Alexander Dugins Nationalbolschewismus und der Pfad der linken Hand…

Eine das Christentum "überwindende" Verbindung von Nationalismus und Sozialismus


Von Alexander Dugins Denken sollten sich sowohl orthodoxe Russen als auch Katholiken fernhalten.
Von Alexander Dugins Denken sollten sich sowohl orthodoxe Russen als auch Katholiken fernhalten.

Von Pater Pao­lo M. Siano*

Anzei­ge

Zwi­schen Juli und August 2021 ver­öf­fent­lich­te ich eine vier­tei­li­ge Stu­die mit dem Titel „Die Meta­phy­sik des Cha­os und das radi­ka­le Sub­jekt von Alexander Dugin“, die spä­ter, im Jahr 2022, im Ver­lag Fidu­cia unter dem Titel „Die Meta­phy­sik des Cha­os von Alexander Dugin1 in Buch­form ver­öf­fent­licht wur­de. Die Ana­ly­se von Dug­ins Den­ken soll nun fort­ge­setzt werden.

In Ita­li­en wer­den die Schrif­ten des rus­si­schen Poli­tik­wis­sen­schaft­lers im AGA-Ver­lag von Mau­ri­zio Murel­li, einem pro­mi­nen­ten Mit­glied der ita­lie­ni­schen radi­ka­len Rech­ten, der in den 70er Jah­ren der extre­men Rech­ten ange­hör­te, ver­öf­fent­licht. [Deut­sche Aus­ga­ben von Dug­ins Büchern erschei­nen vor­wie­gend im eng­li­schen Ver­lag Arkt­os in Lon­don.] In einem Video aus dem Jahr 2020 erklär­ten Murel­li und sein Freund Rai­nal­do Gra­zia­ni2, daß sie ihre Erfah­rung mit dem neo­fa­schi­sti­schen Milieu und der neo­fa­schi­sti­schen Kul­tur been­den, um anders­wo Wur­zeln zu schla­gen, ins­be­son­de­re in Dug­ins Vier­ter Poli­ti­scher Theo­rie. Der „Bruch“ scheint durch einen Arti­kel Murel­lis im Jahr 2022 Bestä­ti­gung zu finden.

In der Tages­zei­tung La Repubbli­ca vom 15. Febru­ar 2024 ist zu lesen, daß Mau­ri­zio Murel­li, Rai­nal­do Gra­zia­ni und sei­ne Frau Ines Ped­ret­ti an einem Emp­fang in der rus­si­schen Bot­schaft in Rom teil­nah­men, um Alex­an­der Dug­ins Toch­ter Dar­ja zu geden­ken, die im August 2022 Opfer eines Mord­an­schlags wur­de. Ame­ri­ka­ni­schen Quel­len zufol­ge (die New York Times am 5. Okto­ber 2022 und die Washing­ton Post am 23. Okto­ber 2022 zitier­ten ukrai­ni­sche und ame­ri­ka­ni­sche Beam­te) wur­de Dar­ja Opfer eines von ukrai­ni­schen Geheim­dienst­agen­ten durch­ge­führ­ten Atten­tats, des­sen eigent­li­ches Ziel ihr Vater Alex­an­der Dugin war. Zur Ver­mei­dung von Miß­ver­ständ­nis­sen sei klar­ge­stellt, daß aus christ­li­cher Sicht eine wis­sen­schaft­li­che und fried­li­che Kri­tik an der Ideo­lo­gie eines Phi­lo­so­phen wie Dugin eine Sache, sei­ne phy­si­sche Besei­ti­gung zu pla­nen hin­ge­gen eine ganz ande­re Sache und natür­lich zu ver­ur­tei­len ist.

Faßt man die oben genann­ten Anga­ben zusam­men, so kann man zu dem Schluß kom­men: 1) daß Dr. Murel­li in der rus­si­schen Bot­schaft in Ita­li­en wegen sei­ner ver­le­ge­ri­schen Arbeit für Dugin will­kom­men ist; 2) daß Prof. Alex­an­der Dugin im heu­ti­gen Ruß­land nach wie vor ein kul­tu­rel­ler Bezugs­punkt und daher in den Augen des rus­si­schen Estab­lish­ments eine respek­ta­ble Per­son ist.

Ich möch­te nun hier auf die Ideen­welt des berühm­ten rus­si­schen Poli­tik­wis­sen­schaft­lers zurück­kom­men, ins­be­son­de­re nach­dem ich kürz­lich sein Buch „Die Temp­ler des Pro­le­ta­ri­ats. Meta­phy­sik des Natio­nal­bol­sche­wis­mus“ (rus­si­sche Aus­ga­be 1997), ita­lie­ni­sche Aus­ga­be von Mau­ri­zio Murel­lis Ver­lag AGA, 2021, in die Hän­de bekom­men und dar­in eine wei­te­re Bestä­ti­gung für das gefun­den habe, was ich 2021 und 2022 bereits geschrie­ben habe.

Auch in „Die Temp­ler des Pro­le­ta­ri­ats. Meta­phy­sik des Natio­nal­bol­sche­wis­mus“ preist Prof. Dugin die Gno­sis, den Pfad der linken Hand, und för­dert damit ein Den­ken, das nicht christ­lich ist (weder römisch-katho­lisch noch ortho­dox) und das zu einer wahr­haft teuf­li­schen, sub­ver­si­ven und mör­de­ri­schen Pra­xis füh­ren kann.

