Der Weltjugendtag, der „niemand bekehren will“

Die seltsamen Ansichten eines künftigen Kardinals


Msgr. Américo Aguiar macht unter Papst Franziskus eine steile Karriere, unverdient, wie manche meinen.
Msgr. Américo Aguiar macht unter Papst Franziskus eine steile Karriere, unverdient, wie manche meinen.

Not­wen­di­ge Anmer­kun­gen von Giu­sep­pe Nardi

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Über­ra­schend gab Papst Fran­zis­kus am 9. Juli die Kar­di­nals­er­he­bung von Msgr. Amé­ri­co Manu­el Alves Agui­ar bekannt, den er 2019 zum Weih­bi­schof von Por­to ernannt hat­te. Don Agui­ar besitzt einen Master in Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten, ist in der Por­tu­gie­si­schen Bischofs­kon­fe­renz für die „sozia­le Kom­mu­ni­ka­ti­on“ zustän­dig und tritt der­zeit vor allem als Orga­ni­sa­tor des Anfang August in Lis­sa­bon statt­fin­den­den Welt­ju­gend­ta­ges in Erschei­nung. Für Kri­tik sorgt ein Inter­view Aguiars, das er am 6. Juli dem por­tu­gie­si­schen Sen­der RTP Noti­ci­as gege­ben hat­te. Drei Tage spä­ter gab Papst Fran­zis­kus bekannt, Agui­ar im Sep­tem­ber zum Kar­di­nal zu erhe­ben. Nun sagt der künf­ti­ge Pur­pur­trä­ger, die umstrit­te­nen Aus­sa­gen sei­en aus dem Zusam­men­hang geris­sen wor­den. Ist das aber glaub­haft und über­haupt ernstgemeint?

Beson­de­re Empö­rung löste Aguiars Aus­sa­ge aus, daß der Welt­ju­gend­tag „kei­ne jun­gen Men­schen zu Chri­stus oder zur katho­li­schen Kir­che oder irgend­et­was in der Art bekeh­ren“ wolle. 

Wozu aber soll­te die Kir­che dann eine sol­che Groß­ver­an­stal­tung orga­ni­sie­ren, wenn nicht zur Evan­ge­li­sie­rung? Erst recht erstaun­te die­se Aus­sa­ge aus dem Mund jenes Man­nes, des­sen soeben erfolg­te Kar­di­nals­er­nen­nung vor allem auf der Durch­füh­rung des Welt­ju­gend­ta­ges gründet.

Nata­lia Zim­brão vom por­tu­gie­sisch­spra­chi­gen Dienst von Aci­Pren­sa (CNA) gab dem künf­ti­gen Kar­di­nal die Gele­gen­heit, sei­ne Sicht der Din­ge dar­zu­stel­len, die Agui­ar wie folgt erklärte:

„Der Welt­ju­gend­tag ist eine Ein­la­dung an alle jun­gen Men­schen der Welt zu einer Got­tes­er­fah­rung. Das sind mei­ne Über­zeu­gun­gen, die den von Ihnen zitier­ten Satz stüt­zen, der natür­lich aus dem Zusam­men­hang eines lan­gen Inter­views geris­sen wurde.“

Weni­ge Tage zuvor hat­te er wört­lich gesagt:

„Wir wol­len die jun­gen Men­schen nicht zu Chri­stus oder zur katho­li­schen Kir­che bekeh­ren, ganz und gar nicht. Wir wol­len, daß es für einen jun­gen katho­li­schen Chri­sten nor­mal ist, zu sagen und zu bezeu­gen, wer er ist, oder daß ein jun­ger Mus­lim, Jude oder ein jun­ger Mensch einer ande­ren Reli­gi­on kein Pro­blem damit hat, zu sagen, wer er ist, und dies zu bezeu­gen, und daß ein jun­ger Mensch, der kei­ne Reli­gi­on hat, sich will­kom­men fühlt und sich nicht fremd fühlt, weil er anders denkt.“

