„Bestimmte Bilder von Maria sind heute nicht mehr nachvollziehbar“

Interview mit Pater Stefano Cecchin von der Päpstlichen Marianischen Akademie und der Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen


Stefano Cecchin, der Präsident der Marianischen Päpstlichen Akademie und Leiter der römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene, im Hintergrund die Pfarrkirche von Medjugorje
Stefano Cecchin, der Präsident der Marianischen Päpstlichen Akademie und Leiter der römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene, im Hintergrund die Pfarrkirche von Medjugorje

„Bestimm­te Bil­der von Maria als gehor­sa­me Magd und unter­wür­fi­ge Frau sind heu­te nicht mehr nach­voll­zieh­bar und rezi­pier­bar“, mit die­sen Aus­sa­gen mel­de­te sich Pater Ste­fa­no Cec­chin, der Vor­sit­zen­de der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie (PAMI) erneut in einem Inter­view zu Wort.

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Im ver­gan­ge­nen April nahm die Römi­sche Beob­ach­tungs­stel­le für Mari­en­er­schei­nun­gen und mysti­sche Phä­no­me­ne ihre Arbeit auf. Sie ist an der Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie ange­sie­delt und wird eben­falls vom Fran­zis­ka­ner Pater Ste­fa­no Cec­chin gelei­tet. Auf­ga­be der Beob­ach­tungs­stel­le ist es, die ver­schie­de­nen Fäl­le von berich­te­ten Mari­en­er­schei­nun­gen zu ana­ly­sie­ren und zu inter­pre­tie­ren: Erschei­nun­gen, Lakri­ma­tio­nen, inne­re Stim­men, Stig­ma­ta und ande­re mysti­sche Phä­no­me­ne, die im Gan­ge sind oder bereits statt­ge­fun­den haben, aber noch auf eine Ent­schei­dung der kirch­li­chen Auto­ri­tät bezüg­lich der Echt­heit warten.

Pater Cec­chin gab seit dem Früh­jahr meh­re­re Inter­views, die für eini­ges Erstau­nen sorg­ten. So sprach er Anfang Mai 2023 gegen­über dem spa­ni­schen Online-Medi­um Alfa y Ome­ga nicht nur davon, daß „zuneh­mend“ fal­sche und betrü­ge­ri­sche „Erschei­nun­gen“ behaup­tet wür­den, son­dern, daß Mari­en­er­schei­nun­gen, „die von Stra­fen Got­tes spre­chen, abso­lut falsch sind“. Die­se apo­dik­ti­sche Aus­sa­ge steht jedoch in einem offen­sicht­li­chen Wider­spruch zu kirch­lich aner­kann­ten Mari­en­er­schei­nun­gen wie La Salet­te und Fati­ma. Hier wäre eine Prä­zi­sie­rung wünschenswert.

Ende Mai wur­de Papst Fran­zis­kus dann in einer Fern­seh­sen­dung gefragt, wie man ech­te von fal­schen Mari­en­er­schei­nun­gen unter­schei­den kön­ne. Die Ant­wort des Pap­stes fiel nicht min­der erstaun­lich aus: Man sol­le erst „gar nicht dort suchen“, dann stel­le sich die Echt­heits­fra­ge gar nicht. Die Kir­che hat immer gelehrt, daß die gött­li­che Offen­ba­rung mit dem Ende der apo­sto­li­schen Zeit bzw. mit der Offen­ba­rung des Johan­nes zu Ende gegan­gen ist. Seit­her gebe es nur Pri­vat­of­fen­ba­run­gen, die nie­mand ver­pflich­tet sei, anzu­er­ken­nen. Den­noch biegt die salop­pe Ant­wort von Papst Fran­zis­kus auch die kirch­lich aner­kann­ten Mari­en­er­schei­nun­gen auf eine Rela­ti­vie­rung sol­cher Phä­no­me­ne her­ab, wie sie von der Kir­che so bis­her nicht ver­tre­ten wur­de. Fran­zis­kus ver­mit­telt den Ein­druck, als habe sich Maria aus offen­bar uner­find­li­chen Grün­den Men­schen mani­fe­stiert und die­sen auch Bot­schaf­ten über­mit­telt. Han­delt es sich auch bei ech­ten Erschei­nungs­phä­no­me­nen um eine irrele­van­te und uner­klär­li­che Eigen­wil­lig­keit der Got­tes­mut­ter, nach der sich die Men­schen erst gar nicht umdre­hen soll­ten, um sich die Fra­ge nach der Echt­heit zu ersparen?

