
Die Glaubenskongregation gab die Veröffentlichung „neuer Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher Erscheinungen und anderer übernatürlicher Phänomene“ bekannt. Das neue Dokument wird am 17. Mai um 12 Uhr im vatikanischen Pressamt vorgestellt. Als Redner sind vorgesehen:
- Kardinal Víctor Manuel „Tucho“ Fernández, Präfekt des Glaubensdikasteriums
- Msgr. Armando Matteo, Sekretär der Abteilung für die Glaubenslehre des Glaubensdikasteriums
- Sr. Daniela Del Gaudio SFI, Leiterin der Internationalen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie, Professorin der Mariologie am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum (Hochschule der Legionäre Christi) und an der Päpstlichen Fakultät San Bonaventura (Hochschule des Minoritenordens) in Rom.
Kardinal Fernández selbst hatte Ende April die Vorbereitung des neuen Dokuments angekündigt.
Zuletzt hatte die Glaubenskongregation am 25. Februar 1978 am Ende des Pontifikats von Paul VI. „Normae de modo procedendi in iudicandis praesumptis apparitionibus ac revelationibus“ („Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher Erscheinungen und Offenbarungen“) veröffentlicht. Unterzeichnet wurden die Normen vom damaligen Glaubenspräfekten Kardinal Franjo Šeper und dem Sekretär der Glaubenskongregation, Erzbischof Jérôme Hamer OP, den Johannes Paul II. 1985 zum Kardinal kreierte.
Das neue Dokument liefere die Grundlagen für „schnelle und sichere Zertifizierungen weinender oder blutender Madonnenstatuen“ so Franca Giansoldati, die Vatikanistin der römischen Tageszeitung Il Messaggero. Giansoldati bringt das neue Dokument in direkten Zusammenhang mit den Ereignissen von Trevignano, gegen die sich der Vatikan „absichern“ wolle. Die dortige „Seherin“ Gisella habe „selbst beim Papst ein Unbehagen“ ausgelöst, da sie durch angebliche Visionen und Schauungen eine ganze Diözese in Aufruhr versetzt und Anhänger auch aus dem Ausland angelockt habe. Der Ortsbischof erklärte sie für „unglaubwürdig“, und ihre Botschaften hätten „bizarre“ Inhalte, die „nicht der katholischen Lehre entsprechen“.
Strengere Bestimmungen
Die neuen römischen Normen bedeuten strengere Bestimmungen, ein „echtes Anziehen der Schrauben“, so Giansoldati. Das sei notwendig, so die Vatikanistin, da im Internetzeitalter sich Nachrichten in Windeseile verbreiten. Ein vermeintlicher Fall müsse daher, so Giansoldati, sofort „gehandhabt“ werden, indem das Risiko neutralisiert wird, daß „Falschmeldungen monatelang zirkulieren und viele Menschen hinters Licht führen“. Erwarten würde man sich eigentlich zunächst einen Hinweis, daß als erstes Untersuchungen stattfinden.
Es gebe, so fährt die Vatikanistin fort, „Tausende und Abertausende“ von Hinweisen aus aller Welt, die jährlich den Vatikan erreichen, über Madonnenstatuen, die Tränen oder Blut weinen, die „die Augen bewegen“ oder wohlriechende „Düfte absondern“.
Die Kirche verhielt sich immer sehr zurückhaltend, was solche Phänomene betraf. Der Ruf, daß Rom darüber befinden solle, tritt allerdings erst seit kurzem auf. Um genau zu sein, hat sich die Frage einer römischen Entscheidung erst im Zusammenhang mit Medjugorje zugespitzt. Zuvor, das gilt auch für Lourdes und Fatima, genügte die Autorität des Ortsbischofs. Das hartnäckige Tauziehen um den herzegowinischen Ort führte dazu, Rom als letzte und überhaupt letztlich zuständige Instanz ins Spiel zu bringen. Rom sah in der Vergangenheit eigentlich nur dann Handlungsbedarf, wo Formen der Volksfrömmigkeit Gefahr liefen, aus dem Gleis zu geraten.
Die Errichtung der erwähnten römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene und das neue Dokumente sind allerdings Ausdruck von Zentralisierungsbestrebungen.
Das Tempo der Nachrichtenverbreitung über soziale Netzwerke mache diese Schritte notwendig. Der Vatikan habe in der Vergangenheit ausführlich geprüft und sich dafür viel Zeit genommen, „manchmal zu lange“, so Giansoldati. Es gebe nur sehr wenige kirchlich anerkannte Marienerscheinungen, insgesamt an die 20. Die jüngsten sind die tränende Madonna von Syrakus auf Sizilien (1953) und Kibeho in Ruanda (1981/82). Während es in Syrakus keine Erscheinung und keine Botschaften gab, trat in Kibeho beides auf. Die Gottesmutter erschien dort viermal mehreren Mädchen und stellte sich dabei als „Mutter des Wortes“ vor. Bei der letzten Erscheinung am 19. August 1982 zeigte sie den Jugendlichen die Schrecken der Massaker, die sich 1994 zutragen sollten. Ihre Botschaft ist der Ruf nach Umkehr, Gebet und Fasten und die Aufforderung, Gott und die Nächsten zu lieben als einzigen Weg zu Einheit und Frieden.