Am Anfang des Buches steht eine Ein­füh­rung des Ver­le­gers Mau­ri­zio Murel­li (S. 7–12), gefolgt von der Ein­lei­tung der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be: „Ein Doku­ment der Ver­gan­gen­heit oder ein Pro­gramm für die Zukunft?“, ver­faßt von Alex­an­der Dugin (S. 13–20). Laut Dugin müs­sen sich die extre­me Rech­te und die extre­me Lin­ke, der Natio­nal­bol­sche­wis­mus also, im Kampf gegen den tota­li­tä­ren west­li­chen Libe­ra­lis­mus ver­ei­nen (vgl. S. 15). Dugin ver­herr­licht die Temp­ler, in dem Sinn, daß er sie als (rech­te) Eso­te­ri­ker ver­steht wie René Gué­non und Juli­us Evo­la, d. h. als krie­ge­ri­sche Hüter einer tra­di­tio­nel­len und hier­ar­chi­schen Gesell­schaft (vgl. S. 17)… Ja, aber von wel­cher Tra­di­ti­on spricht Dugin? Von einer initia­to­ri­schen, eso­te­ri­schen, gno­sti­schen, aber sicher­lich nicht von der katho­li­schen und apostolischen.

Das Buch von P. Pao­lo Sia­no über Dug­ins Denken

Schau­en wir uns das Buch von Dugin an und lesen wir eini­ge sei­ner Haupt­the­sen. Die unter­stri­che­nen Stel­len sind Her­vor­he­bun­gen im Original.

Dugin schreibt: „Der Natio­nal­bol­sche­wis­mus ist die gemein­sa­me Meta-Ideo­lo­gie aller Fein­de der offe­nen Gesell­schaft. Er ist nicht nur eine der Ideo­lo­gien, die einer sol­chen Gesell­schaft feind­lich gegen­über­ste­hen, son­dern ihre tota­le und wesent­li­che Anti­the­se. Er ist eine Art Welt­an­schau­ung, die auf der tota­len und radi­ka­len Leug­nung des Indi­vi­du­ums und sei­ner zen­tra­len Rol­le beruht; in ihm wird das Abso­lu­te, in des­sen Namen das Indi­vi­du­um geleug­net wird, in sei­nem wei­te­sten und all­ge­mein­sten Sinn ver­stan­den. Man kann sogar sagen, daß der Natio­nal­bol­sche­wis­mus der Ursprung jeder Idee des Abso­lu­ten ist, jeder Ableh­nung der offe­nen Gesell­schaft ist“ (S. 27).

In sei­nem Kon­zept des Abso­lu­ten läßt sich Dugin vom Hin­du­is­mus inspi­rie­ren: „Man könn­te sagen, daß die ober­ste Meta­phy­sik des Natio­nal­bol­sche­wis­mus die hin­du­isti­sche For­mel Atman ist Brah­man ist“ (S. 29). Dugin erklärt, da Atman das Selbst ist, der inne­re Geist, der im Men­schen ist, jen­seits des indi­vi­du­el­len Selbst… Brah­man ist das Abso­lu­te… Atman muß sich mit Brah­man ver­ei­ni­gen, der Mensch muß über sein „klei­nes indi­vi­du­el­les Selbst“ hin­aus­ge­hen (vgl. S. 29).

Dug­ins Den­ken trieft vor ideo­lo­gi­schem Haß auf alles Nicht-Rus­si­sche: „das ideo­kra­tisch-kon­ti­nen­ta­le Ruß­land […] gegen den plu­to­kra­tisch-insu­la­ren angel­säch­si­schen Westen. Die Schar der Engel Eura­si­ens gegen die Armeen des atlan­ti­schen Kapi­ta­lis­mus“ (S. 41).

Dugin teilt den Stand­punkt von Gué­non und Evo­la: „[…] Mit ande­ren Wor­ten, in dem Maße, in dem die tra­di­tio­nel­len kon­ser­va­ti­ven Insti­tu­tio­nen – die Mon­ar­chie, die Kir­che, die sozia­le Hier­ar­chie, das Kasten­sy­stem usw. – dege­ne­rie­ren, gewin­nen die mit dem Pfad der linken Hand ver­bun­denen beson­de­ren, gefähr­lichen und ris­kanten initia­ti­schen Prak­ti­ken an Bedeu­tung“ (S. 46).

Der dem Natio­nal­bol­sche­wis­mus eige­ne Tra­di­tio­na­lis­mus ist im All­ge­mei­nen sicher­lich eine lin­ke Eso­te­rik, deren Merk­ma­le die Prin­zi­pi­en der tan­tri­schen Kau­la und die Leh­re von der zer­stö­re­ri­schen Tran­szen­denz wie­der­ho­len“ (S. 46).

Die Herr­schaft des Natio­nal­bol­sche­wis­mus, das Regnum, das Reich des Endes, ist die voll­kom­me­ne Ver­wirk­li­chung der größ­ten Revo­lu­ti­on der Geschich­te, der kon­ti­nen­ta­len und der uni­ver­sel­len. Sie ist die Rück­kehr der Engel, die Auf­er­ste­hung der Hel­den, die Revol­te des Her­zens gegen die Dik­ta­tur der Ver­nunft. Die­se letz­te Revo­lu­ti­on ist die Auf­ga­be des Ace­pha­lus, des kopf­lo­sen Trä­gers des Kreu­zes, des Ham­mers und der Sichel, gekrönt mit dem ewi­gen Haken­kreuz der Son­ne“ (S. 48).

Rußland ist zum aus­er­wähl­ten Reich gewor­den, die Rus­sen erhal­ten wirk­lich eine escha­to­lo­gi­sche Mis­si­on zu erfül­len“ (S. 56).

