Zwei Bischöfe in China verschwunden – Vatikan hofft dennoch auf Verlängerung des Geheimabkommens

Die neue Ostpolitik


Xi Jinping als Bischofsmacher. So sah China Observers das Ergebnis des Geheimabkommens bereits 2020.
Xi Jinping als Bischofsmacher. So sah China Observers das Ergebnis des Geheimabkommens bereits 2020.

(Peking) Wäh­rend die kom­mu­ni­sti­sche Volks­re­pu­blik Chi­na vor Ostern die Dau­men­schrau­be gegen die Kir­che anzieht, bekräf­tig­te Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin die Hoff­nung, das Geheim­ab­kom­men von 2018 ein wei­te­res Mal zu verlängern.

Anzei­ge

Das Regime in Peking erin­nert die Chri­sten gera­de durch har­tes Durch­grei­fen dar­an, wer die Macht hat. Die Poli­zei nahm ver­gan­ge­ne Woche erneut Bischof Peter Shao Zhu­min von Wenz­hou fest. Er war erst Anfang Novem­ber frei­ge­las­sen wor­den. Auch Bischof Cui Tai von Xuan­hua ist ver­schwun­den. Er befand sich schon seit zehn Jah­ren im Hausarrest.

Die Metho­de hat System: Durch die Ver­schlep­pung an unbe­kann­te Orte ver­hin­dert der Staat, daß die Bischö­fe die höch­sten christ­li­chen Feste in ihren Diö­ze­sen und in Gemein­schaft mit den Gläu­bi­gen fei­ern kön­nen. In den Diö­ze­sen wis­sen die Katho­li­ken, daß das chi­ne­si­sche Regime vor Hoch­fe­sten den Druck auf die Unter­grund­kir­che erhöht, die von Peking nicht aner­kannt wird. Der Staat erzeugt auf die­se Wei­se eine Form von psy­cho­lo­gi­scher Repres­si­on, da sich die Kle­ri­ker und Gläu­bi­gen einer­seits auf die Hoch­fe­ste vor­be­rei­ten und freu­en, gleich­zei­tig aber in Angst und Sor­ge leben, wel­che Schand­ta­ten und Ver­fol­gun­gen gera­de in die­ser Zeit auf sie zukom­men.

Am 7. April wur­de Bischof Shao Zhu­min von Wenz­hou (Zhe­jiang) von der Staats­po­li­zei abge­holt und mit einem Flug­zeug weg­ge­bracht. Die Gläu­bi­gen sei­ner Diö­ze­se sind besorgt, weil sie nicht wis­sen, wo sich ihr Ober­hir­te auf­hält. Die Poli­zei beschlag­nahm­te einem Bericht von Asia­News zufol­ge auch sein Mobil­te­le­fon. Es wird ver­mu­tet, daß die Regie­rung ihn dar­an hin­dern will, die hei­li­ge Lit­ur­gie der Kar- und Oster­ta­ge zu zele­brie­ren, ins­be­son­de­re die Chri­sam-Mes­se am Grün­don­ners­tag, die der sicht­bar­ste Moment der Ein­heit und Gemein­schaft des Bischofs einer Diö­ze­se und sei­ner Prie­ster ist.

Vor eini­ger Zeit hat­te die Poli­zei bereits den Sekre­tär von Bischof Shao Zhu­min, Jiang Suni­an, ver­haf­tet, der inzwi­schen wie­der frei­ge­las­sen wur­de. Es ist nicht das erste Mal, daß Bischof Shao Zhu­min vom Regime ver­haf­tet wur­de. In der Ver­gan­gen­heit geschah es, daß er für gan­ze Mona­te ver­schleppt wur­de. Erst Anfang Novem­ber war er aus einer mehr­tä­gi­gen Inhaf­tie­rung ent­las­sen worden.

Die Fest­nah­men die­nen nicht nur dazu, der gläu­bi­gen Her­de ihren Ober­hir­ten zu ent­zie­hen, son­dern auch der Gehirn­wä­sche, die unter Ver­wen­dung von Psy­cho­tech­ni­ken zum Ein­satz kommt. Ziel der Gehirn­wä­sche ist es, die Ver­haf­te­ten, beson­ders Bischö­fe, zum Ein­tritt in die „offi­zi­el­le“ schis­ma­ti­sche Kir­che der Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung zu bewe­gen, die von der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas (KPCh) kon­trol­liert wird.

