Geben China und der Vatikan die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen bekannt?

"Noch nie dagewesene" Tagung in Rom mit chinesischer Beteiligung


Teilnehmer des Konzils von Schanghai 1924
Teilnehmer des Konzils von Schanghai 1924

(Peking) Zei­tigt die Appease­ment-Poli­tik von San­ta Mar­ta nun doch einen ersten sicht­ba­ren Erfolg? Es gibt Gerüch­te, daß zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Volks­re­pu­blik Chi­na die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen wie­der­auf­ge­nom­men wer­den könnten.

Anzei­ge

Das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus ist gegen­über der Volks­re­pu­blik Chi­na durch eine Beschwich­ti­gungs­po­li­tik geprägt. Dazu gehört die auf­fäl­li­ge Zurück­hal­tung, selbst in Men­schen­rechts­fra­gen die Poli­tik der kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber zu kri­ti­sie­ren. Dazu gehört vor allem, daß von eng­sten Mit­ar­bei­tern des Pap­stes dem chi­ne­si­schen Regime Blu­men gestreut wur­den. Die Fol­ge war 2018 die Unter­zeich­nung eines Geheim­ab­kom­mens zwi­schen Rom und Peking über Bischofs­er­nen­nun­gen, das heißt, offi­zi­ell ist bis heu­te über den Inhalt des Abkom­mens nichts bekannt. Jeweils im Abstand von zwei Jah­ren wur­de die gehei­me Ver­ein­ba­rung bis­her erneu­ert. Im kom­men­den Okto­ber strebt Rom die näch­ste Ver­län­ge­rung an.

Nun gibt es ernst­zu­neh­men­de Gerüch­te, daß die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen Rom und Peking wie­der­auf­ge­nom­men wer­den könn­ten. Die­se waren 1949, als die Kom­mu­ni­sten in Fest­land­chi­na die Macht über­nah­men, von die­sen ein­sei­tig abge­bro­chen wor­den. Die jüng­sten Gerüch­te faß­te Loup Bes­mond de Sen­ne­ville, Vati­ka­nist der fran­zö­si­schen Tages­zei­tung La Croix, der gute Kon­tak­te nach San­ta Mar­ta unter­hält, heu­te zusammen.

Tagung am 21. Mai in Rom

Gesi­chert ist, daß der Vati­kan am kom­men­den 21. Mai eine in der Tat bei­spiel­lo­se inter­na­tio­na­le Tagung orga­ni­siert. An die­ser wird der Bischof von Schang­hai und die Vor­sit­zen­de einer chi­ne­si­schen Insti­tu­ti­on teil­neh­men, die in der vom kom­mu­ni­sti­schen Regime ver­lang­ten Sini­sie­rung der Reli­gio­nen sehr aktiv ist.

Die Bezie­hun­gen zu Rot­chi­na gel­ten in Rom als Tabu. Es wird öffent­lich kaum oder nur chif­friert dar­über gespro­chen. Umso mehr erstaunt die ange­kün­dig­te öffent­li­che Ver­an­stal­tung und ihr Orga­ni­sa­tor, das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at. Damit steht fest, daß die Tagung auf höch­ster Ebe­ne für sehr wich­tig erach­tet wird.

Das Pro­gramm der Ver­an­stal­tung wur­de am ver­gan­ge­nen Frei­tag, dem 10. Mai, ganz dis­kret ins Inter­net gestellt, aber noch mit kei­nem Wort offi­zi­ell bekannt­ge­ge­ben. Im heu­ti­gen Tages­bul­le­tin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes wur­de nur die Pres­se­kon­fe­renz zur Prä­sen­ta­ti­on der „neu­en Nor­men für das Ver­fah­ren zur Beur­tei­lung mut­maß­li­cher Erschei­nun­gen und ande­rer über­na­tür­li­cher Phä­no­me­ne“ des Glau­bens­dik­aste­ri­ums am kom­men­den 17. Mai angekündigt.

Die inter­na­tio­na­le Chi­na-Tagung wird dem The­ma: „100 Jah­re chi­ne­si­sches Kon­zil: zwi­schen Geschich­te und Gegen­wart“ gewid­met sein. Tagungs­ort ist der Fest­saal der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Urba­nia­na. Der Beginn ist für 9.30 Uhr angesetzt.