Dugin ver­bin­det den „Natio­nal­bol­sche­wis­mus“ und „den rus­si­schen Staat als mes­sia­ni­schen Pfad für die Aus­er­wähl­ten“ zum „escha­to­lo­gi­schen Unter­neh­men der ortho­do­xen Gemein­schaft mit allen Extre­men, allen Exzes­sen und Para­do­xien […]“ (S. 79). Hier wird die ideo­lo­gisch-mes­sia­ni­sche Recht­fer­ti­gung Eura­si­ens und des Krie­ges (sogar des Atom­krie­ges) gegen den Westen serviert!

Tat­säch­lich gibt es wei­ter unten den Absatz „Die Legi­ti­ma­ti­on der Aggres­si­on in der Tra­di­ti­on“ (S. 118f), und damit ist nicht die christ­li­che Tra­di­ti­on gemeint, son­dern die heid­ni­sche, gnostische…

Dugin zufol­ge betrach­te­te die „Tra­di­ti­on“ die Exi­stenz von Gren­zen als „Aus­druck der Unvoll­stän­dig­keit des Kos­mos in bezug auf sei­ne Ursa­che, die als etwas Abso­lu­tes und Ein­zig­ar­ti­ges, jen­seits aller Gren­zen gedacht wird“ (S. 118). Daher wur­de die Aggres­si­on, d. h. die Aus­deh­nung über die eige­nen Gren­zen hin­aus, laut Dugin, als „der tie­fe Impuls einer Bewe­gung hin zum Gött­li­chen […]“ (S. 118) gese­hen. So sind „alle meta­phy­si­schen und aske­ti­schen Prak­ti­ken“ „rei­ne For­men der Aggres­si­on; in sol­chen Prak­ti­ken ver­su­chen Ein­ge­weih­te, alle Gren­zen zu über­schrei­ten […]“ (S. 118). Die „direk­te Anbe­tung“ ist das Ziel des „höch­sten aggres­si­ven Impul­ses“, weil „das Gött­li­che mit der Auf­he­bung aller Gren­zen und Begren­zun­gen zusam­men­fällt, die das Wesen des Nicht-Gött­li­chen, des Imma­nen­ten aus­ma­chen“ (S. 118). So erklärt Dugin, daß „Satan“ „Hin­der­nis“, „Gren­ze“ bedeu­tet, was die „näch­ste Stu­fe“ aus­löst, näm­lich die „Dämo­ni­sie­rung des Fein­des“ (vgl. S. 118). Und so recht­fer­tigt Dugin einen rus­si­schen Krieg gegen den Westen! Das ist rei­ne gno­sti­sche Ideologie.

Mit einer ver­dreh­ten, auf den Kopf gestell­ten ideo­lo­gi­schen Argu­men­ta­ti­on wirft Dugin der moder­nen Welt, dem Huma­nis­mus, der Auf­klä­rung usw. vor, die Tra­di­ti­on, wie sie oben ver­stan­den wur­de, umge­stürzt zu haben und „eine ein­sei­ti­ge Sicht der Aggres­si­on, die aus­schließ­lich auf dem Stand­punkt des Opfers basiert“, ein­ge­schärft zu haben (vgl. S. 119). Dugin wirft der Moder­ne, dem Westen und dem Libe­ra­lis­mus vor, die Aggres­si­on als ille­ga­le Über­tre­tung dar­ge­stellt und statt­des­sen das Indi­vi­du­um und sein natür­li­ches Recht ver­herr­licht zu haben (vgl. S. 119–121)… Dugin räumt ein, daß der „Ter­ro­ris­mus“ zur „letz­ten Zuflucht“ jener wird, die „die Tota­li­sie­rung einer Welt anstre­ben, in der letz­te­re geäch­tet ist“ (S. 122). Es ist logisch zu behaup­ten, daß Dugin im Namen sei­ner Idee der Tra­di­ti­on Aggres­si­on, Krieg, Ter­ro­ris­mus recht­fer­tigt – oder zumin­dest ande­re ver­an­laßt, sie zu recht­fer­ti­gen… Aber ist der Weg von der kulturellen/​ideologischen Recht­fer­ti­gung zur prak­ti­schen Umset­zung lang oder kurz? Das hängt von den Anhän­gern die­ser Dug­in­schen Theo­rien ab.

Dugin preist das „gren­zen­lo­se Sub­jekt“, das „abso­lu­te Sub­jekt“, das „auf sehr rei­ne Wei­se den meta­phy­si­schen Sinn der Aggres­si­on“ anzeigt und „den letz­ten Akt des escha­to­lo­gi­schen Dra­mas“ voll­zie­hen kann (vgl. S. 124). Die­ses Sub­jekt ent­spricht im wesent­li­chen der vom deut­schen Schrift­stel­ler Ernst Jün­ger theo­re­ti­sier­ten Figur des „Arbei­ters“ (vgl. S. 125–128), der auch ein kul­tu­rel­ler Bezugs­punkt in jener ita­lie­ni­schen radi­ka­len Rech­ten war, die Dug­ins Den­ken und damit sei­ne Vor­stel­lung von Ruß­land und Eura­si­en rühmt… Wei­ter schreibt Dugin: „Vor sei­nem Tod äußer­te der fran­zö­si­sche faschi­sti­sche Schrift­stel­ler Robert Bras­il­lach eine ein­zig­ar­ti­ge Pro­phe­zei­ung: ‚Im Osten, in Rußland, sehe ich den Faschis­mus auf­stei­gen, einen rie­si­gen und roten Faschis­mus‘“ (S. 145).