In Syrakus wurde der Heilige Stuhl, konkret die Glaubenskongregation, laufend über die Untersuchungen informiert. Schließlich erklärten die vereint tagenden Bischöfe von Sizilien die Echtheit des übernatürlichen Charakters. In Kibeho erfolgte 2001, ebenfalls in Absprache mit der Glaubenskongregation, die Anerkennung durch den Ortsbischof. Rom wurde in beiden Fällen nicht direkt aktiv.
Der „sehr komplizierte Fall“ Medjugorje
Dann sei der, so Giansoldati, „sehr komplizierte Fall“ von Medjugorje aufgetreten „mit Sehern, die Botschaften zu festgelegten Zeiten erhielten (und noch immer erhalten)“. Die von Benedikt XVI. eingesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung von Kardinal Ruini übergab den Abschlußbericht, wegen des inzwischen erfolgten Amtsverzichts, seinem Nachfolger Franziskus. Der Bericht wurde bis heute nicht veröffentlicht. Laut Indiskretionen, die von Kommissionsmitgliedern stammen, kam die Kommission zum Schluß, daß nur die allerersten Erscheinungen Glaubwürdigkeit verdienen würden, als die Seher noch Kinder waren, während hinter den zahllosen folgenden Ereignissen und Botschaften, die in die Tausende gehen sollen, „eine himmlische Hand“ auszuschließen sei.
Papst Franziskus unternahm in der Frage der Anerkennung bisher aber nichts, weshalb weiterhin die negative Entscheidung des Ortsbischofs gültig ist. Das Kirchenoberhaupt beschränkt sich darauf, aus Medjugorje unter vatikanischer Aufsicht eine Gebetsstätte zu machen.
Nun ist die Frage, ob eine Erscheinung echt ist, oder ob es sich um Betrug oder Täuschung handelt, sehr ernst. Dabei ist klar, daß die Prüfung für die Kirche keine leichte Aufgabe, sondern eine echte Herausforderung darstellt, um den Menschen eine eindeutige Antwort geben zu können. Papst Franziskus fand am 4. Juni 2023 in einer Fernsehsendung allerdings eine einfache, wohl zu einfache Antwort darauf, indem er meinte, man solle erst „gar nicht dort suchen“, dann stelle sich die Frage erst gar nicht.
Kirchengegner und andere arbeiten sich umgekehrt daran ab, den „Beweis“ zu erbringen, daß Marienerscheinungen und andere übernatürliche Phänome samt und sonders „Betrug“ seien. Für die Kirche ist die Angelegenheit wesentlich komplexer. Selbst dort, wo keine echte Erscheinung vorliegt, können gute Früchte auftreten, da diese nicht an eine Erscheinung oder einen Ort gebunden sind, sondern an ein für Gott offenes Herz.
Wie soll das „Anziehen der Schrauben“ aussehen?
Wie hat man sich das bevorstehende „Anziehen der Schrauben“ vorzustellen, das der Vatikan gegenüber Erscheinungsphänomenen vornehmen will? Die Details sind noch nicht bekannt, doch grob gesagt, werden strengere Untersuchungen angeordnet. Entscheidender als die Buchstaben des Dokuments scheint jedoch der Geist dahinter, mit dem die Untersuchungen geführt werden sollen. Diese stehen zwar auch weiterhin dem Ortsbischof zu, doch will ihnen Rom mit der Beobachtungsstelle ein eingespieltes Instrument zur Verfügung stellen und dadurch eine Vereinheitlichung und Systematisierung der Erhebungen erreichen und auch Kontrolle ausüben.
Dabei müsse das Leben vermeintlicher Seher vollständig und genau überprüft werden. Es müsse geklärt werden, ob eine Erkrankung oder Geltungsdrang vorliegt. Auszuschließen seien solche, die durch das „Phänomen“ Geld einnehmen oder vorbestraft sind.
Ein neues Kriterium soll auch sein, ob „Botschaften“ Weltuntergangsszenarien oder apokalyptische Aussagen enthalten. Der Franziskanerpater Stefano Cecchin, Vorsitzender der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie, ließ vor einem Jahr aufhorchen, als er in einem Interview mit Alfa y Omega sagte, daß Erscheinungen, die von Strafen sprechen, „absolut falsch sind“. Damit delegitimierte er, sicher unabsichtlich, auch Fatima und La Salette, um nur zwei der bekanntesten anerkannten Marienerscheinungen zu nennen. Im Klartext: Ist im Zusammenhang mit Erscheinungsphänomenen von Warnungen, Strafen und Untergang die Rede, sei mit doppelter Vorsicht und Zurückhaltung vorzugehen. Mehr noch: Das sind gewissermaßen bevorzugte Kandidaten für die sofortige Aussonderung.
