof Chow ist für fünf Tage ange­setzt und soll am 17. April begin­nen. Der Jesu­it wur­de im Mai 2021 von Papst Fran­zis­kus zum neu­en Ober­hir­ten der Diö­ze­se Hong­kong ernannt und im Dezem­ber des Jah­res zum Bischof geweiht. Zwei Jah­re war der Bischofs­stuhl zuvor vakant geblieben. 

Pres­se­er­klä­rung der Diö­ze­se Hongkong

2019, das Jahr, in dem Chows Vor­gän­ger, Bischof Micha­el Yeung Ming-cheung, über­ra­schend ver­starb, war von Bür­ger­pro­te­sten gegen die Gleich­schal­tung Hong­kongs mit der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur in der Volks­re­pu­blik Chi­na geprägt, die vom Regime gewalt­sam unter­drückt wur­den. Zudem ver­fügt in Hong­kong der cha­ris­ma­ti­sche eme­ri­tier­te Bischof Joseph Kar­di­nal Zen, die graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, über gro­ßes Anse­hen. In die­sem Kon­text muß­te Papst Fran­zis­kus lan­ge nach einem geeig­ne­ten Kan­di­da­ten für den 1841 errich­te­ten Bischofs­stuhl suchen, der allen Gesichts­punk­ten sei­ner neu­en „Ost­po­li­tik“ gegen­über dem kom­mu­ni­sti­schen Groß­reich entspricht.

Am 18. Mai 2021 schrieb Katho​li​sches​.info:

„Der neue Bischof soll vom Regime akzep­tiert wer­den, aber gegen­über Peking den­noch unab­hän­gig sein. Ein gan­zes Jahr, wie es in Rom heißt, zogen sich die Bera­tun­gen hin. Die Wahl von Papst Fran­zis­kus, auf des­sen geo­po­li­ti­scher Land­kar­te der Volks­re­pu­blik Chi­na eine wich­ti­ge Stel­lung zukommt, fiel früh­zei­tig auf Ste­phen Chow Sau-yan, einen Mit­bru­der im Jesui­ten­or­den. Die­ser lehn­te zunächst jedoch ab. Er war aber erst drit­te Wahl. Vor ihm waren bereits zwei Kan­di­da­ten für das Amt vor­ge­se­hen gewe­sen. Die bei­den ande­ren Kan­di­da­ten waren aus poli­ti­schen Grün­den wie­der zurück­ge­zo­gen wor­den, was bestä­tigt, wie schwie­rig die Koexi­stenz mit dem Rea­len Sozia­lis­mus ist.“

Msgr. Chow war vor sei­ner Bischofs­er­nen­nung Pro­vin­zi­al der chi­ne­si­schen Jesui­ten­pro­vinz. In Rom wird er als „ech­ter Chi­ne­se mit west­li­cher Aus­bil­dung und gebür­ti­ger Hong­kon­ger“ bezeich­net, womit drei Aspek­te genannt wer­den, die für den Hei­li­gen Stuhl für sei­ne Beru­fung rele­vant waren.

Hochpolitische Reise

16 Mona­te nach sei­ner Amts­ein­füh­rung wird Bischof Chow in Über­ein­stim­mung mit San­ta Mar­ta einer Ein­la­dung des Erz­bi­schofs von Peking Joseph Li Shan fol­gen. Die Ange­le­gen­heit ist hoch­po­li­tisch. Das Regime in Peking läßt auch Bischö­fe ein­fach „ver­schwin­den“. Msgr. Li Shan wur­de 2007 mit Zustim­mung des Hei­li­gen Stuhls ernannt, als eine kur­ze Pha­se des Tau­wet­ters zwi­schen dem Vati­kan und der Volks­re­pu­blik Chi­na herrsch­te. Seit dem Som­mer 2022 ist Erz­bi­schof Li Shan Vor­sit­zen­der der regi­me­hö­ri­gen Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung. Die­se war 1957 gegrün­det wor­den, um den nach einer grau­sa­men Ver­fol­gung ver­blie­be­nen Rest der Kir­che in einer von Rom los­ge­lö­sten, schis­ma­ti­schen Kir­che zu sam­meln, die der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas unter­wor­fen ist.

Im Vor­jahr wur­de die Spit­ze der Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung umbe­setzt. Bischö­fe, die inzwi­schen zwar von Fran­zis­kus aner­kannt sind, aber sei­ner­zeit ohne Erlaub­nis des Hei­li­gen Stuhls geweiht wur­den, fin­den sich dar­in nicht mehr. In Rom wer­tet man dies als eine Geste des guten Willens.

An der Abhän­gig­keit der regi­me­hö­ri­gen Struk­tu­ren (Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung und Rat der chi­ne­si­schen Bischö­fe) ändert dies aller­dings wenig. Par­al­lel wur­de näm­lich für die­se ein neu­er Kon­troll­rat geschaf­fen, der mit Ver­tre­tern besetzt ist, die dafür umso enger mit dem Regime ver­bun­den sind.