Wei­te­re Inter­views von Pater Cec­chin lie­ßen die Fra­ge auf­tre­ten, was die eigent­li­che Auf­ga­be der neu­en Beob­ach­tungs­stel­le ist. Am 17. Juni wie­der­hol­te der Fran­zis­ka­ner, was er bereits im Vor­mo­nat gesagt hat­te, aller­dings in einer erwei­ter­ten Form. Das Inter­view gab er dem Avve­ni­re, der Tages­zei­tung der ita­lie­ni­schen Bischöfe:

„War­um wol­len Men­schen heu­te den Papst, die Kir­che, die zivi­len Insti­tu­tio­nen unter­gra­ben? Maria ist die Trä­ge­rin des Frie­dens, sie kommt, um uns zu einer Begeg­nung mit Gott zu füh­ren, weil Gott mich liebt, sie opfert ihren Sohn für die Sün­der, nicht um die Welt zu züchtigen.“

Ist ein zen­tra­les Auf­ga­ben­feld der neu­en Beob­ach­tungs­stel­le, Phä­no­me­nen ent­ge­gen­zu­wir­ken, die „den Papst, die Kir­che, die zivi­len Insti­tu­tio­nen unter­gra­ben“ wol­len? Was genau ist damit gemeint? Pater Cec­chin führ­te es nicht näher aus. Dabei ist es durch­aus von Inter­es­se, der Fra­ge nach­zu­ge­hen, war­um und wie es zu Erschei­nungs­phä­no­me­nen kommt, die Kri­tik am regie­ren­den Papst üben, und wie die­se Ent­wick­lung ein­zu­ord­nen ist, selbst wenn es sich dabei um kei­ne ech­ten Erschei­nun­gen han­deln soll­te: Was brin­gen sie zum Ausdruck?

Vor zwei Tagen, am 14. Okto­ber, ver­öf­fent­lich­te die katho­li­sche spa­ni­sche Inter­net-Tages­zei­tung El Deba­te ein neu­es Inter­view mit dem Vor­sit­zen­den der Päpst­li­chen Maria­ni­schen Kom­mis­si­on. Dabei ging es auch um die Arbeit der neu­en Beobachtungsstelle. 

Der Mario­lo­ge beton­te zunächst, daß Maria „Wege der Bekeh­rung“ oder „Wege der Umkehr“ auf­zei­ge, was sich deut­lich von der jüng­sten Ten­denz höch­ster, Papst Fran­zis­kus beson­ders nahe­ste­hen­der Kir­chen­ver­tre­ter unter­schei­det, die genau die­se für über­holt erklä­ren. So sag­te Msgr. Amé­ri­co Manu­el Alves Agui­ar, der Orga­ni­sa­tor des dies­jäh­ri­gen Welt­ju­gend­ta­ges in Por­tu­gal, daß die­se welt­größ­te, von Papst Johan­nes Paul II. ins Leben geru­fe­ne Jugend­ver­an­stal­tung „nie­mand bekeh­ren will“. Der amtie­ren­de Bischof von Hong­kong, Msgr. Ste­phen Chow Ssau-yan, gab am 28. Sep­tem­ber ein Inter­view, in dem er sag­te, daß Evan­ge­li­sie­rung nicht dar­auf abzie­le, jeman­den zu bekeh­ren, denn ein sol­cher „Fokus“ sei „sehr restrik­tiv“. Bei­de Kir­chen­män­ner wur­den von Papst Fran­zis­kus am 30. Sep­tem­ber in den Kar­di­nals­rang erho­ben und damit beson­ders ausgezeichnet.