Sehr viele der tatsächlichen oder vermeintlichen Erscheinungen der jüngsten Zeit sind Warnungen und kündigen mögliche Züchtigungen an. Ist das das Problem? Am 17. Juni 2023 sagte P. Cecchin dem Avvenire, der Tageszeitung der italienischen Bischöfe, jedenfalls noch deutlicher, was ein Beweggrund für die „Daumenschraube“ zu sein scheint:
„Warum wollen Menschen heute den Papst, die Kirche, die zivilen Institutionen untergraben? Maria ist die Trägerin des Friedens, sie kommt, um uns zu einer Begegnung mit Gott zu führen, weil Gott mich liebt, sie opfert ihren Sohn für die Sünder, nicht um die Welt zu züchtigen.“
Katholisches.info fragte deshalb am 23. Juni 2023, ob Rom eine „Cancel Culture“ gegen Maria vorbereitet?
In diesem Zusammenhang fällt auf, daß der im vergangenen Jahr so medieneifrige P. Cecchin im Gegensatz zu der deutlich zurückhaltender agierenden Sr. Del Gaudio bei der Präsentationspressekonferenz nicht als Redner vorgesehen ist.
Es gebe jedenfalls auch „ernsthafte“ Kandidaten für eine Anerkennung, so Giansoldati, deren Fälle in Bearbeitung sind. Dazu gehören die 1991 verstorbene Mystikerin Pierina Gilli von Montichiari, der die Gottesmutter 1946/47 sowie wieder 1966 und später, zuletzt am 24. März 1983, als „Rosa mystica“ erschienen sei, und Michelino Marcovecchio und die Erscheinungen von Agnone, die noch andauern.
Die Vorstellung der „neuen Normen“ am 17. Mai werden von VaticanNews direkt übertragen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
„Damit delegitimierte er, sicher unabsichtlich, auch Fatima und La Salette“
Wie wäre hier so etwas wie Unabsichtlichkeit möglich? Der Konnex zu diesen berühmten Erscheinungen fällt doch jedem halbwegs interessierten Laien stante pede ein! Ein „Vorsitzender der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie“ muss doch bei derartigen Aussagen jedes Wort auf die Goldwaage legen bzw wenigstens wissen, wovon er spricht!
Undenkbar. Ergo ein bewusster Affront, der anzeigen soll, wohin die Reise geht.
Das nennt man ganz einfach: Zensur.
Willkommen in der Diktatur.
Man nennt es nur anders.
Man will Gott verbieten, zu seinen Kindern zu sprechen.
Natürlich muss die Kirche prüfen, ob eine Offenbarung echt ist, aber jetzt will man Gott zum Schweigen bringen
„Sehr viele der tatsächlichen oder vermeintlichen Erscheinungen der jüngsten Zeit sind Warnungen und kündigen mögliche Züchtigungen an.“ … oder das Erscheinen des Mensch der Gesetzwidrigkeit, dem Sohn des Verderbens, dem Widersacher, der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt. Mit anderen Worten, dass der Thron Petri „usurpiert“ wird, wie es in aktuellen, auch schon seit Jahrzehnten auftretenden Erscheinungen gegenwärtig häufig lautet.
Wenn der Geist ausgelöscht sein wird, prophetisches Reden offiziell geächtet sein wird, wird es sein, wie geschrieben steht: „Wenn dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Messias!, oder: Seht, dort ist er!, so glaubt es nicht!“.
Damit verbunden wird ein weiteres häufig auftretendes Thema aktueller Erscheinungen Realität werden: „Wenn ihr aber den unheilvollen Gräuel an dem Ort seht, wo er nicht stehen darf …“ Die Abschaffung des hl. Messopfers und dessen Ersetzung durch eine Art Gedächtnismahl. Auch auf diesem Internetauftritt wurde bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass seit Jahren an einem neuen Messbuch gearbeitet wird.
Es ist hier etwas verkehrt. Und wenn etwas verkehrt ist, dürfte dahinter der Widersacher stehen, weil er es ist, der alles verdreht. Richtig ist, die Botschaften der Marienerscheinungen aus den letzten etwa zweihundert Jahren sind der Maßstab, mit dem dieses Ponitfikat gemessen wird. Es sind diese Botschaften, mit denen jeder Gläubige die derzeitigen Akteure in Rom entlarven kann. Und nicht umgekehrt. Nicht Papst Franziskus mit seiner Kurie kann über Marienerscheinungen urteilen, sondern sein Pontifikat ist schon in den Marienbotschaften beurteilt worden.
Paulus fordert uns in 1. Tessalonicher 5,21 auf: „Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!“ Dieser Auftrag des Apostels steht über dem, was aus Rom kommen mag.