Gemeint ist das soge­nann­te Kon­zil von Schang­hai, das 1924 statt­fand. Die­ses Kon­zil war vor allem von Titu­lar­erz­bi­schof Cel­so Costan­ti­ni vor­an­ge­trie­ben wor­den, den Pius XI. 1922 als Päpst­li­chen Dele­ga­ten nach Chi­na ent­sandt hat­te, um die Kir­che in Chi­na auf­grund der poli­ti­schen Ereig­nis­se (Boxer­auf­stand, Sturz des Kai­ser­tums, Errich­tung der Repu­blik) von ihren Bin­dun­gen an euro­päi­sche Pro­tek­to­rats­mäch­te zu lösen und den Weg für einen chi­ne­si­schen Kle­rus und ein­hei­mi­sche Bischö­fe zu ebnen mit dem Ziel, dadurch die Mis­si­ons­ar­beit zu stär­ken. Msgr. Costan­ti­ni lei­te­te das Kon­zil von Schang­hai und konn­te 1928 sechs Kan­di­da­ten nach Rom beglei­ten, die von Pius XI. zu den ersten chi­ne­si­schen Bischö­fen geweiht wur­den.
Costan­ti­ni blieb noch bis 1933 in Chi­na und wur­de dann an der Römi­schen Kurie zum Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on Pro­pa­gan­da Fide, des heu­ti­gen Dik­aste­ri­ums für die Evan­ge­li­sie­rung. 1953 kre­ierte ihn Papst Pius XII. zum Kar­di­nal und ernann­te ihn zum Kanz­ler der Hei­li­gen Kir­che. Die­ses Amt, das spä­ter von Paul VI. abge­schafft und des­sen Auf­ga­ben dem Staats­se­kre­ta­ri­at über­tra­gen wur­den, hat­te der Kar­di­nal bis zu sei­nem Tod 1958 inne.

Der Päpst­li­che Dele­gat und spä­te­re Kar­di­nal Cel­so Costan­ti­ni (4. v. r.) mit den ersten sechs 1928 in Rom geweih­ten chi­ne­si­schen Bischöfen

„Wichtiges politisches Signal“

Die bekannt gewor­de­ne Tagung klingt, so Bes­mond de Sen­ne­ville, „nach einem wich­ti­gen poli­ti­schen Signal“. Dafür spricht unter ande­rem die Anrei­se hoch­ran­gi­ger chi­ne­si­scher Ver­tre­ter aus Kir­che und Staat. Allein schon die Teil­nah­me von Bischof Joseph Shen Bin von Schang­hai wäre ohne die Zustim­mung des Pekin­ger Regimes nicht möglich.

Die­ser Bischof stand im vori­gen Jahr im Mit­tel­punkt ern­ster Span­nung, die es so aus­se­hen lie­ßen, als wäre die „Ent­span­nungs­po­li­tik“, wie die Chi­na-Poli­tik von Fran­zis­kus von ihm nahe­ste­hen­den Krei­sen genannt wird, end­gül­tig geschei­tert. Der frü­he­re Bischof von Hai­men war seit 2022 Vor­sit­zen­der des Chi­ne­si­schen Bischofs­rats, des regi­me­hö­ri­gen Pen­dants zur Chi­ne­si­schen Bischofs­kon­fe­renz. Im April 2023 ernann­te ihn der Bischofs­rat auf Wei­sung der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas (KPCh) – ohne Rom zu kon­sul­tie­ren – zum neu­en Bischof von Schang­hai, der Wirt­schafts­me­tro­po­le Chi­nas. Fran­zis­kus beug­te sich, um das Geheim­ab­kom­men von 2018 zu ret­ten, und ernann­te Shen Bin weni­ge Mona­te spä­ter auch sei­ner­seits, wodurch die­ser auch kir­chen­recht­lich der recht­mä­ßi­ge Bischof von Schang­hai ist.

Noch bemer­kens­wer­ter ist, daß bei der bevor­ste­hen­den römi­schen Tagung das chi­ne­si­sche Regime selbst ver­tre­ten sein wird. Mit Zheng Xia­o­jun, Direk­to­rin des Insti­tuts für Welt­re­li­gio­nen der Chi­ne­si­schen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, wird eine Schlüs­sel­fi­gur der Reli­gi­ons­po­li­tik des kom­mu­ni­sti­schen Regimes nach Rom kom­men. Xia­o­jun ist zugleich stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de und Gene­ral­se­kre­tä­rin der Chi­ne­si­schen Reli­gi­ons­ge­sell­schaft.

Die von Xia­o­jun gelei­te­ten Insti­tu­tio­nen spie­len eine füh­ren­de Rol­le in der vom Regime gefor­der­ten Sini­sie­rung der Reli­gio­nen. Die Sini­sie­rungs­po­li­tik wur­de bereits in den 50er Jah­ren von Mao Tse-tung begon­nen. Offi­zi­ell sol­len die Reli­gio­nen einen chi­ne­si­schen Anstrich erhal­ten als Vor­aus­set­zung, um als Aus­druck der chi­ne­si­schen Kul­tur auf Aner­ken­nung hof­fen zu dür­fen. Tat­säch­lich ging es von Anfang an dar­um, die Reli­gio­nen dem kom­mu­ni­sti­schen Regime zu unter­wer­fen. Die nach 1949 betrie­be­ne Abkop­pe­lung der katho­li­schen Kir­che von Rom und die 1958 erfolg­te Grün­dung der Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung als regi­me­hö­ri­ger schis­ma­ti­scher Kir­che ist auch Aus­druck die­ser Sini­sie­rungs­po­li­tik. Unter dem heu­ti­gen mäch­ti­gen Mann Chi­nas, Staats- und Par­tei­chef Xi Jin­ping, wur­de die Sini­sie­rungs­po­li­tik wie­der verstärkt.