Auch bei Pater Cec­chin zeigt sich eine Ein­schrän­kung, denn der Ver­weis auf Maria, „die Wege der Bekeh­rung“ auf­zei­ge, wird von ihm schwer­punkt­mä­ßig mit einer Absa­ge gekop­pelt. Die voll­stän­di­ge Aus­sa­ge lautet:

„Maria bie­tet Wege der Umkehr, nicht der Angst“.

Da ist sie wie­der, jene Bot­schaft, die dem Vor­sit­zen­den der neu­en päpst­li­chen Beob­ach­tungs­stel­le beson­ders wich­tig scheint:

„Die Erschei­nun­gen, die von Stra­fen Got­tes spre­chen, sind abso­lut falsch“.

Wir wis­sen nicht, ob Pater Cec­chin mit dem Begriff Kon­ver­si­on „Bekeh­rung“ oder „Umkehr“ mein­te. Wo für Kon­ver­si­on näm­lich der kla­re Begriff „Bekeh­rung“ ver­wen­det wer­den könn­te, steht heu­te viel­fach „Umkehr“. Wäh­rend erste­rer einen kla­ren reli­giö­sen Bezug hat, bleibt Umkehr in ihrer Bedeu­tung vage, wes­halb Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit sei­ner 2015 ver­öf­fent­lich­ten Öko-Enzy­kli­ka Lau­da­to si‘ von einer „öko­lo­gi­schen Umkehr“ spricht, was von eini­gen über­zeug­ten Berg­o­glia­nern sogar als „öko­lo­gi­sche Bekeh­rung“ gele­sen wird. Klar­heit ver­langt vor allem eine kla­re Spra­che. Um die Bedeu­tung her­aus­zu­strei­chen, könn­te man sagen, daß Bekeh­rung eine ver­ti­ka­le, Umkehr auch eine hori­zon­ta­le Dimen­si­on haben kann. Im heu­ti­gen Sprach­ge­brauch bleibt dies­be­züg­lich man­ches im unklaren.

Dar­stel­lung der wei­nen­den Got­tes­mut­ter Maria in La Salette

Pater Cec­chin berich­tet, wie die Päpst­li­che Maria­ni­sche Aka­de­mie 1946 unter Papst Pius XII. gegrün­det wur­de, um „in Vor­be­rei­tung auf die erste Hun­dert­jahr­fei­er der Ver­kün­di­gung des Dog­mas der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis zu orga­ni­sie­ren und zu lei­ten sowie Stu­di­en für die spä­te­re Defi­ni­ti­on des Dog­mas der Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel zu fördern“.

Zen­tral gehe es der Aka­de­mie dar­um, „die Figur der Maria bes­ser zu ver­ste­hen“ und ihr „Bild der Ver­gan­gen­heit zu aktua­li­sie­ren“, wobei Pater Cec­chin betont: „Ich möch­te klar­stel­len: aktua­li­siert, nicht ver­än­dert“. Lei­der besagt auch eine sol­che Prä­zi­sie­rung im Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus nicht mehr all­zu­viel, da Fran­zis­kus nichts in der Leh­re, sehr wohl aber in der Pra­xis ändern will. Man könn­te von einer Umwer­tung der Wer­te spre­chen. Doch hören wir Pater Cecchin:

„Papst Fran­zis­kus hat emp­foh­len, daß wir als Kir­che ein Ort der Begeg­nung sein soll­ten, an dem wir dis­ku­tie­ren und dia­lo­gi­sie­ren kön­nen, um vor­an­zu­kom­men. Das ist die Haupt­auf­ga­be der Aka­de­mie. Des­halb haben wir uns der Trans­kul­tu­ra­li­tät geöff­net: Wir haben die maria­nisch-mus­li­mi­sche Kom­mis­si­on ins Leben geru­fen; Abtei­lun­gen, die sich der Öko­lo­gie oder der Medi­zin wid­men; oder eine Abtei­lung, die das Mari­en­bild von der Mafia befreit.“