Harte Repressionen gegen die Diözese Xuanhua

Das Fall­beil des Regimes ging auch in der Diö­ze­se Xuan­hua (Hebei) nie­der. Im Janu­ar wur­den dort mehr als zehn Kir­chen­män­ner ver­haf­tet, dar­un­ter auch Bischof Augu­stin Cui Tai und sein Bischofs­vi­kar Zhang Jian­lin. Bischof Cui Tai, seit 2018 Bischof von Xuan­hua, zuvor bereits Koad­ju­tor, befand sich bereits seit mehr als zehn Jah­ren unter Haus­ar­rest. Seit 1993 hat­te er etli­che Jah­re in Umer­zie­hungs- und Zwangs­ar­beits­la­gern und im Gefäng­nis ver­brin­gen müs­sen wegen „ille­ga­ler Mis­si­ons­tä­tig­keit“ und „ille­ga­ler reli­giö­ser Akti­vi­tä­ten“. Wie­der­holt wur­de er auch in der Zeit des Haus­ar­re­stes an unbe­kann­te Orte ver­schleppt, um ihn der Gehirn­wä­sche zu unter­zie­hen. Eine die­ser Ver­schlep­pun­gen war eine direk­te Fol­ge des chi­ne­sisch-vati­ka­ni­schen Geheim­ab­kom­mens von 2018. Kaum war das Abkom­men unter­zeich­net, wur­den Bischof Cui Tai und sein Bischofs­vi­kar an einen unbe­kann­ten Ort gebracht, um sie zur Auf­lö­sung der Unter­grund­kir­che und dem geschlos­se­nen Bei­tritt zur schis­ma­ti­schen Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung zu drängen.

Zur­zeit gibt es kei­ne Nach­rich­ten über ihren Verbleib.

Bischof Augu­stin Cui Tai wur­de im Janu­ar ver­haf­tet, seit­her gilt er als „ver­schwun­den“. Er ver­brach­te seit 1993 vie­le Jah­re in Umer­zie­hungs- und Zwangsarbeitslagern.

Das har­te Vor­ge­hen gegen die Diö­ze­se Xuan­hua wird im Zusam­men­hang mit den bei­spiel­lo­sen Span­nun­gen in der Regi­on Zhang­jia­kou gese­hen, in der meh­re­re Wett­kämp­fe der jüng­sten Olym­pi­schen Win­ter­spie­le statt­fan­den. In den Augen der Regie­rung, die auf einen rei­bungs­lo­sen Ablauf bedacht war, stellt die katho­li­sche Kir­che einen desta­bi­li­sie­ren­den Fak­tor dar. In Wirk­lich­keit will das kom­mu­ni­sti­sche Regime als tota­li­tä­re Ideo­lo­gie die tota­le Kon­trol­le aus­üben. Jede Form der Unab­hän­gig­keit wird bekämpft.

Die Diö­ze­se Xuan­hua wur­de 1946 vom Hei­li­gen Stuhl errich­tet, aber 1980 errich­te­te das Regime die schis­ma­ti­sche Diö­ze­se Zhang­jia­kou, die ter­ri­to­ri­al die Diö­ze­sen Xuan­hua und Xiwan­zi ver­ei­nig­te. Die­se Diö­ze­se Zhang­jia­kou ist vom Hei­li­gen Stuhl nicht aner­kannt. Das klingt ver­wir­rend: Es gilt sich vor­zu­stel­len, daß es in der Volks­re­pu­blik zwei Kir­chen mit jeweils eige­nen Struk­tu­ren und Hier­ar­chien gibt, ein­mal die recht­mä­ßi­ge Kir­che, die in Ein­heit mit Rom steht, aber von den Kom­mu­ni­sten nicht aner­kannt wird und daher im Unter­grund exi­stiert, zum ande­ren die ille­gi­ti­me, schis­ma­ti­sche Kir­che, die von der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei als von Rom getrenn­te Kir­che errich­tet wur­de. Bei­de haben ihre Diö­ze­sen und Bischöfe.

Staatspolizei sucht nach dem Grab von Bischof Thomas Zhao Kexun

Asia­News, eine über die Lage in der Volks­re­pu­blik Chi­na sehr gut infor­mier­te Quel­le, berich­tet, daß das Regime auch auf der Suche nach Infor­ma­tio­nen über Bischof Tho­mas Zhao Kex­un, den Bischof von Xuan­hua, sei. Bischof Zhao Kex­un ist bereits 2018 ver­stor­ben. Er war als Koad­ju­tor 2007, nach dem Tod von Bischof Phil­ipp Zhao Zhen­dong, die­sem in der Lei­tung der Diö­ze­se Xuan­hua nach­ge­folgt. Nach einer Raz­zia noch im sel­ben Jahr leb­te er unter­ge­taucht an einem gehei­men Ort, um einer Ver­haf­tung zu ent­ge­hen und sich einen Spiel­raum zu bewah­ren, um sein Bischofs­amt für sei­ne Diö­ze­se und ihre Gläu­bi­gen aus­üben zu kön­nen.