Dugin läßt auch ver­schie­de­ne eso­te­ri­sche Kennt­nis­se erken­nen. Im Kapi­tel „Die Macht der gekrön­ten Kin­der“ (S. 163–169) schreibt er: „Die Tra­di­ti­on behan­del­te Kin­der als beson­de­re Wesen, die direkt mit dem Geheim­nis der uni­ver­sel­len See­le ver­bun­den sind. […]. Ope­ra­ti­ve zere­mo­ni­el­le Magie erfor­dert die Teil­nah­me von Kin­dern an Ritua­len […]“ (S. 163). In einer „sakra­len Zivi­li­sa­ti­on“ wur­de das Kind „als fast über­na­tür­lich ange­se­hen, gleich­ge­stellt mit Prie­stern und Sehern“ (S. 164). „Das Kind ver­kör­pert das Mög­li­che“ (S. 165). „Das Kind gehört nicht zur Erde. Genau­er gesagt, steht es über der sexu­el­len Pola­ri­sie­rung, über der star­ren Rol­len­ver­tei­lung“ (S. 165). „Es ist kein Zufall, daß in der Alche­mie – der Wis­sen­schaft, die behaup­tet, daß alle Objek­te (ein­schließ­lich der Mine­ra­li­en) eine See­le haben und daß alle Wesen okkult andro­gyn sind – die Sym­bo­lik des Säug­lings in höch­stem Maße ent­wickelt ist“ (S. 165f). Dugin fährt fort: „Der Stein der Wei­sen – die Krö­nung des Roten Werks, das Rubedo – wird als spie­len­des Kind dar­ge­stellt“ (S. 166). Wenn sie erwach­sen wer­den, ver­lie­ren Kin­der „die sub­ti­le Ver­bin­dung mit den unsicht­ba­ren Wel­ten“ (S. 167)… Dugin befür­wor­tet einen Staat, eine Gesell­schaft, die von „gekrön­ten Kin­dern“ oder „jenen, die einem kind­li­chen Sta­tus am näch­sten kom­men: Seher, Hei­li­ge, Pro­phe­ten, Wun­der­gläu­bi­ge, Gerech­te, die schon vor der Geburt mit der Welt der See­le in Kon­takt waren“ (S. 168), regiert wird.

Dann wid­met Dugin ein Kapi­tel dem Matri­ar­chat (S. 170174) und lobt „die Ver­eh­rung des höhe­ren Prin­zips als weib­lich“ (S. 171). „Der Ver­lust des Matri­ar­chats stell­te eine Kata­stro­phe in der Welt der Tra­di­ti­on dar“ (S. 171). „Der hin­du­isti­sche Tan­tris­mus, der Mythos der gno­sti­schen Sophia und die kab­ba­li­sti­sche Idee der Sche­ki­na, der weib­li­chen Göt­ter­prä­senz, sind Moti­ve, die auf die frü­he­sten Peri­oden des ari­schen Matri­ar­chats zurück­ge­hen“ (S. 172). „Des­halb […] ist die Wie­der­her­stel­lung des hyper­borei­schen nörd­li­chen Matri­ar­chats, der tan­tri­sche Tri­umph der Shak­ti, die Ver­kün­di­gung der gro­ßen For­mel der Hin­du-Initi­an­ten ‚Ich bin sie‘ (iden­tisch mit der Aus­sa­ge ‚Ich bin die Son­ne‘), unse­re hei­li­ge Sache, die Auf­ga­be unse­rer Revo­lu­ti­on. Rußlands natio­na­les, mes­sia­ni­sches Unter­neh­men, die Sache des Sozia­lis­mus“ (S. 174).

Das Kapi­tel „Der Gno­sti­ker“ (S. 181185) ist eben­falls sehr inter­es­sant. Dugin lobt den „Pfad der lin­ken Hand“, der „zer­stö­re­risch, schreck­lich, das Reich des Zorns und der Gewalt“ sei (S. 183). „Ket­ten von Ein­ge­weih­ten“ beschrei­ten ihn und wis­sen, daß er zum „Tri­umph der tota­len Befrei­ung“ füh­ren wird (S. 183). „Der Pfad der lin­ken Hand wird Gno­sis, Wis­sen, genannt“ (S. 183). Ihm fol­gen die „Roten“ und die „Schwar­zen“ (im Natio­nal­bol­sche­wis­mus ver­eint), es ist der Weg des Gno­sti­kers, der „allen Grund hat, inner­lich zu tri­um­phie­ren“ (S. 185).

Über das Andro­gy­ne, das Weib­li­che, das Cha­os, den Pfad der lin­ken Hand bei Dugin habe ich bereits frü­her geschrieben.

Im wei­te­ren Ver­lauf preist Dugin die Temp­ler als „Trä­ger“ von „eso­te­ri­schem Wis­sen“ (S. 193). Dann wid­met er ein Kapi­tel dem „Pen­ta­gramm“ (S. 199–208), d. h. dem fünf­zacki­gen Stern, der „in der Tra­di­ti­on“ die „Engel­s­ar­mee“ anzeigt (S. 200). Dugin geht auf den „Mor­gen­stern“ ein, der auch „Venus“ oder „Luzi­fer“ genannt wird… Ein sol­cher Stern ist ein Sym­bol des „gefal­le­nen Engels“, der „Göt­tin der Lie­be und der Ero­tik“, aber auch von Chri­stus (vgl. S. 202f).