Als Erz­bi­schof Li Shan zum neu­en Vor­sit­zen­den der Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung ernannt wur­de, ließ er eine Pres­se­er­klä­rung ver­öf­fent­li­chen, die gewohn­ten Mustern folg­te: Die Rede war von „glän­zen­den Aus­sich­ten“ durch eine Ver­tie­fung der „Sini­sie­rung des Katho­li­zis­mus in unse­rem Land“ und der Auf­for­de­rung „vor­wärts zu blicken“ und dabei „Wahr­heit und Prag­ma­tis­mus“ zu suchen. Zudem wur­de die Not­wen­dig­keit betont, „die gro­ße Zahl von Katho­li­ken zu einen und anzu­lei­ten, Xi Jin­pings Den­ken über den Sozia­lis­mus chi­ne­si­scher Prä­gung für eine Neue Ära zur Richt­schnur zu neh­men, wei­ter­hin die Flag­ge des Patrio­tis­mus und der Lie­be für die Reli­gi­on hoch­zu­hal­ten und an der Rich­tung der Sini­sie­rung des Katho­li­zis­mus im Land fest­zu­hal­ten und ener­gisch den Auf­bau patrio­ti­scher Kräf­te zu stärken“.

Erz­bi­schof Joseph Li Shan von Peking mit dem dama­li­gen öster­rei­chi­schen Bun­des­kanz­ler Seba­sti­an Kurz

Diözese Hongkong will „Brücke“ sein

Die Diö­ze­se Hong­kong beton­te in einer Erklä­rung, mit der sie gestern die geplan­te Rei­se von Bischof Chow bekannt­gab, daß der Besuch „die Mis­si­on der Diö­ze­se Hong­kong unter­streicht, eine Brücke zu sein (…) und den Aus­tausch und die Inter­ak­ti­on zwi­schen den bei­den Sei­ten zu fördern“.

Zuletzt hielt sich mit Kar­di­nal John Bap­tist Wu Cheng-chung (1974–2002) 1985 ein Bischof von Hong­kong offi­zi­ell in Peking auf. Damals war die Stadt noch bri­ti­sche Kronkolonie.

Hong­kong war (zusam­men mit Macau) nach der kom­mu­ni­sti­schen Macht­über­nah­me im Jahr 1949 wegen sei­nes Kolo­ni­al­sta­tus ein Rück­zugs­ge­biet und ein wich­ti­ger Stütz­punkt für die katho­li­sche Kir­che in Chi­na. Seit der Rück­ga­be der Stadt an Peking im Jahr 1997 wer­den die damals zuge­si­cher­ten Son­der­rech­te jedoch immer mehr ein­ge­schränkt und es erfolgt eine Gleich­schal­tung mit dem athe­isti­schen tota­li­tä­ren Regime im übri­gen Groß­reich. Die chi­ne­si­sche Coro­na-Poli­tik offen­bar­te, wie weit eine tota­le Über­wa­chung mit Hil­fe der Digi­tal­tech­nik gehen kann.

Die Ostpolitik von Papst Franziskus

Papst Fran­zis­kus bemüh­te sich nach sei­ner Wahl um neue und direk­te Bezie­hun­gen zu den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern. Er ver­zich­te­te auf jede Kri­tik, auch gegen­über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, wäh­rend eng­ste Mit­ar­bei­ter para­do­xes Lob über das chi­ne­si­sche Regime äußer­ten. Die Bemü­hun­gen sei­ner neu­en „Ost­po­li­tik“ mün­de­ten im Sep­tem­ber 2018 in der Unter­zeich­nung eines Geheim­ab­kom­mens über Bischofs­er­nen­nun­gen, das bis­her wenig kon­kre­te Ergeb­nis­se zei­tig­te. Umge­kehrt ver­schärf­te das Regime seit­her in ver­schie­de­nen Pro­vin­zen die anti­kirch­li­chen Maß­nah­men, ins­be­son­de­re jene, die sich gegen die Kin­der und Jugend­li­chen rich­ten, die von der Kir­che fern­ge­hal­ten wer­den sol­len. Auch die Ver­haf­tun­gen von Prie­stern und Bischö­fen und die Zer­stö­rung „ille­ga­ler“ Kir­chen wur­den fortgesetzt.

For­mal erken­nen seit dem Abkom­men jedoch bei­de Tei­le der Kir­che, die rom­treue Unter­grund­kir­che und die regi­me­hö­ri­gen Schis­ma­ti­ker, den Papst als Ober­haupt an. Die­se Über­win­dung des Schis­mas nann­te Fran­zis­kus als einen Haupt­be­weg­grund. Wel­chen Nut­zen das für die kir­chen­treu­en Bischö­fe, Prie­ster und Gläu­bi­gen bringt, läßt sich noch nicht erkennen.

Vehe­men­te Ableh­nung gegen das Abkom­men kam von Kar­di­nal Zen, der dar­in ein Instru­ment sieht, mit dem das Regime auch die Unter­grund­kir­che unter sei­ne Kon­trol­le brin­gen will. Ent­spre­chend äußer­te er schar­fe Kri­tik an der vati­ka­ni­schen Ost­po­li­tik, der er vor­warf, die kir­chen­treu­en Katho­li­ken den Kom­mu­ni­sten aus­zu­lie­fern.

Die­se Befürch­tun­gen gel­ten auch für den Son­der­sta­tus Hong­kongs. Seit 2019 wur­den Frei­hei­ten und Demo­kra­tie abge­baut. Sym­bo­lisch steht dafür der Umgang mit Kar­di­nal Zen, der im Mai 2022 ver­haf­tet wur­de und seit­her nur auf Kau­ti­on und unter Auf­la­gen auf frei­em Fuß ist. Gegen ihn ist ein Ver­fah­ren nach dem neu­en Sicher­heits­ge­setz im Gan­ge, das ihn unter einem Vor­wand mit einer lebens­lan­gen Gefäng­nis­stra­fe bedroht. Eine Sym­bol­ge­stalt des Wider­stan­des soll geschwächt und ande­re sol­len ein­ge­schüch­tert werden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Catholic Dio­ce­se of Hong Kong (Screen­shot)

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