Die Chi­ne­si­sche Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, in deren Namen Zheng Xia­o­jun in Rom anwe­send sein wird, wur­de 1964 gegrün­det, um die aka­de­mi­schen Stu­di­en über die Reli­gio­nen in Chi­na zu beauf­sich­ti­gen. Das Insti­tut prä­sen­tiert sich selbst als Platt­form für die Arbeit an „mar­xi­sti­schen Reli­gi­ons­per­spek­ti­ven“. Das Zen­trum der Aka­de­mie ist das For­schungs­la­bor für mar­xi­sti­sche reli­giö­se Ansich­ten.

Im Vati­kan ist man sehr zufrie­den mit der Teil­nah­me „einer chi­ne­si­schen Per­sön­lich­keit die­ses Ran­ges“ an einer vom Hei­li­gen Stuhl orga­ni­sier­ten öffent­li­chen Ver­an­stal­tung. Der­glei­chen sei „bei­spiel­los“, zitiert Bes­mond de Sen­ne­ville einen nament­lich nicht genann­ten Chi­na-Exper­ten des Vati­kans. Dabei sei es ein „nicht unbe­deu­ten­des Detail“, daß die Regime-Ver­tre­te­rin an einer Tagung teil­nimmt, die „an einer päpst­li­chen Uni­ver­si­tät und auf dem Ter­ri­to­ri­um des Vati­kan­staa­tes“ stattfindet.

Papst Fran­zis­kus wird per­sön­lich durch eine Video­bot­schaft an der Ver­an­stal­tung mit­wir­ken. San­ta Mar­ta nahe­ste­hen­de Ver­tre­ter beto­nen, daß Chi­na dem Papst „beson­ders am Her­zen liegt“, obwohl er öffent­lich kaum dar­über spricht. Er bemüht sich eisern, jedes Wort zu ver­mei­den, das die kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber ver­är­gern könnte.

Sei­ne bis­her letz­te Wort­mel­dung zu Chi­na erfolg­te im Sep­tem­ber 2023 wäh­rend sei­ner Pasto­ral­rei­se in die Mon­go­lei. Damals for­der­te Fran­zis­kus die chi­ne­si­schen Katho­li­ken auf, „gute Bür­ger“ ihres Staa­tes zu sein. Die Absicht der Geste war offen­sicht­lich. Der Papst woll­te der KPCh ver­si­chern, daß Rom sich nicht in die inne­ren Ange­le­gen­hei­ten Chi­nas ein­mi­schen wolle.

Für Chi­nas Katho­li­ken, die seit 1949 eine pre­kä­re Situa­ti­on durch­le­ben und grau­sam­ste Ver­fol­gung­pha­sen hin­ter sich haben, ist das bit­ter. Der eme­ri­tier­te Bischof von Hong­kong, Kar­di­nal Joseph Zen, kri­ti­sier­te die vati­ka­ni­sche Chi­na-Poli­tik wie­der­holt als „Kapi­tu­la­ti­on“, mit der Chi­nas Katho­li­ken dem kom­mu­ni­sti­schen Regime aus­ge­lie­fert werden.

Doch die Stim­me des 92jährigen muti­gen Kar­di­nals ver­stummt alters­be­dingt immer mehr und im Vati­kan sieht man den Beschwich­ti­gungs­kurs auf der Erfolgs­spur. Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin wird per­sön­lich auf der Tagung den Vor­mit­tag beschlie­ßen, wäh­rend Kar­di­nal Luis Anto­nio Tag­le, Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die Evan­ge­li­sie­rung, am Nach­mit­tag die Gesamt­ta­gung been­den wird. Bei­de Pur­pur­trä­ger gehö­ren im der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat zu den ein­fluß­reich­sten Vati­kan­ver­tre­tern. Bei­de ste­hen Fran­zis­kus beson­ders nahe und sind offi­zi­ell mit der Chi­na-Fra­ge befaßt.

Nun steht das Gerücht im Raum, daß im Zusam­men­hang mit die­ser Tagung in den näch­sten Tagen eine „wich­ti­ge Ankün­di­gung“ erfol­gen könn­te: die Bekannt­ga­be, daß zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Volks­re­pu­blik Chi­na ein Ver­bin­dungs­bü­ro ein­ge­rich­tet wer­den könn­te, also nach 75 Jah­ren in einer ersten Stu­fe die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen wie­der­auf­ge­nom­men werden. 

Bes­mond de Sen­ne­ville gibt die Mei­nung von San­ta Mar­ta wie­der, wenn er von einer „sehr wich­ti­gen Ent­wick­lung in den Bezie­hun­gen zwi­schen Chi­na und der ober­sten Füh­rung der katho­li­sche Kir­che“ spricht.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: urba​nia​na​.va (Screen­shots)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!