Dugin weiß, daß der fünf­zacki­ge Stern, ein wich­ti­ges Sym­bol der Frei­mau­re­rei, der Rosen­kreu­zer und des Okkul­tis­mus, zu einem Sym­bol des Bol­sche­wis­mus gewor­den ist. Dugin weiß, daß der revo­lu­tio­nä­re Huma­nis­mus initia­ti­sche, gno­sti­sche Wur­zeln hat (vgl. S. 207f). „Der rote Stern leuch­tet über dem Kreml, dem Zen­trum des Drit­ten Roms, der Drit­ten Inter­na­tio­na­le. Er ist das Bild für das Zen­trum der Welt, für den Pol“ (S. 208). Wei­ter spricht Dugin von der „Leh­re des Sterns“, d. h. von der Über­win­dung des Dua­lis­mus (vgl. S. 221f). „Das Hohe und das Nied­ri­ge tau­schen ihre Plät­ze, die unmög­li­che und undenk­ba­re Ver­mäh­lung von Him­mel und Höl­le, die der genia­le Wil­liam Bla­ke geahnt hat­te, wird ver­wirk­licht. Es ist die soge­nann­te ‚Leh­re vom Stern‘ “ (S. 222), die auch die Leh­re von Alei­ster Crow­leys Ordo Templi Ori­en­tis ist (vgl. S. 222).

Wei­ter schreibt Dugin: „Es ist nun an der Zeit zu fra­gen: Was ist der Unter­schied zwi­schen der Ein­wei­hung und dem gewöhn­li­chen reli­giö­sen Dog­ma?“ (S. 236). Dugin ant­wor­tet: „Die Reli­gi­on ist gei­stig ana­log zur New­ton­schen Welt: Alle Aus­sa­gen sind der Wahr­heit auf­fal­lend ähn­lich, unend­lich nahe an ihr, aber doch etwas anders. […] Die Initia­ti­on folgt einem radi­kal ande­ren Weg. Es ist ein Unter­schied von größ­ter Bedeu­tung. Die Suche nach dem Abso­lu­ten schließt den Kom­pro­miß aus. Wir müs­sen in die Höl­le hin­ab­stei­gen, uns ins Cha­os stür­zen“ (S. 236). Dann schreibt Dugin: „Nur durch die­se trau­ma­ti­sche Erfah­rung ist es mög­lich, radi­kal und unwi­der­ruf­lich auf der ande­ren Sei­te der Mate­rie auf­zu­tau­chen. Hier ist das gro­ße Ide­al der Befrei­ung. Der Weg ist extrem gefähr­lich, aber unver­meid­lich“ (S. 236f). „Das Wis­sen um das Böse ist im Grun­de genom­men nicht böse. Wäre es nicht da, gäbe es auch kei­ne Erlö­sung. Felix cul­pa [glück­li­che Schuld]. Eva hat das Rich­ti­ge getan. Eva ist Leben. […]. Der Krea­tio­nis­mus, das Ratio­na­le sind hoff­nungs­los. Ihre Exakt­heit ist wider­wär­tig“ (S. 237).

Die Far­be „Rot-Braun“ weist nicht nur auf das Bünd­nis zwi­schen Natio­nal­so­zia­li­sten und Bol­sche­wi­sten hin, son­dern auch auf den „Hin­du-Gott Shi­va“, des­sen Per­sön­lich­keit dem „rot-brau­nen“ Ele­ment nahe steht… Shi­va ist der Beschüt­zer des Tan­tris­mus (vgl. S. 262f).

Wei­ters zeigt Dugin eine gno­sti­sche Auf­fas­sung des christ­li­chen Lebens, wenn er die Zehn Gebo­te für einen Chri­sten als über­holt betrach­tet (vgl. S. 350f): „Die Mensch­heit des Neu­en Testa­ments unter­schei­det sich grund­le­gend von der alten, jüdi­schen (oder heid­ni­schen) Mensch­heit. Sie steht unter dem Zei­chen der tran­szen­den­ten Lie­be; des­halb machen die Dicho­to­mien des Geset­zes – anbe­ten oder nicht anbe­ten, einer oder vie­le, steh­len oder nicht steh­len, ver­füh­ren oder nicht ver­füh­ren, töten oder nicht töten – letzt­lich kei­nen Sinn mehr. […]. Auf jeden Fall hat die vol­le christ­li­che Exi­stenz nichts mit den Zehn Gebo­ten des Alten Testa­ments zu tun, die durch die hei­li­ge Tau­fe ein für alle­mal auf­ge­ho­ben sind. Es gibt nur die Ver­wirk­li­chung der Gna­de“ (S. 350).

Wei­ter heißt es bei Dugin: „Je hei­li­ger ein Mensch ist, desto elen­der, sün­di­ger, böser erscheint er vor dem Ant­litz der strah­len­den Drei­fal­tig­keit. […]. Die Ein­hal­tung der Zehn Gebo­te hat für den ortho­do­xen Chri­sten kei­ne ent­schei­den­de Bedeu­tung. […]. Wenn die Lie­be fehlt, füh­ren die Zehn Gebo­te in die Höl­le. Wenn die Lie­be da ist, dann haben sie kei­ne Bedeu­tung. All dies wur­de von den radi­ka­len rus­si­schen Intel­lek­tu­el­len klar ver­stan­den“ (S. 351).

Dann wid­met Dugin ein Kapi­tel dem rus­si­schen Schrift­stel­ler Pimen Kar­pow (1886–1963) und sei­nem gno­sti­schen Roman „Flam­me“, der 1913 ver­öf­fent­licht und 1924 und dann wie­der 1991 neu auf­ge­legt wur­de. Dugin schreibt: „Der Punkt ist, daß Pimen Kar­pow in sei­nem Roman eine ein­zig­ar­ti­ge eso­te­ri­sche Bot­schaft ver­schlüs­selt hat, einen gran­dio­sen gno­sti­schen Mythos […]. Er hat die Geheim­nis­se der tie­fen rus­si­schen Hei­lig­keit ent­schlüs­selt und die gehei­men natio­na­len Leh­ren der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht […]“ (S. 359).