Der WJT-Orga­ni­sa­tor und künf­ti­ge Kar­di­nal woll­te damit „Offen­heit“ signa­li­sie­ren, also sagen, daß „nicht nur Katho­li­ken“ zum Welt­ju­gend­tag ein­ge­la­den sei­en, son­dern alle jun­gen Men­schen. Schwer nach­voll­zieh­bar bleibt aller­dings die Aus­sa­ge eines so hohen Kir­chen­man­nes zu Mus­li­men, Juden, kurz­um allen ande­ren Reli­gi­ons­an­ge­hö­ri­gen oder gar Glau­bens­lo­sen, sich selbst­be­wußt zu ihrem „Anders­sein“ zu beken­nen. Wel­chen Sinn soll­te das haben? War­um über­haupt sprach der künf­ti­ge Kar­di­nal über Din­ge, nach denen ihn nie­mand gefragt hat­te? Vor allem: War­um bedien­te er dabei ziel­ge­nau, was ein kir­chen­fer­ner Main­stream ger­ne hören möchte?

Nun recht­fer­tig­te er sich mit den Wor­ten, wie „wich­tig“ es sei, „daß wir alle ver­ste­hen, daß die Ver­schie­den­heit ein Reich­tum ist und die Welt objek­tiv bes­ser sein wird, wenn wir in der Lage sind, die­se Gewiss­heit von Fra­tel­li tut­ti, von allen Brü­dern, in die Her­zen aller jun­gen Men­schen zu legen, daß der Papst eine enor­me Anstren­gung unter­nom­men hat, damit dies in die Her­zen aller kommt“.

Der Hin­weis bezieht sich auf die Enzy­kli­ka Fra­tel­li tut­ti von Papst Fran­zis­kus vom 4. Okto­ber 2020, der die Unter­zeich­nung des höchst umstrit­te­nen Doku­ments von Abu Dha­bi im Febru­ar 2019 vor­aus­ging, in dem die Viel­falt der Reli­gio­nen, Bekennt­nis­se und Über­zeu­gun­gen als „gott­ge­wollt“ bezeich­net wird, was unter gläu­bi­gen Katho­li­ken gro­ße Empö­rung aus­lö­ste und Fran­zis­kus den Vor­wurf des Rela­ti­vis­mus ein­brach­te. Der öster­rei­chi­sche Phi­lo­soph Joseph Sei­fert sprach von der „Häre­sie der Häre­si­en“. Fran­zis­kus setz­te sei­ne Brü­der­lich­keits­the­se den­noch unver­min­dert fort.

Nun sag­te Msgr. Agui­ar gegen­über ACI Digi­tal:

„Der Welt­ju­gend­tag war, ist und soll kei­ne bekeh­ren­de Ver­an­stal­tung sein. Im Gegen­teil, er ist und soll­te immer eine Gele­gen­heit sein, ein­an­der als Brü­der und Schwe­stern ken­nen­zu­ler­nen und zu respektieren.“

Damit stell­te er sei­ne angeb­lich aus dem Zusam­men­hang geris­se­ne ursprüng­li­che Aus­sa­ge nicht klar, son­dern bestä­tig­te sie viel­mehr. Die Fra­ge, war­um die Kir­che ein sol­ches Tref­fen ver­an­stal­ten soll­te, beant­wor­te­te er nicht und wur­de auch nicht danach gefragt. Agui­ar mein­te ledig­lich, daß „die Kir­che sich nicht auf­drängt“, son­dern „vor­schlägt“.