Man staunt: Das Mari­en­bild „von der Mafia befrei­en“? Eine Öko­lo­gie-Abtei­lung der Päpst­li­chen Maria­ni­schen Aka­de­mie? Inter­es­san­ter ist die Errich­tung einer maria­nisch-mus­li­mi­schen Kom­mis­si­on, über deren Arbeit man ger­ne mehr erfah­ren wür­de, um sich ein Bild machen zu kön­nen. Maria wird im Koran mehr­fach genannt. Es ist bekannt, daß Mus­li­me im Nahen Osten und auch ande­ren mehr­heit­lich isla­mi­schen Welt­ge­gen­den zu christ­li­chen Mari­en­hei­lig­tü­mern pil­gern und auch Moscheen nach ihr benannt sind. Aller­dings ehrt sie der Islam nur als Mut­ter des „Pro­phe­ten“ Jesus, nicht aber als Gottesmutter.

„Maria drückt sich in der Spra­che der Men­schen auf der gan­zen Welt aus: In Tai­wan zum Bei­spiel sprach sie zu Tao­isten, in Indi­en zu Hin­dus, in Rom zu Alphon­se Ratis­bon­ne, einem Athe­isten. Wir glau­ben, daß bestimm­te Bil­der von Maria als gehor­sa­me, die­nen­de, unter­wür­fi­ge Frau heu­te nicht mehr ver­ständ­lich sind und auch nicht rezi­piert wer­den können.“

Für „die­nend“ ver­wen­det Pater Cec­chin das Adjek­tiv „escla­vi­zada“, wört­lich ver­sklavt, womit im Spa­ni­schen aller­dings soviel wie Magd gemeint ist. Es ent­spricht dem in der kirch­li­chen Spra­che gebräuch­li­chen männ­li­chen Pen­dant „Ser­vus“, also Knecht (Knecht Got­tes), heu­te meist als Die­ner übersetzt.

Was meint er aber damit?

Die „Aktua­li­sie­rung“ sol­le erfol­gen „durch die Stär­kung des anthro­po­lo­gi­schen Aspekts. In der Ver­gan­gen­heit haben wir immer die Mario­lo­gie der Herr­lich­keit betont, mit einer Jung­frau, die in Gold, Licht und Ster­ne geklei­det ist. Um in den Him­mel zu gelan­gen, war Maria aber ein Kind, eine Frau, die für ihren Sohn litt, die leb­te, die wein­te, die lach­te. Wir müs­sen das Bild von Maria, die mit uns geht, wie­der­ge­win­nen. Und das glei­che gilt für Jesus. Die Exi­stenz Jesu zeigt, was es heißt, zu lei­den, zu lie­ben, zu lächeln und auch Angst vor dem Tod zu haben. Wir müs­sen den Jesus dar­stel­len, der mei­nem Mensch­sein Leben und Sinn gege­ben hat. Auf die­se Wei­se machen wir deut­lich, daß er der Sohn Got­tes ist und daß Maria die Mut­ter Got­tes ist, aber auch, daß sie unse­re Geschwi­ster sind. Geschwi­ster, die dir hel­fen, dein Leben bes­ser zu leben. Es reicht nicht aus, die Ker­zen anzu­zün­den: Maria und Jesus sind Model­le für ein erfüll­tes Leben.“