Der Roman spricht von: „Fin­ster­nis, blu­ti­gen Ver­bre­chen, bös­ar­ti­gem Sado­ma­so­chis­mus, Per­ver­sio­nen, Todes­fäl­len, Fäul­nis, schwar­zen Mes­sen, Sakri­le­gi­en, Blas­phe­mie […], Selbst­mord von Müt­tern, Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen, Fol­ter“ (S. 359). Dugin stellt fest, daß „die blu­ti­gen und obszö­nen Beschrei­bun­gen den ein­zi­gen Zweck haben, bestimm­te gno­sti­sche Kon­zep­te zu illu­strie­ren, die das Rück­grat des Wer­kes bil­den“ (S. 360).

Dugin macht deut­lich, daß in den Haupt­fi­gu­ren in Kar­pows „Flam­me“ gno­sti­sche Kon­zep­te erkenn­bar wer­den, wie zum Bei­spiel: die Not­wen­dig­keit des Bösen, das Böse als Weg zum Guten und die Tran­szen­denz, der Abstieg in die Höl­le, der not­wen­dig ist, um zum Him­mel auf­zu­stei­gen (vgl. S. 360–364). Dies ist die „gno­sti­sche Tra­di­ti­on, der Pfad der lin­ken Hand (wie ihn der Hin­du­is­mus nennt)“ (S. 361). Laut Dugin erin­nert die Figur Gideo­now in „Flam­me“, Anfüh­rer einer Sek­te von Sata­ni­sten, an Alei­ster Crow­ley und Juli­us Evo­la (vgl. S. 364).

In dem Roman „Flam­me“ (1913) sagt der Sata­nist Wjat­sches­law: „Laßt uns alle dem Dunk­len die­nen… Gemein­sam wer­den wir die Welt erobern… Nur durch den rus­si­schen Gott, den Dunk­len… Er hat nicht sei­nes­glei­chen! Bald wird die Welt an ihn glau­ben! Der Pla­net wird unser sein!“ (zitiert nach Dugin, S. 368). Wjat­sches­law sagt auch: „Nach­dem wir Euro­pa erobert haben, ist nun Ame­ri­ka an der Rei­he. Und war­um? Weil Euro­pa sich vor dem Dunk­len ver­beugt hat. […] Und der Osten gehört schon lan­ge uns… Dort sind der Dra­che und Moham­med die Essenz der Hypo­sta­se des Dunk­len…“ (zitiert von Dugin, S. 369). Hier ist Dug­ins posi­ti­ver Kom­men­tar dazu: „Der Dunk­le, Gott des Blu­tes und des Lebens, ver­eint die extre­me Rech­te und die extre­me Lin­ke in einer Ein­heits­front gegen die eisi­ge libe­ra­le Zivi­li­sa­ti­on. Die deut­schen revo­lu­tio­nä­ren Kon­ser­va­ti­ven der 1920er und 1930er Jah­re und die rus­si­schen Eura­si­er waren zu dem­sel­ben Schluß gekom­men“ (S. 369).

Am Ende des Romans wird zwar nicht die ersehn­te „natio­nal­bol­sche­wi­sti­sche Syn­the­se“ oder „die Hoch­zeit von Rot und Braun“ (S. 371) ver­wirk­licht, aber, wie Dugin schreibt: „Das ‚unter­ir­di­sche Ame­ri­ka‘, die Basti­on der nicht­rus­si­schen, anti­rus­si­schen, antigno­sti­schen Obsku­ri­tät, wur­de erobert“ (S. 371).

Mit dem Wjat­sches­law der „Flam­me“ ruft Dugin: a) zu einer „glo­ba­len Ver­schwö­rung gegen die Käl­te“ (S. 372) auf, d. h. gegen die libe­ra­le, west­li­che, ame­ri­ka­ni­sche Zivi­li­sa­ti­on (vgl. S. 373); b) argu­men­tiert für die Not­wen­dig­keit des „Pfa­des der lin­ken Hand, des ‚Weges des Blu­tes‘“, um sich mit dem Abso­lu­ten zu ver­ei­nen (vgl. S. 372). Dugin weiß, daß die­ser „Weg des Blu­tes“ („Kreu­zi­gung von Frau­en, kol­lek­ti­ve Orgi­en rus­si­scher Tan­tra-Adep­ten, Erlö­sungs­op­fer jun­ger Men­schen auf dem dunk­len ‚sata­ni­schen‘ Altar“ usw.) „die von Pimen Kar­pow beschrie­be­ne Geheim­dok­trin“ dar­stellt und „sehr gefähr­lich“ ist (vgl. S. 371–373).

Dugin schreibt: „Rußland ist ein außer­ge­wöhn­li­ches Land, und die Geschöp­fe, die es bewoh­nen […], sind von meta­phy­si­scher Bedeu­tung, den ‚Tie­fen des Abgrunds‘, umge­ben. ‚Das ist fes­selnd, es gibt Hoff­nung, es ist erschreckend… Kar­pows Ideen sind an uns gerich­tet und sind (soweit mög­lich) auch heu­te noch rele­vant: ‚Wir alle, Brü­der der Fin­ster­nis, haben unser eige­nes Licht – dun­kel, unsicht­bar, unwis­sen­schaft­lich – ultra­vio­lett… Das ist es, was wir auf unse­rem gemein­sa­men Pla­ne­ten und auf eurem errich­ten wer­den… Aber um von Rus­sen regiert zu wer­den…‘. Blut gegen Käl­te. Rußland tanzt, engels­gleich und wahn­sin­nig, gegen das ‚unter­ir­di­sche Ame­ri­ka‘. Es ist ein ohren­be­täu­ben­der nost­al­gi­scher Schrei nach Tra­di­ti­on, gegen die stil­le Dege­ne­ra­ti­on der gefro­re­nen Toten. Die Welt­re­vo­lu­ti­on ist unver­meid­lich. Es ist unmög­lich, dem Jüng­sten Gericht und der Gemein­schaft des Feu­ers zu ent­kom­men“ (S. 373).