Zudem gibt es Berich­te, daß Bischof Cui Tai, Zhao Kex­uns Nach­fol­ger, und eini­ge sei­ner Prie­ster gefol­tert wur­den, um Infor­ma­tio­nen über Msgr. Zhao Kex­un zu erhal­ten, dar­un­ter auch den Ort sei­ner Bestattung.

Für die Diö­ze­se Xuan­hua bedeu­tet die­se Repres­si­on eine neue Eska­la­ti­on. Vie­le Prie­ster wur­den ver­haf­tet und noch nicht wie­der frei­ge­las­sen. Die Gläu­bi­gen wer­den dadurch seel­sor­ge­risch nicht mehr betreut. Im Inter­net kur­sie­ren Nach­rich­ten, offen­bar vom Regime koor­di­niert, mit denen die Unter­grund­kir­che gezielt dif­fa­miert und ver­leum­det wird.

Die Unter­zeich­nung des chi­ne­sisch-vati­ka­ni­schen Abkom­mens über die Ernen­nung von Bischö­fen im Jahr 2018 und sei­ne Erneue­rung im Okto­ber 2020 hat die Ver­fol­gung der Kir­che nicht gemildert.

Der Vati­kan hält trotz feh­len­der Fort­schrit­te am Geheim­ab­kom­men fest

Trotz der Dau­men­schrau­ben bekräf­tig­te Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin gestern in einem aus­führ­li­chen Inter­view mit der Nach­rich­ten­agen­tur CNA die Hoff­nung, daß das 2018 unter­zeich­ne­te Geheim­ab­kom­men zwi­schen Chi­na und dem Hei­li­gen Stuhl im kom­men­den Herbst erneut ver­län­gert wird. Das Geheim­ab­kom­men, des­sen genau­er Inhalt bis­her nicht ver­öf­fent­licht wur­de, galt ursprüng­lich für die Dau­er von zwei Jah­ren. Im Herbst 2020 wur­de es um wei­te­re zwei Jah­re ver­län­gert. Im kom­men­den Okto­ber läuft auch die­se Frist ab.

Die Bilanz des Abkom­mens war bereits 2020 ernüch­ternd. Nach vier Jah­ren ist sie gera­de­zu ver­nich­tend. Kar­di­nal Zen, eme­ri­tier­ter Bischof von Hong­kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, sag­te schon vor zwei Jah­ren unum­wun­den, daß das Abkom­men geschei­tert sei. Die Ver­haf­tung von Unter­grund­bi­schö­fen und die Ver­fol­gung der Unter­grund­kir­che wur­de seit­her von den Kom­mu­ni­sten unver­än­dert fort­ge­setzt. Auch die Hoff­nung, die vie­len vakan­ten Bischofs­stüh­le beset­zen zu kön­nen, habe sich als Illu­si­on zer­schla­gen. Fast die Hälf­te aller 135 Bischofs­sit­ze sind auch wei­ter­hin unbesetzt.

Des­sen unge­ach­tet hält der Hei­li­ge Stuhl am Geheim­ab­kom­men fest, das am 1. Okto­ber aus­läuft. Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin beton­te gestern viel­mehr, daß das Abkom­men bis­her sechs Bischofs­wei­hen ermög­licht habe, die sowohl von Peking als auch vom Hei­li­gen Stuhl aner­kannt wur­den. Sol­che Ergeb­nis­se waren in Momen­ten der Ent­span­nung schon unter Johan­nes Paul II. mög­lich, und das ohne die bei­spiel­lo­sen Zuge­ständ­nis­se, die Fran­zis­kus dem Regime dafür mach­te, wie die ein­sei­ti­ge Aner­ken­nung schis­ma­ti­scher Bischö­fe und ihre Ein­set­zung als recht­mä­ßi­ge Bischöfe.

Man den­ke im Vati­kan dar­über nach, „was zu tun ist“, so der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär. Die Coro­na-Kri­se habe den Dia­log mit Peking „unter­bro­chen“. „Jetzt ver­su­chen wir, ihn wie­der auf­zu­neh­men mit Tref­fen, die hof­fent­lich so bald wie mög­lich statt­fin­den kön­nen“, mit dem Ziel, sich auf eine Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens zu verständigen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Chi​na​ob​ser​vers​.eu/​A​s​i​a​N​ews

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