„Es ist gut, daß wir alle bereit sind, Zeug­nis für den leben­di­gen Chri­stus abzu­le­gen und auf die Ver­än­de­rung zu ver­trau­en, die nur der leben­di­ge Chri­stus in unse­rem Leben bewir­ken kann.“

Wie das aber gesche­hen soll, wenn ein jun­ger Mus­lim gleich­zei­tig beim Welt­ju­gend­tag sich selbst­be­wußt als Mus­lim, ein jun­ger Jude gleich­zei­tig sich selbst­be­wußt als Jude, ein Glau­bens­lo­ser gleich­zei­tig sich selbst­be­wußt als Glau­bens­lo­ser beken­nen soll, sag­te er nicht. Die ein­zi­ge Lek­ti­on, die sich dar­aus ergibt, ist ein Erzie­hungs­pro­gramm des rea­len Relativismus.

Denn die Bekeh­rung, so Agui­ar, sei „die geheim­nis­vol­le Frucht des Wir­kens des Hei­li­gen Gei­stes“. Soweit so rich­tig, doch die Kir­che wür­de es mit dem vom künf­ti­gen Kar­di­nal vor­ge­schla­ge­nen Ver­hal­tens­ko­dex dem Hei­li­gen Geist wohl sehr schwer machen.

Das Auf­ge­ben der Evan­ge­li­sie­rung führ­te Agui­ar mit den Wor­ten aus:

„Was sich nie ändert, ist das, was Jesus von uns ver­langt: den ande­ren als Bru­der anzu­neh­men. Die Ent­deckung der Gegen­wart des leben­di­gen Jesus fin­det jeden Tag in der Begeg­nung zwi­schen all jenen statt, die sich Fra­gen über Gott stellen.“

Die­se Spi­ri­tua­li­sie­rung, in der die Evan­ge­li­sie­rung in einem undurch­dring­li­chen Nebel ent­schwin­det, gibt wohl eine Rea­li­tät der Kir­chen­ge­schich­te wie­der, aber kei­nes­wegs eine umfas­sen­de. Für Agui­ar klingt das so:

„Die Bekeh­rung geschieht durch das Zeug­nis, nicht durch Auf­zwin­gen. Die Bekeh­rung fin­det im Her­zen statt, nicht im Ver­stand. Denn sie beruht auf dem gro­ßen Geheim­nis der Mensch­wer­dung und der Auf­er­ste­hung. Wir spre­chen von Gott, wir ver­kün­den den Sohn, wir erfah­ren den Geist. Und wir alle kön­nen Jün­ger Jesu sein, sind es und ver­su­chen es zu sein, der uns immer wie­der auf­for­dert, sein Wort zu ver­kün­den und Zeug­nis von sei­ner Lie­be zu allen zu geben.
Von Chri­stus zu spre­chen heißt, das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den, und das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den heißt, von Chri­stus zu spre­chen. Jeder Welt­ju­gend­tag ist ein rie­si­ges Feld, auf dem die Saat gesät wird. Die Saat des Wor­tes, des Zeug­nis­ses, der Freu­de, des Frie­dens, der Begeg­nung, der Ver­söh­nung… Wir glau­ben, daß der Boden gut ist und die Saat Früch­te tra­gen wird.“

War­um aber äußer­te sich Agui­ar dann am 6. Juli so miß­ver­ständ­lich? Er muß­te doch wis­sen, was er sagt. Vor allem: Er kor­ri­gier­te die­se Aus­sa­gen gegen­über ACI Digi­tal nicht, son­dern bestä­tig­te sie auf unglaub­li­che Wei­se mit der Kern­aus­sa­ge, daß der Welt­ju­gend­tag „nie eine Ver­an­stal­tung zur Bekeh­rung war, ist oder sein sollte“.

Wirk­lich, Exzellenz? 

Wenn das stim­men soll­te, wäre es dann nicht ehr­li­cher für die Kir­che, wie ein römi­scher Beob­ach­ter mein­te, die Durch­füh­rung des Welt­ju­gend­ta­ges auf­zu­ge­ben, und ehr­li­cher für Agui­ar, die Kar­di­nals­wür­de abzu­leh­nen, da sei­ne ein­zi­gen erkenn­ba­ren „Ver­dien­ste“ damit ver­bun­den sind?

Bild: You­tube (Screen­shot)

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