Im letz­ten Kapi­tel sei­nes Buches bespricht Dugin den Roman „Das fah­le Pferd“ von Boris Sawin­kow (18791925), einem rus­si­schen Revo­lu­tio­när (Ter­ro­ri­sten, Atten­tä­ter) und Poli­ti­ker.3 Dugin hält ihn für „einen bril­lan­ten Text“ (S. 376): „Er ist ein Testa­ment. Es ist Lite­ra­tur. Es ist eine Anlei­tung zum Han­deln“ (S. 376). Dugin schreibt: „Sawin­kow wird ein­deu­tig von einem apo­ka­lyp­ti­schen Motiv beherrscht. Ich wer­de dir den Mor­gen­stern geben‘: Die­ser Aus­druck taucht mehr­fach und hyp­no­tisch im Tage­buch eines Ter­ro­ri­sten auf. Der ‚Mor­gen­stern‘ steht für Luzi­fer, den Tag. Ein gefal­le­ner, aber unver­sehr­ter Engel, Got­tes erste Schöp­fung, der zeit­lo­se Arche­typ des wah­ren Revo­lu­tio­närs“ (S. 376). In der Fuß­no­te 15 schreibt dann der Her­aus­ge­ber der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be von Dug­ins Buch, Andrea Sca­ra­bel­li, über Luzi­fer: „Zu die­ser Figur, die meta­phy­sisch und sym­bo­lisch dem jüdisch-christ­li­chen Teu­fel und Satan gegen­über­steht, vgl. Otto Rahn: Luzi­fers Hof­ge­sind“ (S. 376). Sca­ra­bel­li scheint also die eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Unter­schei­dung zwi­schen Luzi­fer und Satan zu akzep­tie­ren… Dugin ist auch mit dem Buch des SS-Gno­sti­kers Otto Rahn (ver­öf­fent­licht 1937) ver­traut, in dem Luzi­fer geprie­sen und zum Licht­brin­ger umge­deu­tet wird (vgl. S. 369).

Dugin fährt bezüg­lich Morgenstern/​Luzifer fort: „ ‚Der Mor­gen­stern‘ ist ein zwei­deu­ti­ges Ver­spre­chen, ein Sym­bol für eine Wahl und einen Fluch, das die trocke­ne Vor­stel­lungs­kraft eines Men­schen heim­sucht, der den Tod zu sei­nem Beruf, sei­ner Beru­fung, sei­nem Schick­sal gemacht hat. Der ‚Mor­gen­stern‘ ist die Beloh­nung für den rück­sichts­lo­sen Kastel­lan, für den Trä­ger des Geheim­nis­ses der abso­lu­ten Rache, der sowohl das Gute als auch das Böse schla­gen muß“ (S. 376).

Dugin scheint Sawin­kows Lob des Ter­ro­ris­mus und des Mor­des in sei­nem Roman tat­säch­lich zu tei­len: Das Töten wird sogar zu einem Akt des Glau­bens an Gott, an Chri­stus, zu einer Tat im Namen des rus­si­schen Vol­kes (vgl. S. 376)… Dann schreibt Dugin: „Der Rus­se tötet anders. Er hat die tie­fe Schicht der natio­na­len ortho­do­xen Meta­phy­sik hin­ter sich, das gan­ze tra­gi­sche Dra­ma der Apo­ka­lyp­se […]. Der rus­si­sche Ter­ro­rist ist das Opfer. Er voll­bringt einen magi­schen Akt, der nicht nur die Gesell­schaft, das Volk, die Klas­se, son­dern die gesam­te Rea­li­tät ret­ten soll“ (S. 377).

Dugin stellt fest, daß Boris Sawin­kow „sich zum Faschis­mus, zu Mus­so­li­ni hin­ge­zo­gen fühlt; im bol­sche­wi­sti­schen Rußland fin­det er sich in der Nähe der Kom­mu­ni­sten wie­der. Die­se poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen machen ihn orga­nisch zu einem Natio­nal­bol­sche­wi­sten. Er steht jen­seits der Par­tei­dok­tri­nen. Ein Held, der sich einer meta­phy­si­schen Idee ver­schrie­ben hat. Ein Hel­den­tod. Ein kal­ter Mör­der mit der See­le eines Lam­mes“ (S. 378).

Gegen Ende sei­nes Buches schreibt Dugin: „Wir lesen Boris Sawin­kows Fah­les Pferd. Wir atmen die Beschrei­bung sei­nes Lebens, sei­ner Ero­tik, sei­nes Kamp­fes. Wir wol­len den Mor­gen­stern so sehr – wir wol­len ihn lei­den­schaft­lich“ (S. 379).