Man meint, dar­in vor allem eine gewoll­te Hori­zon­ta­li­sie­rung her­aus­zu­hö­ren, wäh­rend die tran­szen­den­te Dimen­si­on mit ihrer Herr­lich­keit Got­tes und dem König­tum Jesu und Mari­ens ent­schwin­det. Die Welt wird dadurch aller­dings der über­ra­gen­den Ein­zig­ar­tig­keit und strah­len­den Alter­na­ti­ve ent­blößt, die durch Chri­stus im Heils­ge­sche­hen in die Welt ein­ge­tre­ten ist. Pater Cec­chin weiter:

„Maria ist die Trä­ge­rin des Wohl­erge­hens. Maria will die Zusam­men­ar­beit, die Lie­be, die Ver­ei­ni­gung und den Respekt zwi­schen den Völ­kern. Es ist eine Bot­schaft, die ganz im Sin­ne der Enzy­kli­ka Lau­da­to si’ ist, der Bewah­rung der Schön­heit der Schöpfung“.

Da ist sie wie­der, die „öko­lo­gi­sche“ Umkehr/​Bekehrung.

Dann kommt der Fran­zis­ka­ner-Mario­lo­ge auf die neue Beob­ach­tungs­stel­le für maria­ni­sche Phä­no­me­ne zu spre­chen. Die­se 2017 gegrün­de­te und seit dem ver­gan­ge­nen Früh­jahr akti­ve Stel­le wur­de des­halb ins Leben geru­fen, weil „in letz­ter Zeit in der gan­zen Kir­che die Alarm­glocken über die mehr oder weni­ger heil­sa­me Art und Wei­se, in der über Mari­en­er­schei­nun­gen oder angeb­li­che Mari­en­er­schei­nun­gen berich­tet wird. Das Ziel der Beob­ach­tungs­stel­le ist es, den Men­schen zu hel­fen zu unter­schei­den, was wahr ist und was eine Lüge ist. Wir haben vie­le Rea­li­tä­ten von Schar­la­ta­nen in der gan­zen Welt. Mit Exper­ten ver­su­chen wir zu unter­su­chen, wie der Mensch zum Skla­ven die­ser Schar­la­ta­ne wer­den kann; war­um bestimm­te Mari­en­er­schei­nun­gen oder Bot­schaf­ten über­mit­telt wer­den; ob sie mit dem Evan­ge­li­um über­ein­stim­men oder ob sie dazu die­nen, Äng­ste zu schü­ren, wie zum Bei­spiel die vor dem Ende der Welt. Wir erset­zen nicht das Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re oder die Bischö­fe. Wir machen einen Teil der wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chung, um maria­ni­sche Phä­no­me­ne oder angeb­li­che maria­ni­sche Phä­no­me­ne zu erken­nen. Wir ver­ur­tei­len kei­ne Erscheinung.“

Die Kir­che betrach­te Erschei­nun­gen als „Tat­sa­chen, Geschen­ke Got­tes, die das christ­li­che Zeug­nis und die Zuge­hö­rig­keit zur Kir­che wecken sol­len“. Sie sei­en aber „immer an die Zeit, die Spra­che und die Kul­tur des Ortes gebun­den, an dem sie statt­fin­den. Ach­tung, das ist eine grund­le­gen­de Pas­sa­ge. Es ist immer not­wen­dig, die Fra­ge der Erschei­nun­gen in einen Kon­text zu stellen.“

Als kon­kre­tes Bei­spiel nennt Pater Cecchin:

„Wenn zum Bei­spiel gesagt wird, daß die Mut­ter de Agre­da nicht mit dem Zwei­ten Vati­ca­num über­ein­stimmt, muß man beden­ken, daß sie im Jahr 1600 leb­te, in einer histo­ri­schen Peri­ode, die sich von der heu­ti­gen völ­lig unter­schei­det. Und wenn man Maria de Agre­da stu­diert, muß man sich in die­se Rea­li­tät hin­ein­ver­set­zen, nicht in die des Zwei­ten Vati­ca­num. Das glei­che gilt für Stu­di­en über Offen­ba­run­gen, die offen­sicht­lich das Gegen­teil der Leh­re aus­sa­gen: Die hei­li­ge Mar­ga­re­ta von Cor­to­na und die hei­li­ge Katha­ri­na bestä­ti­gen in ihren Offen­ba­run­gen, daß Maria mit der Erb­sün­de emp­fan­gen wur­de; die hei­li­ge Bir­git­ta und Lour­des das Gegen­teil. Der hei­li­ge Bern­hard, der hei­li­ge Tho­mas von Aquin und der hei­li­ge Bona­ven­tura lehn­ten das Dog­ma der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis ab. Die seli­ge Emme­rich glaubt durch ihre Offen­ba­run­gen, daß Maria in Ephe­sus gestor­ben ist, ande­re Mysti­ker in Jeru­sa­lem, wie histo­ri­sche Stu­di­en zu bestä­ti­gen schei­nen. Wenn uns aus der Ver­gan­gen­heit Geschich­ten, Legen­den und Wun­der über­lie­fert wur­den, die jeweils in einen bestimm­ten histo­ri­schen Kon­text ein­ge­bet­tet waren, müs­sen wir heu­te eine Hier­ar­chie der Wer­te auf­stel­len und dar­in auch Phä­no­me­ne berück­sich­ti­gen, die nicht unab­ding­bar sind.“

Wich­tig sei daher:

„Die Erfas­sung des Wesens der Offen­ba­rung. Was uns die Offen­ba­rung ver­mit­telt und was heu­te bewahrt wer­den muß, ist die Ver­wirk­li­chung des Evan­ge­li­ums. Alles ande­re ist zweit­ran­gig. Was in den Bot­schaf­ten von Fati­ma oder Med­jug­or­je über die Cha­rak­te­ri­sti­ken der Erschei­nun­gen steht, kann wich­tig sein, ist aber nicht not­wen­dig. Es sind Orte der Gna­de, unab­hän­gig von den Erscheinungen.“

Maria sei nicht gekom­men, „um uns Bot­schaf­ten des Schreckens zu brin­gen, son­dern um uns zu bit­ten, daß wir uns bekehren“.

„Maria bie­tet uns Wege der Umkehr an, nicht der Angst. Wir müs­sen uns nicht bekeh­ren, weil wir sonst in die Höl­le kom­men. Die Her­aus­for­de­rung der Mut­ter­got­tes an uns besteht dar­in, kei­ne Mau­ern aus Angst zu errich­ten, son­dern in jedem von uns einen Weg des Glau­bens für eine wah­re Umkehr zu schaffen.“

Der Mario­lo­ge kün­dig­te für den 16. Novem­ber eine Tagung über die bereits erwähn­te spa­ni­sche Mysti­ke­rin Maria de Agre­da an, „eine Frau, die Geschich­te geschrie­ben hat“. Bei die­ser Gele­gen­heit wer­den die Mit­ar­bei­ter der Aka­de­mie und der Beob­ach­tungs­stel­le von Papst Fran­zis­kus in Pri­vat­au­di­enz emp­fan­gen werden.

„Sie ist ein Bei­spiel dafür, wie man ein stren­ges monasti­sches Leben füh­ren und sich der Welt öff­nen kann. Sie gilt als die ein­zi­ge ech­te maria­ni­sche Mysti­ke­rin in der Kir­che. Sie gilt auch als eine der Müt­ter der spa­ni­schen Spra­che, weil sie in einer Zeit, in der die Alpha­be­ti­sie­rung gering war, lite­ra­ri­sche Wer­ke schuf. Her­vor­zu­he­ben sind ihre Brie­fe an König Phil­ipp IV., in denen sie einen gerech­ten König anmahnt und for­dert. Ihre Bücher wur­den in alle Spra­chen über­setzt, auch ins Chi­ne­si­sche. In der Geschich­te haben sich zahl­rei­che Hei­li­ge an ihren Tex­ten orientiert.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Ste­fa­no Cecchin/​El Deba­te (Screen­shot)

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