Die­ser „Mor­gen­stern“, nach dem sich auch Dugin so sehr sehnt, ist Luzi­fer, der­sel­be Luzi­fer des Natio­nal­so­zia­li­sten Otto Rahn…

Es folgt das „Nach­wort. Die okkul­te Son­ne der leuch­ten­den Stadt“ von Andrea Sca­ra­bel­li (S. 381–413), der die wich­tig­sten Ele­men­te von Dug­ins Den­ken und ins­be­son­de­re sei­nes Buches „Die Temp­ler des Pro­le­ta­ri­ats“ zusam­men­faßt:

  • akti­ver Nihi­lis­mus“ (S. 385);
  • der „Pfad der lin­ken Hand“ oder „Tan­tra“ als „Meta­phy­sik des Natio­nal­bol­sche­wis­mus“ (vgl. S. 393–396), der­sel­be „Pfad“, dem auch der neo­na­zi­sti­sche Phi­lo­soph Miguel Ser­ra­no anhängt (vgl. S. 396);
  • Dug­ins „Temp­ler“ sind also Anhän­ger des Weges der Lin­ken, der Natio­nal­bol­sche­wi­ken (vgl. S. 400403);
  • das radi­ka­le Sub­jekt als Inkar­na­ti­on und Erfül­lung der „Temp­ler des Pro­le­ta­ri­ats“ und damit als abso­lu­ter Prot­ago­nist des Pfa­des der lin­ken Hand (vgl. S. 406413). Über Dug­ins Radi­ka­les Sub­jekt habe ich bereits an ande­rer Stel­le geschrieben.

Sca­ra­bel­li zufol­ge „kann man in dem Pfad der lin­ken Hand der Temp­ler des Pro­le­ta­ri­ats die Grund­la­ge der Vier­ten Poli­ti­schen Theo­rie sehen“ (S. 402, Fuß­no­te 56), in der das Herz­stück von Dug­ins Den­ken zusam­men­ge­faßt ist.

Abschlie­ßend möch­te ich noch ein­mal beto­nen, daß das bis­her skiz­zier­te Den­ken von Alex­an­der Dugin gno­stisch und eso­te­risch ist und sei­ne Theo­rien eine ideo­lo­gi­sche, wahn­wit­zi­ge und teuf­li­sche Recht­fer­ti­gung für Krieg, Ter­ro­ris­mus und die tota­le und apo­ka­lyp­ti­sche Ver­wü­stung dar­stel­len, kurz gesagt, für alles, was der Pfad der lin­ken Hand und die Roma­ne von Pimen Kar­pow und Boris Sawin­kow vorsehen.

Ich habe bereits an ande­rer Stel­le über eine gewis­se Ähn­lich­keit zwi­schen dem Pfad der lin­ken Hand und der Gno­sis im Den­ken des hete­ro­do­xen Kab­ba­li­sten Jakob Frank und in der Frei­mau­re­rei geschrie­ben. Wie wer­den die gno­sti­schen The­sen von Dugin in der rus­si­schen Frei­mau­re­rei beur­teilt? Die Groß­lo­ge von Ruß­land und die Groß­lo­ge der Ukrai­ne gehö­ren bei­de der regu­lä­ren Frei­mau­re­rei an, sind also von der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land aner­kannt und ste­hen in brü­der­li­chem Ver­hält­nis zuein­an­der, da sie im April 2022 jeweils eine Dele­ga­ti­on zur Groß­lo­ge des Groß­ori­en­tes von Ita­li­en ent­sandt haben.

Weder Rus­sen, ortho­do­xe Chri­sten, noch römi­sche Katho­li­ken soll­ten sich auf die nihi­li­sti­schen, gno­sti­schen und sub­ver­si­ven Ideen von Alex­an­der Dugin ein­las­sen. Statt des von Dugin ange­streb­ten Pfa­des der lin­ken Hand soll­ten wir hoff­nungs­voll auf die Wor­te hören, die die Got­tes­mut­ter am 13. Juli 1917, am Ende des drit­ten Teils des „Geheim­nis­ses“, zu den drei Hir­ten­kin­dern von Fati­ma sag­te: „Am Ende aber wird mein Unbe­fleck­tes Herz tri­um­phie­ren. Der Hei­li­ge Vater wird mir Ruß­land wei­hen, das sich bekeh­ren wird, und der Welt wird eine Zeit des Frie­dens geschenkt wer­den.

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. Durch sei­ne Ver­öf­fent­li­chun­gen bringt er den Nach­weis, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an bis heu­te eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


1 Pao­lo M. Sia­no: La meta­fi­si­ca del Caos di Aleksan­dr Dugin, Edi­zio­ni Fidu­cia, 2022.

2 Sohn des Grün­ders der rechts­ra­di­ka­len Orga­ni­sa­ti­on Ordi­ne Nuo­vo (1969–1973), die 1973 wegen ver­such­ter Wie­der­grün­dung der Faschi­sti­schen Par­tei ver­bo­ten wur­de. Cle­men­te Gra­zia­ni flüch­te­te ins Aus­land, um der Ver­haf­tung zu ent­ge­hen. Ein Teil der Orga­ni­sa­ti­on ging in den Unter­grund und ver­üb­te Ter­ror­an­schlä­ge, bis sie 1977 von der Poli­zei zer­schla­gen wer­den konnte.

3 Sawin­kow war ein Sozi­al­re­vo­lu­tio­när, der im Zaren­reich an der Ermor­dung des deutsch­stäm­mi­gen rus­si­schen Innen­mi­ni­sters und vor­ma­li­gen Außen­mi­ni­sters Wjat­sches­law von Pleh­we und von Groß­fürst Alex­an­der Roma­now-Hol­stein-Got­trop, dem Onkel des regie­ren­den Zaren, betei­ligt war. Nach der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on kämpf­te er gegen die Bol­sche­wi­sten und wur­de dabei vom bri­ti­schen Geheim­dienst unter­stützt. 1924 wur­de Sawin­kow in der Sowjet­uni­on ver­haf­tet und stürz­te im Jahr dar­auf, ob frei­wil­lig oder gesto­ßen, aus dem fünf­ten Stock des Mos­kau­er Geheimdienstgefängnisses.

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